BFH-Beschluß
vom 3.10.1979 (IV B 63/79) BStBl. 1980 II S. 2
Die Entscheidung des Finanzgerichts, dem
Ersuchen des FA um eine eidliche Vernehmung (§ 94 AO 1977) stattzugeben, ist mit
der Beschwerde anfechtbar. Berechtigt, Beschwerde einzulegen, ist allerdings nur
derjenige, der von einer solchen Entscheidung in seinen Rechten verletzt, d. h.
beschwert wird.
FGO § 128; AO 1977 § 94.
Sachverhalt
Der Beschwerdegegner (das Finanzamt – FA
-) führt ein Einspruchsverfahren durch, das die einheitliche und gesonderte
Gewinnfeststellung 1969 für eine nicht mehr bestehende Rechtsanwaltssozietät
betrifft. Teilhaber dieser Sozietät waren der Beschwerdeführer und Rechtsanwalt
… Für die Entscheidung über den Einspruch kommt es nach Auffassung des FA auf
tatsächliche Vorgänge an, die den Verkehr des Beschwerdeführers mit seiner Bank
betreffen.
Das FA hat zur Herbeiführung einer
wahrheitsgemäßen Auskunft das Finanzgericht (FG) gemäß § 94 der Abgabenordnung
(AO 1977) um die eidliche Vernehmung einer früheren Angestellten der
Anwaltssozietät, Frau A., ersucht.
Das FG hat darauf am 5. Juli 1979
beschlossen, zu dem im Ersuchen des FA bezeichneten Beweisthema durch eidliche
Vernehmung der Frau A. Beweis zu erheben.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die
Beschwerde. Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist das Ersuchen des FA nach §
94 AO 1977 unzulässig, weil das FA nicht zuvor versucht habe, eine unbeeidete
Auskunft von Frau A. zu erhalten. Außerdem sei das rechtliche Gehör verletzt
worden, weil ihm das FA keine Gelegenheit gegeben habe, zu dem Ersuchen um
eidliche Vernehmung Stellung zu nehmen.
Der Beschwerdeführer beantragt, unter
Aufhebung des angefochtenen Beschlusses das Ersuchen des FA um eidliche
Vernehmung abzulehnen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als
unzulässig zu verwerfen.
Das FG hat der Beschwerde nicht
abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 kann die
Finanzbehörde, welche die Beeidigung einer anderen Person als eines Beteiligten
mit Rücksicht auf die Bedeutung der Auskunft oder zur Herbeiführung einer
wahrheitsgemäßen Auskunft für geboten hält, das für den Wohnsitz oder den
Aufenthaltsort der zu beeidigenden Person zuständige FG um die eidliche
Vernehmung ersuchen. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen im
Rahmen dieses Verfahrens Rechtsbehelfe erhoben werden können, ist noch nicht
abschließend geklärt. Im Streitfall kann die Beschwerde jedenfalls schon deshalb
keinen Erfolg haben, weil der Beschwerdeführer von dem angefochtenen Beschluß
nicht beschwert ist.
1. Zur Statthaftigkeit der Beschwerde.
Eine Beschwerde kommt nur in Betracht
gegen „Entscheidungen“ des FG (§ 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).
Keine „Entscheidungen“ in diesem Sinne sind Maßnahmen, die den formellen Ablauf
des Verfahrens betreffen (Gräber, Finanzgerichtsordnung, Anm. 1 A zu § 128).
Hiernach können auch die in den Fällen des § 94 AO 1977 erfolgende Ladung der
Auskunftsperson und die Anberaumung eines Vernehmungstermins nicht als
„Entscheidungen“ angesehen werden. Diese Verfügungen sind nicht beschwerdefähig
(§ 128 Abs. 2 FGO).
Die den Vernehmungstermin vorbereitende
Tätigkeit des Gerichts beschränkt sich allerdings nicht auf die Ladung der
Auskunftsperson und die Anberaumung des Termins. Diesen Maßnahmen geht vielmehr
zwangsläufig eine Entscheidung i. S. des § 128 Abs. 1 FGO voraus. Wird auf
Ersuchen des FA die zu vernehmende Person geladen, so gibt das FG damit zu
erkennen, daß es keine Gründe gesehen hat, das Auskunfts- und
Beeidigungsersuchen des FA abzulehnen. Darin liegt zugleich die Entscheidung,
daß das FG das Ersuchen für rechtlich unbedenklich hält. Diese Entscheidung kann
mit der Beschwerde angefochten werden (so im Ergebnis auch Beschluß des
Bundesfinanzhofs – BFH – vom 28. März 1979 I B 79/78. BFHE 128, 12. BStBl II
1979, 538). Eine Beschwerdemöglichkeit in derartigen Fällen ist auch nicht ohne
Sinn und Zweck. Zwar ist das FG grundsätzlich an das Ersuchen des FA gebunden
(Kanzler, Deutsche Steuer-Zeitung 1977 S. 326 [328]; Söhn in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und
Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., Anm. 24 zu § 94 AO 1977; Kühn/Kutter/Hofmann,
Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., Anm. 3 zu § 94 AO 1977).
Dem Gericht steht jedoch im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Ersuchens in
beschränktem Umfang eine Prüfungsbefugnis zu. Das Gericht hat z. B. darüber zu
entscheiden, ob die zu vernehmende Person Subjekt der in § 94 Abs. 1 Satz 1 AO
1977 geregelten eidlichen Vernehmung sein kann (BFH-Beschluß I B 79/78). Darüber
hinaus ist das Gericht auch gehalten, die inhaltlichen und förmlichen
Voraussetzungen zu prüfen, die an das Ersuchen durch das FA zu stellen sind
(vgl. Kanzler, a. a. O., S. 328). Es ist nicht denkbar, daß das Gericht an
Ersuchen gebunden sein soll, die nicht gewissen inhaltlichen und förmlichen
Mindestanforderungen entsprechen. Möglicherweise können sich auch in diesem
Zusammenhang Beschwerdepunkte ergeben.
Wenn sich der Beschwerdeführer im
Streitfall dagegen wendet, daß das FG das Ersuchen um eidliche Vernehmung der
Frau A. nicht abgelehnt hat, so ist die Beschwerde hiergegen jedenfalls nicht
unstatthaft.
2. Zur Beschwer
Entscheidet das Gericht, daß es dem
Ersuchen um eidliche Vernehmung folgen will, so ist allerdings nicht jeder, der
an dem Ausgang des Verfahrens ein Interesse hat, zur Beschwerdeeinlegung
berechtigt.
Die Beschwerde steht nach dem Wortlaut des
Gesetzes (§ 128 Abs. 1 FGO) „den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung
Betroffenen“ zu. Wie der in § 128 Abs. 1 FGO verwendete Begriff des
„Beteiligten“ in Beschwerdeverfahren, die im Zusammenhang mit dem Ersuchen um
eidliche Vernehmung nach § 94 AO 1977 stehen, auszulegen ist. kann hier
dahinstehen. In jedem Fall kann eine Beschwerde zulässigerweise nur von jemandem
erhoben werden, der von der angefochtenen Entscheidung betroffen ist.
Betroffen ist, in wessen Rechte
eingegriffen wird (Gräber, a. a. O., Anm. 6 zu § 128), wer also durch die
Entscheidung beschwert ist. Die Frage, ob auch ein Steuerpflichtiger im Rahmen
des Auskunftsverfahrens nach § 94 AO 1977 zu diesem Personenkreis gehören kann,
ist umstritten. Nach Ansicht von Söhn (a. a. O., Anm. 36) ist der
Steuerpflichtige durch das Ersuchen um eidliche Vernehmung eines Dritten nicht
beschwert. Kanzler (a. a. O., S. 328) hält es dagegen für möglich, daß Rechte
des Steuerpflichtigen verletzt sein können. Die Frage braucht im Streitfall
indessen nicht abschließend entschieden zu werden. Denn zur Zulässigkeit der
Beschwerde eines von der Entscheidung des FG „Betroffenen“ gehört in jedem Fall.
daß er einen Sachverhalt vorträgt, aus dem sich – seine Richtigkeit unterstellt
– ergibt, daß er in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 40 Abs. 2 FGO zu den
gleichartigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klage; hierzu Gräber,
a. a. O., Anm. 8 zu § 40). Daran fehlt es im Streitfall.
Die Einwendungen des Beschwerdeführers
gegen das Vernehmungsersuchen (und dessen Annahme durch das FG) lassen – schon
nach dem eigenen Vortrag des Beschwerdeführers – eine Verletzung seiner Rechte
nicht erkennen. Wenn der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des FG
einwendet, das Ersuchen des FA um eidliche Vernehmung der Frau A. sei unzulässig
gewesen, weil das FA nicht zuvor versucht habe, eine unbeeidigte Auskunft der
Frau A. zu erhalten, so läßt sich diesem Vortrag nicht die Darlegung einer
Rechtsverletzung entnehmen. Denn der Beschwerdeführer hat kein Recht darauf, daß
einer eidlichen Vernehmung durch das Gericht eine uneidliche Vernehmung durch
das FA vorauszugehen hat. Wenn der Beschwerdeführer weiter geltend macht, sein
Recht auf Gehör sei verletzt, weil ihm das FA keine Gelegenheit gegeben habe, zu
dem Ersuchen um eidliche Vernehmung Stellung zu nehmen, so ist auch insoweit
sein Vortrag unschlüssig. Das Recht auf Gehör wird nach der gesetzlichen
Regelung (§ 94 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO 1977) dadurch gewährt, daß die
Beteiligten Gelegenheit erhalten, am Vernehmungstermin teilzunehmen und dort
Fragen zu stellen (§ 94 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO); demnach ist das FA nicht
gehalten, den Steuerpflichtigen bereits vor dem Ersuchen Gelegenheit zu einer
Stellungnahme zu geben.