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I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) als frühere Geschäftsführerin der D-GmbH gemäß § 69 der Abgabenordnung (AO) für im Jahr 2003 entstandene Umsatzsteuerschulden der D-GmbH haftet. |
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Die D-GmbH wurde im Jahr 1999 gegründet. Am … Juli 1999 wurde der Ehemann der Beschwerdeführerin zum Geschäftsführer bestellt. Die Jahresabschlüsse der D-GmbH wiesen Fehlbeträge des Eigenkapitals in Höhe von rund 15.000.000 DM zum 31. Dezember 2001 und in Höhe von rund 41.000.000 DM zum 31. Dezember 2002 aus. Jedenfalls teilweise bestanden diese Verbindlichkeiten der D-GmbH gegenüber nahestehenden Gesellschaften, die Rangrücktrittserklärungen abgegeben hatten. |
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Durch Vertrag vom 27. Dezember 2002 wurde die P-AG Mehrheitsgesellschafterin der D-GmbH. Vorstand der P-AG war seinerzeit O, der durch Beschluss der Gesellschafterversammlung der D-GmbH vom 1. Januar 2003 neben dem Ehemann der Beschwerdeführerin zum Geschäftsführer der D-GmbH bestellt wurde. Die P-AG wurde dabei allein durch den Vorstand O und einen Prokuristen, nicht jedoch durch den Aufsichtsrat, vertreten. Daher erhob die Rechtspflegerin beim Handelsregister Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Bestellung des Geschäftsführers O, denen die D-GmbH durch Rücknahme des Eintragungsantrags wegen Unwirksamkeit des Beschlusses Rechnung trug. |
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Mitte des Jahres 2003 fanden Verhandlungen zwischen der vom Ehemann der Beschwerdeführerin beherrschten A-GmbH und der P-AG über den Erwerb der Geschäftsanteile an der D-GmbH durch die A-GmbH statt. In diesem Zuge sollten auch die gegenüber den verbundenen Unternehmen bestehenden Verbindlichkeiten bereinigt werden. Zur Vorbereitung der dahingehenden Vereinbarungen beauftragte die A-GmbH am 22. Juli 2003 die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W mit einem Gutachten über die Kapitaldienstfähigkeit der D-GmbH. |
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Nach einer in einem Prüfvermerk der W enthaltenen Aufstellung bestanden zum 30. Juni 2003 Verbindlichkeiten der D-GmbH gegenüber verbundenen Unternehmen in Höhe von 55.751.000 EUR. Ferner weist der Prüfvermerk darauf hin, dass die vom Ehemann der Beschwerdeführerin vorgelegten Planungsrechnungen unter der Prämisse aufgestellt worden seien, dass die verbundenen Unternehmen zum 1. Juli 2003, nach Aufrechnung mit Forderungen der D-GmbH gegen verbundene Unternehmen, vollständig auf ihre Forderungen gegen die D-GmbH verzichten. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass bei der Plausibilitätsprüfung der Zwischenbilanz zum 30. Juni 2003 und der Planungsrechnungen die Planbilanzen und Plangewinn- und Verlustrechnungen nicht mit der Liquiditätsplanung abstimmbar gewesen seien. Unabhängig davon sei aus den Planungsrechnungen ersichtlich, dass die D-GmbH auch im dargestellten Zeitraum bis zum 31. Dezember 2006 nicht in der Lage sein werde, Verbindlichkeiten von Gesellschaftern und Verbindlichkeiten, die zum 30. Juni 2003 mit einem Rangrücktritt versehen seien, zu bedienen. Daher seien die Forderungen von verbundenen Unternehmen gegenüber der D-GmbH nicht voll werthaltig. |
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Am 30. Juli 2003 vereinbarten die mit der D-GmbH verbundenen Gläubigerinnen mit der D-GmbH einen Forderungsverzicht gegen Besserungsschein. Weiterhin rechneten die D-GmbH und die im Übrigen beteiligten Gesellschaften mit Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen der D-GmbH und diesen Gesellschaften auf. |
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Ebenfalls am 30. Juli 2003 veräußerte die P-AG ihre Anteile an der D-GmbH im Nennwert von 22.500 EUR zum Kaufpreis von 1 EUR an die A-GmbH, die bereits über Anteile im Nennwert von 2.250 EUR verfügte. Die Abtretung wurde am gleichen Tag wirksam. |
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Am … September 2003 wurde die Beschwerdeführerin zur Geschäftsführerin der D-GmbH bestellt. |
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Am … November 2003 wurden die Insolvenzverfahren über die Vermögen der mit der D-GmbH verbundenen Unternehmen eröffnet. Im Laufe dieser Verfahren fochten die Insolvenzverwalter die am 30. Juli 2003 erklärten Forderungsverzichte in Höhe von 16.225.000 EUR an. |
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Am 7. November 2003 und 10. Februar 2004 gingen die Umsatzsteuervoranmeldungen der D-GmbH für das III. und für das IV. Quartal 2003 beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt –FA–) ein und wiesen eine Zahllast von 32.401,16 EUR bzw. ein Guthaben von 7.138,31 EUR aus. Jedenfalls die Umsatzsteuervoranmeldung III/2003 war wie nahezu alle Voranmeldungen seit Anfang 2001 von der Buchhalterin P unterschrieben. Der Umsatzsteuervoranmeldung IV/2003 stimmte das FA zu. |
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Im Rahmen einer bei der D-GmbH durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die Vorsteuer für das III. Quartal 2003 um 7.723.083,31 EUR zu korrigieren sei, nachdem die D-GmbH am 30. Juli 2003 mit mehreren Gläubigern Forderungsverzichtsverträge abgeschlossen habe. Ferner sei davon auszugehen, dass auch für den Zeitraum ab August 2003 die Eingangsrechnungen nicht mehr bezahlt worden seien, so dass auch im Übrigen 2/3 der angemeldeten Vorsteuern des III. Quartals 2003 in Höhe von 904.988,50 EUR sowie die Vorsteuern des IV. Quartals 2003 in Höhe von 1.249.075,41 EUR zu berichtigen seien. |
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Ausgehend von den Prüfungsfeststellungen ergingen am 30. April 2004 und 26. April 2004 von den Steueranmeldungen abweichende Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen III/2003 und IV/2003, gegen die die D-GmbH am 7. Mai 2004 Einspruch einlegte. |
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Bereits am … März 2004, vor Ergehen der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide vom 30. und 26. April 2004, hatte die D-GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, woraufhin am … März 2004 ein sogenannter schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde. |
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Am 1. Juni 2004 wurde das Insolvenzverfahren vom Amtsgericht N eröffnet. |
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Auf Bitten des vorläufigen Insolvenzverwalters setzte die Prüferin die Umsatzsteuersonderprüfung fort. Dabei stellte sie fest, dass von den vom Forderungsverzicht umfassten Forderungen nur rund 15.000.000 EUR mit Vorsteuer belastet seien. Andererseits seien auch durch Aufrechnung vorsteuerbelastete Forderungen der D-GmbH entfallen, so dass auch insoweit eine Korrektur zugunsten der D-GmbH erforderlich sei. So ergebe sich per Saldo eine Steuerkorrektur zu Lasten der D-GmbH von 1.838.956,05 EUR. Die Prüferin fasste die Ergebnisse ungeachtet der eigentlich zutreffenden zeitlichen Zuordnung im IV. Quartal 2003 zusammen. Dem folgend erging am 8. Juni 2004 ein geänderter Bescheid über die Umsatzsteuervorauszahlung IV/2003, der in Unkenntnis des Insolvenzverfahrens an die D-GmbH bekanntgegeben wurde und eine Steuerfestsetzung von 1.908.832,07 EUR auswies, die in voller Höhe als rückständig ausgewiesen wurde. Auf entsprechenden Hinweis des Insolvenzverwalters hob das FA diesen Bescheid am 12. Januar 2005 wieder auf und übersandte eine gleichlautende Steuerberechnung. Am 22. Juni 2004 übersandte es ferner eine Steuerberechnung für das III. Quartal 2003, wonach die Umsatzsteuer III/2003 wie angemeldet ermittelt wurde. |
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Da der Insolvenzverwalter in seinem Insolvenzgutachten mitgeteilt hatte, dass die D-GmbH im Jahre 2003 Umsätze in Höhe von 33.867.000 EUR erzielt habe, schätzte das FA für Zwecke einer Umsatzsteuerjahresveranlagung für 2003, dass die D-GmbH Umsätze in Höhe von 33.900.000 EUR erzielt habe und ermittelte davon ausgehend unter Ansatz der im Umsatzsteuervorauszahlungsverfahren angesetzten Vorsteuern eine Jahresumsatzsteuer von 2.240.145,81 EUR, was zu einem Mehrsoll gegenüber dem Vorauszahlungsverfahren von 344.373,10 EUR führte. Diesen Betrag meldete das FA u.a. zusammen mit den Rückständen laut Umsatzsteuerberechnung für das IV. Quartal 2003 am 10. August 2004 zur Insolvenztabelle an. Die Anmeldung wurde am 28. Oktober 2004 vorläufig vom Insolvenzverwalter bestritten. |
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In der Folge minderte das FA seine Anmeldungen betreffend Umsatzsteuer IV/2003 mehrfach wegen Aufrechnungen. Am 27. Oktober 2006 erging ein Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO, wonach Steuerforderungen in Höhe von 3.631.735,81 EUR zur Tabelle festgestellt wurden, darunter Umsatzsteuer IV/2003, fällig zum 6. Mai 2004 in Höhe von 1.110.689,27 EUR, Umsatzsteuer IV/2003, fällig zum 1. Juni 2004 in Höhe von 666.894,95 EUR sowie Umsatzsteuer 2003, fällig zum 1. Juni 2004, in Höhe von 344.373,10 EUR. Der Feststellungsbescheid wurde bestandskräftig. |
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Am 21. April 2005 erließ das FA gegenüber der Beschwerdeführerin einen Haftungsbescheid gemäß § 69 AO. Darin stellte das FA Steuerschulden der D-GmbH in Insolvenz in Höhe von 1.893.219,91 EUR fest, die sich verteilten auf: |
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„Steuerart |
Zeitraum |
Fälligkeit |
Fiktive Fälligkeit |
Steuerbetrag |
Umsatzsteuer |
4.Vj.03 |
06.05.04 |
29.09.03 |
1.226.324,96 |
Umsatzsteuer |
4.Vj.03 |
18.06.04 |
29.09.03 |
666.894,95 |
Rückstände insgesamt |
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1.893.219,91″ |
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In den Erläuterungen führt das FA u.a. aus: |
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„… Die fiktive Fälligkeit zur Umsatzsteuer 4.Vj.03 wurde auf den Tag der Bestellung Ihrer Mandantin den 29.09.2003 festgelegt, da die Rückstände aus der Minderung von Vorsteuern aufgrund der am 30.07.2003 abgeschlossenen Forderungsverzichtsverträge resultieren und Mittel zur künftigen Tilgung mit der Bestellung bereitzuhalten waren. Bei frist- und wahrheitsgemäßer Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung 3.Vj.03 wären die o.g. Rückstände bereits zum Fälligkeitszeitpunkt der USt 3.Vj.03 am 10.11.2003 zu entrichten gewesen. |
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Rückstände zur Umsatzsteuer 4.Vj.03 resultieren aus den Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung mit Bericht vom 29.03.2004 geändert durch Schreiben vom 24.05.2004. |
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Die Gesellschaft reichte für das 4.Vj.03 eine USt-VA ein. Die Festsetzung erfolgte jedoch aufgrund der o.g. Prüfungsfeststellungen abweichend mit Bescheiden vom 26.04.2004 und 08.06.2004. Insgesamt ergibt sich Folgendes: |
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VAZ |
Umsätze |
Vorsteuern |
Umsatzsteuer |
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4.Vj.03 |
7.957.385 |
1.312.432,30 |
./. 39.250,87 |
lt.ber.VA |
4.Vj.03 |
644.661 |
./. 877.686,38 |
1.908.832,07 |
lt.Up.Bescheid vom 08.06.04 |
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Änderungen ergeben sich überwiegend durch die Abwicklung der Forderungsverzichtsverträge vom 30.07.2003. Hier wurden Forderungen und Verbindlichkeiten gegeneinander aufgerechnet, was zu Korrekturen nach § 17 Abs. 1 UStG sowohl hinsichtlich der angemeldeten Umsätze (Korrektur i.H.v. 1.512 TEUR) als auch Vorsteuern (Korrektur i.H.v. 2.080 TEUR) führte. Diese Korrekturen hätten bereits in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 3.Vj.04 durchgeführt werden müssen. |
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Insgesamt ergibt sich im Voranmeldungsverfahren unter Berücksichtigung der Prüfungsfeststellungen Folgendes: |
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1.Vj.03 |
7.932.194 |
1.369.367,59 |
./. 100.216,45 |
lt.VA |
2.Vj.03 |
8.684.039 |
1.334.690,16 |
54.756,00 |
lt.VA. |
3.Vj.03 |
8.686.774 |
1.357.482,75 |
32.401,09 |
lt.VA |
4.Vj.03 |
6.444.661 |
./. 877.686,38 |
1.908.832,07 |
lt.Up. |
insg. |
31.747.668 |
3.183.854,12 |
1.895.772,71 |
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…“ |
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Gegen diesen Bescheid legte die Beschwerdeführerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Den Aussetzungsantrag lehnte das FA ab. Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin beim Finanzgericht (FG) einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. |
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Das FG ging davon aus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen, soweit das FA die Beschwerdeführerin für Umsatzsteuer 2003 in Höhe von mehr als 562.593,49 EUR in Anspruch nimmt. Im Übrigen hielt es derartige Zweifel nicht für berechtigt; die Beschwerdeführerin hafte insoweit nach § 69 AO. |
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Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, der Haftungsbescheid sei in vollem Umfang von der Vollziehung auszusetzen. Der Haftungsbescheid sei nicht hinreichend bestimmt; außerdem liege weder eine Haftungsschuld noch grobes Verschulden vor. |
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Die Beschwerdeführerin beantragt, |
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den Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 8. Mai 2008 7 B 9160/05 B aufzuheben und die Vollziehung des Haftungsbescheides des FA vom 21. April 2005 auszusetzen. |
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die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen. |
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Zur Begründung seines Antrags führt das FA im Wesentlichen aus, der angefochtene Haftungsbescheid verstoße nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des § 119 Abs. 1 AO. Für Haftungsbescheide reiche es aus, wenn sie die festgesetzte Steuer bzw. Haftungsschuld nach Art und Betrag bezeichnen und die Person des Haftungsschuldners benennen. Diesen Mindestanforderungen genüge der angefochtene Haftungsbescheid. |
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