|
|
|
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). |
|
|
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin in allen Streitjahren gewerbliche Einkünfte gemäß § 15 Abs. 2 EStG erzielt hat und das Recht des FA, Gewerbesteuermessbescheide zu erlassen, nicht verwirkt war. Auch verstößt der Erlass der Gewerbesteuermessbescheide nicht gegen Verfassungsrecht. |
|
|
1. Die Klägerin hat in den Streitjahren eine gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ausgeübt. |
|
|
a) Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen i.S. des EStG zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den freiberuflichen Tätigkeiten u.a. auch die selbständige Berufstätigkeit der Dolmetscher und Übersetzer. |
|
|
b) Eine Personengesellschaft entfaltet nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter als Mitunternehmer die Merkmale eines freien Berufs (Katalogberuf oder "ähnlicher Beruf") erfüllen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern nur von den Mitunternehmern erfüllt werden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11. Juni 1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584; vom 8. April 2008 VIII R 73/05, BFHE 221, 238, BStBl II 2008, 681). |
|
|
c) Dem entsprechend ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 30. Oktober 1975 IV R 142/72, BFHE 117, 456, BStBl II 1976, 192; BFH-Beschlüsse vom 12. Juni 1996 IV B 121/95, BFH/NV 1997, 25, zu einer KG, die ein Büro für technische Übersetzungen betreibt; vom 10. August 1993 IV B 1/92, BFH/NV 1994, 168, zu einem promovierten Chemiker und Metallkundler, der ein Ingenieurbüro für technische und naturwissenschaftliche Übersetzungen betreibt) ein Steuerpflichtiger, der ein Übersetzungsbüro unterhält, ohne dass er selbst über Kenntnisse in den Sprachen verfügt, auf die sich die Übersetzungstätigkeit erstreckt, gewerblich tätig und zwar auch dann, wenn er die für sein Büro wichtigste Sprache selbst beherrscht. Für die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit muss die individuelle, über die Leitungsfunktion hinausgehende Qualifikation des Betriebsinhabers nach der Rechtsprechung des BFH den gesamten Bereich der betrieblichen Tätigkeit umfassen, d.h. der Betriebsinhaber muss über alle erforderlichen Kenntnisse im Umfang der gesamten ausgeübten betrieblichen Tätigkeit verfügen (z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1994, 168, und in BFH/NV 1997, 25). |
|
|
d) Dieser Rechtsprechung liegt der Gedanke zugrunde, dass eine freiberufliche Übersetzertätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur dann anzunehmen ist, wenn der Übersetzer aufgrund eigener Sprachkenntnisse in der Lage ist, die beauftragte Übersetzungsleistung entweder selbst zu erbringen oder aber im Rahmen der gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zulässigen Mitarbeit fachlich vorgebildeter Personen leitend und eigenverantwortlich tätig zu werden (vgl. zur leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit z.B. BFH-Urteil vom 26. Januar 2011 VIII R 3/10, BFHE 232, 453, BStBl II 2011, 498, m.w.N.). |
|
|
Beherrscht der Übersetzer die beauftragten Sprachen –wie hier die Gesellschafter der Klägerin– nicht selbst, kann er –weil er die Übersetzungsleistung weder selbst erbringen noch insoweit leitend und eigenverantwortlich tätig sein kann– nicht freiberuflich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig sein. Es liegt eine gewerbliche Tätigkeit (§ 15 Abs. 2 EStG) vor, und zwar auch dann, wenn der Übersetzer eine bzw. einen Teil der beauftragten Sprachen beherrscht. |
|
|
e) Dass sich das Berufsbild des (Fach-)Übersetzers bzw. die Tätigkeiten "technischer Übersetzungsbüros" bzw. "Ingenieurbüros für technische Kommunikation" im Laufe der letzten Jahre bzw. Jahrzehnte u.a. durch den Einsatz technischer Hilfsmittel wie z.B. eines TMS verändert haben und neben der eigentlichen Übersetzungsarbeit regelmäßig weitere redaktionelle und (ingenieur-)technische Leistungen erbracht werden, ändert nichts daran, dass es (weiterhin) um die Qualifizierung einer Übersetzungstätigkeit geht, deren Einordnung als freiberuflich –wie in anderen Bereichen auch– maßgeblich von der entsprechenden Befähigung des Betriebsinhabers abhängt. Übernimmt ein Übersetzungsbüro im Rahmen einheitlicher Aufträge regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang auch Übersetzungen in Sprachen, die ihre Gesellschafter selbst nicht sprechen, liegt keine freiberufliche Tätigkeit vor. Das insoweit bestehende Defizit im Bereich eigener Sprachkompetenz kann grundsätzlich weder durch den Einsatz eines TMS noch durch die sorgfältige Auswahl und die Unterstützung der eingesetzten Fremdübersetzer ausgeglichen werden, da die Richtigkeit der jeweiligen Übersetzung nicht überprüft werden kann. |
|
|
f) Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich die Tätigkeit der Klägerin als gewerblich. |
|
|
aa) Kernelement der Tätigkeit der Klägerin war die Übersetzungsarbeit. Dass sie sich auftragsgemäß nicht allein um die Übersetzung der Texte kümmerte, sondern fertig übersetzte und layoutete technische Handbücher, Bedienungsanleitungen etc. herstellte und in diesem Zusammenhang auch weitere (redaktionelle und ingenieurtechnische) Leistungen erbrachte, ändert nichts daran, dass Hauptgegenstand der der Klägerin erteilten Aufträge die Übersetzung der von den Kunden bereitgestellten Texte in andere Sprachen war. |
|
|
bb) Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindenden Feststellungen des FG bestellten die Kunden der Klägerin auf Grundlage einheitlicher Aufträge Übersetzungen selbst erstellter Dokumentationen in mehrere Sprachen, wobei regelmäßig auch Übersetzungen in Sprachen, die die Gesellschafter der Klägerin nicht beherrschten, zu erbringen waren. So hat die Klägerin in den Streitjahren Übersetzungen in Türkisch, Arabisch, Schwedisch, Slowenisch, Polnisch, Italienisch, Dänisch, Niederländisch, Russisch, Portugiesisch, Bulgarisch und etliche weitere Sprachen gefertigt. Dies konnte sie nur unter Zuhilfenahme von Fremdübersetzern, wobei ihr die inhaltliche Kontrolle der übersetzten Texte wegen der insoweit fehlenden Sprachkenntnisse ihrer Gesellschafter nicht möglich war. Der Anteil der zugekauften Fremdleistungen an den Umsatzerlösen betrug nach den Feststellungen des FG 26 % bis 56 %; die Klägerin beziffert den Anteil des Zukaufs von Übersetzungen in Sprachen, die die Gesellschafter nicht beherrschten, auf 15 % bis 26 % des Nettoumsatzes. Danach war der Zukauf von Übersetzungen in Sprachen, die die Gesellschafter nicht selbst beherrschten, zum einen dem Umfang nach nicht unerheblich und er war zum anderen auch zur Erledigung des weit überwiegenden Teiles ihrer Aufträge notwendig, d.h. er war zur Erfüllung der Aufträge der Klägerin strukturell erforderlich. |
|
|
Eine solche Übersetzungstätigkeit ist gewerblich, da sich die Kenntnisse der Gesellschafter der Klägerin nicht auf den gesamten Bereich der betrieblichen Tätigkeit erstrecken. |
|
|
cc) Dass wesentliche Teile der jeweiligen Aufträge von den Gesellschaftern selbst übersetzt werden bzw. unter Heranziehung von Fremdübersetzungen in Sprachen, die die Gesellschafter beherrschten, erledigt werden konnten, ändert hieran nichts. Auch der Umstand, dass die Klägerin für die zugekauften Fremdübersetzungen im Rahmen des von ihr gefertigten "Gesamtproduktes" gegenüber ihren Kunden verantwortlich war, nimmt ihrer Tätigkeit nicht den gewerblichen Charakter. |
|
|
dd) Dies gilt auch in Bezug auf die Einflussnahme des Gesellschafters F auf die Arbeit der Fremdübersetzer und damit die Qualität der Fremdübersetzungen sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass neben der eigentlichen Übersetzungsarbeit ingenieurtechnische und redaktionelle Arbeiten erbracht werden. Auch wenn die Klägerin die für (Fach-)Übersetzer geltenden Qualitätsstandards eingehalten (z.B. bei der Auswahl der Fremdübersetzer) und F die Arbeiten der Fremdübersetzer insbesondere in technischer Hinsicht weitgehend unterstützt hat, so waren die Gesellschafter der Klägerin gleichwohl mangels eigener Sprachkenntnisse nicht in der Lage, das Ergebnis der Fremdübersetzungen zu überprüfen. Dies haben die Gesellschafter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. |
|
|
ee) Die Nutzung des TMS führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen machte dieses den Einsatz der Fremdübersetzer nicht entbehrlich. Nach den Feststellungen des FG war es nur äußerst selten der Fall, dass zwischen dem Ausgangstext und den im TMS gespeicherten Segmenten eine 100 %-ige Übereinstimmung bestand und daher der Einsatz eines Fremdübersetzers entbehrlich war. Der weit überwiegende Teil wies "Matches" unter 75 % aus, so dass die Einbindung von Fremdübersetzern erforderlich war. |
|
|
Zum anderen führte die Integration von Fremdübersetzungen in das TMS in Bezug auf jene Sprachen, die die Gesellschafter der Klägerin nicht beherrschten, zwar dazu, dass diese Textteile für die Klägerin dauerhaft zur Nutzung verfügbar waren. Sie änderte indes nichts daran, dass es sich weiterhin um fremdübersetzte Textteile handelte, deren Richtigkeit die Gesellschafter der Klägerin mangels eigener Sprachkompetenz nicht überprüfen konnten. Aus diesem Grund führt auch der Umstand, dass die Gesellschafter der Klägerin durch die Nutzung des TMS Einfluss auf den gesamten "Produktionsprozess" einschließlich der Übersetzung in Sprachen, die sie selbst nicht beherrschten, genommen haben, zu keinem anderen Ergebnis. |
|
|
ff) Ist hiernach die Tätigkeit der Klägerin gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG mangels einer insgesamt freiberuflichen Tätigkeit der Gesellschafter gewerblich, kommt es auf die sog. Geprägerechtsprechung, die die steuerliche Einordnung von bereits ihrer Art nach unterschiedlichen Tätigkeiten, die im konkreten Einzelfall untrennbar verflochten sind, betrifft (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. April 1997 IV R 60/95, BFHE 183, 150, BStBl II 1997, 567, freiberufliche IT-Dienstleistung und Verkauf von Hardware; vom 10. Juni 2008 VIII R 101/04, BFH/NV 2008, 1824, freiberufliche Unternehmensberatung und Personalüberlassung; vgl. auch Ausführungen zur sog. Geprägerechtsprechung im BFH-Urteil in BFHE 194, 206, BStBl II 2002, 478), ebenso wenig an wie auf eine sog. Abfärbung einer gewerblichen Betätigung auf eine freiberufliche Betätigung (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). |
|
|
2. Das Recht des FA, für die Streitjahre Gewerbesteuermessbeträge festzusetzen, war auch unter Einbeziehung der Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen und insbesondere nicht verwirkt. |
|
|
a) Verwirkung ist ein Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Tuns, das Ausfluss des die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben ist. Der Tatbestand der Verwirkung setzt neben dem bloßen Zeitmoment (zeitweilige Untätigkeit des Anspruchsberechtigten) sowohl ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten voraus, demzufolge der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Vertrauenstatbestand) als auch, dass der Anspruchsverpflichtete tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich hierauf eingerichtet hat (z.B. BFH-Urteil vom 7. Juni 1984 IV R 180/81, BFHE 141, 451, BStBl II 1984, 780, m.w.N.). |
|
|
b) Im Streitfall fehlt es an einem entsprechenden Vertrauenstatbestand. Die Klägerin konnte aufgrund der zunächst erfolgten erklärungsgemäßen Feststellung ihrer Einkünfte für die Streitjahre als solche aus selbständiger Arbeit durch das FA bei objektiver Beurteilung nicht darauf vertrauen, nicht (mehr) zur Gewerbesteuer herangezogen zu werden. |
|
|
aa) Nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung wird ein Vertrauenstatbestand nicht dadurch geschaffen, dass das FA die Tätigkeit der Klägerin in vorangegangenen Jahren als freiberuflich beurteilt hat. |
|
|
bb) Bei objektiver Beurteilung konnte die Klägerin auch nicht aufgrund der für die Streitjahre 2003 und 2004, 2006 und 2007 ergangenen Feststellungsbescheide darauf vertrauen, nicht mehr zur Gewerbesteuer herangezogen zu werden, denn diese Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und konnten deshalb keinen Vertrauensschutz nach den Grundsätzen der Verwirkung begründen (z.B. BFH-Beschluss vom 9. Juli 2002 IV B 7/01, BFH/NV 2002, 1612). |
|
|
cc) Der Erlass des Feststellungsbescheides für das Streitjahr 2005 vom 12. September 2007 führte ebenfalls nicht zur Verwirkung, selbst wenn er keinen Vorbehalt der Nachprüfung enthielt. Denn daraus konnte die Klägerin nicht herleiten, das FA habe nunmehr –mit dem Erlass des Feststellungsbescheides 2005– abschließend über die Frage der Freiberuflichkeit der Tätigkeit entschieden. Eine solche Annahme wäre u.U. begründet gewesen, wenn der Feststellungsbescheid 2005 im Rahmen eines zur Frage der Freiberuflichkeit geführten Rechtsbehelfsverfahrens oder aber nach einer –jedenfalls aus Sicht der Klägerin– abschließenden Prüfung der Einkünftequalifizierung durch das FA ergangen wäre. Dies war aber nicht der Fall. Das FA hat sich vielmehr gegenüber der Klägerin zu der Frage der Qualifikation der Einkünfte bis zur Betriebsprüfung nicht in vertrauensbegründender Weise geäußert. Es hat sich zwar –wie die im Jahr 2002 und im Streitjahr 2004 in Bezug auf die Veranlagungen für die Jahre 2000 und 2002 erfolgten Nachfragen des FA bestätigen– für die Klägerin erkennbar mit der Frage der Fremdleistungen und damit einer etwaigen Gewerblichkeit der Tätigkeit befasst. Jedoch hat das FA der Klägerin kein Ergebnis dieser Befassung mitgeteilt und auch nicht im Zusammenhang mit dem Erlass des Feststellungsbescheides für das Jahr 2005 zum Ausdruck gebracht, nach (abschließender) Prüfung der Fremdleistungen sei (weiterhin) eine Freiberuflichkeit der Tätigkeit anzunehmen. Die Frage der Einkünftequalifizierung war daher –bei objektiver Betrachtung– für die Klägerin ungeklärt geblieben. |
|
|
dd) Das FA hat auch nicht in anderer Weise einen Vertrauenstatbestand begründet. So hat es z.B. nicht –im Anschluss an den hierzu mit der Klägerin geführten Schriftverkehr– die in den Feststellungsbescheiden für die Jahre 2000 und 2002 aufgenommenen Vorbehalte der Nachprüfung aufgehoben und auf diese Weise signalisiert, die Prüfung der Frage der Gewerblichkeit der Einkünfte sei (zugunsten der Klägerin) abgeschlossen. |
|
|
c) Die Darlegungen der Klägerin zur bewussten Verschleppung der Betriebsprüfung sowie zu der nach ihrer Ansicht bereits im Jahr 2002 beabsichtigten Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrages durch das FA begründen ebenfalls keine Verwirkung. Eine vorsätzliche oder jedenfalls besonders grobe Amtspflichtverletzung zum Nachteil der Klägerin, die die Klägerin als nachgewiesen erachtet, hat das FG nicht festgestellt. |
|
|
Selbst bei Annahme einer Verschleppung im Sinne einer pflichtwidrig nicht zeitnah durchgeführten Betriebsprüfung bzw. Sachaufklärung ergäbe sich keine Verwirkung. Denn ein solches pflichtwidriges Unterlassen des FA stellt sich für den Steuerpflichtigen nicht anders dar, als eine nicht pflichtwidrige Verschiebung einer Betriebsprüfung. Ein pflichtwidriges Verhalten des FA mag zwar –wird es aufgedeckt– u.U. im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs, der vor den Zivilgerichten zu verfolgen ist, relevant sein. Es kann jedoch regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand begründen, der die Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrages für die Streitjahre ausschließt. Aus den Erwägungen des von der Klägerin herangezogenen Urteils vom 4. Juli 1979 II R 74/77 (BFHE 129, 201, BStBl II 1980, 126) lässt sich ebenfalls keine Verwirkung herleiten. Dies folgt bereits daraus, dass die Entscheidung einen mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt betrifft. |
|
|
d) Schließlich begründen die von der Klägerin dargelegten weiteren Umstände –wie z.B. die nach ihrer Auffassung nachgewiesene Verletzung der Wahrheitspflicht durch das FA im FG-Verfahren– kein anderes Ergebnis. Das dem Erlass der streitigen Gewerbesteuermessbescheide zeitlich nachfolgende Verhalten des FA im FG-Verfahren ist nicht geeignet, ein Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand der in den Feststellungsbescheiden erfolgten Qualifizierung der Einkünfte zu begründen. |
|
|
e) Die von der Klägerin insbesondere in Bezug auf die Frage der Verwirkung erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. |
|
|
Eine Verletzung des Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) liegt nicht vor. Zwar verlangt der Anspruch auf rechtliches Gehör von dem erkennenden Gericht, dass es die Ausführungen und Anträge der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (z.B. BFH-Beschluss vom 1. September 2008 IV B 110/07, BFH/NV 2008, 2010, m.w.N.). Dazu gehört auch, dass das Gericht die wesentlichen, der Rechtsverfolgung dienenden Tatsachenbehauptungen und Rechtsausführungen in den Entscheidungsgründen verarbeitet, sofern sie nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts nicht unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert sind. Das Recht auf rechtliches Gehör verlangt aber nicht, dass sich das Gericht in der Begründung seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich befassen müsste (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 2010, m.w.N.). |
|
|
Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das FG nicht sämtlichen Vortrag zur Frage der Verwirkung, der nach der zweiten Akteneinsicht erfolgt ist, außer Acht gelassen. Vielmehr hat das FG –wie auch die Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 12. Oktober 2011 belegt– seiner Entscheidung das aus seiner Sicht entscheidungserhebliche Vorbringen der Klägerin nach der zweiten Akteneinsicht zugrunde gelegt, auch wenn es nicht alle von der Klägerin vorgebrachten Aspekte ausdrücklich angesprochen hat. Die Tatsache, dass das FG den Rechtsstreit anders beurteilt hat als die Klägerin, führt nicht zu einem Verfahrensfehler. Gleiches gilt in Bezug auf das Vorbringen der Klägerin zur Prüfung der Fremdleistungen durch das FA und die mit dieser –aus Sicht der Klägerin– in Verbindung stehende Verschleppung der Aufklärung erkannter Sachverhalte durch das FA und die –von der Klägerin gesehene– Wahrheitspflichtverletzung des FA im FG-Verfahren. |
|
|
Aus diesen Gründen greift auch die Rüge der Klägerin, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§ 119 Nr. 6 FGO), nicht durch. Das FG hat sich in seinem Urteil mit der Frage der Verwirkung auseinandergesetzt. Dass die Urteilsbegründung nicht den Erwartungen der Klägerin entspricht, begründet keinen Verstoß gegen § 119 Nr. 6 FGO (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 11. Juli 2012 X B 41/11, BFH/NV 2012, 1634, m.w.N.). |
|
|
Die weiteren Verfahrensrügen erachtet der Senat ebenfalls als nicht durchgreifend (§ 126 Abs. 6 FGO). |
|
|
3. Die von der Klägerin dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht. Der Erlass der Gewerbesteuermessbescheide verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. |
|
|
a) Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG räumt nach Wortlaut, Systematik und Zweck dem Behinderten nur ein subjektives Abwehrrecht gegen Benachteiligungen, aber grundsätzlich keinen Anspruch auf bestimmte Vergünstigungen im Vergleich zu Nichtbehinderten ein (z.B. BFH-Urteil vom 21. Juni 2007 III R 48/04, BFHE 218, 270, BStBl II 2007, 880, m.w.N.). Benachteiligung bedeutet nachteilige Ungleichbehandlung. Behinderte werden z.B. benachteiligt, wenn ihre Lebenssituation im Vergleich zu derjenigen nichtbehinderter Menschen durch gesetzliche Regelungen verschlechtert wird, die ihnen Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten vorenthalten, welche anderen offenstehen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Januar 1999 1 BvR 2161/94, BVerfGE 99, 341, BGBl I 1999, 699). Eine nachteilige Gleichbehandlung wird dagegen von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht erfasst (BFH-Urteil in BFHE 218, 270, BStBl II 2007, 880). |
|
|
b) Hieraus folgt, dass die von der Behinderung des F unabhängige steuerliche Beurteilung der Einkünfte der Klägerin als gewerblich keine von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG erfasste Ungleichbehandlung darstellt. Auch nichtbehinderte Menschen, die ihre Tätigkeit ausschließlich von zu Hause ausüben und daher keine besondere Infrastruktur der Städte nutzen, unterliegen –wenn ihre Tätigkeit gewerblich ist– der Gewerbesteuer. |
|
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. |
|