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II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Festsetzung der Erbschaftsteuer auf 5 811 EUR. |
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1. Entgegen der Auffassung des FG ist nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG nicht die zu hohe, aber bestandskräftig festgesetzte Steuer auf den Vorerwerb abzuziehen, sondern die Steuer, die bei zutreffender Beurteilung der Sach- und Rechtslage für den Vorerwerb festzusetzen gewesen wäre. |
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a) Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Von der Steuer für den Gesamtbetrag wird gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG die Steuer abgezogen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Anstelle dieser fiktiven anrechenbaren Steuer ist nach dem durch Gesetz vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049) eingeführten § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist als die fiktive anrechenbare Steuer nach Satz 2 der Vorschrift. |
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§ 14 ErbStG will verhindern, dass durch die Aufteilung einer beabsichtigten Zuwendung in mehrere zeitlich folgende Teilübertragungen durch mehrfache Gewährung der persönlichen Freibeträge und die Vermeidung der Steuerprogression Steuervorteile erlangt werden. Die von der Vorschrift angeordnete Zusammenrechnung gewährleistet, dass die Freibeträge innerhalb des zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraums nur einmal zur Anwendung gelangen und sich für mehrere Erwerbe gegenüber einer einheitlichen Zuwendung in gleicher Höhe kein Progressionsvorteil ergibt (vgl. BTDrucks VI/3418, 69, zu § 14; Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 30. März 1977 II R 98/76, BFHE 122, 330, BStBl II 1977, 664; vom 17. April 1991 II R 121/88, BFHE 164, 107, BStBl II 1991, 522; vom 30. Januar 2002 II R 78/99, BFHE 197, 280, BStBl II 2002, 316; vom 2. März 2005 II R 43/03, BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728; vom 14. Januar 2009 II R 48/07, BFH/NV 2009, 1204). |
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Die Vorschrift ändert nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift enthält lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist (BFH-Urteile in BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728, und in BFH/NV 2009, 1204). |
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b) Aufgrund der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe sind die in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehenden Vorerwerbe dem letzten Erwerb nicht mit materiell-rechtlich unzutreffenden Werten hinzuzurechnen, selbst wenn sie den vorangegangenen Steuerfestsetzungen für diese Erwerbe zu Grunde gelegt worden waren, sondern mit den ihnen (damals) zukommenden materiell-rechtlich zutreffenden Werten. Dieser richtige Wertansatz ist auch für die Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren fiktiven Steuer maßgebend. Die für die Vorerwerbe ergangenen Steuerbescheide entfalten keine Bindungswirkung etwa im Sinn von Grundlagenbescheiden (BFH-Urteil in BFHE 164, 107, BStBl II 1991, 522). |
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Nichts anderes gilt auch für die Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG abziehbaren Steuer. Zwar deutet der Wortlaut "tatsächlich … zu entrichtende Steuer" auf den ersten Blick darauf hin, dass es auf die durch die Steuerbescheide für die Vorerwerbe begründeten, bereits erfüllten oder noch offenen Zahlungspflichten ankomme. Diese Auslegung ist aber mit der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbsvorgänge nicht vereinbar. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG verfolgt nicht das Ziel, eine Korrekturmöglichkeit für Fehler zu eröffnen, die bei der Steuerfestsetzung für die Vorerwerbe zugunsten oder zulasten des Steuerpflichtigen unterlaufen sind. Der Gesetzgeber wollte durch § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG lediglich unbillige Folgen für Steuerpflichtige vermeiden, die sich durch für sie günstige Rechtsänderungen wie höhere Freibeträge oder niedrigere Steuersätze bei einem Übergang zu neuem Recht ergeben können (BFH-Urteil in BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728). Derartige Änderungen können dazu führen, dass die nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG anzurechnende Steuer niedriger ausfällt, als die für den Vorerwerb "tatsächlich" zu entrichtende Steuer. Ist hingegen zwischen dem Vorerwerb und dem Letzterwerb keine zugunsten des Steuerpflichtigen wirkende Änderung der Rechtslage oder der persönlichen Verhältnisse eingetreten, muss die nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG berechnete abzuziehende Steuer der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abzuziehenden fiktiven Steuer entsprechen. |
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Das in § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG verwendete Wort "tatsächlich" ist demnach im Sinn einer Abgrenzung gegenüber § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu verstehen, nämlich dahingehend, dass es bei der Steuerberechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG anders als bei Satz 2 der Vorschrift nicht "fiktiv" auf die persönlichen Verhältnisse des Erwerbers und die geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs ankommt, sondern die Steuer anzurechnen ist, die bei zutreffender Beurteilung der Sach- und Rechtslage für den Vorerwerb festzusetzen war. |
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Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. |
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2. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist teilweise begründet. Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid vom 7. April 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit die Steuer höher als 5 811 EUR festgesetzt wurde (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Damit entspricht die Entscheidung im Ergebnis dem vom FA im Revisionsverfahren gestellten Antrag. |
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a) Der Vorerwerb ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mit dem ihm (damals) zukommenden richtigen Wert von 207 073 EUR unter Berücksichtigung des nicht antragsabhängigen Bewertungsabschlags (§ 13a Abs. 2 ErbStG) anzusetzen und nicht mit dem Wert von 218 321 EUR, der der Steuerfestsetzung für den Vorerwerb zugrunde gelegt worden war. Nicht zu berücksichtigen ist der Freibetrag nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG; denn seine Gewährung konnte nur bis zur Bestandskraft des Schenkungsteuerbescheids beantragt werden (BFH-Beschluss vom 20. Januar 2005 II R 56/02, BFH/NV 2005, 1308). Dies ist aber nicht geschehen. |
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b) Wegen des durchzuführenden Härteausgleichs (§ 19 Abs. 3 ErbStG) beträgt die Steuer für den danach vom FG zutreffend ermittelten steuerpflichtigen Erwerb von 56 700 EUR vor dem Abzug der anrechenbaren Steuer 5 990 EUR (52 000 EUR x 7 v.H. + 4 700 x 50 v.H. = 5 990 EUR). |
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c) Hiervon ist nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG die Schenkungsteuer abzuziehen, die bei zutreffender Beurteilung der Sach- und Rechtslage für den Vorerwerb festzusetzen gewesen wäre und die höher ist als die fiktive Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG. Die nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG abziehbare Steuer berechnet sich wie folgt: |
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Wert des Erwerbs laut Schenkungsteuerbescheid |
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./. Bewertungsabschlag |
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./. persönlicher Freibetrag |
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steuerpflichtiger Erwerb |
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Steuersatz |
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Schenkungsteuer |
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Die fiktive Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG berechnet sich unter Berücksichtigung der in den BFH-Urteilen in BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728, und vom 31. Mai 2006 II R 20/05 (BFH/NV 2006, 2260) dargelegten Grundsätze wie folgt: |
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Wert des Erwerbs laut Schenkungsteuerbescheid |
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./. persönlicher Freibetrag |
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steuerpflichtiger Erwerb, abgerundet |
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d) Die festzusetzende Erbschaftsteuer beträgt danach 5 990 EUR ./. 179 EUR, also 5 811 EUR. |
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Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 FGO). Das FG hat zwar den nach den Berechnungsregeln des § 19 Abs. 3 ErbStG vorzunehmenden Härteausgleich übersehen. Dies hat aber über die bereits aufgrund der Revision des FA erfolgte Aufhebung des FG-Urteils keine Konsequenzen. Im Ergebnis ist die Steuer entsprechend den Revisionsanträgen des FA festzusetzen (oben II.). |
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