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II. Die Beschwerde ist begründet. Es liegt ein Verfahrensmangel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Gestalt eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten vor. Da das FG erneut –nunmehr auf zutreffender Tatsachengrundlage– eine Beweiswürdigung wird vornehmen müssen, verweist der Senat gemäß § 116 Abs. 6 FGO bereits im Beschwerdeverfahren den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. |
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1. Allerdings stellt es keinen Verfahrensfehler dar, dass das FG in Bezug auf den Hauptantrag keine weitere Aufklärung betrieben hat. |
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Eine Verpflichtung zur (weiteren) Sachaufklärung von Amts wegen ohne Antrag gemäß § 76 Abs. 1 FGO setzt unter anderem voraus, dass sich diese dem FG aufdrängen musste (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Februar 2012 X B 91/11, BFH/NV 2012, 1150). Das war nicht der Fall. Die Beigeladene hatte in der mündlichen Verhandlung angegeben, sie habe mit dem Kläger schon im Streitjahr nicht mehr zusammen gelebt. Wie diese Angabe zu bewerten war, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die dem materiellen Recht zuzuordnen ist und auch dann, wenn sie fehlerhaft wäre, keinen Verfahrensfehler darstellt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 76). Ob es weitere Beweismöglichkeiten in Gestalt weiterer Zeugen gab, konnte nur der Kläger, nicht das FG wissen. |
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2. Ebenso liegt ein Verfahrensfehler nicht bereits in einem fehlenden Hinweis des FG darauf, dass es dem Hilfsantrag trotz seines Verständigungsvorschlags nicht ohne weiteres stattzugeben beabsichtige. |
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Eine Verletzung der Hinweispflicht aus § 76 Abs. 2 FGO, die wenn sie vorläge, als Überraschungsentscheidung eine Verletzung rechtlichen Gehörs i.S. von § 119 Nr. 3 FGO (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2012 X B 4/10, BFH/NV 2012, 958) sein könnte, liegt nicht vor. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, inwieweit das Vorbringen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren zu dem Inhalt der Gespräche in der mündlichen Verhandlung überhaupt berücksichtigt werden kann, obwohl ein derartiger Vorschlag –entgegen § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)– nicht in das Protokoll aufgenommen ist. In der Sache vermag der Senat auch unter Berücksichtigung dieses Vortrags insoweit keine Verletzung der Hinweispflicht festzustellen. Denn sie setzt denknotwendig voraus, dass der Beteiligte die Umstände, auf die er meint nicht hingewiesen worden zu sein, nicht bereits anderweit hat sehen können und müssen. An einer solchen Überraschung fehlt es. |
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Eine entsprechende Hinweispflicht kommt nur in Betracht, wenn der Verfahrensverlauf dem Kläger die Gewissheit vermitteln konnte, der Hilfsantrag werde nicht abgewiesen. Entsprechende Tatsachen vermag der Senat nicht festzustellen. Insbesondere konnte der Kläger eine derartige Gewissheit nicht aus dem Umstand folgern, dass das FG einen Erledigungsvorschlag unterbreitet hat, der im Kern dem Hilfsantrag des Klägers entsprochen hätte. Der Senat geht davon aus, dass die Darstellung des FA zu Inhalt und Schicksal dieses Erledigungsvorschlags zutrifft, dass es nämlich die fehlende Bereitschaft des Klägers zur Übernahme einer etwaigen steuerlichen Mehrbelastung seitens der Beigeladenen war, an der die Erledigung gescheitert ist. Der Gang des Verfahrens lässt auch und insbesondere nach den Angaben des Klägers selbst keine andere Annahme zu. |
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a) Tatsächlich ist es zu der vorgeschlagenen Erledigung nicht gekommen. Das bedeutet, dass entweder das FA oder der Kläger dem Vorschlag nicht gefolgt sind. Die prozessuale Zustimmung der Beigeladenen zu einer Änderung des Bescheides und einer beidseitigen Hauptsacheerledigungserklärung nach § 138 FGO (zu unterscheiden von der materiell-rechtlichen Zustimmung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) wäre nicht erforderlich gewesen, da der Beigeladene über den Streitgegenstand nicht verfügen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 31. August 2000 VIII R 33/00, BFH/NV 2001, 320). Abgesehen davon hat der Kläger sogar vorgetragen, die Beigeladene sei mit dem Vorschlag einverstanden gewesen. Der Kläger hat aber außerdem erklärt, das FA sei mit der vorgeschlagenen Erledigung einverstanden gewesen. Die Erledigung kann also nur an der fehlenden Zustimmung des Klägers selbst gescheitert sein. |
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b) Hätte das FG den Beteiligten mitgeteilt, ein Anspruch auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG bestehe bereits, weil die Beigeladene mit der Anlage U eine wirksame Zustimmung zum Sonderausgabenabzug in Höhe von … EUR erklärt habe, wäre es aus Sicht des Klägers gänzlich unsinnig gewesen, dem Vorschlag nicht zuzustimmen. Das gilt jedenfalls dann, wenn er –wie er vorträgt– eine Entscheidung im Sinne des Hilfsantrags für sachdienlich erachtete. |
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Die einzig plausible Erklärung für die fehlende Zustimmung entspricht der Darstellung des FA, dass nämlich der Kläger nicht bereit war, eine Erklärung über die Übernahme der steuerlichen Belastung der Beigeladenen abzugeben. Das bedeutet aber, dass Gegenstand der Gespräche über eine etwaige Erledigung in der mündlichen Verhandlung nicht etwa die Abhilfe auf Grund eines durch die Anlage U bereits begründeten Anspruchs auf den begehrten Sonderausgabenabzug gewesen sein konnte. Vielmehr muss Gegenstand dieser Gespräche die Frage gewesen sein, ob durch entsprechende Erklärungen des Klägers und der Beigeladenen die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Anspruchs erstmals begründet werden könnten. |
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c) Der Kläger musste also davon ausgehen, dass das FG ohne derartige zusätzliche Erklärungen in der mündlichen Verhandlung den Sonderausgabenabzug verwehren würde. Er konnte gerade nicht mehr wie selbstverständlich auf ein –hinsichtlich des Hilfsantrags– stattgebendes Urteil hoffen. |
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3. Bei der Behandlung des Hilfsantrags hat das FG jedoch entgegen § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen. |
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Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Gestalt eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht oder wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat und die angefochtene Entscheidung darauf beruht (vgl. Senatsbeschluss vom 17. März 2010 X B 95/09, BFH/NV 2010, 1827). |
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So verhält es sich hier. Ob hierin gleichzeitig eine Verletzung rechtlichen Gehörs lag, ist nicht maßgebend. |
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a) Das FG hat seine Entscheidung wesentlich auf eine Äußerung der Beigeladenen gestützt, die ausweislich des Protokolls so nicht gefallen ist, ferner auf vermeintlich fehlenden Vortrag der Klägerseite, der tatsächlich aber existiert. |
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Es heißt in dem Urteil (S. 5, zweiter Absatz), der Senat folge auch insoweit [dies bezieht sich auf die nachträgliche Einfügung der Jahreszahl] der Darstellung der Beigeladenen, dass dieser Zusatz [dies bezieht sich auf den Zusatz "monatlich"] nachträglich, das heißt nachdem die Beigeladene unterschrieben hatte, eingefügt worden ist. Weder der Kläger noch der Prozessbevollmächtigte hätte einen anderen Sachverhalt substantiiert geschildert. |
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aa) Den Akten ist Folgendes zu entnehmen: |
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Das FA hat in seiner Klageerwiderung geäußert, es sei möglich, dass das Wort "monatlich" erst nach Unterschrift der Beigeladenen ergänzt worden sei. In der Replik hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, die Anlage U für die Jahre 2003 und 2004 habe seine Mitarbeiterin hinsichtlich der Angaben "Steuernummer", "monatlich" und "Jahreszahlen" vorbereitet und dem Kläger ausgehändigt. |
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In der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene ausweislich des Protokolls verschiedene Angaben zu der Frage gemacht, welche Anlage U sie unterschrieben habe, schließlich nach Unterbrechung der Sitzung erklärt, sie habe beide Anlagen U (für 2003/2004 sowie für 2005) unterschrieben. Allerdings seien zum Zeitpunkt der Unterschrift die Jahreszahlen noch nicht eingetragen gewesen. Äußerungen zu der Frage, ob der Zusatz "monatlich" bereits zum Zeitpunkt ihrer Unterschrift vorhanden gewesen sei, hat sie nach dem Protokoll nicht abgegeben. |
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bb) Nach alledem ist das FG zum Beleg seiner Annahme, der Zusatz "monatlich" sei nachträglich eingefügt worden, in zweierlei Hinsicht von einem unzutreffenden Akteninhalt ausgegangen. |
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aaa) Dies betrifft bereits die Aussage, es gebe keine abweichende substantiierte Schilderung des Klägers oder des Prozessbevollmächtigten. |
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Zwar ist es eine Wertungsfrage, von welcher Darstellungsgenauigkeit an eine Schilderung als substantiiert zu bezeichnen ist. Indes ist dem Senat nicht klar, inwiefern die Schilderung des Prozessbevollmächtigten zu der Vorbereitung der Anlage U durch die Mitarbeiterin nicht substantiiert gewesen sein soll. Der Vortrag war klar. Der Senat nimmt an, dass das FG dieser Schilderung nicht folgen wollte, da es –den Darstellungen der Beigeladenen folgend– von einem nachträglichen Einfügen der Jahreszahl ausging. Da ausweislich des klägerischen Vortrags sowohl die Jahreszahl als auch der Zusatz "monatlich" vorbereitet gewesen sein soll, war es möglicherweise für das FG naheliegend, auch hinsichtlich des Zusatzes "monatlich" von einem nachträglichen Einfügen auszugehen. Das betrifft aber nicht die Substantiierung, sondern die Glaubhaftigkeit des Vortrags. |
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bbb) Es betrifft weiter und insbesondere die Aussage, nach Darstellung der Beigeladenen sei der Zusatz "monatlich" nachträglich eingefügt worden. Eine solche Darstellung hat es nach dem Protokoll nicht gegeben. |
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Selbst das FA hat dies nicht ausdrücklich behauptet, sondern nur als möglich angesehen. |
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Sollte die Beigeladene eine derartige Aussage gemacht, das FG sie lediglich nicht protokolliert haben, berührt dies nach den o.g. Maßstäben den Verstoß gegen den klaren Akteninhalt nicht, zumal es nicht verizifierbar wäre. |
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b) Des Weiteren hat das FG übersehen, dass in Gestalt der Anlage U für 2005 ein Beweismittel vorhanden war, das für die Frage hätte herangezogen werden können, wie der Kläger und die Beigeladene ihre Erklärungen in der Anlage U für 2003 und 2004 gemeint haben. |
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Das FG hat lediglich die Existenz der Anlage U für 2005, nicht aber deren grundsätzliche Beweiseignung für die Interpretation der Anlage U für 2003 und 2004 gesehen. Zwar verbieten sich zwingende Schlüsse von einem Veranlagungszeitraum auf den anderen. Zum einen beweist allein der Umstand, dass die Beteiligten die Anlage U für 2005 in bestimmter Weise verstanden haben und das zuständige Finanzamt dem gefolgt ist, nicht, dass diese Sachbehandlung richtig war. Zum anderen war gerade der Zusatz "monatlich" nur in der einen Anlage U vorhanden, wenn er auch ausgerechnet dort fehlte, wo alle Beteiligten die Angabe in diesem Sinne verstanden haben. Jedenfalls aber hätte das FG die Anlage U für 2005 in seine Erwägungen einbeziehen müssen. |
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c) Bei der Auslegung der Zustimmungserklärung der Beigeladenen wird das FG schließlich auch zu prüfen haben, ob bereits die Formulierung unter Teil B der Anlage U, der Empfänger stimme dem Antrag "dem Grunde nach" zu, eine Begrenzung der Zustimmung auf eine bestimmte Höhe ausschließt. |
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4. Obwohl es im Verfahren betreffend die Nichtzulassung der Revision nicht darauf ankommt, weist der Senat mit Blick auf das Beschwerdevorbringen in rechtlicher Hinsicht auf Folgendes hin: |
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a) Die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a EStG setzt nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift einen Antrag voraus. |
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b) Von den Rechtsgrundsätzen des Urteils in BFH/NV 2008, 792 ist das FG nicht abgewichen. Es ist gerade nicht festzustellen, dass die Beigeladene die Anlage U auch für das Streitjahr nachträglich genehmigt habe. |
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c) Auch eine Abweichung von dem Urteil in BFHE 210, 235, BStBl II 2005, 825 ist nicht erkennbar. Das FG ist gerade von dem dort genannten Rechtssatz ausgegangen, dass der Sonderausgabenabzug von der tatsächlich erteilten Zustimmung des Unterhaltsempfängers abhängt. Da allerdings die Zustimmung –wie sich ebenfalls aus dieser Entscheidung ergibt– eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ist, war das FG befugt und verpflichtet, den Inhalt der Erklärung der Beigeladenen zu ermitteln und auszulegen. Das ist nicht die Ersetzung einer fehlenden Willenserklärung. |
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d) Ebenso wenig divergiert das FG von den Grundsätzen, die das OLG Oldenburg in seinem Beschluss in FF 2011, 123 aufgestellt hat. |
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Das OLG ist davon ausgegangen, dass nicht unbedingt die Unterzeichnung der Anlage U zu fordern sei, sondern auch eine formfreie, wenn auch nachprüfbare, Zustimmung des Unterhaltsempfängers ausreiche. Davon ist das FG gerade nicht abgewichen. Andernfalls hätte es nicht den Vorschlag unterbreiten können, den Rechtsstreit durch entsprechende Zustimmung der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung und darauf folgende Anerkennung des Sonderausgabenabzugs zu beenden. |
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Soweit das OLG im Übrigen ausgeführt hat, unter welchen Umständen ein ggf. gerichtlich durchzusetzender Anspruch auf Erteilung der Zustimmung besteht, ist das FG hiervon ebenfalls nicht abgewichen. Insbesondere meinte das FG nicht, die Beigeladene als Unterhaltsempfängerin dürfe nach Belieben –ggf. auch rechtsmissbräuchlich– über die Zustimmung entscheiden. Das FG hat sich hierzu zutreffend nicht geäußert, denn auf die Frage, ob die Beigeladene die Zustimmung erteilen musste oder verweigern durfte, kommt es im finanzgerichtlichen Verfahren nicht an. Hier ist lediglich zu beurteilen, ob eine Zustimmung vorliegt, nicht aber die vorgeschaltete Frage, ob ein Anspruch auf Zustimmung besteht. Letzterer Streit gehört nach § 33 FGO nicht vor die Finanzgerichte. Davon geht übrigens der Kläger auch selbst aus, wenn er im Rahmen seiner Verfahrensrügen beanstandet, das FG hätte ihm durch Aussetzung des Verfahrens Gelegenheit geben müssen, die Zustimmung der Beigeladenen zivilgerichtlich durchzusetzen. Dieser Zuständigkeitsspaltung entspricht es, dass Gegenstand des Verfahrens vor dem OLG gerade der Antrag des Unterhaltsleistenden war, den Unterhaltsberechtigten zur Zustimmung zu verurteilen. Die in Rz 29 genannte Ersetzung der Zustimmung durch gerichtliche Entscheidung folgt erst aus § 894 Satz 1 ZPO mit Rechtskraft der Entscheidung im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens. |
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e) Der Vollständigkeit halber weist der Senat auf sein Urteil vom 25. Juli 1990 X R 137/88 (BFHE 161, 517, BStBl II 1990, 1022) hin, wonach im finanzgerichtlichen Verfahren selbst eine etwaige missbräuchliche Verweigerung der Zustimmung nicht zu prüfen und daher nicht entscheidungserheblich ist (Bestätigung durch Urteil des BFH vom 2. Juli 2003 XI R 8/03, BFHE 202, 544, BStBl II 2003, 803). Dem FG fällt daher kein Versäumnis zur Last, wenn es diese Frage nicht näher geprüft hat. |
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