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Das FA hat die vom FG zugelassene Revision fristgerecht eingelegt. |
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1. Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision beim BFH innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen. Nach § 55 Abs. 1 FGO beginnt die Frist für einen Rechtsbehelf nur, wenn der Beteiligte ordnungsgemäß u.a. über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtbehelfs gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO grundsätzlich innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe i.S. des § 54 Abs. 1 FGO zulässig (BFH-Urteil vom 1. August 2012 II R 28/11, BFHE 238, 319, BStBl II 2013, 131, unter II.1.; ebenso BFH-Urteil vom 27. August 2008 II R 27/06, BFH/NV 2008, 2056, unter II.1.). Nach der Art des Fehlers in der Rechtsmittelbelehrung ist dabei nicht zu differenzieren, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Rechtsmittelbelehrung deshalb fehlerhaft ist, weil sie auf ein Erfordernis einer Revisionseinlegung beim FG hinweist (so die Fallgestaltung im BFH-Urteil in BFHE 238, 319, BStBl II 2013, 131) oder weil sie wie im Streitfall fehlerhaft von einer Nichtzulassung der Revision ausgeht. In beiden Fällen beeinträchtigt die Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung den Rechtsbehelfsberechtigten in seinen fristgerecht anzustellenden Überlegungen, ob er fristwahrend ein Rechtsmittel einlegen will. Dies gilt auch, wenn die Frist für das unrichtig angegebene Rechtsmittel genauso lange läuft wie die Frist für das zutreffende Rechtsmittel (BFH-Urteil vom 9. Februar 1968 III 219/64, BStBl II 1968, 400). |
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2. Im Streitfall wurde das FA im Urteil der Vorinstanz unrichtig darüber belehrt, dass die Revision nicht zugelassen worden sei. Die Rechtsmittelbelehrung genügte damit nicht den Anforderungen des § 55 Abs. 1 FGO i.V.m. § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO, so dass für die Einlegung der Revision nicht die einmonatige Frist nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO, sondern die Jahresfrist nach § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO lief. Diese hat das FA eingehalten. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist daher nicht zu entscheiden. |
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Die Revision des FA ist auch begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Leistungen bei der Beherbergung allein reisender Erwachsener unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz. |
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1. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG ordnet eine Steuersatzermäßigung für die Leistungen der nach §§ 51 ff. AO steuerbegünstigten Körperschaften an. Diese gilt gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG i.V.m. § 64 Abs. 1 AO für die Leistungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nur, wenn es sich bei diesem um einen Zweckbetrieb handelt. Unabhängig von den Bedingungen der allgemeinen Zweckbetriebsdefinition in § 65 AO gehören auch "Jugendherbergen" zu den Zweckbetrieben gemäß § 68 Nr. 1 Buchst. b AO. |
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2. Bei der Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ist seit 1993 auch das dieser Steuersatzermäßigung zugrunde liegende Unionsrecht zu beachten. |
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a) Beim Inkrafttreten des UStG 1980 war das Unionsrecht für die Anordnung ermäßigter Steuersätze durch das nationale Recht weitgehend bedeutungslos. Denn Art. 12 Abs. 4 Satz 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) regelte bei seinem Inkrafttreten lediglich, dass bestimmte Lieferungen und bestimmte Dienstleistungen erhöhten oder ermäßigten Sätzen unterworfen werden konnten. |
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b) Zu einer Einschränkung der für die Mitgliedstaaten bestehenden Regelungsbefugnisse kam es aber durch Art. 12 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Anhang H der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Richtlinie 92/77/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG –Annäherung der Mehrwertsteuer-Sätze– (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften –ABlEG– Nr. L 316, S. 1) mit Wirkung zum 1. Januar 1993. Diese Einschränkungen gelten nach dem im Streitjahr zu beachtenden Art. 98 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) i.V.m. Anhang III fort. |
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Danach können die Mitgliedstaaten zwar einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden (Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL). Die ermäßigten Steuersätze sind aber "nur" auf die Lieferungen und Dienstleistungen der im Anhang III genannten Kategorien anwendbar (Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL). Dabei besteht für die Mitgliedstaaten nach Anhang III Nr. 15 MwStSystRL die Befugnis, für die steuerpflichtigen Leistungen der "von den Mitgliedstaaten anerkannte[n] gemeinnützige[n] Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit" einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden. |
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Auf dieser Grundlage dürfen die Mitgliedstaaten insbesondere "nicht auf alle gemeinnützigen Leistungen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anwenden …, sondern nur auf diejenigen, die von Einrichtungen erbracht werden, die sowohl gemeinnützig als auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig sind" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union –EuGH– Kommission/Frankreich vom 17. Juni 2010 C-492/08, EU:C:2010:348, Slg. 2010, I-5471 Rz 43). Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der engen Auslegung der Steuersatzermäßigungen als Ausnahmetatbestand (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630, II.2.c (1) (b)) folgt hieraus, dass zumindest andere als gemeinnützige Leistungen unionsrechtlich vom Anwendungsbereich der Steuersatzermäßigung für gemeinnützige Körperschaften von vornherein ausgeschlossen sind. |
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c) Die unionsrechtliche Harmonisierung der Steuersatzermäßigungen ist auch bei der Auslegung der abgabenrechtlichen Begriffe zu berücksichtigen, auf die § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG verweist, wie der erkennende Senat zum Begriff der Vermögensverwaltung nach § 14 AO i.V.m. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG bereits ausdrücklich entschieden hat (BFH-Urteil vom 20. März 2014 V R 4/13, BFHE 245, 397, unter II.2.c bb (1)). Dies gilt auch für die Auslegung der Zweckbetriebsdefinitionen der §§ 65 ff. AO und damit insbesondere bei der Bestimmung der Reichweite der Steuersatzermäßigung für Jugendherbergen nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG i.V.m. § 68 Nr. 1 Buchst. b AO. |
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3. Im Hinblick auf die im Streitjahr zu beachtende unionsrechtliche Harmonisierung der Steuersatzermäßigungen ist die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Rechtslage vor dieser Harmonisierung nicht auf das Streitjahr zu übertragen. |
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a) Zu der vor der unionsrechtlichen Harmonisierung bestehenden Rechtslage nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG 1980 i.V.m. § 68 Nr. 1 Buchst. b AO hat der erkennende Senat entschieden, dass die Beherbergung allein reisender Erwachsener ein selbständiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sein kann, wenn sie sich aus tatsächlichen Gründen von den satzungsgemäßen Leistungen an Jugendliche und Familien abgrenzen lässt. Fehlt die Abgrenzbarkeit, verlieren Jugendherbergen ihre Zweckbetriebseigenschaft nicht dadurch, dass sie außerhalb des satzungsgemäßen Zwecks in geringem Umfang allein reisende Erwachsene (zu gleichen Bedingungen wie andere Gäste) beherbergen. Die Grenze, bis zu der solche Beherbergungen unschädlich sind, wurde dabei ausschließlich in relativer Abhängigkeit zur Umsatztätigkeit im Zweckbetrieb mit 10 % des Umsatzes veranschlagt (BFH-Urteil vom 18. Januar 1995 V R 139-142/92, BFHE 177, 147, BStBl II 1995, 446, Leitsatz 3). |
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Unter Bezugnahme hierauf hat es der erkennende Senat zudem –für die seit 1993 bestehende Rechtslage– revisionsrechtlich nicht beanstandet, dass die kurzfristige Vermietung von Wohn- und Schlafräumen an Nichtstudierende durch ein Studentenwerk bereits dann als ein selbständiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, nicht hingegen als Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 1 Buchst. b AO anzusehen ist, wenn sie sich aus tatsächlichen Gründen von den satzungsmäßigen Leistungen abgrenzen lässt. Der Senat hat es als ausreichend angesehen, dass die Entgelte für die Vermietung an Studierende und Nichtstudierende unterschiedlich hoch und die beiden Bereiche anhand der Buchführung "ohne weiteres" zu trennen waren (BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 V R 32/03, BFHE 210, 175, BStBl II 2005, 900, unter II.2.c dd). |
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b) Im Streitjahr ist zu beachten, dass sich die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes unionsrechtlich auf die Leistungen der von den Mitgliedstaaten anerkannten gemeinnützigen Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit beschränkt. Damit ist eine Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG i.V.m. § 64 und § 68 Nr. 1 Buchst. b AO für andere als die satzungsmäßigen Leistungen gemeinnütziger Körperschaften –wie etwa für die Beherbergung allein reisender Erwachsener– nicht vereinbar. |
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c) Unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben ergibt sich die erforderliche "Trennung der Aktivitäten" (Senatsurteil in BFHE 177, 147, BStBl II 1995, 446, unter II.3.b bb) bereits aus der Altersstruktur der Übernachtungsgäste. Während die Leistungen an Jugendliche i.S. von § 4 Nr. 23 Satz 2 UStG und ihre Begleitpersonen als der sozialen Sicherheit dienend anzusehen sind, trifft dies auf allein reisende Erwachsene nicht zu. Leistungen an diesen Personenkreis werden in einem selbständigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erbracht, der nicht Zweckbetrieb ist und dessen Umsätze der Besteuerung nach dem Regelsteuersatz unterliegen. |
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Mit Blick auf diese Trennbarkeit führt die Beherbergung allein reisender Erwachsener mangels einheitlicher Beurteilung im Regelfall nicht mehr –wie vom Senat in seinem Urteil in BFHE 177, 147, BStBl II 1995, 446, unter II.3.b cc und dd erwogen– zum Wegfall der Zweckbetriebseigenschaft nach § 68 Nr. 1 Buchst. b AO bei der Beherbergung Jugendlicher und ihrer Begleitpersonen, wenn die Beherbergung allein reisender Erwachsener eine Grenze von 10 % gemessen an der Zeitdauer der Vermietung überschreitet. |
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4. Danach ist die Klägerin im Streitfall nicht zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für die an allein reisende Erwachsene erbrachten Leistungen berechtigt. Diese Leistungen entsprechen nicht den satzungsmäßig steuerbegünstigten Zwecken der Klägerin und können daher bei eigenständiger Betrachtung nicht der Steuersatzermäßigung unterliegen. Zudem hat die Klägerin für die Beherbergung allein reisender Erwachsener auch höhere Entgelte verlangt und vereinnahmt. |
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Unerörtert bleibt, ob eine Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG i.V.m § 64 und § 68 Nr. 1 Buchst. b AO ausnahmsweise aus Gründen eines nur geringfügigen Tätigkeitsumfangs in Betracht kommen könnte, da sich die Vergütungen für die Leistungen der Klägerin bei der Unterbringung allein reisender Erwachsener auf ca. 700.000 EUR beliefen (vgl. z.B. zu den Geringfügigkeitsgrenzen bei Kleinunternehmern § 19 Abs. 1 UStG). |
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Ebenso erübrigt sich im Streitfall die Frage, ob § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG einer Anwendung des ermäßigten Steuersatzes entgegensteht. |
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5. Nach diesen Maßstäben, denen die Vorentscheidung nicht entspricht, ist das Urteil des FG aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen. |
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. |
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