| |
|
|
|
| II. Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die Voraussetzungen für eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr 1996 liegen nicht vor. |
|
|
|
| 1. Eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist nicht zulässig. |
|
|
|
| a) Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Was unter einem rückwirkenden Ereignis zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher bestimmt. Es genügt aber nicht, dass das spätere Ereignis den für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalt anders gestaltet. Die Änderung muss sich auch steuerrechtlich in der Weise auswirken, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.b der Gründe). |
|
|
|
| Ob ein Ereignis steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat, entscheidet sich nach dem im Einzelfall anzuwendenden materiellen Steuergesetz (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.c der Gründe; BFH-Urteil vom 23. November 2000 IV R 85/99, BFHE 193, 75, BStBl II 2001, 122, unter 1. der Gründe). Ein Steuerbescheid kann nur dann wegen eines rückwirkenden Ereignisses geändert werden, wenn es sich ereignet hat, nachdem die Steuer entstanden und der Steuerbescheid ergangen ist (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.a der Gründe). |
|
|
|
| b) Die für die Gewährung des Freibetrages maßgebende materiell-rechtliche Vorschrift ist § 14a Abs. 5 EStG. Nach Satz 1 der Regelung wird der bei der Veräußerung von Teilen des zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grund und Bodens entstehende Gewinn auf Antrag nur insoweit zur Einkommensteuer herangezogen, als er den Betrag von 90 000 DM übersteigt, wenn die Veräußerung nach dem 31. Dezember 1985 und vor dem 1. Januar 2001 erfolgt ist. Weitere Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige den Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten zur Tilgung von Schulden verwendet, die zu dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören und vor dem 1. Juli 1985 bestanden haben (§ 14a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG). Der Freibetrag wird abgeschmolzen, wenn bestimmte Einkommensgrenzen überstiegen wurden (§ 14a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG). |
|
|
|
| c) Der Freibetrag kann –wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat– nur für einen solchen Gewinn in Anspruch genommen werden, der bei der Veräußerung von Grund und Boden entstanden ist und zur Einkommensteuer herangezogen wird. Daran fehlt es, soweit ein Veräußerungsgewinn in eine Rücklage nach §§ 6b, 6c EStG eingestellt wird; denn er wird insoweit gerade nicht zur Einkommensteuer herangezogen (BFH-Urteil vom 29. März 2007 IV R 48/05, BFH/NV 2007, 1846, unter II.1.b der Gründe). Im Übrigen kann der Freibetrag nur für das Wirtschaftsjahr in Anspruch genommen werden, in dem der Grund und Boden veräußert wurde, nicht jedoch für das Wirtschaftsjahr, in dem eine deswegen nach §§ 6b, 6c EStG gebildete Rücklage aufgelöst wurde. Umgekehrt kann eine Rücklage nach §§ 6b, 6c EStG nur für den über den Freibetrag hinausgehenden Veräußerungsgewinn gebildet werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1846, unter II.1.c der Gründe). |
|
|
|
| d) Die Tilgung der betrieblichen Schulden mit dem Erlös aus dem Verkauf des land- und forstwirtschaftlichen Grundstücks war im Streitfall schon deshalb kein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, das zu einer Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheides führen konnte, weil sie –wie sich dem angefochtenen Urteil entnehmen lässt– bereits vor Erlass des angefochtenen Steuerbescheides erfolgt ist. |
|
|
|
| e) Der Antrag, den Freibetrag nach § 14a Abs. 5 EStG zu gewähren, ist kein rückwirkendes Ereignis. Er ist lediglich formelle Voraussetzung für die Berücksichtigung des nach dieser Vorschrift zu gewährenden Freibetrages und hat keine materielle Rückwirkung (vgl. BFH-Urteile vom 21. April 1988 IV R 215/85, BFHE 153, 485, BStBl II 1988, 863, unter 1. der Gründe a.E., zu § 2 Abs. 1 Satz 1 des Auslandsinvestitionsgesetzes; vom 13. Februar 1997 IV R 59/95, BFH/NV 1997, 635, unter II.1.b der Gründe, zum Antrag auf Sonderabschreibung). Der Antrag muss daher vor Eintritt der Bestandskraft, spätestens bis zur Beendigung der (letzten) Tatsacheninstanz gestellt werden (BFH-Urteil vom 26. März 1987 IV R 20/84, BFHE 149, 559, BStBl II 1987, 561, unter 1.c cc der Gründe). |
|
|
|
| Soweit die Kläger die Auffassung vertreten, der Antrag sei nicht nur als Verfahrenshandlung, sondern selbst als Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes anzusehen und bilde qualifiziert durch die Schuldentilgung das rückwirkende Ereignis, folgt dem der Senat nicht. Materiell setzt der Freibetrag nach § 14a Abs. 5 EStG einerseits einen Gewinn aus der Veräußerung land- und forstwirtschaftlichen Grund und Bodens und andererseits dessen Verwendung zur Tilgung bestimmter Betriebsschulden voraus. Der zusätzlich erforderliche Antrag hat allein verfahrensmäßige Bedeutung. |
|
|
|
| f) Der vorliegende Fall ist mit dem Urteilsfall des BFH-Urteils in BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957 nicht vergleichbar. Dort ging es um den Antrag auf Realsplitting, der nur mit Zustimmung des geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten gestellt werden konnte und einen entsprechenden Interessenausgleich unter Berücksichtigung auch der steuerlichen Folgen voraussetzte (zu den Besonderheiten BFH-Urteil in BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957, unter 1.b der Gründe). Ein vergleichbarer Zusammenhang besteht zwischen Schuldentilgung und Beantragung des Freibetrages nach § 14a Abs. 5 EStG nicht; insoweit gestaltet der Steuerpflichtige den Sachverhalt selbst. Auf die Frage, ob es im Falle einer möglichen späteren Schuldentilgung zumutbar ist, eine vorläufige Steuerfestsetzung gemäß § 165 AO zu beantragen, kommt es im Streitfall schon deshalb nicht an, weil die Schulden schon vor Erlass des Steuerbescheides getilgt worden sind. |
|
|
|
| g) Ein anderes Ergebnis kann –entgegen der Auffassung des FG– ebenso wenig mit dem Hinweis auf die Annahme eines rückwirkenden Ereignisses bei der Inanspruchnahme des Freibetrages nach § 14a Abs. 4 EStG gerechtfertigt werden (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 193, 75, BStBl II 2001, 122; vom 4. März 1993 IV R 110/92, BFHE 171, 381, BStBl II 1993, 788). Denn in diesen Fällen hat der Senat den nachträglichen Wegfall der Begünstigungsvoraussetzungen als rückwirkendes Ereignis angesehen, das zu einer Änderung des den Freibetrag wegen der vorgezogenen Abfindung weichender Erben im Ergebnis zu Unrecht gewährenden Steuerbescheides führt. Im Streitfall geht es jedoch nicht um die im Ergebnis unberechtigte Inanspruchnahme des Freibetrages. Vielmehr wurde der Freibetrag deshalb nicht gewährt, weil der Kläger ihn nicht beantragt hatte. Beide Fallgruppen sind daher nicht vergleichbar. |
|
|
|
| 2. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig. Insbesondere kommt auch eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht in Betracht. |
|
|
|
| a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Die nachträglich bekannt gewordene Tatsache –oder das Beweismittel– muss danach rechtserheblich sein. Daran fehlt es, wenn die Finanzbehörde die Steuer bei Kenntnis der Tatsache nicht anders festgesetzt hätte (vgl. von Groll in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 173 AO Rz 125; Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 173 Rz 71; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 55). |
|
|
|
| b) Zwar ist dem FA vorliegend die Schuldentilgung aus den Erlösen des Grundstücksverkaufs erst nachträglich bekannt geworden, wie die Kläger –insoweit unwidersprochen– vorgetragen haben. Eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides scheitert aber –selbst wenn man von der Frage des groben Verschuldens absieht (vgl. aber das BFH-Urteil in BFHE 153, 485, BStBl II 1988, 863, unter 2. der Gründe zu einem ähnlichen Fall)– auch daran, dass die Tilgung der Schulden für sich gesehen noch nicht zur Gewährung des Freibetrages führt. Diese erfordert darüber hinaus einen zur Einkommensteuer heranzuziehenden Gewinn aus der Veräußerung von land- und forstwirtschaftlichem Grund und Boden einerseits und einen (rechtzeitigen) Antrag andererseits. Wenn es daran –wie im Streitfall– fehlt, kann der Freibetrag nicht gewährt werden. Führt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache aber nicht zu einer niedrigeren Steuer, scheidet eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aus. |
|
|
|
| 3. Da eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr nicht mehr möglich war, kommt weder eine Änderung der Rücklage, die der Kläger wegen der Veräußerung des Grundstücks im Wirtschaftsjahr 1996/97 nach § 6c EStG gebildet hat, noch die Gewährung des Freibetrages nach § 14a Abs. 5 EStG in Betracht. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). |
|