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II. Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). |
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Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Erstattungsanspruch hat, der über den von der Familienkasse geleisteten Betrag von monatlich 480,75 EUR hinausgeht. |
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1. Erbringt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe –wie im Streitfall– Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses nach §§ 27, 34 SGB VIII und bezieht einer der Elternteile Kindergeld für den jungen Menschen, hat dieser Elternteil gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII einen Kostenbeitrag mindestens in Höhe des Kindergeldes zu leisten. Zahlt der Elternteil den Kostenbeitrag nicht, ist der Jugendhilfeträger insoweit gemäß § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII berechtigt, das auf dieses Kind entfallende Kindergeld durch Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Sätze 1 und 4 SGB X in Anspruch zu nehmen. |
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2. Der Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Sätze 1 und 4 SGB X setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass der Kostenbeitragsanspruch gegenüber dem Kindergeldberechtigten durch einen Kostenbeitrags- oder Leistungsbescheid konkretisiert und betragsmäßig festgesetzt worden ist (Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 25. Mai 2004 VIII R 21/03, BFH/NV 2005, 171, und vom 7. Dezember 2004 VIII R 59/04, BFH/NV 2005, 864, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts –BSG–). Nur in Höhe des festgesetzten Kostenbeitrags hat der Jugendhilfeträger gegenüber dem Kläger Anspruch auf Erstattung des Kindergeldes. Hinsichtlich eines darüber hinausgehenden Anspruchs muss er zunächst einen geänderten Kostenbeitragsbescheid erlassen, sofern dies rechtlich noch möglich ist (BSG-Urteil vom 22. Januar 1998 B 14/10 KG 24/96 R, Sozialrecht –SozR– 3-1300 § 104 Nr. 13). |
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3. Der Kläger hat für seine Jugendhilfeleistungen nach §§ 27, 34 SGB VIII mit Bescheid vom 23. März 2006 gegenüber der Beigeladenen einen Kostenbeitrag ab 1. April 2006 festgesetzt, jedoch nur in Höhe von monatlich 462 EUR, da ihm zum Zeitpunkt der Festsetzung nicht bekannt war, dass die Familienkasse für die älteste Tochter der Beigeladenen wieder Kindergeld festgesetzt hatte und sich somit für das jüngste Kind das Kindergeld auf 179 EUR erhöht hatte. Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger lediglich erklärt, er werde den Bescheid nach einer entsprechenden Reaktion der Familienkasse auf sein Erhöhungsverlangen ändern. Auch aus den vorliegenden Akten ergibt sich nicht, dass der Kläger einen geänderten Kostenbescheid erlassen hat, so dass schon deshalb die Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Erstattung in Höhe von 487 EUR monatlich nicht vorliegen. |
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4. Selbst wenn der Kläger zwischenzeitlich aber einen geänderten Kostenbescheid erlassen haben sollte, wäre die Revision unbegründet, weil der Erstattungsanspruch –wie das FG zutreffend ausgeführt hat– höchstens 480,75 EUR betragen könnte. |
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a) Wird Kindergeld für mehr als ein Kind gezahlt, ist der Erstattungsbetrag entsprechend § 76 Satz 2 Nr. 1 EStG zu berechnen. Danach ist je Kind grundsätzlich nur eine Erstattung bis zu dem Betrag möglich, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf jedes der Kinder ergibt, für das der Leistungsberechtigte Kindergeld erhält (ebenso Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes 74.2.1 Abs. 4 Satz 1, BStBl I 2009, 1030; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 74 EStG Rz 16 am Ende; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 29. Aufl., § 74 Rz 5; Mrozynski, SGB VIII, 5. Aufl., § 94 Rz 9). |
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Zwar ordnet § 74 Abs. 2 EStG –anders als § 74 Abs. 1 Satz 2 EStG für die Abzweigung von Kindergeld– die entsprechende Anwendung des § 76 EStG auf Erstattungsansprüche nicht ausdrücklich an. Aus dem Fehlen einer solchen Anordnung folgt jedoch kein Verbot, diese Vorschrift entsprechend anzuwenden (a.A. wohl Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 94 Rz 14). Denn § 76 Satz 2 Nr. 1 EStG, der die Höhe des pfändbaren Teils des Kindergeldes regelt, ist Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes, dass der Gesamtbetrag des Kindergeldes allen Kindern gleichmäßig zugute kommen soll (vgl. BSG-Urteil in SozR 3-1300 § 104 Nr. 13, zur Pfändungsschutzvorschrift des § 54 Abs. 5 Satz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch). Nach § 31 Sätze 1 und 2 EStG dient das Kindergeld der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes und, soweit es dafür nicht erforderlich ist, der Förderung der Familie. Die Staffelung des Kindergeldes bei mehreren Kindern gemäß § 66 Abs. 1 EStG beruht nicht auf dem unterschiedlichen Bedarf der einzelnen Kinder, sondern auf dem mit steigender Kinderzahl überproportional zunehmenden Entlastungsbedarf der Familie (Urteil des FG Thüringen vom 5. Juni 2002 III 1017/01, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2002, 1462; Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 76 EStG Rz 3). Das für das jeweilige Kind gezahlte Kindergeld soll also nicht allein diesem Kind zugute kommen. Vielmehr soll die Summe des gesamten Kindergeldes die Familie insgesamt entlasten und für alle Kinder gleichermaßen verwendet werden (Helmke, a.a.O., § 66 EStG Rz 10; Urteil des FG Thüringen in EFG 2002, 1462). |
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Auch Sinn und Zweck der Erstattungsvorschriften stehen einer Aufteilung des Gesamtkindergeldes nach Köpfen nicht entgegen. Die in § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII vorgesehene Erstattung des Kindergeldes zielt wie die Heranziehung des Kindergeldberechtigten zu einem Kostenbeitrag gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII darauf ab, dem Kindergeldempfänger nicht einen als unbillig empfundenen Kindergeldvorteil zu belassen. Ein Jugendhilfeträger, der Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses gewährt, stellt nach § 39 SGB VIII den Lebensunterhalt des betroffenen Kindes sicher. Dementsprechend bezweckt § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII mit seiner Verweisung auf § 74 Abs. 2 EStG und dessen Weiterverweisung auf § 104 Abs. 1 Sätze 1 und 4 SGB X, eine ungerechtfertigte Bereicherung des Kindergeldberechtigten zu vermeiden, wenn der Jugendhilfeträger für seine Leistungen von ihm Kostenersatz verlangen kann (vgl. Böttiger in Lehr- und Praxiskommentar zum SGB X, § 104 Rz 26; Roos, in: v. Wulffen, SGB X, § 104 Rz 18). Soll das gesamte Kindergeld gleichmäßig allen Kindern zugute kommen, liegt der abzuschöpfende ungerechtfertigte Vorteil des Kindergeldberechtigten aber nicht in dem für das betreffende Kind gezahlten Kindergeld, sondern in der nach Kopfteilen anhand des Gesamtkindergeldes ermittelten Ersparnis bei der Unterhaltsleistung. |
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Die entsprechende Anwendung des § 76 Satz 2 Nr. 1 EStG ist auch deshalb geboten, weil die Rechtsposition des Jugendhilfeträgers derjenigen eines Pfändungsgläubigers entspricht. Dabei ersetzt der Kostenbeitragsbescheid den für die Pfändung erforderlichen Titel. Da funktional eine Form der Zwangsvollstreckung vorliegt (BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 864, m.w.N.; Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB X, § 104 Rz 18; Störmann in Jahn/Jansen, SGB X, § 104 Rz 28), müssen auch die Grenzen, die § 76 Satz 2 Nr. 1 EStG für die Pfändung des Kindergeldanspruches vorgibt, eingehalten werden. |
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Schließlich ermöglicht die analoge Anwendung des § 76 Satz 2 Nr. 1 EStG bei der Berechnung des Erstattungsbetrags eine system- und praxisgerechte Lösung, wenn Abzweigung und Erstattung von Kindergeld zusammentreffen und das für die betreffenden Kinder gezahlte Kindergeld gemäß § 66 Abs. 1 EStG unterschiedlich hoch ist. Der Betrag des für eines der älteren Kinder in vollem Umfang abgezweigten Kindergeldes übersteigt in diesem Fall das für dieses Kind gezahlte Kindergeld. Denn bei der Abzweigung ist das Gesamtkindergeld gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 76 Satz 2 Nr. 1 EStG nach Köpfen aufzuteilen. Dadurch erhöht sich der für ein älteres Kind abzuzweigende Betrag anteilig um das für ein jüngeres Kind gezahlte erhöhte Kindergeld. Mit dieser gesetzlich vorgegebenen Berechnung des Abzweigungsbetrags und dem Umstand, dass die Höhe des Gesamtkindergeldes eine feststehende Größe ist, wäre es nicht vereinbar, wenn stets das für das betreffende Kind gezahlte Kindergeld zu erstatten wäre. Das erhöhte Kindergeld für ein jüngeres Kind, das bei einer Abzweigung des Kindergeldes für ein älteres Kind bereits (anteilig) an den Abzweigungsempfänger auszuzahlen ist, kann nicht zugleich in voller Höhe bei dem jüngeren Kind als Erstattungsbetrag anzusetzen sein. Anderenfalls würde die Summe von Abzweigungs- und Erstattungsbetrag das insgesamt gezahlte Kindergeld übersteigen. Zu derartigen Verwerfungen kommt es nicht, wenn die Höhe des Erstattungsbetrags analog § 76 Satz 2 Nr. 1 EStG nach demselben Maßstab berechnet wird, wie ihn § 74 Abs. 1 Satz 2 EStG für die Berechnung des Abzweigungsbetrags vorschreibt. |
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b) Nach diesen Grundsätzen hätte der Kläger bei einer Kindergeldsumme von 641 EUR für vier Kinder einen Anspruch auf monatlich 160,25 EUR je Kind, also für die drei unterstützten Kinder insgesamt monatlich 480,75 EUR. Diesen Betrag hat die Familienkasse bereits erstattet. |
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 und Abs. 3, § 139 Abs. 4 FGO. Die Beigeladene trägt keine Kosten, weil sie keine Anträge gestellt hat. Da sich die Beigeladene im Revisionsverfahren nicht geäußert und es daher nicht wesentlich gefördert hat, sind ihre außergerichtlichen Kosten gemäß § 139 Abs. 4 FGO keinem der anderen Beteiligten aufzuerlegen. |
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