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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Einfuhrabgabenbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). |
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1. Der erkennende Senat geht mit dem FG davon aus, dass die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Einfuhrabgaben gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK (hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer i.V.m. § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes) entstanden sind, weil die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wurde, und dass die Klägerin Schuldner der Abgaben gemäß Art. 203 Abs. 3 Anstrich 4 ZK ist. Gegen die diesbezüglichen Ausführungen in dem angefochtenen Urteil erhebt die Revision keine rechtlichen Einwendungen. |
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2. Das FG hat auch zu Recht entschieden, dass der Zollwert der einfuhrabgabenpflichtigen Waren nach Art. 31 ZK zu ermitteln ist. |
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Der Zollwert eingeführter Waren ist nach Art. 29 ZK der Transaktionswert, d.h. der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlte oder zu zahlende –und ggf. gemäß Art. 32 und 33 ZK zu berichtigende– Preis. Kann der Zollwert nicht nach der Transaktionswert-Methode und auch nicht nach einer der in Art. 30 ZK beschriebenen Folgemethoden bestimmt werden, ist er nach der sog. Schlussmethode gemäß Art. 31 ZK zu ermitteln, die das HZA im Streitfall herangezogen hat. Da nach den Feststellungen des FG der Transaktionswert der in das Versandverfahren übergeführten Schuhe nicht bekannt ist und auch keine Anhaltspunkte für eine Wertermittlung nach Art. 30 Abs. 2 ZK bestehen, liegen die Voraussetzungen für eine Bestimmung des Zollwerts nach der Schlussmethode vor. Auch insoweit erhebt die Revision keine rechtlichen Einwendungen. |
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3. Somit ist der Zollwert im Streitfall auf der Grundlage von in der Gemeinschaft verfügbaren Daten durch zweckmäßige Methoden zu ermitteln, die übereinstimmen mit den Leitlinien und allgemeinen Regeln des Art. VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994, des Übereinkommens zur Durchführung dieses Artikels sowie den Vorschriften des Kapitels 3 des Titels II ZK (Art. 31 Abs. 1 ZK). Die Anwendung der Schlussmethode hat m.a.W. die Grundzüge der Zollwertermittlung gemäß Art. 29 und Art. 30 ZK zu beachten (vgl. Krüger in Dorsch, Zollrecht, Art. 31 Rz 2). Die Heranziehung der chinesischen Exportstatistik entnommener Verkaufspreise bei einer Warenausfuhr in die Bundesrepublik Deutschland widerspricht diesen Grundsätzen nicht. |
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a) Bei den Verkaufspreisen laut chinesischer Exportstatistik handelt es sich um in der Gemeinschaft verfügbare Daten. Anders als die Revision meint, kommt es nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des Art. 31 Abs. 1 ZK nicht darauf an, ob die Daten in der Gemeinschaft erhoben worden sind. Nach den auf den unbestrittenen Angaben des HZA beruhenden Feststellungen des FG wird die entgeltlich erworbene chinesische Exportstatistik von OLAF stichprobenweise anhand der Angaben beim jeweiligen Import in das Zollgebiet der Union überprüft mit dem Ergebnis, dass OLAF die Statistikdaten als glaubwürdig und seriös einstuft. Wenn aber aus einem Drittland stammende Daten von einer Behörde der Kommission geprüft, als verlässlich angesehen und den Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werden, so sind sie jedenfalls unter diesen Umständen als "in der Gemeinschaft verfügbar" anzusehen. |
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Im Übrigen ist es in der Literatur anerkannt, dass letztlich auch Preislisten und Preisangebote für Lieferungen in das Zollgebiet der Gemeinschaft, bei denen es sich zweifellos um in den entsprechenden Drittländern erhobene Daten handelt, im Rahmen der Schlussmethode herangezogen werden können (vgl. Krüger in Dorsch, a.a.O., Art. 31 Rz 5; Witte/Reiche, Zollkodex, 5. Aufl., Art. 141 Rz 2). |
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b) Zwar ist der Einwand der Revision zutreffend, dass die chinesische Exportstatistik die Verkaufspreise für alle Waren der 6-stelligen HS-Unterpos. 6402 99 ausweist. Die weiteren Untergliederungen dieser Unterposition sind allerdings solche der KN; es liegt also auf der Hand, dass die chinesische Exportstatistik die Verkaufspreise nicht nach diesen KN-Unterpositionen differenziert. Dies steht jedoch der Heranziehung der so ermittelten Verkaufspreise im Rahmen der Schlussmethode des Art. 31 ZK nicht entgegen. Denn bei Anwendung der Schlussmethode sollen die in den Art. 29 und Art. 30 Abs. 2 ZK festgelegten Methoden mit "angemessener Flexibilität" herangezogen werden, weshalb die Voraussetzungen für die Zollwertermittlung anhand gleichartiger Waren (Art. 30 Abs. 2 Buchst. b ZK) weit ausgelegt werden können (vgl. Erläuternde Anmerkungen des Anhang 23 ZKDVO Nrn. 2 und 3 zu Art. 31 Abs. 1 ZK). Es müssen daher bei der Zollwertermittlung gemäß Art. 31 ZK für die Berücksichtigung der Verkaufspreise gleichartiger Waren nicht sämtliche Voraussetzungen des Art. 142 Abs. 1 Buchst. d ZKDVO erfüllt sein, sondern es kann als ausreichend angesehen werden, dass die zum Vergleich herangezogenen Waren insoweit gleichartig sind, als es sich um "andere Schuhe mit Laufsohlen und Oberteil aus Kautschuk oder Kunststoff, andere als Sportschuhe oder Schuhe mit Oberteil aus Bändern oder Riemen, mit der Sohle durch Zapfen zusammengesteckt, andere als den Knöchel bedeckend", der HS-Unterpos. 6402 99 handelt. Dass der berechnete Durchschnittspreis dann ggf. auch Verkaufspreise für Schuhe beinhaltet, die den Schuhen des Streitfalls nicht i.S. des Art. 142 Abs. 1 Buchst. d ZKDVO gleichartig sind, ist in Kauf zu nehmen, denn die Ermittlung des Zollwerts nach der Schlussmethode des Art. 31 ZK setzt gerade voraus, dass der Transaktionswert gleichartiger Waren nicht bekannt ist, und erlaubt unter diesen Umständen eine bloße Annäherung an den wirklichen Wert der Einfuhrwaren durch zweckmäßige Methoden. |
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Anhaltspunkte dafür, dass auf diese Weise ein für die Waren des Streitfalls völlig unzutreffender Zollwert der Abgabenerhebung zugrunde gelegt worden ist, sind nicht ersichtlich. Das FG hat in den erkennenden Senat bindender Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) angenommen, dass die Schuhe des Streitfalls –mangels gegenteiliger Anhaltspunkte– von durchschnittlicher Qualität waren und dass der sich aus der Exportstatistik ergebende durchschnittliche Verkaufspreis von 3,68 US-Dollar plausibel ist. Soweit die Revision lediglich das Gegenteil vermutet und annimmt, dass es sich um Waren minderer Qualität gehandelt habe, werden keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht. |
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c) Das FG hat keine andere zweckmäßigere Methode i.S. des Art. 31 ZK zur Ermittlung des Zollwerts der streitigen Waren erkennen können. Auch die Revision zeigt solche Alternativen nicht auf. |
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Anders als die Revision meint, können die in der Rechnung Nr. 47/07 ausgewiesenen Preise der Schuhe bei der Zollwertermittlung nicht berücksichtigt werden. Wie ausgeführt, trifft es zwar zu, dass bei Anwendung der Schlussmethode die in den Art. 29 und Art. 30 Abs. 2 ZK festgelegten Methoden mit "angemessener Flexibilität" herangezogen werden sollen, weshalb bei einem für die Ware ermittelten Weiterverkaufspreis in der Union die sog. deduktive Methode (Art. 30 Abs. 2 Buchst. c ZK) unter großzügiger, weiter Auslegung ihrer Voraussetzungen angewandt werden kann (Erläuternde Anmerkungen des Anhangs 23 ZKDVO Nrn. 2 und 3 Buchst. c zu Art. 31 Abs. 1 ZK). Für die streitigen in das Versandverfahren übergeführten Schuhe lässt sich jedoch kein für die Anwendung der deduktiven Methode erforderlicher Weiterverkaufspreis feststellen. Sowohl die Rechnung Nr. 47/07 als auch die Rechnung Nr. 46/07 weisen nämlich keinen zutreffenden Weiterverkaufspreis aus. Nach den zollamtlichen Ermittlungen sind die dem polnischen Käufer erstellten Rechnungen als Gefälligkeitsbelege ausgestellt worden, wovon auch die Klägerin in ihrer erstinstanzlichen Klagebegründung ausgegangen ist. Das FG hat zudem die in den genannten Rechnungen angegebenen Preise als unrealistisch angesehen. Zulässige und begründete Revisionsgründe sind insoweit nicht vorgebracht (§ 118 Abs. 2 FGO). |
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d) Die Ausschlusstatbestände des Art. 31 Abs. 2 ZK stehen der Zollwertermittlung anhand der chinesischen Exportstatistik nicht entgegen. Da diese Daten vom FG als verlässlich angesehen worden sind, also angenommen werden kann, dass sie die Verkaufspreise für Schuhe aus Kunststoff zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union zutreffend wiedergeben, handelt es sich insbesondere nicht –wie die Revision meint– um willkürliche Werte i.S. des Art. 31 Abs. 2 Buchst. g ZK, die mit der Handelspraxis nicht im Einklang stehen. |
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e) Auf unionsrechtliche Vorschriften über die Erstellung europäischer Statistiken kann sich die Revision nicht mit Erfolg berufen. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass diese Vorschriften die chinesische Exportstatistik nicht betreffen können. Ob in der chinesischen Exportstatistik ausgewiesene Verkaufspreise bei der Ermittlung des Zollwerts von Einfuhrwaren anhand der Schlussmethode des Art. 31 ZK herangezogen werden können, ist eine Frage, welche die seitens der Revision angeführten Verordnungen nicht regeln. |
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f) Die gerügte Verletzung des § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung liegt nicht vor. Das HZA hat die Besteuerungsgrundlagen nicht in Anwendung dieser Vorschrift geschätzt, sondern hat den Zollwert der streitigen Waren gemäß einer Vorschrift des Unionsrechts ermittelt, deren Voraussetzungen –wie ausgeführt– gegeben sind und deren Anwendung im Streitfall rechtlich nicht zu beanstanden ist. |
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g) Anders als die Revision meint, verletzt das angefochtene FG-Urteil auch nicht Art. 181a Abs. 1 ZKDVO. Die diesbezüglichen Ausführungen der Revision sind nicht verständlich. Wenn es auch von Anfang an klar gewesen sein mag, dass eine den Transaktionswert der Waren ausweisende Einfuhrhandelsrechnung nicht vorliegt, so wollte doch die Klägerin mit der zunächst vorgelegten Handelsrechnung Nr. 46/07 erkennbar erreichen, dass die dort angegebenen Preise der Zollwertermittlung zugrunde gelegt werden. Weshalb es rechtlich zu beanstanden sein soll, dass das HZA –wie geschehen– gegenüber der Klägerin seine Zweifel äußerte, ob diese Preise den Zollwert der Waren zutreffend wiedergeben, und Gelegenheit gab, weitere Unterlagen vorzulegen, erschließt sich nicht. |
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