Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR)
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UStR 18. Gewerbliche oder berufliche Tätigkeit
Zu § 2 UStG
(1) 1Der Begriff der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Sinne des UStG geht über den Begriff des Gewerbebetriebes nach dem EStG und dem GewStG hinaus (vgl. BFH-Urteil vom 5. 9. 1963, V 117/60 U, BStBl III S. 520). 2Eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit setzt voraus, dass Leistungen im wirtschaftlichen Sinn ausgeführt werden. 3Betätigungen, die sich nur als Leistungen im Rechtssinn, nicht aber zugleich auch als Leistungen im wirtschaftlichen Sinne darstellen, werden von der Umsatzsteuer nicht erfasst. 4Leistungen, bei denen ein über die reine Entgeltentrichtung hinausgehendes eigenes wirtschaftliches Interesse des Entrichtenden nicht verfolgt wird, sind zwar Leistungen im Rechtssinn, aber keine Leistungen im wirtschaftlichen Sinn (vgl. BFH-Urteil vom 31. 7. 1969, V 94/65, BStBl II S. 637). 5Die Unterhaltung von Giro-, Bauspar- und Sparkonten sowie das Eigentum an Wertpapieren begründen für sich allein noch nicht die Unternehmereigenschaft einer natürlichen Person (vgl. BFH-Urteile vom 1. 2. 1973, V R 2/70, BStBl II S. 172, und vom 11. 10. 1973, V R 14/73, BStBl 1974 II S. 47).
(2) 1Das bloße Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen ist keine unternehmerische Tätigkeit (vgl. EuGH-Urteile vom 14. 11. 2000, C-142/99, EuGHE I 2000 S. 9567, vom 27. 9. 2001, C-16/00, EuGHE I S. 6663 und vom 29. 4. 2004, C-77/01, EuGHE I S. 4295). 2Wer sich an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft beteiligt, übt zwar eine „Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen” aus. 3Gleichwohl ist er im Regelfall nicht Unternehmer im Sinne des UStG, weil Dividenden und andere Gewinnbeteiligungen aus Gesellschaftsverhältnissen nicht als umsatzsteuerrechtliches Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs anzusehen sind (vgl. EuGH-Urteil vom 21. 10. 2004, C-8/03, EuGHE I S. 10157). 4Soweit daneben eine weitergehende Geschäftstätigkeit ausgeübt wird, die für sich die Unternehmereigenschaft begründet, ist diese vom nichtunternehmerischen Bereich zu trennen. 5Unternehmer, die neben ihrer unternehmerischen Betätigung auch Beteiligungen an anderen Gesellschaften halten, können diese Beteiligungen grundsätzlich nicht dem Unternehmen zuordnen. 6Bei diesen Unternehmern ist deshalb eine Trennung des unternehmerischen Bereichs vom nichtunternehmerischen Bereich geboten. 7Dieser Grundsatz gilt für alle Unternehmer gleich welcher Rechtsform (vgl. BFH-Urteil vom 20. 12. 1984, V R 25/76, BStBl II 1985 S. 176). 8Auch Erwerbsgesellschaften können daher gesellschaftsrechtliche Beteiligungen im nichtunternehmerischen Bereich halten. 9Dies bedeutet, dass eine Holding, deren Zweck sich auf das Halten und Verwalten gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen beschränkt und die keine Leistungen gegen Entgelt erbringt (sog. Finanzholding), nicht Unternehmer im Sinne des § 2 UStG ist. 10Demgegenüber ist eine Holding, die im Sinne einer einheitlichen Leitung aktiv in das laufende Tagesgeschäft ihrer Tochtergesellschaften eingreift (sog. Führungs- oder Funktionsholding), unternehmerisch tätig. 11Wird eine Holding nur gegenüber einigen Tochtergesellschaften geschäftsleitend tätig, während sie Beteiligungen an anderen Tochtergesellschaften lediglich hält und verwaltet (sog. gemischte Holding), hat sie sowohl einen unternehmerischen als auch einen nichtunternehmerischen Bereich. 12Das Erwerben, Halten und Veräußern einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung stellt nur dann eine unternehmerische Tätigkeit dar (vgl. EuGH-Urteil vom 6. 2. 1997, C-80/95, EuGHE I S. 745),
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soweit Beteiligungen im Sinne eines gewerblichen Wertpapierhandels gewerbsmäßig erworben und veräußert werden und dadurch eine nachhaltige, auf Einnahmeerzielungsabsicht gerichtete Tätigkeit entfaltet wird (vgl. BFH-Urteil vom 15. 1. 1987, V R 3/77, BStBl II S. 512 und EuGH-Urteil vom 29. 4. 2004, a.a.O.) oder
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wenn die Beteiligung nicht um ihrer selbst willen (bloßer Wille, Dividenden zu erhalten) gehalten wird, sondern der Förderung einer bestehenden oder beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit (z.B. Sicherung günstiger Einkaufskonditionen, Verschaffung von Einfluss bei potenziellen Konkurrenten, Sicherung günstiger Absatzkonditionen) dient (vgl. EuGH-Urteil vom 11. 7. 1996, C-306/94, EuGHE I S. 3695), oder
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1soweit die Beteiligung, abgesehen von der Ausübung der Rechte als Gesellschafter oder Aktionär, zum Zweck des unmittelbaren Eingreifens in die Verwaltung der Gesellschaften, an denen die Beteiligung besteht, erfolgt (vgl. EuGH-Urteil vom 20. 6. 1991, C-60/90, EuGHE I S. 3111). 2Die Eingriffe müssen dabei zwingend durch unternehmerische Leistungen im Sinne der § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 UStG erfolgen, z.B. durch das entgeltliche Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen an die jeweilige Beteiligungsgesellschaft (vgl. EuGH-Urteile vom 27. 9. 2001, a.a.O., und vom 12. 7. 2001, C-102/00, EuGHE I S. 5679).
13Das Innehaben einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung stellt demnach, abgesehen von den Fällen des gewerblichen Wertpapierhandels, nur dann eine unternehmerische Tätigkeit dar, wenn die gesellschaftsrechtliche Beteiligung im Zusammenhang mit einem unternehmerischen Grundgeschäft erworben, gehalten und veräußert wird, es sich hierbei also um Hilfsgeschäfte handelt (vgl. Abschnitt 20 Abs. 2). 14Dabei reicht nicht jeder beliebige Zusammenhang zwischen dem Erwerb und Halten der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung und der unternehmerischen Haupttätigkeit aus. 15Vielmehr muss zwischen der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung und der unternehmerischen Haupttätigkeit ein erkennbarer und objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen (vgl. Abschnitt 192 Abs. 17). 16Das ist der Fall, wenn die Aufwendungen für die gesellschaftsrechtliche Beteiligung zu den Kostenelementen der Umsätze aus der Haupttätigkeit gehören (vgl. EuGH-Urteil vom 26. 5. 2005, C-465/03. EuGHE I S. 4357, und BFH-Urteil vom 10. 4. 1997, V R 26/96, BStBl II S. 552).
(3) 1Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nachhaltig ausgeübt, wenn sie auf Dauer zur Erzielung von Entgelten angelegt ist (vgl. BFH-Urteile vom 30. 7. 1986, V R 41/76, BStBl II S. 874, und vom 18. 7. 1991, V R 86/87, BStBl II S. 776). 2Ob dies der Fall ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall. 3Die für und gegen die Nachhaltigkeit sprechenden Merkmale müssen gegeneinander abgewogen werden. 4Als Kriterien für die Nachhaltigkeit einer Tätigkeit kommen nach dem BFH-Urteil vom 18. 7. 1991, a.a.O., insbesondere in Betracht:
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mehrjährige Tätigkeit,
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planmäßiges Handeln,
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auf Wiederholung angelegte Tätigkeit,
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die Ausführung mehr als nur eines Umsatzes,
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Vornahme mehrerer gleichartiger Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses,
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langfristige Duldung eines Eingriffs in den eigenen Rechtskreis,
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Intensität des Tätigwerdens,
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Beteiligung am Markt,
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Auftreten wie ein Händler,
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Unterhalten eines Geschäftslokals,
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Auftreten nach außen, z.B. gegenüber Behörden.
(4) 1Nachhaltig ist in der Regel:
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eine Verwaltungs- oder eine Auseinandersetzungs-Testamentsvollstreckung, die sich über mehrere Jahre erstreckt, auch wenn sie aus privatem Anlass vorgenommen wird (vgl. BFH-Urteile vom 7. 8. 1975, V R 43/71, BStBl 1976 II S. 57, vom 26. 9. 1991, V R 1/87, UR 1993 S. 194, vom 30. 5. 1996, V R 26/93, UR 1997 S. 143, und vom 7. 9. 2006, V R 6/05, BStBl 2007 II S. 148 ),
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die einmalige Bestellung eines Nießbrauchs an seinem Grundstück – Duldungsleistung – (vgl. BFH-Urteil vom 16. 12. 1971, V R 41/68, BStBl 1972 II S. 238),
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die Vermietung allein eines Gegenstands durch den Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts an die Gesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 7. 11. 1991, V R 116/86, BStBl 1992 II S. 269),
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der An- und Verkauf mehrerer neuer Kfz, auch wenn es sich um „private Gefälligkeiten” gehandelt habe (vgl. BFH-Urteil vom 7. 9. 1995, V R 25/94, BStBl 1996 II S. 109) und
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die entgeltliche Unterlassung von Wettbewerb über einen längeren Zeitraum von z.B. fünf Jahren, wobei die vereinbarte Vergütung bereits ein Indiz für das wirtschaftliche Gewicht der Tätigkeit darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 13. 11. 2003, V R 59/02, BStBl 2004 II S. 472); nicht erforderlich ist ein enger Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit des Steuerpflichtigen oder die Absicht, in weiteren Fällen gegen Vergütung ein Wettbewerbsverbot einzugehen.
2Nicht nachhaltig als Unternehmer wird dagegen tätig:
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ein Angehöriger einer Automobilfabrik, der von dieser unter Inanspruchnahme des Werksangehörigenrabatts fabrikneue Automobile erwirbt und diese nach einer Behaltefrist von mehr als einem Jahr wieder verkauft (vgl. BFH-Urteil vom 18. 7. 1991, a.a.O.),
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ein Briefmarken- oder Münzsammler, der aus privaten Neigungen sammelt, soweit er Einzelstücke veräußert (wegtauscht), die Sammlung teilweise umschichtet oder die Sammlung ganz oder teilweise veräußert (vgl. BFH-Urteile vom 29. 6. 1987, X R 23/82, BStBl II S. 744, und vom 16. 7. 1987, X R 48/82, BStBl II S. 752) und
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wer ein Einzelunternehmen zu dem Zweck erwirbt, es unmittelbar in eine Personengesellschaft einzubringen, begründet keine unternehmerische Betätigung, weil damit regelmäßig keine auf gewisse Dauer angelegte geschäftliche Tätigkeit entfaltet wird (vgl. BFH-Urteil vom 15. 1. 1987, a.a.O.).
(5) 1Soweit der Betreiber einer unter §§ 3 bis 11 EEG fallenden Anlage zur Stromgewinnung den erzeugten Strom ganz oder teilweise, regelmäßig und nicht nur gelegentlich in das allgemeine Stromnetz einspeist, dient diese Anlage ausschließlich der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus der Stromerzeugung. 2Das Betreiben einer solchen Anlage durch sonst nicht unternehmerisch tätige Personen ist daher unabhängig von der leistungsmäßigen Auslegung der Anlage und dem Entstehen von Stromüberschüssen eine nachhaltige Tätigkeit und begründet die Unternehmereigenschaft. 3Sofern nur gelegentlich Strom in das allgemeine Stromnetz abgegeben wird, ist der Anlagenbetreiber nicht Unternehmer. 4 Eine Unternehmereigenschaft des Betreibers der Anlage ist grundsätzlich ebenfalls nicht gegeben, wenn eine physische Einspeisung des erzeugten Stroms nicht möglich ist (z.B. auf Grund unterschiedlicher Netzspannungen), weil hierbei kein Leistungsaustausch zwischen dem Betreiber der Anlage und dem des allgemeinen Stromnetzes vorliegt. 5Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der sog. kaufmännisch-bilanziellen Einspeisung nach § 4 Abs. 5 EEG vgl. jedoch Abschnitt 42n.
(6) 1Bei der Vermietung von Gegenständen, die ihrer Art nach sowohl für unternehmerische als auch für nichtunternehmerische Zwecke verwendet werden können (z.B. sog. Freizeitgegenstände), sind alle Umstände ihrer Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob sie tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet werden (vgl. EuGH-Urteil vom 26. 9. 1996, C-230/94, UR 1996 S. 418). 2Die nur gelegentliche Vermietung eines derartigen, im Übrigen privat genutzten Gegenstands (z.B. Wohnmobil, Segelboot) durch den Eigentümer ist keine unternehmerische Tätigkeit. 3Bei der Beurteilung, ob zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vermietet wird, kann ins Gewicht fallen, dass
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nur ein einziger, seiner Art nach für die Freizeitgestaltung geeigneter Gegenstand angeschafft wurde,
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dieser überwiegend für private eigene Zwecke oder für nichtunternehmerische Zwecke des Ehegatten genutzt worden ist,
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der Gegenstand nur mit Verlusten eingesetzt und weitestgehend von dem Ehegatten finanziert und unterhalten wurde,
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er nur für die Zeit der tatsächlichen Vermietung versichert worden war und
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weder ein Büro noch besondere Einrichtungen (z.B. zur Unterbringung und Pflege des Gegenstands) vorhanden waren
(vgl. BFH-Urteil vom 12. 12. 1996, V R 23/93, BStBl 1997 II S. 368).
(7) 1Die Tätigkeit muss auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sein. 2Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. 3Eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen liegt vor, wenn diese im Rahmen eines Leistungsaustauschs ausgeübt wird. 4Die Unternehmereigenschaft setzt grundsätzlich voraus, dass Lieferungen oder sonstige Leistungen gegen Entgelt bewirkt werden. 5Bei einem vorübergehenden Verzicht auf Einnahmen kann in der Regel nicht bereits eine unentgeltliche nichtunternehmerische Tätigkeit angenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 7. 7. 2005, V R 78/03, BStBl II S. 849). 6 Zur Unternehmereigenschaft bei Vorbereitungshandlungen für eine beabsichtigte unternehmerische Tätigkeit, die nicht zu Umsätzen führt, vgl. Abschnitt 19 Abs. 1 bis 4.
(8) 1Die Tätigkeit eines Kassenarztes als Vorstandsmitglied einer Kassenärztlichen Vereinigung ist keine sonstige Leistung im Rahmen eines Leistungsaustausches, wie sie von einem Unternehmer durch geschäftliche Betätigung gegenüber Dritten erbracht wird (BFH-Urteil vom 4. 11. 1982, V R 123/77, BStBl 1983 II S. 156). 2Dagegen ist die entgeltliche Tätigkeit eines Kommanditisten als Mitglied eines Beirats, dem vor allem Zustimmungs- und Kontrollrechte übertragen sind, unternehmerisch (vgl. BFH-Urteil vom 24. 8. 1994, XI R 74/93, BStBl 1995 II S. 150). 3Dies gilt auch für die Tätigkeit einer GmbH als Liquidator einer GmbH & Co. KG, deren Geschäfte sie als alleiniger persönlich haftender Gesellschafter geführt hatte, wenn hierfür ein Sonderentgelt vereinbart wurde (vgl. BFH-Urteil vom 8. 11. 1995, V R 8/94, BStBl 1996 II S. 176).
Forderungskauf und Forderungseinzug
(9) 1Infolge des Urteils des EuGH vom 26. 6. 2003, C-305/01, BStBl 2004 II S. 688, ist der Forderungskauf, bei dem der Forderungseinzug durch den Forderungskäufer in eigenem Namen und für eigene Rechnung erfolgt, wie folgt zu beurteilen: 2Im Falle des echten Factoring liegt eine unternehmerische Tätigkeit des Forderungskäufers (Factor) vor, wenn seine Dienstleistung im Wesentlichen darin besteht, dass der Forderungsverkäufer (Anschlusskunde) von der Einziehung der Forderung und dem Risiko ihrer Nichterfüllung entlastet wird (vgl. Randnrn. 49 und 52 des EuGH-Urteils vom 26. 6. 2003, a.a.O.). 3Im Falle des unechten Factoring (der Anschlusskunde wird auf Grund eines dem Factor zustehenden Rückgriffsrechts bei Ausfall der Forderung nicht vom Ausfallrisiko der abgetretenen Forderung entlastet) gilt das Gleiche, wenn der Factor den Forderungseinzug übernimmt (vgl. Randnrn. 52 und 54 des EuGH-Urteils vom 26. 6. 2003, a.a.O.). 4Im Falle des Forderungskaufs ohne Übernahme des tatsächlichen Forderungseinzugs durch den Forderungskäufer (Forderungseinzug durch den Forderungsverkäufer in eigenem Namen und für fremde Rechnung) übt der Forderungskäufer unabhängig davon, ob ihm ein Rückgriffsrecht gegen den Forderungsverkäufer zusteht oder nicht, zwar unter den weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG eine unternehmerische Tätigkeit aus; diese ist jedoch keine Factoringleistung im Sinne des o.g. EuGH-Urteils. 5Dies gilt insbesondere für die Abtretung von Forderungen in den Fällen der stillen Zession, z.B. zur Sicherung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, oder für den entsprechend gestalteten Erwerb von Forderungen „a forfait”, z.B. bei Transaktionen im Rahmen sog. „Asset-Backed-Securities (ABS)”-Modelle. 6Der Einzug einer Forderung durch einen Dritten in fremdem Namen und für fremde Rechnung (Inkasso) fällt ebenfalls nicht unter den Anwendungsbereich des EuGH-Urteils vom 26. 6. 2003, a.a.O.; es liegt gleichwohl eine unternehmerische Tätigkeit vor.
(10) 1Beim Forderungskauf mit Übernahme des tatsächlichen Einzugs und ggf. des Ausfallrisikos durch den Forderungskäufer (Absatz 9 Sätze 2 und 3) erbringt der Forderungsverkäufer (Anschlusskunde) mit der Abtretung seiner Forderung keine Leistung an den Factor (BFH-Urteil vom 4. 9. 2003, V R 34/99, BStBl 2004 II S. 667). 2Vielmehr ist der Anschlusskunde Empfänger einer Leistung des Factors. 3Die Abtretung seiner Forderung vollzieht sich im Rahmen einer nicht steuerbaren Leistungsbeistellung. 4Dies gilt nicht in den Fällen des Forderungskaufs ohne Übernahme des tatsächlichen Einzugs der Forderung durch den Forderungskäufer (Absatz 9 Sätze 4 und 5). 5Die Abtretung einer solchen Forderung stellt einen nach § 4 Nr. 8 Buchstabe c UStG steuerfreien Umsatz im Geschäft mit Forderungen dar. 6Mit dem Einzug der abgetretenen Forderung (Servicing) erbringt der Forderungsverkäufer dann keine weitere Leistung an den Forderungskäufer, wenn er auf Grund eines eigenen, vorbehaltenen Rechts mit dem Einzug der Forderung im eigenen Interesse tätig wird. 7Beruht seine Tätigkeit dagegen auf einer gesonderten Vereinbarung, ist sie regelmäßig als Nebenleistung zu dem nach § 4 Nr. 8 Buchstabe c UStG steuerfreien Umsatz im Geschäft mit Forderungen anzusehen.
(11) 1Der wirtschaftliche Gehalt der Leistung des Factors (Absatz 9 Sätze 2 und 3, Absatz 10 Sätze 1 bis 3) besteht im Wesentlichen im Einzug von Forderungen. 2Die Factoringleistung fällt in den Katalog der Leistungsbeschreibungen des § 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchstabe a UStG (vgl. Abschnitt 39 Abs. 17 ). 3Die Leistung ist von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchstabe c UStG ausgenommen und damit grundsätzlich steuerpflichtig. 4Eine ggf. mit der Factoringleistung einhergehende Kreditgewährung des Factors an den Anschlusskunden ist regelmäßig von untergeordneter Bedeutung und teilt daher als unselbständige Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung. 5Abweichend davon kann die Kreditgewährung jedoch dann als eigenständige Hauptleistung zu beurteilen sein, wenn sie eine eigene wirtschaftliche Bedeutung hat. 6Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn die Forderung in mehreren Raten oder insgesamt nicht vor Ablauf eines Jahres nach der Übertragung fällig ist oder die Voraussetzungen des Abschnitts 29a Abs. 2 erfüllt sind. 7Beim Forderungskauf ohne Übernahme des tatsächlichen Forderungseinzugs erbringt der Forderungskäufer keine Factoringleistung (vgl. Absatz 9 Sätze 4 und 5). 8Der Forderungskauf stellt sich in diesen Fällen, sofern nicht lediglich eine Sicherungsabtretung vorliegt, umsatzsteuerrechtlich damit insgesamt als Rechtsgeschäft dar, bei dem der Forderungskäufer neben der Zahlung des Kaufpreises einen Kredit gewährt und der Forderungsverkäufer als Gegenleistung seine Forderung abtritt, auch wenn der Forderungskauf zivilrechtlich, handels- und steuerbilanziell nicht als Kreditgewährung, sondern als echter Verkauf („true sale”) zu betrachten ist. 9Damit liegt ein tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe vor (vgl. § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG). 10Umsatzsteuerrechtlich ist es ohne Bedeutung, ob die Forderungen nach Handels- und Ertragsteuerrecht beim Verkäufer oder beim Käufer zu bilanzieren sind. 11Die Kreditgewährung in den Fällen der Sätze 5 bis 10 ist nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a UStG steuerfrei; sie kann unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 UStG als steuerpflichtig behandelt werden. 12Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage vgl. Abschnitt 153 Abs. 6.
(12) 1Bemessungsgrundlage für die Factoringleistung (Absatz 9 Sätze 2 und 3, Absatz 10 Sätze 1 bis 3) ist grundsätzlich die Differenz zwischen dem Nennwert der dem Factor abgetretenen Forderungen und dem Betrag, den der Factor seinem Anschlusskunden als Preis für diese Forderungen zahlt, abzüglich der in dem Differenzbetrag enthaltenen Umsatzsteuer (§ 10 UStG). 2Wird für diese Leistung zusätzlich oder ausschließlich eine Gebühr gesondert vereinbart, gehört diese zur Bemessungsgrundlage. 3Bei Portfolioverkäufen ist es nicht zu beanstanden, wenn eine nach Durchschnittwerten bemessene Gebühr in Ansatz gebracht wird. 4Der Umsatz unterliegt dem allgemeinen Steuersatz, § 12 Abs. 1 UStG. 5Bei zahlungsgestörten Forderungen gilt Folgendes: 6Berücksichtigt die vertragliche Vereinbarung einen für die Wirtschaftsbeteiligten erkennbaren und offen ausgewiesenen kalkulatorischen Teilbetrag für tatsächlich eintretende oder von den Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erwartete Forderungsausfälle, kann dieser bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage entsprechend in Abzug gebracht werden, da der Wesensgehalt dieser Leistung insoweit nicht im Factoring besteht. 7Bemessungsgrundlage für die Leistung des Factors beim Kauf solcher zahlungsgestörten Forderungen ist die Differenz zwischen dem im Abtretungszeitpunkt nach Ansicht der Parteien voraussichtlich realisierbaren Teil der dem Factor abzutretenden Forderungen (wirtschaftlicher Nennwert) und dem Betrag, den der Factor seinem Anschlusskunden als Preis für diese Forderungen zahlt, abzüglich der in dem Differenzbetrag enthaltenen Umsatzsteuer (§ 10 UStG). 8Der wirtschaftliche Nennwert entspricht regelmäßig dem Wert, den die Beteiligten der Forderung tatsächlich beimessen, einschließlich der Vergütung für den Einzug der Forderung und der Delkrederegebühr oder vergleichbarer Zahlungen, die der Factor für das Risiko des Forderungsausfalls erhält und die als Gegenleistung für eine Leistung des Factors anzusehen sind. 9Wird der Anschlusskunde an dem vom Factor gegenüber dem zunächst vereinbarten wirtschaftlichen Nennwert erzielten Mehr- oder Mindererlös beteiligt, entspricht die Leistung des Factors von ihrem wirtschaftlichen Gehalt einer Inkassoleistung; der Berechnung der geänderten Bemessungsgrundlage ist in diesem Fall der tatsächlich vom Factor erzielte Betrag als wirtschaftlicher Nennwert zu Grunde zu legen. 10 Eine Forderung (bestehend aus Rückzahlungs- und Zinsanspruch) ist insgesamt zahlungsgestört, wenn sie insoweit, als sie fällig ist, ganz oder zu einem nicht nur geringfügigen Teil seit mehr als sechs Monaten nicht ausgeglichen wurde. 11 Eine Kreditforderung ist auch zahlungsgestört, wenn die Voraussetzungen für die Kündigung des ihr zu Grunde liegenden Kreditvertrags durch den Gläubiger vorliegen; Gleiches gilt nach erfolgter Kündigung für den Anspruch auf Rückzahlung. 12 Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist vom Forderungskäufer nachzuweisen. 13 Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, hat der Factor im Einzelnen nachzuweisen, dass er eine zahlungsgestörte Forderung erworben hat, deren tatsächlicher Wert nicht dem Nennwert entspricht. 14 Ist beim Factoring unter den in Absatz 11 Sätze 5 und 6 genannten Voraussetzungen eine Kreditgewährung als eigenständige Hauptleistung anzunehmen, gehört der Teil der Differenz, der als Entgelt für die Kreditgewährung gesondert vereinbart wurde, nicht zur Bemessungsgrundlage der Factoringleistung. 15 Der Verkäufer der Forderung kann unter den Voraussetzungen des § 15 UStG den Vorsteuerabzug aus der Leistung des Käufers der Forderung in Anspruch nehmen, soweit die verkaufte Forderung durch einen Umsatz des Verkäufers der Forderung begründet wurde, der bei diesem den Vorsteuerabzug nicht ausschließt.
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