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| II. Die Revision der Klägerin ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz unterliegen die mit den Kontaktlisten erzielten Umsätze dem ermäßigten Steuersatz. |
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| 1. Nach § 12 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) beträgt die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz 15 v.H. der Bemessungsgrundlage. Auf 7 v.H. ermäßigt sich die Steuer u.a. für die Lieferungen der in der Anlage zum UStG bezeichneten Gegenstände (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Nach Nr. 49 gehören dazu Bücher, Zeitungen und andere Erzeugnisse des graphischen Gewerbes, und zwar |
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| "a) Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke, auch in losen Bogen oder Blättern (ausgenommen kartonierte, gebundene oder als Sammelbände zusammengefasste periodische Druckschriften, die überwiegend Werbung enthalten)". |
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| Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes setzt eine Lieferung voraus. Gemäß § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen eines Unternehmers Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter einen Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG). |
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| a) Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin eine einheitliche Leistung erbrachte, die sowohl Lieferungselemente (Verschaffung der Verfügungsmacht an den Kontaktlisten) als auch Elemente einer sonstigen Leistung (Verschaffung von Kontaktmöglichkeiten mit heiratswilligen Personen) enthält. |
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| aa) Ob bei einer einheitlichen Leistung, die –wie hier– sowohl Lieferungselemente als auch Elemente sonstiger Leistungen aufweist, der Umsatz als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung (sonstige Leistung) zu beurteilen ist, ergibt sich im Wege einer Gesamtbetrachtung aller Umstände aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften –EuGH– vom 2. Mai 1996 Rs. C-231/94 –Faaborg-Gelting Linien–, Slg. 1996, I-2395, Randnr. 12; vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96 –CPP–, Slg. 1999, I-973, Randnrn. 28 f.). Es ist das überwiegende Element des besteuerten Umsatzes zu ermitteln (vgl. EuGH-Urteil vom 10. März 2005 Rs. C-491/03 –Hermann–, Slg. 2005, I-2025), wobei es nicht auf ein quantitatives, sondern auf ein qualitatives Überwiegen ankommt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 18. Dezember 2008 V R 55/06, BFH/NV 2009, 673, m.w.N.). |
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| So hat der EuGH (Urteil vom 27. Oktober 2005 Rs. C-41/04 –Levob Verzekeringen und OV Bank–, Slg. 2005, I-9433) die Übertragung einer auf einem Datenträger gespeicherten Standard-Software mit anschließender Anpassung an die besonderen Bedürfnisse des Erwerbers nicht als Lieferung, sondern als Dienstleistung eingestuft, weil die Anpassungen von ausschlaggebender Bedeutung waren, um die Software nutzen zu können (vgl. Randnr. 29). |
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| Die orthopädische Zurichtung eines Konfektionsschuhs durch Einbringen von Einlagen oder durch eine Schuherhöhung stellt nach dem BFH-Urteil vom 9. Juni 2005 V R 50/02 (BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98) keine Lieferung von –nach Nr. 52 Buchst. b der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG– begünstigten Gegenständen, sondern eine sonstige Leistung dar. Aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers wolle der Kunde seinen mitgebrachten Konfektionsschuh für seine individuellen physischen Bedürfnisse herrichten lassen und erwarte somit keine Lieferung von Gegenständen, sondern die passgenaue, der ärztlichen Verordnung und seiner individuellen Anatomie entsprechende Zurichtung des Schuhwerks. |
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| Im Urteil vom 23. August 1990 V R 28/85 (BFH/NV 1993, 63, nur red. Leitsatz) hat der BFH die Erstellung eines Computerhoroskops aufgrund der persönlichen Lebensdaten des Bestellers als eine aus Lieferungselementen (Übersendung des Computerausdrucks) und Elementen sonstiger Leistungen (Horoskoperstellung) bestehende einheitliche sonstige Leistung angesehen. Dabei stehe die Erstellung des Horoskops aufgrund der persönlichen Lebensdaten des Bestellers im Vordergrund, während der Computerausdruck als bloßes Hilfsmittel für die Mitteilung des Horoskops an den Besteller von untergeordneter Bedeutung sei. |
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| bb) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des EuGH und des BFH geht der Senat davon aus, dass für den Durchschnittsverbraucher bei Druckerzeugnissen das Dienstleistungselement überwiegt, wenn eine individuelle, auf die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden zugeschnittene Leistung bestellt und erbracht wird, während das Lieferungselement dominiert, wenn der Gegenstand der Leistung in einem für eine unbestimmte Anzahl von Interessenten bestimmten "fertigen" Produkt besteht, wie dies bei Zeitungen, Zeitschriften und Büchern der Fall ist. |
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| cc) Auch wenn im Einzelfall für ein Druckerzeugnis das Lieferungselement überwiegt, kann es als unselbständige Nebenleistung zu einer Dienstleistung anzusehen sein und deren Schicksal teilen. Davon ist bei einer Seminarbroschüre auszugehen, die gegenüber einer Dienstleistung (Durchführung von Gruppenseminaren) lediglich ergänzende und vertiefende Funktion hat (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712). |
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| 2. Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin ihren Kunden die streitgegenständlichen Kontaktlisten geliefert. |
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| a) Die Kontaktlisten enthielten –nach Postleitzahlen geordnet– Adressen und Telefonnummern von kontaktwilligen Damen aus dem gesamten Bundesgebiet. Sie waren somit nicht auf die individuellen Wünsche (bspw. Wohnort, Alter, Größe, Figur, Augen- und Haarfarbe) des jeweiligen Interessenten zugeschnitten, sondern wurden für eine unbestimmte Anzahl von kontaktsuchenden Männern hergestellt. Aus der Sichtweise des Durchschnittsverbrauchers unterscheidet sich die Kontaktliste insoweit nicht wesentlich von Adress- oder Fernsprechbüchern, die nach allgemeiner Ansicht unter Nr. 49 Buchst. a der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG fallen (vgl. Husmann in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Rz 680; Huschens in Vogel/Schwarz, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 1 Rz 221; Langer in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2 Nr. 1 Rz 122). |
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| b) Die Kontaktliste stellt auch keine unselbständige Nebenleistung zu einer –auf Partner- oder Kontaktvermittlung gerichteten– Dienstleistung der Klägerin dar. Der einzige direkte Kundenkontakt bestand während des Telefongesprächs mit den Interessenten und beschränkte sich auf die Mitteilung von Einzelheiten zum Inhalt der Kontaktliste, deren Preis und der Zahlungsmodalitäten. Dabei handelt es sich um ein reines Verkaufsgespräch hinsichtlich der Liste, ohne dass Ansätze für eine Vermittlungsleistung gegenüber den Kunden erkennbar sind. |
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| 3. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, waren das Urteil sowie der Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif, sodass das FA zum Erlass des begehrten Änderungsbescheids zu verpflichten war (vgl. § 101 FGO). Die mit den Kontaktlisten erzielten Umsätze in Höhe von 1 695 613 DM netto stellen Lieferungen dar und unterliegen als Druckerzeugnisse i.S. von Nr. 49 Buchst. a der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG dem ermäßigten Steuersatz. |
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