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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt als selbständiger Unternehmer ein Jugendgästehaus und eine Surfschule. |
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Daneben bot er mehrtägige Kanutouren an, die er selbst organisierte. In diesen Fällen mussten die Gruppen für die Beköstigung selbst sorgen und waren nicht im Gästehaus, sondern in Zelten untergebracht. Nach den in den Streitjahren geltenden Vertragsbedingungen übernahm der Kläger die Planung der Tour sowie die Reservierung der Campingplätze. Im Preis der angebotenen Leistung waren ferner enthalten der Transfer des gesamten Materials, die Gestellung von Kanus, Paddeln, Schwimmwesten, wasserdichten Tonnen, Zelten, Isomatten und Kochgeschirr, eine Einführung ins Kanufahren, die Betreuung durch einen fachkundigen Kanufahrer und alle anfallenden Campingplatzgebühren. Mit Fahrtantritt haftete jeder Teilnehmer für seine körperliche Unversehrtheit selbst. Auf dem Wasser bestand für alle Teilnehmer der Tour eine Haftpflichtversicherung. Die Touren wurden von Mitarbeitern des Klägers begleitet. Vom Vertragspartner waren in ausreichendem Maße volljährige Betreuer der Gruppe zu stellen. Nach dem Vertrag waren auf dem Wasser die Mitarbeiter des Klägers allein verantwortlich, an Land zusammen mit den Betreuern der Gruppe. |
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Die Kanutouren wurden von Schulklassen im Rahmen sogenannter "Projektwochen" in Anspruch genommen. Die Projektplanung und Ausgestaltung war Gegenstand des Unterrichts und erfolgte in der Verantwortung der zuständigen Lehrer. Die Projekte wurden mit dem Kläger abgestimmt, der seine Kanutouren in den Schulen vorstellte und bei seiner Planung und seinem Angebot auf individuelle Wünsche der Vertragspartner, z.B. die Organisation gemeinsamer Essen im Campinglager oder gemeinsame Spiele oder Ausflüge in die Natur, Rücksicht nahm. Die Schulen schätzten die Kanutouren, weil diese u.a. das Sozialverhalten, gegenseitige Hilfestellung und Kommunikation, Teamarbeit und Kooperationsbereitschaft, selbst organisiertes und verantwortetes Handeln sowie sportmotorische Zielsetzungen positiv förderten und den Jugendlichen die Bedeutung und den Umgang mit der Natur vermittelten. |
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Der Kläger erklärte die aus den Kanutouren erzielten Umsätze in seinen Umsatzsteuererklärungen der Streitjahre (1997 bis 1999) als steuerfreie Umsätze gemäß § 4 Nr. 23 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG). Im Anschluss an eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) davon aus, dass die Umsätze der Regelbesteuerung unterlägen und setzte die Umsatzsteuer mit den Änderungsbescheiden vom 30. Januar 2003 entsprechend fest. |
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Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Zur Begründung seines in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2007, 1288 veröffentlichten Urteils führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift seien nicht erfüllt, weil mit der Ausrichtung der Kanutouren durch den Kläger keine "Aufnahme" von Jugendlichen i.S. des § 4 Nr. 23 UStG verbunden gewesen sei. Der Begriff der Aufnahme umfasse ein Moment der Obhut und Betreuung. Eine Aufnahme in diesem Sinn sei nicht gegeben, weil der Kläger keine die gesamte Tour umfassende verantwortliche Betreuungsleistung übernommen habe. Die Gesamtverantwortung habe nach dem Inhalt der Vereinbarung bei den die Gruppe begleitenden Lehrern gelegen. Diese hätten insbesondere während der Tour auf dem Wasser im Rahmen des damit verbundenen Sicherungsinteresses nur Teilbereiche an Verantwortliche des Klägers abgegeben. |
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Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung seien darüber hinaus auch deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger die Jugendlichen nicht für die begünstigten Zwecke (Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke, Zwecke der Säuglingspflege) bei sich aufgenommen habe. Als begünstigter Zweck komme allenfalls die Erziehung der Jugendlichen in Betracht. Selbst wenn die Aufenthalte der Jugendlichen beim Kläger der Erziehung gedient haben sollten und der Begriff "Erziehung" nicht eng ausgelegt werden dürfe, habe der Kläger diese nicht zu diesem Zweck bei sich aufgenommen, sondern lediglich die Planung und organisatorische Gestaltung für die Touren übernommen. Die Übernahme der Verantwortung auf dem Wasser habe vornehmlich den Zweck gehabt, den sich aus dieser Sportart ergebenden Sicherheitsbedürfnissen und -anforderungen Rechnung zu tragen. Soweit mit den Kanutouren faktisch auch Erziehungsleistungen verbunden gewesen seien, reichten diese nicht aus. |
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Selbst wenn der Kläger sich in dem von ihm beschriebenen Umfang um die Jugendlichen gekümmert, Spiele durchgeführt, gemeinsame Essen veranstaltet und Ausflüge in die Natur gemacht habe, sei dies nicht Gegenstand der Leistungen gewesen, für die er bezahlt worden sei. |
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Der Kläger könne sich auch nicht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h oder i der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) berufen, denn bei dem Unternehmen des Klägers habe es sich auch nicht um eine mit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts vergleichbare privatrechtliche Einrichtung gehandelt, weil es an der hierfür erforderlichen Anerkennung fehle. Das Vorliegen einer derartigen Einrichtung könne zwar aus der Übernahme der Kosten durch Jugendämter oder andere staatliche Einrichtungen abgeleitet werden. Diese Voraussetzung (liege) jedoch unstreitig nicht vor und sei vom Kläger auch nicht geltend gemacht worden. |
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Mit der Revision macht der Kläger Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Nr. 23 UStG) geltend. § 4 Nr. 23 UStG stehe im Zusammenhang mit den Steuerbefreiungen des § 4 Nr. 21, Nr. 22, Nr. 24 und Nr. 25 UStG. Ziel der Befreiung sei es, Leistungen, die im Zusammenhang mit der Jugendbetreuung und Jugenderziehung ständen, von der Umsatzsteuer zu entlasten. Diese Vorschriften dienten der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, insbesondere von Art. 13 Teil A Nr. 1 Buchst. h und i der Richtlinie 77/388/EWG. Dabei habe der deutsche Gesetzgeber bewusst die Einschränkungen, die Art. 13 hinsichtlich der Personen und Einrichtungen, die diese Leistungen steuerfrei erbringen könnten, nicht übernommen. |
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Er, der Kläger, habe die Jugendlichen für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke bei sich aufgenommen und in diesem Zusammenhang Umsätze aus der Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen erzielt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) setze die Aufnahme von Jugendlichen voraus, dass der Unternehmer planmäßig auf die aufgenommenen Personen erzieherisch einwirken wolle und einwirke. Zu Unrecht setze das FG das damit verbundene Betreuungs- und Obhutsverhältnis mit der Übernahme der Gesamtverantwortung gleich. Das widerspreche im Übrigen auch der Verwaltungsauffassung (Umsatzsteuer-Richtlinien 2005, Abschn. 117 Abs. 1 und 2; Oberfinanzdirektion Hannover, Umsatzsteuerkartei vom 6. Mai 2003, S. 7181 Karte 2), die eine Alleinverantwortung des Unternehmers gerade nicht verlange. |
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Der Sachverhalt unterscheide sich von herkömmlichen Landschulaufenthalten als Folge der Fortentwicklung neuerer pädagogischer Erziehungskonzepte nur dadurch, dass die Schlafplätze sich nicht in festen Gebäuden befänden und die Schlafplätze von Tag zu Tag wechselten. |
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Der Begriff der Erziehung in § 4 Nr. 23 UStG sei weit auszulegen. Unter Erziehung sei nach allgemeinem Sprachgebrauch die planmäßige Tätigkeit zur geistigen, charakterlichen und körperlichen Formung Jugendlicher zu tüchtigen, mündigen Menschen zu verstehen, die die vor ihnen liegenden Lebensaufgaben selbständig und verantwortlich bewältigen könnten. Zur Erziehung gehöre auch die Willens- und Charakterbildung durch Wissensvermittlung, damit junge Menschen lernten, ihre Entscheidungen und die Folgen hieraus abschätzen zu können. Der Erziehungszweck entfalle nicht durch das Angebot einer sinnvollen Freizeitgestaltung. Auch diese diene bei einem Jugendlichen der Erziehung. Als begünstigte Zwecke stünden Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecke gleichwertig nebeneinander. Die Aufnahme zu einem dieser Zwecke reicht für die Steuerbefreiung der Leistungen aus. |
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Er, der Kläger, habe schon im Vorfeld der Klassenfahrten in Absprache mit den zuständigen Lehrkörpern das fachliche Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungskonzept erarbeitet und sei auch in der Umsetzung wie ein Lehrer oder Betreuer in die Durchführung der Klassenfahrten als Schulveranstaltung maßgeblich eingebunden gewesen. Die Klassenfahrten verfolgten gemäß den öffentlich-rechtlichen Richtlinien zu Schulfahrten vordefinierte Bildungs- und Erziehungsziele, mit denen Unterricht und Erziehung in besonders günstiger Weise miteinander verbunden werden könnten. |
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Inhalt der Projektwochen seien pädagogische Ziele im motorischen, kognitiven und sozialaffektiven Bereich. Er, der Kläger, habe Erziehungs- und Betreuungsleistungen erbracht, mit denen er auf die Jugendlichen erzieherisch eingewirkt habe, indem er insbesondere naturkundliches und naturwissenschaftliches Wissen vermittelt und den Tagesablauf sinnvoll gestaltet habe. Die Vermittlung dieser Erziehungsziele habe den Hauptzweck der Schulveranstaltung dargestellt und einen Großteil der zur Verfügung stehenden Zeit in Anspruch genommen. Ohne Bedeutung sei insoweit der Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen. |
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Die Schullandfahrten würden im Sinne einer schulischen Pflichtveranstaltung, als Gesamtheit eines Bündels von Erziehungs- und Betreuungsleistungen durchgeführt, die von seinen Mitarbeitern in Teilen allein, in anderen Teilen mitverantwortlich geleitet worden seien. Für die Schulen sei es entscheidend gewesen, dass er, der Kläger, seine fachspezifisch ausgebildeten Mitarbeiter den Lehrern ergänzend zur Seite gestellt habe. Die abgeordneten Lehrer allein hätten die Fahrten weder in fachlicher noch erzieherischer Hinsicht allein bewerkstelligen können. |
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Der Kläger beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2004 aufzuheben und die Umsatzsteuer für 1997 auf … DM, für 1998 auf … DM und für 1999 auf … DM herabzusetzen. |
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. |
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Es verteidigt die Vorentscheidung. |
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