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II. A. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage in vollem Umfang (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Entgegen der Auffassung des FG ist der Änderungsbescheid vom 14. Mai 2003 in der Gestalt, die er durch die Einspruchsentscheidung gefunden hat, rechtmäßig. Das FA konnte im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 18. Dezember 1997 die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zum Nachteil der Klägerin ändern. |
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1. Nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO ist die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, verpflichtet, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO). |
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Die dem FA nach § 367 Abs. 2 AO eingeräumte Überprüfungsberechtigung und damit seine Entscheidungsbefugnis wird durch den angefochtenen Verwaltungsakt begrenzt. Nur im Rahmen des Lebenssachverhalts, der durch den angefochtenen Verwaltungsakt erfasst worden ist, darf das FA prüfen, ob der steuerrechtlich erhebliche Sachverhalt richtig und vollständig ermittelt worden und die nach dem verwirklichten Steuertatbestand entstandene Steuer richtig festgestellt worden ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH— vom 28. Juli 1993 II R 50/90, BFH/NV 1993, 712; vom 19. Januar 1994 II R 32/90, BFH/NV 1994, 758; BFH-Beschluss vom 15. Mai 2009 II B 16/09, nicht veröffentlicht). |
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2. Ausgangspunkt der Überprüfung eines Grunderwerbsteuerbescheides ist in materiell-rechtlicher Hinsicht der besteuerte Erwerbsvorgang i.S. des § 1 GrEStG. Durch die Angabe der diesen Vorgang begründenden Tatsachen wird der Lebenssachverhalt festgelegt, der vom Bescheid erfasst werden sollte. Ist aufgrund der vom FA angeführten Tatsachen ein grunderwerbsteuerpflichtiger Erwerbsvorgang erfüllt, ist im Einspruchsverfahren weiter zu prüfen, ob der Sachverhalt vollständig ermittelt und steuerlich erfasst worden ist. Das FA kann deshalb insbesondere die für den Erwerbsvorgang angesetzte Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer überprüfen und erforderlichenfalls erhöhen, wenn bestimmte Tatsachen noch nicht bei der angefochtenen Steuerfestsetzung berücksichtigt waren. |
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3. Das FG hat zutreffend erkannt, dass der Grundstückskaufvertrag vom 13. September 1995 einen steuerpflichtigen Vorgang i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG darstellt und Gegenstand des Erwerbs der Klägerin ein Grundstück mit einem noch zu errichtenden Gebäude gewesen ist. |
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a) Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (BFH-Urteil vom 23. August 2006 II R 42/04, BFH/NV 2007, 760, m.w.N.). |
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b) Ein solcher sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen ist gegeben, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten würde (BFH-Urteil vom 8. Februar 1995 II R 19/92, BFH/NV 1995, 823, unter II.3.a). Darüber hinaus wird ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag indiziert, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot annimmt (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 760, m.w.N.). Gemäß diesen Grundsätzen hat die Klägerin mit dem Vertrag vom 13. September 1995 ein Grundstück mit noch herzustellender Bebauung erworben. |
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Die Würdigung des FG, die Klägerin sei bei Abschluss des Kaufvertrages am 13. September 1995 an das Bebauungskonzept des Grundstücksveräußerers, der M AG, gebunden gewesen und habe damit aufgrund eines einheitlichen Angebots der M AG ein zukünftig bebautes Grundstück erworben, ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. |
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4. Das FG nimmt demzufolge zu Unrecht an, der angefochtene Steuerbescheid vom 18. Dezember 1997 betreffe einen anderen Lebenssachverhalt als der im Laufe des Einspruchsverfahrens ergangene Steuerbescheid vom 14. Mai 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung. Denn geändert wurde lediglich die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer. |
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a) Gegenstand der Steuer war jeweils der am 13. September 1995 zwischen der M AG und der Klägerin abgeschlossene Vertrag, in dem die Klägerin einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks H erworben hat. Die Steuerfestsetzungen unterscheiden sich nur hinsichtlich des Umfangs der Gegenleistung i.S. von § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Im Bescheid vom 18. Dezember 1997 waren die Vergütungen, die dem FA damals bekannt waren, also der Kaufpreis für das Grundstück und das im Generalunternehmervertrag vereinbarte Entgelt, als Bemessungsgrundlage angesetzt. Demgegenüber wurde die Bemessungsgrundlage im Bescheid vom 14. Mai 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung um die Entgelte erhöht, die auf steuerlich noch nicht berücksichtigten Verträgen der Klägerin im Zusammenhang mit der Bebauung des Grundstücks und der Finanzierung des Vorhabens beruhten. Diese Verträge stellen für die Besteuerung des nämlichen Erwerbsvorgangs maßgebliche Tatsachen dar. Denn materiell-rechtlich gehören alle Aufwendungen des Erwerbers für den Erwerb des Grundstücks in dem Zustand, in dem es Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist, zur Gegenleistung (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 1997 II R 35/95, BFH/NV 1998, 495). |
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b) Das Urteil des BFH in BFH/NV 1994, 758 betraf einen anderen Sachverhalt. Denn dort ließ der vom FA der Besteuerung zugrunde gelegte Lebenssachverhalt selbst unter Einbeziehung weiterer Rechtsvorgänge nicht den Schluss zu, dass ein wie immer gearteter grunderwerbsteuerpflichtiger Tatbestand erfüllt worden wäre. |
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5. Dem Erlass des während des Einspruchsverfahrens ergangenen Änderungsbescheids vom 14. Mai 2003 standen die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung nicht entgegen. |
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a) Gemäß § 170 Abs. 1 AO beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Abweichend hiervon bestimmt § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO u.a. in den Fällen, in denen eine Anzeige zu erstatten ist, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Da die Klägerin die im Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag abgeschlossenen Verträge zur Herstellung und Finanzierung der Gebäude entgegen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG und trotz Aufforderungen des FA nicht angezeigt hat, hätte die reguläre Festsetzungsfrist für den Erwerbsvorgang aus dem Jahre 1995 mit Ablauf des Jahres 2002 geendet. Durch den Einspruch der Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 18. Dezember 1997 ist jedoch eine Ablaufhemmung eingetreten. |
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b) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Einspruch unanfechtbar entschieden ist (§ 171 Abs. 3a Satz 1 1. Halbsatz AO). Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt (§ 171 Abs. 3a Satz 2 1. Halbsatz AO). Die durch das Gesetz vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601) eingefügte Vorschrift des § 171 Abs. 3a AO gilt für alle beim Inkrafttreten des genannten Gesetzes (30. Dezember 1999) noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfristen (Art. 97 § 10 Abs. 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung). Dies bedeutet, dass die Neuregelung in allen Verfahren anzuwenden ist, in denen die Festsetzungsfrist am Tag des Inkrafttretens bei einer Beurteilung auf der Grundlage des vor ihrem Inkrafttreten geltenden Rechts noch nicht abgelaufen war (vgl. BFH-Urteil vom 10. August 2006 II R 24/05, BFHE 214, 105, BStBl II 2007, 87, sowie Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juni 2009 1 BvR 571/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2009, 921). |
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c) Am 30. Dezember 1999 war die reguläre Frist zur Festsetzung der Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Grundstücks H durch die Klägerin noch nicht abgelaufen. Der Umfang der Ablaufhemmung, die durch den im Januar 1998 eingelegten Einspruch gegen den Änderungsbescheid vom 18. Dezember 1997 ausgelöst wurde, bestimmt sich deshalb nach § 171 Abs. 3a AO und erstreckt sich auf den gesamten Steueranspruch. Deshalb konnte am 14. Mai 2003 die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zum Nachteil der Klägerin geändert werden. Eine unzulässige Rückwirkung liegt insoweit nicht vor. |
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6. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtene Grunderwerbsteuerfestsetzung ist rechtmäßig. Die Klage war deshalb insgesamt abzuweisen. |
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B. Die Revision der Klägerin ist unbegründet; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). |
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1. Das FG hat bei der Frage, ob die Klägerin an das Bebauungs- und Vertragskonzept der M AG gebunden war und daher ein bebautes Grundstück erworben hat, zu Recht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags am 13. September 1995 abgestellt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 6. März 1991 II R 133/87, BFHE 164, 117, BStBl II 1991, 532; vom 27. Oktober 1999 II R 17/99, BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34, unter II.2; in BFH/NV 2007, 760, unter II.1.a.). |
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Der Beitritt der Neugesellschafter, die am 27. Dezember 1995 die Vollmacht zur Beitrittserklärung unterzeichnet haben und mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28. Dezember 1995 aufgenommen wurden, hat dagegen keine maßgebliche Bedeutung. Zu diesem Zeitpunkt war durch den Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück der grunderwerbsteuerrechtliche Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bereits erfüllt. Erwerberin war die Klägerin. Die Änderung im Gesellschafterbestand der Klägerin ist kein Umstand, der es rechtfertigen könnte, den Erwerbsgegenstand abweichend von den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen. |
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Deshalb ist nicht entscheidungserheblich, ob –wie die Klägerin rügt– das FG die Umstände im Moment des Beitritts der neuen Gesellschafter unzutreffend bewertet und die an eine Bindung zu stellenden Anforderungen fehlerhaft ausgelegt hat. |
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2. Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. |
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Diese Bestimmung ist dahin gehend auszulegen, dass sie einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, beim Erwerb eines noch unbebauten Grundstücks künftige Bauleistungen in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung von Verkehrsteuern wie die Grunderwerbsteuer des deutschen Rechts einzubeziehen und somit einen nach der Richtlinie 77/388/EWG der Mehrwertsteuer unterliegenden Vorgang zusätzlich mit diesen weiteren Steuern zu belegen, sofern diese nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben (vgl. EuGH-Beschluss vom 27. November 2008 Rs. C-156/08, Vollkommer, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2009, 223). Der BFH hat bereits entschieden, der nach deutschem Recht erhobenen Grunderwerbsteuer sei nicht der Charakter einer Umsatzsteuer beizulegen (vgl. BFH-Urteile vom 2. April 2008 II R 53/06, BFHE 220, 550, unter II.2.d aa; vom 3. September 2008 XI R 54/07, BFHE 222, 153, BStBl II 2009, 499, unter II.3.d). |
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Im Hinblick auf den vorgenannten EuGH-Beschluss in DStR 2009, 223 ist eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO nicht geboten. |
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