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| II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. |
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| 1. Nach § 130 Abs. 1 AO kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Frage, ob der Verwaltungsakt zurückgenommen wird, ist dem Ermessen der nach § 130 Abs. 4 AO zuständigen Behörde überantwortet. Wenn eine Behörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (s. § 5 AO). Eine behördliche Ermessensentscheidung unterliegt gemäß § 102 FGO nur insoweit der gerichtlichen Nachprüfung, als es um die Frage geht, ob die Behörde nach den tatsächlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung den entscheidungserheblichen Sachverhalt einwandfrei und erschöpfend ermittelt, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Bei der Ermessensprüfung darf das Gericht vor allem die für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen Erwägungen nicht durch eigene ersetzen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 14. Juni 2000 X R 56/98, BFHE 192, 213, BStBl II 2001, 60). |
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| a) Der im Streitfall in Rede stehende Haftungsbescheid vom 28. März 2001 ist nach der zutreffenden Auffassung des FG und der Beteiligten rechtswidrig, da die ihm zugrunde liegende Zahlung von Vergütungen für die Überlassung einer unbeweglichen Sache (hier: ein in die Luftfahrzeugrolle eingetragenes Flugzeug; s. insoweit BFH-Urteile in BFHE 192, 84, BStBl II 2000, 467; in BFH/NV 2001, 14) an einen ausländischen Gläubiger eine Steuerabzugspflicht gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG und den Haftungstatbestand des § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG nicht auslöst. Dieser Rechtsfehler führt allerdings nicht zur Nichtigkeit des Bescheids i.S. des § 125 Abs. 1 AO. Der Bescheid ist darüber hinaus unanfechtbar und nach anderen Rechtsvorschriften nicht mehr änderbar. |
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| b) Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Entscheidung des FA, die Rücknahme eines rechtswidrigen unanfechtbaren Verwaltungsakts gemäß § 130 Abs. 1 AO abzulehnen, in der Regel ermessensfehlerfrei, wenn der Adressat die Gründe, die seiner Auffassung nach eine Rücknahme rechtfertigen, mit einem fristgerecht eingelegten Einspruch gegen den Bescheid hätte vorbringen können und nicht besondere Umstände vorliegen, nach denen vom Adressaten die Rechtsverfolgung im Einspruchsverfahren unter Berücksichtigung aller Umstände billigerweise nicht erwartet werden konnte (s. BFH-Urteile vom 26. März 1991 VII R 15/89, BFHE 164, 215, BStBl II 1991, 552; vom 12. November 1991 VII K 34/90, BFH/NV 1992, 354; s.a. BFH-Beschluss vom 22. Juni 1999 VII B 244/98, BFH/NV 1999, 1583; Senatsbeschluss vom 24. Januar 2001 I B 91/00, juris; BFH-Beschluss vom 12. April 2005 VII B 81/04, BFH/NV 2005, 1478). Es entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass keine allgemeine Verpflichtung der vollziehenden Gewalt besteht, rechtswidrige belastende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts ihrer Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag des Adressaten aufzuheben (z.B. Beschluss vom 30. Januar 2008 1 BvR 943/07, www.bverfg.de/entscheidungen/rk20080130_1bvr094307.html, m.w.N.). |
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| aa) Zweck der Ermessensermächtigung in § 130 Abs. 1 AO ist es, zwischen der materiellen Gerechtigkeit einerseits und dem durch die Bestandskraft eingetretenen Rechtsfrieden andererseits eine Abwägung zu treffen. Bei der nur in eingeschränktem Umfang zulässigen gerichtlichen Überprüfung der Ermessensentscheidung des FA ist es daher nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen, wenn das FA dem Rechtsfrieden und damit der aufgrund gesetzlicher Regelungen eingetretenen Bestandskraft des Haftungsbescheids grundsätzlich eine derart gewichtige Bedeutung beimisst, dass es die Zurücknahme ablehnt, wenn außer der von Anfang an vorliegenden Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht zusätzlich nach dem Eintritt der Bestandskraft eingetretene oder bekannt gewordene Umstände geltend gemacht werden (s. BFH-Urteil in BFHE 164, 215, BStBl II 1991, 552). Wenn der Adressat des Verwaltungsakts nicht wegen besonderer Umstände von einer Wahrnehmung seiner Rechte im Rechtsbehelfsverfahren ausgeschlossen war, kann (nur) eine nachträgliche Änderung der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Sach- und Rechtslage, das Vorliegen neuer Beweismittel oder von Wiederaufnahmegründen i.S. des § 580 der Zivilprozessordnung eine Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen (s. Pahlke in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, § 130 Rz 25; Rüsken in Klein, AO, 9. Aufl., § 130 Rz 29 f.; von Wedelstädt in Beermann/ Gosch, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 130 AO Rz 34; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 130 AO Rz 38). Unter diesen Voraussetzungen wird in der Regel eine Korrektur des Verwaltungsakts vorzunehmen sein (s. insoweit z.B. Gosch, Deutsche Steuer-Zeitung –DStZ– 1991, 445, 450), wenn nicht der Korrektur wiederum eine besonders gelagerte Ausnahmesituation entgegensteht (s. Pahlke in Pahlke/Koenig, a.a.O., § 130 Rz 26; Rüsken in Klein, a.a.O., § 130 Rz 31). |
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| bb) Der Revision ist einzuräumen, dass diese Linie –die Parallelen zur Regelung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 des Verwaltungsverfahrensgesetzes aufweist– im praktischen Ergebnis häufig dazu führen mag, dass das Ermessen zuungunsten des Betroffenen ausgeübt wird. Dies ist letztlich auf die hohe Bedeutung zurückzuführen, die der Rechtssicherheit durch den Schutz der Bestandskraft beigemessen wird. Insoweit kommt es nicht in Betracht, dies unter Hinweis auf Verantwortungssphären für die Verursachung der Rechtswidrigkeit zu relativieren. Jedenfalls kann aus dem Umstand, dass der Rechtsfehler in Gestalt der Nichtanwendung bestehender und im Bundessteuerblatt veröffentlichter Rechtsprechung des BFH vom FA im Einspruchsverfahren gegen den Ursprungsbescheid nicht korrigiert bzw. beim Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nicht vermieden wurde, nicht auf eine Pflicht zur Rücknahme geschlossen werden. Es ist insoweit anerkannt, dass die Behörde nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheids nicht (allein) aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zur Rücknahme verpflichtet ist (Rüsken in Klein, a.a.O., § 130 Rz 29). Damit ist der Auffassung der Revision, dass sich bei einer vom FA später erkannten Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts infolge einer Nichtbeachtung von Gesetzesnormen bzw. von höchstrichterlicher Rechtsprechung das Rücknahmeermessen auf Null reduziere, nicht beizupflichten. Ob sich etwas anderes ergibt, wenn der Verwaltungsakt unter "offensichtlichen und schweren Rechtsmängeln" leidet (so evtl. Rüsken in Klein, a.a.O., § 130 Rz 29), kann im Streitfall offenbleiben; denn ein Rechtsmangel diesen Gewichts liegt bei Erlass des Haftungsbescheids, der auf einer in der Vergangenheit bevorzugten Rechtsauslegung zum Begriff des beweglichen Wirtschaftsguts beruht, nicht vor (zu einer Fehlerhaftigkeit als Folge einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung s. auch Gosch, DStZ 1991, 445, 451). |
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| 2. Im Streitfall ist ein Ermessensfehler des FA, der in den Prüfungsrahmen des § 102 FGO fällt, nicht festzustellen. |
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| a) Das FA konnte bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen, dass die KG im Rahmen des von ihr geführten Rechtsbehelfsverfahrens gegen den ursprünglichen Haftungsbescheid ohne Weiteres die Möglichkeit hatte, rechtliche Bedenken gegen ihre Haftung "dem Grunde nach" unter Hinweis auf die im Verlauf dieses Verfahrens bekannt gewordenen Entscheidungen des BFH zur Vermietung von Flugzeugen geltend zu machen. Die Möglichkeit, eine abweichende Rechtsansicht zur Haftungsgrundlage vorzutragen, hatte auch bestanden, nachdem das FA dem abschließenden Antrag der KG im Einspruchsverfahren auf Reduzierung der Haftungssumme durch den Erlass des streitgegenständlichen Haftungsbescheids entsprochen hatte. Insbesondere ist kein Verhalten des FA ersichtlich, das die KG an einer Rechtsdurchsetzung hätte hindern können. Die unzutreffende Anführung einer Rechtsgrundlage (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG – wobei nach der Begründung des Haftungsbescheids § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG anzuführen gewesen wäre) oder der Umstand, dass auch das BfF ausweislich der Erteilung der der Inhaftungnahme der KG zugrunde liegenden Freistellungsbescheinigung die Rechtsentwicklung nicht zeitnah umgesetzt hat, ist jedenfalls nicht in diesen Zusammenhang zu stellen. |
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| b) Eine nachträgliche Änderung der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Sach- und Rechtslage ist nicht eingetreten. Die während des Einspruchsverfahrens gegen den Ursprungsbescheid bekannt gewordene Rechtsprechung des BFH hat nur zu einer Änderung der Rechtsmeinung der beteiligten Behörden beigetragen. Darüber hinaus sind weder neue Beweismittel bekannt geworden noch Wiederaufnahmegründe ersichtlich. Im Übrigen ist entgegen der Revision die Parallelwertung zu einem nicht praktizierten Alternativverhalten (Anmeldung einer Abzugsteuer, wobei die Anmeldung als Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auch nach dem Eintritt der formellen Bestandskraft änderbar ist) kein zweckentsprechendes Ermessenskriterium. |
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