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Die vom FG nach § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassene Beschwerde ist nicht begründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO). |
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Der Antrag auf AdV der Prüfungsanordnung vom 29. November 2016 betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2011 bis 2014 sowie die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d EStG zum Schluss der Kalenderjahre 2011 bis 2014 ist unbegründet. |
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1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 4. Mai 2017 IV B 10/17, BFH/NV 2017, 1009, m.w.N.). |
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2. Nach diesen Grundsätzen ist es vorliegend nicht ernstlich zweifelhaft, dass die vom FA mit Verfügung vom 29. November 2016 angeordnete Außenprüfung im streitgegenständlichen Umfang rechtmäßig ist. Die Voraussetzungen für eine Außenprüfung waren nach § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO gegeben. |
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a) Nach § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung zulässig bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten, die freiberuflich tätig sind und bei Steuerpflichtigen i.S. des § 147a AO. Bei Letzteren handelt es sich um Steuerpflichtige, bei denen die Summe der positiven Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG (Überschusseinkünfte) mehr als 500.000 EUR im Kalenderjahr beträgt (§ 147a Abs. 1 Satz 1 AO). Im Falle der Zusammenveranlagung sind für die Feststellung des Überschreitens des Betrags von 500.000 EUR die Summe der positiven Einkünfte eines jeden Ehegatten oder Lebenspartners maßgebend (§ 147a Abs. 1 Satz 2 AO). |
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b) Danach ist die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung des FA vom 29. November 2016 nicht ernsthaft zweifelhaft. Der Antragsteller erzielte im Jahr 2011 gemäß dem Einkommensteuerbescheid vom 5. Dezember 2016 Kapitaleinkünfte in Höhe von insgesamt 1.186.038 EUR, die aufgrund seines Antrags auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG der tariflichen Besteuerung zugrunde gelegt wurden. Abzüglich des gemäß § 20 Abs. 9 EStG allein zu berücksichtigenden Sparer-Pauschbetrags in Höhe von 801 EUR liegen seine Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG somit über dem Schwellenwert des § 147a Abs. 1 Satz 1 AO in Höhe von 500.000 EUR, so dass eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO zulässig ist. |
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aa) Der Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG führt nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 30. November 2016 VIII R 11/14, BFHE 256, 455, BStBl II 2017, 443, Rz 47, und vom 29. August 2017 VIII R 5/15, BFHE 259, 329, BStBl II 2018, 66) dazu, dass die der Abgeltungsteuer unterliegenden positiven Kapitaleinkünfte unter Verdrängung des § 32d Abs. 1, 3 und 4 EStG zu Einkünften i.S. des § 2 Abs. 2 bis 5 EStG werden, die dem Tarif des § 32a EStG unterliegen. Sie sind danach in die Berechnung des Schwellenwertes des § 147a Abs. 1 Satz 1 AO mit einzubeziehen. |
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Nicht zu entscheiden ist im Streitfall die umstrittene Frage, ob die gemäß § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG durch den Steuerabzug abgegoltenen Kapitaleinkünfte zu einer Überschreitung des Schwellenwertes des § 147a AO führen können (bejahend Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 147a AO Rz 11; Märtens in Gosch, AO § 147a Rz 13; Koenig/Cöster, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 147a Rz 7; Geuenich, Neue Wirtschafts-Briefe –NWB– 2010, 2300, 2302 f.; Dißars, Betriebs-Berater –BB– 2010, 2085 f.; Brinkmann, Die steuerliche Betriebsprüfung –StBp– 2011, 125 f.; verneinend Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 147a Rz 6; Grammes, AO -eKommentar, § 147a Rz 3; Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 147a). Denn aufgrund des Antrags auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG wurden die Kapitaleinkünfte in die tarifliche Besteuerung mit einbezogen, so dass die abgeltende Wirkung des Steuerabzugs nach § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG entfallen ist (Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 36. Aufl., § 43 Rz 6). |
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bb) Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind die tatsächlich entstandenen Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen auch bei einem Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG nicht zu berücksichtigen (so bereits entschieden durch die Senatsurteile vom 2. Dezember 2014 VIII R 34/13, BFHE 248, 51, BStBl II 2015, 387, und in BFHE 256, 455, BStBl II 2017, 443). Danach ist auch in Bezug auf den Schwellenwert des § 147a Abs. 1 Satz 1 AO bei der Ermittlung der Höhe der Kapitaleinkünfte nur der Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 EUR als Werbungskosten in Abzug zu bringen. |
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cc) Ein horizontaler Verlustausgleich innerhalb der Kapitaleinkünfte, der nach der h.M. möglich ist (Drüen in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 147a AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 147a Rz 7; Koenig/Cöster, a.a.O., § 147a Rz 7; Märtens in Gosch, AO § 147a Rz 15; Geuenich, NWB 2010, 2300, 2302), kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da der Antragsteller im Jahr 2011 keine negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG erzielt hat. |
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dd) Auch die im Einkommensteuerbescheid für 2011 vorgenommene Verrechnung der Kapitaleinkünfte mit (Alt-)Verlusten nach § 23 EStG a.F. in Höhe von 679.694 EUR und mit negativen Einkünften i.S. des § 21 EStG in Höhe von 316.803 EUR aus dem Jahr 2011 führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach dem Wortlaut des § 147a Abs. 1 Satz 1 AO ist entscheidend für das Überschreiten des Schwellenwertes die Summe der positiven Einkünfte im Kalenderjahr. Danach sind weder Verlustvorträge noch Verlustrückträge aus anderen Jahren noch vertikale Verlustverrechnungen mit anderen Einkunftsarten bei der Berechnung des Schwellenwertes nach § 147a AO zu berücksichtigen (so auch die h.M. in der Literatur, Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 147a AO Rz 11; Klein/ Rätke, a.a.O., § 147a Rz 7; Koenig/Cöster, a.a.O., § 147a Rz 7; Märtens in Gosch, AO § 147a Rz 15; Brinkmann, StBp 2011, 125 f.; Geuenich, NWB 2010, 2300, 2302; s.a. BTDrucks 16/13106, S. 12). |
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3. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das FA die Außenprüfung über einen Prüfungszeitraum von vier Jahren angeordnet hat. |
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a) Die Außenprüfung kann gemäß § 194 Abs. 1 Satz 2 AO mehrere Besteuerungszeiträume erfassen. Sie ist gemäß § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO nicht nur für das Jahr zulässig, in dem die in § 147a Abs. 1 Satz 1 AO bestimmte Grenze erstmals überschritten wurde, sondern auch für die fünf Folgejahre. Es ist danach unerheblich, ob die Überschusseinkünfte des Antragstellers in den Prüfungsjahren 2012 bis 2014 über dem Schwellenwert des § 147a AO lagen (so auch Gosch in Gosch, AO § 193 Rz 61). |
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b) Einschränkungen des Prüfungszeitraums ergeben sich auch nicht aus den Vorgaben der Betriebsprüfungsordnung (BpO 2000). Gemäß dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 9. Juni 2015 IV A 4-S 1450/15/10001, 2015/0058091 (BStBl I 2015, 504) sind Fälle mit bedeutenden Einkünften, bei denen die Summe der positiven Einkünfte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG über 500.000 EUR liegt, als Großbetrieb einzustufen. Die Prüfungsanordnung, die einen Vier-Jahres-Zeitraum umschließt, entspricht danach den Vorgaben des § 4 Abs. 2 BpO 2000. |
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4. Es ist auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass das FA sein Ermessen beim Erlass der Prüfungsanordnung fehlerfrei ausgeübt hat. |
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a) §§ 193 f. AO räumen dem FA bezüglich der Anordnung und des Umfangs der Außenprüfung ein Ermessen ein. Soweit die Behörden ermächtigt sind, nach ihrem Ermessen zu entscheiden, hat sich die gerichtliche Überprüfung darauf zu beschränken, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 FGO). |
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b) Nach der Rechtsprechung des BFH sind im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO Außenprüfungen in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt zulässig (BFH-Beschluss vom 14. Juli 2014 III B 8/14, BFH/NV 2014, 1880, m.w.N.). Nach der Auffassung des Gesetzgebers sind auch Steuerpflichtige i.S. des § 147a AO, die Überschusseinkünfte von mehr als 500.000 EUR erzielen, "prüfungsrelevant". Er vermutet bei diesen Steuerpflichtigen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, bei einer Außenprüfung "beachtliche" Mehrergebnisse zu erzielen (vgl. BTDrucks 16/12852, S. 10). |
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Im Gegensatz zu dem Fall einer nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO angeordneten Prüfung, unter die sog. Einkunftsmillionäre vor der Einführung des § 147a AO fielen, kommt es im Fall einer Prüfungsanordnung nach § 193 Abs. 1 AO nicht auf die weiteren Voraussetzungen an, ob die für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßiger ist (vgl. BFH-Beschluss vom 11. September 2003 XI B 9/03, juris). Vielmehr hält der Gesetzgeber bei den in § 193 Abs. 1 AO genannten Steuerpflichtigen –typisierend– die Außenprüfung für das geeignete Mittel, den Sachverhalt aufzuklären. Sie unterliegen kraft Gesetzes der Außenprüfung und sind daher verpflichtet, die damit verbundenen Eingriffe zu dulden. |
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Auch in diesen Fällen reicht es danach aus, dass es nach allgemeinen Erfahrungen nicht außerhalb des Möglichen liegt, dass die betreffenden Einkünfte nicht oder nicht ordnungsgemäß erklärt worden sind. Es muss sich nicht um konkrete Anhaltspunkte handeln, die sich aus besonderen Umständen des jeweils zu prüfenden Einzelfalles ergeben. |
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c) Dieser gesetzlichen Vermutung steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass es sich bei den Einkünften des Antragstellers, die zum Überschreiten der Schwellengrenze des § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a Abs. 1 Satz 1 AO geführt haben, um Kapitaleinkünfte handelt, die gemäß § 43 Abs. 1 EStG dem inländischen Steuerabzug unterlagen. Ein konkretes Prüfungsbedürfnis ergibt sich daraus, dass die Kapitaleinkünfte aufgrund des Antrags auf Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG) den Einkünften i.S. des § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen wurden, da dies –aufgrund der Verrechnung mit hohen negativen Einkünften– zu einer niedrigeren Einkommensteuer führte. Zudem hat der Antragsteller gemäß § 32d Abs. 4 EStG die Überprüfung des Steuereinbehalts beantragt, so dass er sich mit seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzt, wenn er anlässlich der Anordnung einer Außenprüfung geltend macht, dass eine Überprüfung des Kapitalertragsteuerabzugs nicht erforderlich sei. |
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d) Dem FA stand mit dem automatisierten Kontenabrufverfahren nach § 93b AO auch kein milderes Mittel zur Verfügung. Dieses Verfahren erlaubt keinen Zugriff auf die Inhalte der Konten wie Kontenstand und Kontenbewegung, sondern nur den Zugriff auf sog. Kontenstammdaten, da nur diese in der Datei nach § 24c Abs. 1 des Kreditwesengesetzes zu speichern sind (Klein/Rätke, a.a.O., § 93b Rz 3). Das Kontenabrufverfahren ermöglicht dem FA somit keine umfassende Prüfung des Steuerfalls, die nur durch die Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO gewährleistet wird. Die Anordnung der Außenprüfung ist danach auch verhältnismäßig im engeren Sinn. |
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e) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Antragstellers. Die Gewährleistung des in § 85 AO normierten verfassungsrechtlichen Gebots der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG, s.u.) würde beeinträchtigt, wenn sich Steuerpflichtige ab einem bestimmten Alter der Überprüfung ihrer im Besteuerungsverfahren gemachten Angaben entziehen könnten. Eine Rechtfertigung hierfür ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige, wie im vorliegenden Fall der Antragsteller, über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um einen Rechtsbeistand mit der Wahrnehmung seiner Interessen im Zusammenhang mit der Außenprüfung zu beauftragen. |
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5. Auch die vom Antragsteller geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 147a AO führen nicht zur AdV. Zwar können auch verfassungsrechtliche Zweifel an der Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO begründen (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juli 2016 V B 37/16, BFHE 254, 491, BStBl II 2017, 28). Im vorliegenden Fall hat der Senat bei summarischer Prüfung jedoch keine ernstlichen Zweifel daran, dass der durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz (StHintBekG) vom 29. Juli 2009 (BGBl I 2009, 2302) in Art. 3 eingeführte § 147a AO und der in Bezug auf diese Vorschrift ergänzte § 193 Abs. 1 AO formell und materiell verfassungsgemäß sind. |
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a) Der Senat hat keine Bedenken, dass die Regelungen der §§ 147a, 193 Abs. 1 AO formell verfassungsgemäß zustande gekommen sind. Die Delegation der Bestimmung der erstmaligen Anwendung dieser Vorschriften durch Art. 97 § 22 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO) auf die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates verstößt bei summarischer Prüfung nicht gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG. |
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aa) Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG kann durch Gesetz u.a. die Bundesregierung ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Sinn der Regelung des Art. 80 Abs. 1 GG ist es, das Parlament darin zu hindern, sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft zu entäußern. Es soll nicht einen Teil seiner Gesetzgebungsmacht der Exekutive übertragen können, ohne die Grenzen dieser Befugnis bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen zu haben, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll. Darüber hinaus wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Verhältnis zum Verordnungsgeber im Hinblick auf den Vorrang des Gesetzes dann nicht mehr gewahrt, wenn die erteilte Ermächtigung es dem Adressaten überlässt, nach Belieben von ihr Gebrauch zu machen, und erst dadurch das Gesetz anwendbar wird. In einem solchen Falle würde von einer Gesetzgebungskompetenz nur für die Art und Weise der Regelung, nicht aber für das "ob überhaupt" Gebrauch gemacht. Aus allem ergibt sich, dass der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber hinreichende normative Anhaltspunkte für seine Entscheidung an die Hand geben muss, ob von einer solchen Verordnungsermächtigung Gebrauch zu machen ist oder nicht. Sie können entweder ausdrücklich in der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage festgeschrieben werden oder sich aus dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes und dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, so wie er im Gesetz zum Ausdruck gekommen ist, ergeben (s. hierzu z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 8. Juni 1988 2 BvL 9/85, 2 BvL 3/86, BVerfGE 78, 249, m.w.N.). |
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bb) Bei summarischer Prüfung genügt die Verordnungsermächtigung in Art. 97 § 22 Abs. 2 EGAO diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG (so auch Klein/Rätke, a.a.O., § 147a Rz 3; Märtens in Gosch, AO § 147a Rz 9 ff.; Dißars, BB 2010, 2085 f.; zweifelnd Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 147a AO Rz 8; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 193 AO Rz 27; Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 193 Rz 31b; Gosch in Gosch, AO § 193 Rz 5; Kessler/Eicke, Der Betrieb –DB– 2009, 1314 f.). Aus der Ermächtigungsnorm und den Gesetzesmaterialien lässt sich ein hinreichend deutlicher Gesetzeszweck entnehmen, der die erforderlichen normativen Vorgaben für den Verordnungsgeber in Bezug auf die Regelung des Inkrafttretens des Gesetzes zum Ausdruck bringt. |
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cc) Gemäß Art. 97 § 22 Abs. 2 EGAO bestimmt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates den Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung von § 147a AO und § 193 Abs. 1 AO i.d.F. des Art. 3 StHintBekG. Dies ist durch § 5 SteuerHBekV geschehen. Danach gelten die Vorschriften für Besteuerungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 2009 beginnen. Grund für diese Delegation war das Erfordernis der Abstimmung der einzelnen Regelungskomplexe des StHintBekG durch die Bundesregierung (BTDrucks 16/12852, S. 10 f.; 16/13106, S. 13). |
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Der Gesetzgeber hat damit ausreichend zu erkennen gegeben, dass er dem Verordnungsgeber nicht das "ob überhaupt", sondern lediglich die Bestimmung des konkreten Zeitpunkts des Inkrafttretens der gesetzlichen Regelung überlässt. Er hat dies auch ausreichend damit begründet, dass dieser Zeitpunkt von der Koordinierung weiterer gesetzlicher Regelungen abhängt. |
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b) Die Regelung von Aufbewahrungspflichten für Steuerpflichtige mit Überschusseinkünften von mehr als 500.000 EUR pro Jahr gemäß § 147a AO und die damit verbundene Möglichkeit zur Vornahme einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO verstößt bei summarischer Prüfung auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da sie die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherstellt. |
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aa) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen (BVerfG-Urteile vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BGBl I 2004, 591, BStBl II 2005, 56; vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239). |
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Erweiterung der Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO auf Steuerpflichtige mit hohen Überschusseinkünften nicht offensichtlich verfassungswidrig. Sie war nach der Auffassung des Gesetzgebers erforderlich, da die Überprüfung dieser Steuerpflichtigen von erheblicher Bedeutung sei und beachtliche Mehrergebnisse aufweise. Vor der Einführung der Regelung sei eine Außenprüfung der sog. Einkommensmillionäre nur unter den Voraussetzungen des § 193 Abs. 2 AO möglich gewesen und habe einer besonderen Begründung bedurft. Die Neuregelung diene daher der Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach Art. 3 Abs. 1 GG (BTDrucks 16/12852, S. 10). |
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cc) Diese Einschätzung des Gesetzgebers ist sachlich gerechtfertigt und keinesfalls willkürlich. Der Senat hat daher im Hinblick auf den durch Art. 3 Abs. 1 GG gewährleisteten gleichheitsgerechten Gesetzesvollzug keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO (so auch Klein/Rätke, a.a.O., § 147a Rz 3; Märtens in Gosch, AO § 147a Rz 9 ff.; Dißars, BB 2010, 2085 f.; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 147a AO Rz 5 f.; a.A. Kessler/Eicke, DB 2009, 1314, 1316). |
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Der Antrag auf AdV der Anordnung zur Vorlage von Unterlagen in der Anlage zur Prüfungsanordnung vom 29. November 2016 ist wegen Änderung des Streitgegenstandes im Beschwerdeverfahren nicht zulässig. |
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1. Es kann offenbleiben, ob das FG im ersten Rechtszug des Aussetzungsverfahrens den Umfang des Antrags auf AdV verkannt hat, da es nur über den Antrag auf AdV der Prüfungsanordnung vom 29. November 2016 entschieden hat. Der Beschwerdeführer kann grundsätzlich im Beschwerdeverfahren seinen Antrag ändern. Das Beschwerdegericht ist auch nicht auf eine Nachprüfung in rechtlicher Hinsicht beschränkt. Es hat auch einen neuen Tatsachenvortrag zu berücksichtigen. Jedoch darf dies nicht zu einer so wesentlichen Änderung führen, dass der Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht mehr mit dem des erstinstanzlichen Verfahrens identisch ist; denn dann würde der auf Überprüfung einer bereits ergangenen Entscheidung des FG gerichtete Zweck des Beschwerdeverfahrens verfehlt (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 VIII B 36/07, BFH/NV 2007, 1911; BFH-Beschluss vom 23. August 1988 VII B 76/88, BFHE 154, 29, BStBl II 1988, 952). |
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2. Dies ist vorliegend der Fall. Der Antrag auf AdV der Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen unterscheidet sich von dem vom FG entschiedenen Antrag über die AdV der Prüfungsanordnung grundlegend. Denn die Frage, ob eine Außenprüfung überhaupt angeordnet werden darf, ist von der Frage nach der Rechtmäßigkeit einzelner Maßnahmen im Zuge der Prüfung zu unterscheiden (vgl. Senatsurteil vom 8. April 2008 VIII R 61/06, BFHE 220, 313, BStBl II 2009, 579, m.w.N.). Es ist daher sachgerecht, dass zunächst das erstinstanzliche Gericht die Frage prüft, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufforderung des FA zur Vorlage der in der Anlage bezeichneten Unterlagen bestehen (z.B. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2014 X R 29/13, BFH/NV 2015, 790; Senatsurteil vom 28. Oktober 2009 VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455). Dies ist auch im Sinne des Antragstellers. Der BFH als Rechtsmittelgericht würde ansonsten die Funktion eines erstinstanzlichen Gerichts übernehmen, wozu er nicht befugt ist, da andernfalls eine Instanz übergangen würde (BFH-Beschluss vom 23. August 1988 VII B 76/88, BFHE 154, 29, BStBl II 1988, 952). |
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. |
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