Finanzgericht

Die Finanzgerichtsbarkeit

Sachliche Zuständigkeit

Das Finanzgericht überprüft im Wesentlichen Entscheidungen von Finanzbehörden (Finanzämter, Zollämter, Familienkassen). Wenn jemand sich durch eine Verwaltungsentscheidung in Steuersachen in seinen Rechten beeinträchtigt fühlt oder meint, eine von ihm beantragte Entscheidung sei zu Unrecht nicht ergangen, kann er Klage beim Finanzgericht erheben. Das Finanzgericht kann Bescheide der Finanzverwaltung aufheben, ändern oder die Verwaltung verpflichten, zugunsten des rechtsuchenden Steuerbürgers tätig zu werden. So wird z. B. gestritten über die Höhe steuer- pflichtiger Umsätze und Gewinne, über die Höhe von Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen, über die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer sowie über Stundung und Erlass von Steuern.

Gerichtsaufbau

Die Finanzgerichtsbarkeit ist zweistufig aufgebaut:
In erster Instanz entscheidet das Finanzgericht als oberes Landesgericht. Seiner Entscheidung geht in der Regel ein Vorverfahren voraus, in dem das Finanzamt (z. B. bei Einsprüchen über Steuerbescheide) oder die Familienkasse Gelegenheit hat, die angefochtene Entscheidung auf die Richtigkeit zu überprüfen.
Gegen Urteile des Finanzgerichts kommt das Rechtsmittel der Revision in Betracht, wenn bestimmte wesentliche Mängel des Verfahrens gerügt wer- den sollen oder das Finanzgericht – insbesondere wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache – die Revision zugelassen hat. Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefoch- ten werden. Über die Revision bzw. die Nichtzulassungsbeschwerde ent- scheidet der Bundesfinanzhof.

Örtliche Zuständigkeit

In Schleswig-Holstein gibt es nur ein Finanzgericht. Dieses Gericht mit dem Sitz in Kiel ist zuständig für alle Klagen und Anträge gegen Finanzämter und Familienkassen in Schleswig-Holstein. Für Streitigkeiten über Zölle, Verbrauchsteuern usw. in Schleswig-Holstein ist das Finanzgericht Hamburg örtlich zuständig.

Spruchkörper

Das Finanzgericht ist in Spruchkörper (sog. Senate) aufgeteilt. Diese ent- scheiden in der Besetzung mit drei Berufsrichterinnen oder Berufsrichtern (davon eine Vorsitzende oder ein Vorsitzender) und zwei ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern. Bei Beschlüssen, die außerhalb der mündlichen Verhandlung ergehen, und bei Gerichtsbescheiden wirken die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter nicht mit.
Daneben besteht auch die Möglichkeit der Entscheidung durch die Einzelrichterin oder den Einzelrichter, wenn die Beteiligten hiermit einver- standen sind. Ferner kann der Senat (ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter) einen Rechtsstreit zur Entscheidung auf einen sei- ner Mitglieder zu Entscheidung übertragen, wenn die Sache keine besonde- ren Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht hat derzeit fünf Senate. Ihnen sind insgesamt 60 ehrenamtliche Richterinnen und Richter zugeordnet. Der Anteil der Frauen beträgt ca. 35 v. H.

Die Besetzung der Senate wie auch die Verteilung der Prozesse auf die einzelnen Senate werden vom Präsidium des Gerichts im Geschäftsverteilungsplan jeweils für ein Jahr im Voraus festgelegt. Dabei werden auch die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter bestimmten Senaten zugewiesen.

Das Verfahren

Das Verfahren bis zur mündlichen Verhandlung

Die Entscheidungen des Gerichts werden zunächst ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter vorbereitet:

Stellungnahmen werden eingeholt, Akten beigezogen, Zeuginnen und Zeugen sowie Sachverständige geladen. In geeigneten Fällen wird auch die Örtlichkeit in Augenschein genommen.
Zudem werden unter bestimmten Voraussetzungen Personen beigeladen, die über den Prozessstoff unterrichtet werden und sich am Verfahren aktiv beteiligen können.

Der Ablauf der mündlichen Verhandlung

Wenn die Streitsache genügend vorbereitet ist, werden im Regelfall alle Beteiligten zu einer mündlichen Verhandlung geladen, in der der Rechtsstreit im Allgemeinen abschließend erörtert und entschieden wird. An dieser mündlichen Verhandlung nehmen die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter als gleichberechtigte Mitglieder des Senats teil. Die Sitzungen der Senate sind in der Regel öffentlich.

Eine Berufsrichterin oder ein Berufsrichter hat die anstehenden Sachen für die mündliche Verhandlung besonders intensiv vorbereitet und unter Umständen die Angelegenheit auch schon einmal mit den Beteiligten erör- tert. Diese Richterin oder dieser Richter (Berichterstatterin oder Berichterstatter) fasst den Ablauf des Geschehens, das zu dem Prozess geführt hat, und die wesentlichen rechtlichen Argumente der Verfahrensbeteiligten (Sachverhalt) vor der mündlichen Verhandlung in der Regel schriftlich zusammen und erarbeitet in der Regel eine schriftliche Stellungnahme zur Rechtslage. Beides gemeinsam bildet das „Votum“, auf dessen Grundlage die Richterin oder der Richter zu Beginn der mündlichen Verhandlung zusammenhängend über das Anliegen der Klägerin oder des Klägers, über die unterschiedlichen Standpunkte der Beteiligten, über die bereits festgestellten Tatsachen und über die noch streitigen Behauptungen berichtet.

Dieser Vortrag dient, da die Berufsrichterin oder der Berufsrichter und die Verfahrensbeteiligten in der Regel schon über den Sach- und Streitbestand unterrichtet sind, in erster Linie der umfassenden Information der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter über den Prozessstoff. Wenn Ihnen nach dem Vortrag noch etwas unklar ist, sollten Sie im Anschluss Fragen an die Berufsrichterin oder den Berufsrichter oder an die Verfahrensbeteiligten richten. Auch haben Sie das Recht auf Einsicht der Akten. Die Qualität der Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter hängt im Wesentlichen davon ab, dass sie sich mit den Einzelheiten des Streitfalls vertraut machen.

Die Verhandlung wird von der oder dem Vorsitzenden geleitet. Sie – oder er erteilt allen Beteiligten das Wort und ist für den ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzung verantwortlich. Es ist üblich, dass die oder der Vorsitzende die weitere Aufklärung des Falles durch Fragen an die Beteiligten und durch die Vernehmung von Zeuginnen und Zeugen und Sachverständigen selbst durch- führt. Aber auch die anderen Berufsrichterinnen und Berufsrichter und die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter können Fragen stellen oder Hinweise geben.

Ehrenamtliche Richterinnen und Richter müssen unparteiisch sein. Diese Haltung muss in ihrem gesamten Verhalten gegenüber den Prozessbeteiligten zum Ausdruck kommen. Das Gesetz verlangt und die Beteiligten erwarten, dass jede Richterin, jeder Richter bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung offen ist für alle noch vorzutragenden Argumente und sich erst dann in gemeinsamer Beratung mit anderen Richterinnen und Richter ein Urteil bildet.

Die Beratung

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wird über die Rechtssache beraten. An der Beratung nehmen die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in voller richterlicher Unabhängigkeit mit gleichen Rechten wie die Berufsrichterinnen und Berufsrichter teil. Sie sind wie die Berufsrichterinnen und Berufsrichter nur dem Gesetz unterworfen, welches sie nach bestem Wissen und Gewissen anzuwenden haben. Sie müssen sich nach dem Inhalt der mündlichen Verhandlung eine eigene Meinung bilden und zur Diskussion stellen. Wenn sich bei der Beratung im Senat kein übereinstimmendes Urteil herausbildet, wird abgestimmt. Dabei kommt den Stimmen der ehrenamtli- chen Richterinnen und Richter das gleiche Gewicht zu wie den Stimmen der Berufsrichterinnen und Berufsrichter einschließlich der oder des Vorsitzenden. In der Beratung wird auch über Streitfälle entschieden, in denen mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ent- schieden wird.

Für die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter ist die Meinungsbildung, vor allem am Anfang der Tätigkeit, nicht immer leicht. Beim Finanzgericht geht es häufig um Rechtsfragen, bei deren Lösung die Berufsrichterinnen und Berufsrichter den ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern durch Kenntnisse und Erfahrungen überlegen sind. Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter müssen sich jedoch auch über Rechtsfragen eine eigene Meinung bilden. Den Berufsrichterinnen und Berufsrichtern obliegt dabei, die für die Lösung des Falles nötigen Informationen über die Gesetze, Rechtsmeinung und Entscheidungen anderer Gerichte in die Beratung einzubringen. Besonders wichtig ist die Mitarbeit der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter, wenn es um wirtschaftliche Betrachtungsweise, um die Angemessenheit bestimmter Gestaltung, um Schätzungen und Ermessensfragen sowie Treu und Glauben geht. Bei diesen Fragen fällt der Informationsvorsprung der Berufsrichterinnen und Berufsrichter weniger ins Gewicht als bei der Entscheidung von Rechtsfragen.

Die Beratung ist geheim. Der Bruch des Beratungsgeheimnisses ist mit Strafe bedroht. Die Verschwiegenheit der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter endet nicht mit Ablauf der Amtszeit. Das Steuergeheimnis, zu dessen Wahrung jede Richterin und jeder Richter am Finanzgericht darüber hinaus verpflichtet ist, erstreckt sich auf alle Verhältnisse des Steuerpflichtigen, die der Richterin oder dem Richter aus den Akten, während der Verhandlung oder während der Beratung bekannt werden.

 

Die Rechtsstellung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter

Die Wahl der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter

Die Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter ist in der Finanzgerichtsordnung geregelt.

Persönliche Voraussetzungen

Ehrenamtliche Richterinnen und Richter müssen Deutsche sein. Sie sollen das 30. Lebensjahr vollendet und während des letzten Jahres vor ihrer Wahl ihren Wohnsitz oder ihre gewerbliche oder berufliche Niederlassung inner- halb des Gerichtsbezirks gehabt haben.

Ein bestimmter Personenkreis kann – zur Vermeidung von Interessenkollision – nicht zu ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern berufen werden. Hierzu gehören u.a. Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften eines Landes, Richterinnen und Richter, Angehörige der Steuerverwaltung, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Steuerberaterinnen und Steuerberater.

Ausschluss- und Hinderungsgründe
Bestimmte Personen sind kraft Gesetzes als ehrenamtliche Richterinnen und Richter ausgeschlossen. Das Gesetz nennt die folgenden Ausschlussgründe:
— Folgen eine strafgerichtlichen Verurteilung (Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, Verurteilung zu mehr als 6 Monaten Freiheitsstrafe, Verurteilung wegen einer Steuerstraftat innerhalb der letzten 10 Jahre).
— Erhebung der Anklage wegen einer Tat, die den Verlust der Fähigkeit zur
Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann.
— Mangelndes Wahlrecht.
— Vermögensverfall.

Ablehnung

Ein bestimmter Personenkreis darf die Berufung zum Amt der ehrenamtli- chen Richterin oder des ehrenamtlichen Richters ablehnen. Hierzu gehören u.a. Geistliche, Ärztinnen und Ärzte, Schöffinnen und Schöffen und andere ehrenamtliche Richterinnen und Richter, Personen, die bereits zwei Amtsperioden lang als ehrenamtliche Richterin oder Richter beim Finanzgericht tätig gewesen sind, zudem Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben.
Außerdem kann in besonderen Härtefällen auf Antrag von der Übernahme des Amtes befreit werden.
Daneben gibt es bestimmte im Gesetz genannte Gründe, in denen das Gericht ehrenamtliche Richterinnen und Richter vorzeitig von ihrem Amt ent- binden kann. Erwähnt seien die Anklageerhebung und Verurteilung wegen bestimmter Straftaten, der Verlust des Wahlrechts, eine grobe Verletzung der Amtspflichten und die Aufgabe des Wohnsitzes oder der beruflichen Niederlassung in Schleswig-Holstein.
Außerdem können ehrenamtliche Richterinnen und Richter in besonderen Härtefällen auf ihren Antrag von der weiteren Ausübung des Amtes entbunden werden.

Entsteht bei Beteiligten der Eindruck, eine Richterin oder ein Richter sei bereits festgelegt oder sonst wie voreingenommen, so können sie diese Richterin oder diesen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen. Über das Gesuch entscheidet der Senat unter Hinzuziehung einer neuen Richterin oder eines neuen Richters anstelle der Betroffenen. Hat der Antrag Erfolg, so sind die abgelehnte Richterin oder der abgelehnte Richter von der weiteren Mitwirkung am Verfahren ausgeschlossen. Ein solcher Beschluss kann übrigens auch dann ergehen, wenn Richterinnen oder Richter selbst Zweifel an ihrer Unvoreingenommenheit in bestimmten Verfahren äußern. Ehrenamtliche Richterinnen und Richter sind kraft Gesetzes von der Mitwirkung ausgeschlossen, wenn sie oder nahe Verwandte persönlich am Verfahren beteiligt oder finanziell an seinem Ausgang interessiert sind. Dasselbe gilt, wenn sie bei anderer Gelegenheit am Verfahren – auch am vorausgegangenen Verwaltungsverfahren – mitgewirkt haben. Auch in die- sem Fall müssen die oder der Vorsitzende alsbald unterrichtet werden.

Berufung und Ernennung

Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter werden auf 5 Jahre durch einen Wahlausschuss nach Vorschlagsliste gewählt. Es sind so viele Richterinnen und Richter zu berufen, dass voraussichtlich jede Richterin oder jeder Richter zu höchstens 12 ordentlichen Sitzungen im Jahr herangezogen wird.
Das Präsidium des Finanzgerichts stellt zu Beginn des Geschäftsjahres für jeden Senat eine Liste auf mit der Reihenfolge, in der die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter zu Sitzungen heranzuziehen sind. Beim Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht ist für die Heranziehung von Vertreterinnen und Vertretern bei unvorhergesehener Verhinderung für jeden Senat eine Hilfsliste aufgestellt. Sie enthält ehrenamtliche Richterinnen und Richter, die in Kiel oder in der Nähe wohnen.

Ehrenamtliche Richterinnen und Richter sind von Ihrer ersten Dienstleistung in öffentlicher Sitzung des Gerichts durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden des Senats zu vereidigen. Die Vereidigung gilt für die Dauer des Amtes. Die Schwörenden sollen bei der Eidleistung die rechte Hand erheben.

Ehrenamtliche Richterinnen und Richter leisten den Eid, indem sie die Worte sprechen:
„Ich schwöre, die Pflichten einer ehrenamtlichen Richterin / eines ehrenamt- lichen Richters getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein und getreu dem Gesetz zu erfüllen, das Steuergeheimnis zu wahren, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe.“ Der Eid kann ohne die Worte „so wahr mir Gott helfe“ geleistet werden. Geben ehrenamtliche Richterinnen und Richter an, dass sie aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wollen, so sprechen sie die Worte: „Ich gelobe, die Pflichten einer ehrenamtlichen Richterin …“.
Geben ehrenamtliche Richterinnen und Richter an, das sie als Mitglied einer Religions- oder Bekenntnisgemeinschaft eine Betreuungsformel dieser Gemeinschaft verwenden wollen, so können sie diese dem Eid oder dem Gelöbnis anfügen.

Rechte und Pflichten

Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter wirken bei der mündlichen Verhandlung und der Urteilsfindung mit gleichen Rechten wie die Berufsrichterin oder der Berufsrichter mit. Sie haben ihre Pflichten getreu dem Grundgesetz nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu erfüllen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen.

Die für den jeweiligen Sitzungstag bestimmten ehrenamtliche Richterinnen und Richter sind die „gesetzlichen Richter“ im Sinne des Grundgesetzes. Sie dürfen daher der Sitzung, zu der sie geladen sind, nur aus zwingenden Gründen fernbleiben. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen sie für die Sitzung freistellen. Hintergründe sind möglichst frühzeitig der zuständigen Geschäftstelle mitzuteilen.

-> siehe auch Finanzgericht.org