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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom Kläger aufgrund der Direktzusage bezogenen Leistungen keine Versorgungsbezüge darstellen und auch von Verfassungs wegen nicht als solche zu behandeln sind. |
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1. Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG gelten Bezüge und Vorteile aus früheren privatrechtlichen Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er schwerbehindert ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat. |
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Von diesen Versorgungsbezügen bleiben gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 EStG ein nach einem Prozentsatz ermittelter, auf einen Höchstbetrag begrenzter Betrag (Versorgungsfreibetrag) und ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei. Werden keine höheren Werbungskosten nachgewiesen, ist bei der Ermittlung der Einkünfte von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit für Werbungskosten ein Pauschbetrag von 102 EUR abzuziehen, soweit es sich um Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG handelt (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG). Werden keine Versorgungsbezüge gewährt, ist von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit ein Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 EUR in Abzug zu bringen (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG). |
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2. Die aufgrund der privatrechtlichen Direktzusage vom Kläger bezogenen Leistungen gelten nicht nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG als Versorgungsbezüge. Denn der nicht schwerbehinderte Kläger vollendete im Streitjahr 2007 noch nicht das 63. Lebensjahr. Mithin war für die Leistungen aufgrund der Direktzusage weder ein Versorgungsfreibetrag noch ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag zu berücksichtigen. Da höhere Werbungskosten nicht nachgewiesen wurden, war insoweit der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG abzuziehen. |
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3. Entgegen der Auffassung der Kläger verstoßen diese Vorschriften nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG; eine Entscheidung des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ist daher nicht einzuholen. |
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a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG-Beschluss vom 15. Juli 1998 1 BvR 1554/89, 1 BvR 963/94, 1 BvR 964/94, BVerfGE 98, 365). Er verbietet sowohl ungleiche Belastungen wie auch ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 11. Oktober 1988 1 BvR 1239/85, BVerfGE 79, 1). |
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Im Bereich des Steuerrechts begrenzt der allgemeine Gleichheitssatz die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in einer speziell diesem Regelungsgegenstand Rechnung tragenden Weise (BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210, BGBl I 2008, 2888, m.w.N.). So hat der Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Insoweit ist insbesondere für den Einkommensteuergesetzgeber dessen weitgehende Befugnis zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Gerade bei der Ordnung von Massenerscheinungen gehören Praktikabilität und Einfachheit des Rechts zu den notwendigen Voraussetzungen eines gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs (vgl. BVerfG-Beschluss vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, BStBl II 1997, 518). Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfG-Beschluss vom 12. Oktober 2010 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, m.w.N.). Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen (BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BFH/NV 2010, 1767, m.w.N.). Insbesondere darf der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 268, BFH/NV 2010, 1767, m.w.N.). |
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b) Nach diesen Maßstäben widerspricht die steuerliche Behandlung der betrieblichen Zusatzversorgung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG nicht Art. 3 Abs. 1 GG. |
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aa) Anders als die Kläger meinen, benachteiligt § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG nicht generell die im privaten Dienst gewährten Versorgungsbezüge. |
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Denn die aus früheren privatrechtlichen Dienstleistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewährten Bezüge sind ebenso unabhängig von dem Erreichen einer Altersgrenze nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 EStG begünstigt wie solche Erwerbsunfähigkeitsbezüge, die aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften gewährt werden. |
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bb) Bezüge i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG und solche aus früheren Dienstverhältnissen i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG wegen des Erreichens einer Altersgrenze werden zwar unterschiedlich behandelt, weil bei Letzteren ein Versorgungsfreibetrag erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres oder bei Schwerbehinderten mit Vollendung des 60. Lebensjahres gewährt wird, dagegen § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG keine Altersgrenze vorsieht. Dieser Unterschied ist aber durch sachliche Gründe gerechtfertigt. |
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aaa) Es ist bereits fraglich, ob die hier angegriffenen Regelungen bei Beamten und bei Rentnern der privaten Wirtschaft wesentlich Gleiches i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG betreffen. Denn während § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG bei den Beamten die Besteuerung der zur Grundversorgung dienenden Beamtenpensionen betrifft, regelt § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG die Besteuerung der in der Regel zur Basisversorgung hinzutretenden betrieblichen Zusatzversorgung (vgl. zum sog. Drei-Schichten-Modell Abschlussbericht der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen vom 11. März 2003). |
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bbb) Ungeachtet dessen ist die Besteuerung der betrieblichen Zusatzversorgung als Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG erst ab dem Erreichen einer Altersgrenze verfassungsrechtlich gerechtfertigt. |
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(1) Der Versorgungsfreibetrag wurde zur steuerlichen Entlastung von Pensionsempfängern eingeführt. Denn die volle steuerliche Erfassung ihrer Bezüge im Vergleich zu der nur geringfügigen Besteuerung von Sozialversicherungsrenten mit dem Ertragsanteil wurde als unbefriedigend empfunden (zu BTDrucks IV/3189, S. 2). Die zur Minderung dieser Ungleichbehandlung eingeführte Steuervergünstigung gilt nach der gesetzlichen Ausgestaltung des § 19 Abs. 2 Satz 2 EStG unabhängig davon, ob die Versorgungsbezüge im öffentlichen oder im privaten Dienst gewährt werden. |
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Der Gesetzgeber stellt jedoch bei Versorgungsbezügen privater Unternehmen typisierend auf das Erreichen eines Mindestalters von 63 Lebensjahren bzw. 60 Lebensjahren bei schwerbehinderten Menschen ab, um zu gewährleisten, dass diese Steuervergünstigung nur für zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter dienende Bezüge gewährt wird. Gesetzgeberisches Leitbild für dieses Mindestalter ist der Zeitpunkt, zu dem Beamte die Versetzung in den Ruhestand ohne Angabe von Gründen beantragen können (§ 52 des Bundesbeamtengesetzes; vgl. zu BTDrucks IV/3189, S. 8, sowie BTDrucks 14/1514, S. 29 f.). Nur wenn dieses Lebensalter erreicht wird, unterstellt das Gesetz, dass die Bezüge und Vorteile der Sicherung des Lebensunterhalts im Alter dienen. Während sich bei Ruhegehaltsempfängern i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG bereits aus dem Gesetz ergibt, dass es sich um Bezüge handelt, die der Sicherung des Lebensunterhalts im Alter dienen, unterliegen die in der Privatwirtschaft gewährten Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstverhältnissen der freien Vertragsgestaltung. Ohne die im Gesetz genannten Altersgrenzen bedürfte es daher einer eingehenden, mit den Erfordernissen einer Massenverwaltung nicht zu vereinbarenden Prüfung jedes einzelnen Falles, ob es sich tatsächlich um Bezüge des früheren Arbeitgebers handelt, die mit den in § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG genannten Leistungen vergleichbar sind. Dieses gesetzgeberische Anliegen, das darauf abzielt, eine sachlich nicht gerechtfertigte Begünstigung gegenüber anderen Einkünften zu verhindern, ist ein hinreichend gewichtiger Grund, die Vergünstigung des § 19 Abs. 2 EStG bei Bezügen aus früheren Dienstverhältnissen der privaten Wirtschaft an eine feste Altersgrenze zu knüpfen. Demgegenüber hat der Gesetzgeber z.B. bei Bezügen aus früheren Dienstverhältnissen der privaten Wirtschaft, die aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit gezahlt werden, zu Recht keine Altersgrenze vorgesehen, weil sich in diesen Fällen die verminderte Erwerbsfähigkeit anhand objektiver, leicht nachprüfbarer Umstände feststellen lässt. |
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(2) Der Gesetzgeber hat dabei auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse die Grenzen zulässiger Typisierung nicht überschritten. Nach dem Vierten Versorgungsbericht der Bundesregierung (BTDrucks 16/12660, S. 63) stieg im Zeitraum 1993 bis 2006 die Zahl der Pensionäre, die die gesetzliche Altersgrenze (von damals 65 Lebensjahren) erreichten, von 13,1 % auf 63 %; im Jahr 2006 waren bereits 86,5 % der Neupensionäre zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand 65 Jahre alt. Die im Gesetz genannte Altersgrenze von 63 Jahren spiegelt daher das Alter, in dem Beamte typischerweise in den Ruhestand gehen, zutreffend wider. Nach den tatsächlichen Verhältnissen in jüngerer Zeit ergibt sich sogar –jedenfalls für den Bereich des Bundes– ein gegenüber der gesetzlichen Typisierung höheres Eintrittsalter in den Ruhestand. |
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Dieser Beurteilung stehen die Einwendungen der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen, aus den Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Finanzen und Steuern, Versorgungsempfänger des öffentlichen Dienstes, Fachserie 14 Reihe 6.1, 106) ergäbe sich ein abweichendes Bild. Danach lag zwar das Durchschnittsalter der Empfänger von Ruhegehalt in den Jahren 1993 bis 2011 bei den Bundesbeamten (ohne Berufssoldaten) zwischen 59,4 und 61,3 Lebensjahren, im Landesbereich zwischen 58,8 und 62,1 Lebensjahren und im kommunalen Bereich zwischen 59,0 und 61,1 Lebensjahren. Da diese Zahlen jedoch auch Empfänger enthalten, die wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ein Ruhegehalt beziehen (Statistisches Bundesamt, a.a.O., S. 96 bis 105), geben sie das Eintrittsalter in den Ruhestand von Beamten aus Altersgründen nicht zutreffend wieder. Denn Renten, die die Privatwirtschaft ihren ehemaligen Arbeitnehmern wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zahlt, sind unabhängig vom Alter des Empfängers ebenfalls begünstigte Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG. In die Vergleichsbetrachtung, ob Bezieher von Renten aus der Privatwirtschaft wegen Erreichens einer Al-tersgrenze gegenüber Beamten gleichheitswidrig benachteiligt werden, kann daher auch nur das Eintrittsalter in den Ruhestand derjenigen Beamten einbezogen werden, die aus anderen Gründen als einer verminderten Erwerbsfähigkeit in den Ruhestand getreten sind. |
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