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II. Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich der Streitjahre 2006 und 2007 aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das FG hat insoweit über die Einkommensteuerbescheide vom 17. Oktober 2008 und vom 22. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. März 2010 entschieden, an deren Stelle während des Revisionsverfahrens die Änderungsbescheide vom 16. April 2013 getreten sind. Damit liegen dem Urteil des FG hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2006 und 2007 zwei nicht mehr existierende Bescheide zugrunde mit der Folge, dass auch das Urteil insoweit keinen Bestand haben kann (ständige Rechtsprechung, Senatsurteil in BFHE 229, 151, BStBl II 2010, 787, m.w.N.). |
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Die Änderungsbescheide vom 16. April 2013 sind nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Da sich hinsichtlich des Streitpunktes keine Änderungen ergeben haben, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO an das FG. Das erstinstanzliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, sodass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen von der Urteilsaufhebung nicht berührt sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage der Senatsentscheidung (Senatsurteil in BFHE 229, 151, BStBl II 2010, 787, m.w.N.) mit der Folge, dass der ursprüngliche Revisionsantrag in Fällen wie dem vorliegenden von Gerichts wegen an die veränderte Prozesslage anzupassen (BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43) und auf die Änderungsbescheide zu beziehen ist. |
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Der Senat entscheidet aufgrund seiner Befugnis aus den §§ 121 und 100 FGO in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO), soweit das angefochtene Urteil die Streitjahre 2006 und 2007 betrifft. Die Einkommensteuer für diese beiden Jahre ist abweichend von den Änderungsbescheiden vom 16. April 2013 hinsichtlich des Betrages der jeweils abzuziehenden weiteren Werbungskosten nach Maßgabe des vorinstanzlichen Urteils festzusetzen. Insoweit wird die Berechnung der Einkommensteuer dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO). Im Übrigen (hinsichtlich der Streitjahre 2002, 2004 und 2005) ist die Revision unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). |
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Zu Recht hat das FG die Zinsen auf das Darlehen der Bank, soweit sie im Streitjahr anteilig auf die Finanzierung der nachträglichen Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung –in Gestalt der Inanspruchnahme des Klägers als selbstschuldnerischen Bürgen für die Schulden der GmbH– entfielen, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt. |
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1. Wie der Senat erkannt hat, ist ab dem Veranlagungszeitraum 1999 ein gesetzlicher Paradigmenwechsel bei der Besteuerung der Veräußerung oder Aufgabe von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nach § 17 EStG eingetreten, sodass nachlaufende Schuldzinsen aus der Finanzierung des Beteiligungserwerbs, die nicht durch den Veräußerungserlös oder aus zurückbehaltenen Wirtschaftsgütern beglichen werden können, ab dem Veranlagungszeitraum 1999 grundsätzlich als nachträgliche Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen abzuziehen sind (siehe Senatsurteile in BFHE 229, 151, BStBl II 2010, 787; in BFH/NV 2010, 1795). |
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a) Dieser neueren Rechtsprechung lagen Veräußerungs- oder Aufgabevorgänge der Veranlagungszeiträume 2000 (Senatsurteil in BFHE 229, 151, BStBl II 2010, 787), 2001 (Senatsurteil in BFH/NV 2010, 1795) und 2005 (Senatsurteil vom 8. September 2010 VIII R 1/10, BFH/NV 2011, 223) zugrunde, die in darauffolgenden Jahren zu nachträglichem Finanzierungsaufwand geführt hatten. |
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Der Streitfall unterscheidet sich von jenen Fällen dadurch, dass der Aufgabezeitpunkt vor dem Veranlagungszeitraum 1999 lag. Dies führt jedoch nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Maßgeblich kommt es vielmehr auf die Verhältnisse der Streitjahre an und damit darauf, ob der Kläger in den Streitjahren Zinsen gezahlt hat, die auf einer Darlehensverpflichtung beruhen, die entscheidend durch seine Beteiligung an der GmbH ausgelöst war. |
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aa) Der Veranlassungszusammenhang zwischen der Beteiligung an der GmbH und der dafür gestellten eigenkapitalersetzenden selbstschuldnerischen Bürgschaft als "auslösende Momente" einerseits (vgl. Senatsurteil in BFHE 229, 151, BStBl II 2010, 787, Rz 16) und der zu deren Erfüllung eingegangenen Darlehensverbindlichkeit andererseits ist im Streitfall offenkundig und zwischen den Beteiligten auch nicht streitig; bei wertender Beurteilung erstreckt er sich auch auf die geleisteten Schuldzinsen, die damit der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zugewiesen und als nachträgliche Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) abzuziehen sind. Der Veranlassungszusammenhang entfiele erst, wenn nachträglich ein Ereignis einträte, welches den ursprünglich bestehenden Zusammenhang dergestalt überlagerte, dass entweder die ursprüngliche Veranlassung durch die Einkunftssphäre mit Zukunftswirkung entfiele oder eine neue Veranlassung durch die Erzielung anderer Einkünfte begründete (Senatsurteil in BFH/NV 2010, 1795). Dazu hat das FG keine Feststellungen getroffen. Derartiges ist im Streitfall auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. |
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bb) Im Gegensatz hierzu waren nachlaufende Schuldzinsen nach der hierfür maßgeblichen Senatsrechtsprechung bis einschließlich 1998 steuerrechtlich nicht abziehbar (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 27. März 2007 VIII R 64/05, BFHE 217, 497, BStBl II 2007, 639), weil ein Veranlassungszusammenhang mit der Einkunftssphäre verneint wurde. An dieser Beurteilung hält der Senat aufgrund der 2010 erfolgten Rechtsprechungsänderung jedenfalls für die Fälle einer fremdfinanzierten durchgängig steuerverstrickten Beteiligung nicht mehr fest. Vielmehr ist ein Veranlassungszusammenhang zwischen den Kreditzinsen und der früheren GmbH-Beteiligung zu bejahen. Mit dem 1999 eingeleiteten gesetzlichen Paradigmenwechsel besteht bei einer Beteiligung i.S. von § 17 EStG keine sachliche Rechtfertigung mehr für die rechtliche Zuweisung der nachträglichen Finanzierungskosten zur (grundsätzlich) nicht steuerbaren Vermögensebene (Senatsurteil in BFHE 229, 151, BStBl II 2010, 787, Rz 23). Es gibt keine gesetzliche Vorgabe, die insoweit an das Jahr der Veräußerung oder der Aufgabe der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft anknüpfte. Eine Unterscheidung nach Maßgabe des jeweiligen Jahres der Beteiligungsbeendigung ist auch nicht aus übergeordneten, gesetzlich nicht geregelten, insbesondere nicht aus systematischen Gründen geboten. Vielmehr ergäbe sich ein nicht zu rechtfertigender Wertungswiderspruch, wenn man den gleichgearteten Dauertatbestand der Zahlung nachlaufender Zinsen im selben Veranlagungszeitraum und bei ansonsten gleicher oder vergleichbarer Ausgangslage (Beendigung einer fremdfinanzierten, durchgängig steuerverstrickten Beteiligung) unterschiedlich beurteilen wollte je nachdem, wann der Veräußerungs- oder Aufgabevorgang stattgefunden hat. |
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b) Das FA bezieht sich für seine gegenteilige Auffassung auf das Senatsurteil in BFHE 217, 497, BStBl II 2007, 639. Dieser Entscheidung lag ein dem Streitfall vergleichbarer Fall zugrunde, weil dort die Veräußerung/Aufgabe der wesentlichen Beteiligung ebenfalls vor 1999 stattgefunden hatte. Der Senat ließ den Abzug nachlaufender Zinsen dort auch insoweit nicht zu, als sie auf einen Veranlagungszeitraum nach 1998 (dort: 1999) entfielen. Diese Entscheidung bindet den Senat nicht. Sie ist noch vor der Rechtsprechungsänderung ergangen und hat diese lediglich als möglich in Aussicht gestellt. Der aus dieser Entscheidung im Schrifttum gezogenen Folgerung, es komme auch im Falle einer Rechtsprechungsänderung in Bezug auf die hier zu entscheidende Rechtsfrage maßgeblich auf eine Veräußerung oder Aufgabe vor oder nach 1999 an (so Steinhauff, JurisPR-SteuerR 40/2010, Anm. 3 und 8/2011, Anm. 4; Paus, Steuerberater Woche –StBW– 2010, 746; Hilbertz, StBW 2011, 343; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 2011 10 K 3934/10, EFG 2011, 786), schließt sich der Senat nicht an. |
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2. Die hälftige Abzugsbeschränkung gemäß § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG ist auf die dem Kläger in den Streitjahren entstandenen Finanzierungskosten nicht anwendbar. Nach dieser Norm (in ihrer für die Streitjahre geltenden Fassung) dürfen u.a. Werbungskosten, die mit den in § 3 Nr. 40 EStG genannten Einnahmen (u.a. dem Veräußerungspreis oder dem gemeinen Wert i.S. von § 17 Abs. 2 EStG) im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden, und zwar unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Einnahmen anfallen (Halbeinkünfteverfahren). Die Rechtsnorm ist nach § 52 Abs. 8a EStG erstmals auf Aufwendungen anzuwenden, die mit Erträgen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, auf die § 3 Nr. 40 EStG "erstmals" anzuwenden ist. Dies betrifft grundsätzlich erstmals Erträge des Veranlagungszeitraums 2002 (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 27. März 2007 VIII R 23/06, BFH/NV 2007, 1842), wobei sich Differenzierungen ergeben können, die gegebenenfalls die Jahre 2001 und 2003 betreffen (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 32. Aufl., § 3 "Halbeinkünfteverfahren" unter 2. "Zeitl. Anwendung"). Im Streitfall unterfallen die Einkünfte des Klägers aus der GmbH-Beteiligung und ihrer Aufgabe aber keinesfalls diesem zeitlichen Anwendungsbereich, da er die Beteiligung infolge des Konkurses der GmbH geraume Zeit vor den Jahren 2001/2002 aufgegeben hatte. |
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§ 52 Abs. 8a EStG zieht für den Abzug von Aufwendungen eine trennscharfe und praktisch umsetzungsfähige Grenzlinie zwischen dem alten Anrechnungsverfahren einerseits und dem Halbeinkünfteverfahren andererseits; danach sind Aufwendungen entweder eindeutig dem alten oder dem neuen Recht zuzuordnen (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1842, 1844). Daraus folgt für den Streitfall die uneingeschränkte Abziehbarkeit der streitbefangenen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger aufgrund des Konkurses der GmbH einen Aufgabeverlust und keinen zu versteuernden Gewinn erwirtschaftet hatte. |
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