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Inhaltsverzeichnis

Anteilsbewertung

§ 11 BewG

R 95 ErbStR

1. Vorbemerkung

Nach dem am 31.01.2007 veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, 07.11.2006 - 1 BvL 10/02) war die vormalige Ausgestaltung des § 19 ErbStG nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Das Erbschaftsteuerrecht war nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in seiner damaligen Form nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, da ein einheitlicher Steuersatz auf unterschiedlich bewertete wirtschaftliche Einheiten oder Wirtschaftsgüter (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) angewendet wurde .
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31.12.2008 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu schaffen. Dem ist der Gesetzgeber mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 (BGBl. I 2008, 3018) nachgekommen. Das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts ist am 01.01.2009 in Kraft getreten.

Hinweis:

Weitere Informationen finden Sie unter dem Stichwort Erbschaftsteuer - Verfassungswidrigkeit.

2. Überblick

Die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist unabhängig von der Vermögensart in § 11 BewG geregelt. Demnach besteht eine strikte Rangfolge unter den Wertmaßstäben, die aus dem folgenden Prüfungsschema ersichtlich ist:

  • Besteht ein Kurswert?

    • Wenn ja, Kurswert
      Wenn nein,

  • Wertableitung von Aktien anderer Ausstattung.

    • Existieren solche, Wertableitung
      Wenn nein,

  • Wertableitung aus Verkäufen

    • Verkäufe unter fremden Dritten innerhalb von einem Jahr vor dem Stichtag, Wertableitung
      Wenn nein,

  • Wertermittlung, § 11 Abs. 2 S. 2 BewG

    • Wertermittlung unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode. Hierbei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zu Grunde legen würde.

      Hinweis:

      Die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge (Substanzwert) der Gesellschaft darf nicht unterschritten werden.

Im Folgenden wird tabellarisch ein Überblick über die Bewertung der Wertpapiere und Anteile für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer gegeben.

Wertpapiere/Anteile

Bewertung nach dem BewG(§ 12 ErbStG)

Aktien

- Kurswert, § 11 Abs. 1 BewG bzw.

- gemeiner Wert, § 11 Abs. 2 BewG

Anleihen

Kurswert, § 11 Abs. 1 BewG

Bundesschatzbriefe

- Typ A

- Typ B

- Nennwert, § 12 Abs. 1 BewG

- Rückzahlungswert, § 12 Abs. 1 BewG

Finanzierungsschätze des Bundes

Stichtagswert, § 12 Abs. 1 BewG

Sparbriefe

Rückzahlungswert, § 12 Abs. 1 BewG

Geschäftsanteile

- GmbH-Anteile

- Genossenschaftsanteile

- gemeiner Wert, § 11 Abs. 2 BewG

- Nennwert, § 12 Abs. 1 BewG

Investmentzertifikate

- Offene Immobilienfonds, Aktienfonds

- Geschlossene Immobilienfonds

- Rücknahmepreis, § 11 Abs. 4 BewG

- Anteil am Grundbesitzwert, § 12 Abs. 3 ErbStG

- Industrie-/ Kommunal-Obligationen

- Pfandbriefe

- Kurswert, § 11 Abs. 1 BewG

- Kurswert, § 11 Abs. 1 BewG

3. Wertmaßstäbe

3.1 Kurswert

Steht ein Börsenkurs zur Verfügung, so ist dieser für die Bewertung maßgebend § 11 Abs. 1 BewG. Maßgebend ist der niedrigste am Bewertungsstichtag an einer deutschen Börse notierte Kurs. Aus Gründen der Einheitlichkeit sind nur Kassakurse einzubeziehen, sofern solche Kurse festgestellt werden. Eine Abweichung vom Kurswert ist nur unter den Voraussetzungen des § 29 Abs. 3 BörsG möglich (BFH, 23.02.1977 - II R 63/70, BStBl II 1977, 427). Zu den Kursen siehe BFH, 21.02.1990 - II R 78/86, BStBl II 1990, 490; BFH, 06.05.1977 - III R 17/75, BStBl II 1977, 626.

Erbschaftsteuer - Wertpapiere

3.2 Wertableitung aus Kurswert von Aktien mit anderer Ausstattung

Es kommt vor, dass Kapitalgesellschaften Aktien mit verschiedener Ausstattung ausgeben, beispielsweise Vorzugsaktien, Stammaktien und junge Aktien. Liegt nun für einen der beiden Aktientypen kein Kurswert vor, so kann dieser aus dem Kurs des anderen abgeleitet werden (BFH, 09.03.1994 - II R 39/90, BStBl II 1994, 394; R 95 Abs. 5 ErbStR). Die unterschiedliche Ausstattung der Aktien ist jeweils durch Zu- oder Abschläge zu berücksichtigen (BFH, 21.04.1999 - II R 87/97, BStBl II 1999, 810).

Die Finanzverwaltung hatte die Wertableitung in koordinierten Ländererlassen geregelt (vgl. Erlass des FM NW, 31.05.1994 - S 3263 - 54 - V A 4). Der Ländererlass sieht einen pauschalen Aufschlag von 10 % auf den Kurs der Vorzugsaktien vor. Diesen Wert hatte die Finanzverwaltung durch Analyse der durchschnittlichen bereinigten Wertdifferenzen zwischen Stamm- und Vorzugsaktien ermittelt. Der BFH hat durch sein Urteil (BFH, 21.04.1999 - II R 87/97, DStR 99, 1312) entschieden, dass der Rückgriff auf einen Durchschnittswert zu grob ist.

Nach dem BFH (a.a.O) ist eine Feststellung des gemeinen Werts nicht notierter Stammaktien mit einem höheren Wert als dem Kurswert nur gerechtfertigt, wenn dies durch die die konkreten Verhältnisse der einzelnen Gesellschaft, insbesondere die unterschiedliche Ausstattung beider Aktiengattungen, berücksichtigende Ableitung belegt ist.

Praxistipp:

Nach den Anforderungen des BFH wird es dem Finanzamt ohne lange Ermittlungen nicht gelingen, einen höheren Wert der Stammaktien durchzusetzen. Es obliegt aber dem Steuerpflichtigen, nachzuweisen, dass die Stammaktien einen geringeren Wert als die Vorzugsaktien haben.

3.3 Wertableitung aus Verkäufen

Der Interessengegensatz zwischen Käufer und Verkäufer gewährleistet, dass der Kaufpreis den gemeinen Wert der Anteile am ehesten widerspiegelt. Liegt kein Kurswert vor, was bei Geschäftsanteilen an einer GmbH stets der Fall ist, erfolgt die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen.

Hierbei ist Folgendes zu beachten:

  • es muss sich um Anteile an derselben Gesellschaft handeln,

  • es dürfen nur Verkäufe unter fremden Dritten berücksichtigt werden, die weniger als ein Jahr vor dem Stichtag liegen (§ 11 Abs. 2 BewG).

Hinweis:

Nach § 11 Abs. 2 S. 2 BewG gilt für den Fall, dass sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, ableiten lässt, Folgendes:

Der gemeine Wert ist unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln. Hierbei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde. Die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge (Substanzwert) der Gesellschaft darf dabei nicht unterschritten werden. Die §§ 99 und 103 BewG sind anzuwenden und die §§ 199 bis 203 BewG sind zu berücksichtigen.

Verkäufe nach dem Stichtag sind ausgeschlossen. Dabei ist jedoch nicht ausschließlich der Abschluss des notariell beurkundeten Kaufvertrages maßgebend. Wenn dieser kurze Zeit nach dem Stichtag erfolgt und die Einigung über den Kaufpreis bereits vor dem Stichtag zu Stande gekommen ist, so ist eine Wertableitung hieraus möglich (BFH, 02.11.1988 - II R 52/85, BStBl II 1989, 80).

Zur Bewertung geeignete Verkäufe sind:

  • Die Ausgabe neuer Geschäftsanteile an einer GmbH im Rahmen einer Kapitalerhöhung zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters (R 95 Abs. 3 ErbStR; BFH, 05.02.1992 - II R 185/87, BStBl II 1993, 266).

  • Kurse im Telefonverkehr zwischen Banken, sofern es sich nicht lediglich um geringfügige Verkäufe ohne echten Aussagewert handelt (R 95 Abs. 3 S. 5, 6 ErbStR).

  • Bei ausländischen Wertpapieren ist der Kurswert aus inländischen Telefonkursen abzuleiten. Liegen diese nicht vor, ist der Wert aus ausländischen Kursen abzuleiten (R 95 Abs. 4 ErbStR).

Werden die Anteile im Rahmen der Erbauseinandersetzung bewertet, so ist eine Wertableitung für den Erbfall hieraus nicht möglich, da es sich um einen Vorgang nach dem Bewertungsstichtag handelt.

  • Die Verkäufe müssen, um eine ausreichende Aussagekraft zu haben, einen gewissen Umfang annehmen. Dies ist unproblematisch, wenn im genannten Zeitraum mehrere Verkäufe vorliegen. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Wertfindung nicht durch außergewöhnliche, womöglich in den Personen der Vertragsparteien liegende Umstände beeinflusst wird. Die Rechtsprechung hat es darüber hinaus genügen lassen, dass nur ein Verkauf erfolgt ist, solange Gegenstand nicht lediglich ein "Zwerganteil" ist. Die Verwaltung hat sich dieser Auffassung angeschlossen (R 95 Abs. 3 S. 3 ErbStR). Es wurde bisher jedoch darauf verzichtet, die Grenzen für einen Zwerganteil konkret festzulegen. Das FG Münster hat durch Urteil (FG Münster, 07.12.2000 - 3 K 5548/96, EFG 2001 S. 956) entschieden, dass auch Verkäufe von 0,11 % für eine Bewertung aus Verkäufen ausreichen.

  • Die Wertableitung setzt schließlich voraus, dass die Verkäufe im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu Stande gekommen sind. Das heißt, der Verkauf muss sich nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzogen haben und jeder Vertragspartner muss ohne Zwang und nicht aus Not, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen gehandelt haben (BFH, 28.11.1980 - III R 86/78, BStBl II 1981, 353).

    Beispiele:

    gewöhnlicherGeschäftsverkehr

    keingewöhnlicher Geschäftsverkehr

    Sicherung von
    Marktanteilen

    Zwangsvollstreckung,
    Konkurs

    Eindringen in fremde
    Branchen

    Neuordnung des
    Unternehmens

    Einfluss auf das
    Unternehmen

    Verkäufe unter nahen
    Angehörigen

Auch die Ausgabe neuer Geschäftsanteile an einer GmbH im Rahmen einer Kapitalerhöhung zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters kann als Verkauf im Sinne des § 11 Abs. 2 BewG zur Ableitung des gemeinen Werts der GmbH-Anteile herangezogen werden.

Der gemeine Wert ist zwingend im Wege der Ableitung aus Kaufpreisen zu ermitteln, wenn die o.g, Voraussetzungen vorliegen. Dies heißt jedoch nicht, dass der Kaufpreis als gemeiner Wert zu übernehmen ist.

Zur Ermittlung des gemeinen Werts von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die Auswirkungen des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433) wird auf die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder hingewiesen (vgl. Erlass des FM NW, 13.02.2001 - 53263 - 74 - VA4, BStBl I 2001, 162).

3.4 Paketzuschlag

Der nach den oben dargestellten Grundsätzen ermittelte Wert ist ggf. um einen sog. Paketzuschlag zu erhöhen (§ 11 Abs. 3 BewG). Dieser Zuschlag soll dem Umstand Rechnung tragen, dass der Wert einer größeren Anzahl von Anteilen in einer Hand ab einem bestimmten Umfang den Wert des einzelnen Anteils i.d.R. übersteigt. Als Beispiel nennt § 11 Abs. 3 BewG die Möglichkeit, die Kapitalgesellschaft zu beherrschen. Dies ist in der Regel erst bei mindestens 50 % +1 der Anteile der Fall. Zu beachten ist allerdings, dass der BFH schon einen Anteil von 25 % für einen Paketzuschlag als angemessen angesehen hat, da dieser für bestimmte Entscheidungen eine Sperrminorität darstellt (BFH, 15.02.1974 - III R 22/73, BStBl II 1974, 443). Nach R 95 Abs. 6 ErbStR ist ein Paketzuschlag erst gerechtfertigt, wenn ein Gesellschafter mehr als 25 % der Anteile überträgt. Wird der Wert der Anteile aus Verkäufen abgeleitet, die bis zu 25 % der Anteile umfassen, ist der Kurswert um den im Kurswert schon enthaltenen Paketzuschlag zu verringern (R 95 Abs. 3 S. 7 u. 8 ErbStR).

Praxistipp:

Ein Paketzuschlag ist ein steuererhöhendes (steuerbegründendes) Merkmal, für das die Finanzverwaltung die Beweislast trägt. Es empfiehlt sich daher bei Beteiligungen unter 50 % immer, die Möglichkeit der Beherrschung zu bestreiten.

Bei Erwerb eines größeren Anteils bis 25 % sollte immer behauptet werden, in dem Kaufpreis sei ein Paketzuschlag enthalten. U.U. ist in diesem Fall ein Ansatz unter dem Kurswert möglich.

Die Höhe des Paketzuschlages ergibt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Die Finanzverwaltung hält einen Rahmen von 2,5 % (ab 25 % Beteiligung) bis 30 % (100 % Beteiligung) für angemessen.

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