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II. Die Revision ist begründet. Gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer antragsgemäß herabzusetzen. |
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Die streitbefangenen Geldbeträge, die die Klägerin im Streitjahr von ihrer Mutter erhielt, sind bei der Klägerin weder ganz noch zum Teil einkommensteuerbar. |
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1. Wiederkehrende Zahlungen als Gegenleistung für den Verzicht eines zur gesetzlichen Erbfolge Berufenen auf seinen potentiellen künftigen Erb- und/oder Pflichtteil sind beim Empfänger grundsätzlich nicht als wiederkehrende Bezüge i.S. von § 22 Nr. 1 EStG steuerbar. Die Steuerbarkeit folgt insbesondere nicht aus der Erfüllung des Vermächtnisses in der Form einer Rente. Allein der Umstand, dass eine Leistung nicht in einem Betrag, sondern in wiederkehrenden Zahlungen zu erbringen ist, kann deren Steuerbarkeit nicht begründen (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 20. Oktober 1999 X R 132/95, BFHE 190, 178, BStBl II 2000, 82; vgl. auch Schmidt/Heinicke, EStG, 29. Aufl., § 10 Rz 65 unter "Gegenleistung"). Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung, seine anders lautende frühere Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 7. April 1992 VIII R 59/89, BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809) ist insoweit überholt. |
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2. Zu Unrecht ist das FG von einem gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu erfassenden Zinsanteil ausgegangen. |
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a) Regelmäßig wiederkehrende Zahlungen aus einem zivilrechtlichen Rechtsverhältnis können Kapitalerträge enthalten. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören u.a. nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG "Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage". |
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aa) Kapitalforderung in diesem Sinne ist jede auf Geldleistung gerichtete Forderung ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs (BFH-Urteil vom 20. Juni 1996 VIII R 67/95, BFH/NV 1997, 175; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 20 Rz 121). Erforderlich ist aber in jedem Fall die Überlassung von privatem Geldvermögen an Dritte (BFH-Urteile vom 13. Oktober 1987 VIII R 156/84, BFHE 151, 512, BStBl II 1988, 252, unter III.2.; vom 9. März 1982 VIII R 160/81, BFHE 136, 72, BStBl II 1982, 540; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 29. November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272; vgl. Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rz 294a; vgl. auch Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 20 Rz 123). Dabei kann die Kapitalüberlassung in unterschiedlicher Art und Weise erfolgen, etwa durch Hingabe als (endfälliges oder in Raten zu tilgendes) Darlehen (auch in Gestalt von Anleihen, vgl. die Fallgruppen bei Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 20 Rz 123), durch Novation eines bestehenden Zahlungsanspruchs in ein Darlehen oder durch zeitliche Streckung eines Zahlungsanspruchs mittels Verrentung. |
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bb) Verzichtet ein Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche und erhält es dafür im Gegenzug von den Eltern wiederkehrende Zahlungen, so liegt darin kein entgeltlicher Leistungsaustausch und keine Kapitalüberlassung des Kindes an die Eltern, so dass in den wiederkehrenden Zahlungen auch kein einkommensteuerbarer Zinsanteil enthalten ist. |
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Der vor Eintritt des Erbfalls erklärte Erb- und Pflichtteilsverzicht ist ein erbrechtlicher Vertrag (BFH-Urteil in BFHE 190, 178, BStBl II 2000, 82, m.w.N.), der der Regulierung der Vermögensnachfolge und ihrer Modalitäten im Todesfall des potentiellen Erblassers dienen soll. |
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Es handelt sich bürgerlich-rechtlich und steuerrechtlich um einen unentgeltlichen Vorgang, der nicht zu einer Kapitalforderung i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führt. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf das Urteil vom heutigen Tage Az. VIII R 43/06 Bezug genommen. |
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b) Nach diesen Maßstäben hatte die Klägerin keine Forderung aus Kapitalüberlassung gegen die aus dem Vermächtnis verpflichtete Mutter. Insbesondere war der von der Klägerin erklärte Erb- und Pflichtteilsverzicht nicht Gegenstand eines veräußerungsähnlichen Vorgangs. |
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In dem gesamten Geschehen des Streitfalls ist keine Kapitalüberlassung durch die Klägerin an ihre Eltern (Vater und/oder Mutter) festzustellen. Die Eltern hatten durch den Erb- und Pflichtteilsverzicht keinen aktiven Vermögenswert zur Nutzung erhalten, den sie nicht vorher bereits gehabt hätten. Insbesondere hatte die Klägerin keinen Zahlungsanspruch aus einem synallagmatischen Rechtsverhältnis gegen die Eltern erlangt, der sodann verrentet worden wäre, vielmehr lag der Rechtsgrund für die monatlichen Zahlungen im Vermächtnis. Die Eltern wurden auch nicht von einer Schuld oder einer anderen Belastung befreit, deren Begleichung oder Aufhebung einer Kapitalüberlassung durch die Klägerin gleichgekommen wäre. |
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Was die monatlichen Rentenzahlungen angeht, hatte die Klägerin als Vermächtnisnehmerin Rentenansprüche nach der inhaltlichen Maßgabe des Vermächtnisses, hier also auf jeweilige monatliche Zahlung des im Änderungstestament festgelegten Betrags. Rechtsgrundlage der Zahlungsansprüche der Klägerin war alleine dieses Änderungstestament, das ihr keine weitergehenden Rechte verschaffte, so weder einen Anspruch auf Kapitalauszahlung (der erst im Anschluss verrentet worden wäre) noch einen Anspruch oder ein Wahlrecht auf Umwandlung der Rente in eine einheitliche Kapitalforderung gegen die zahlungspflichtige Mutter. |
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In dieser Situation ist der Klägerin auch nicht gegen ihren Willen eigenes Kapital vorenthalten worden, das mittels der Rente zeitlich gestreckt zurückgezahlt worden wäre. Der Hinweis des FA B auf die Senatsrechtsprechung zu Entgelten aus erzwungener Kapitalüberlassung (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2005 VIII R 105/03, BFH/NV 2006, 527, m.w.N.) geht deshalb fehl. |
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Dass die rentenverpflichtete Mutter (bzw. ggf. der Schlusserbe oder dessen Abkömmlinge erster Ordnung als Ersatzschlusserben) berechtigt ist (bzw. sind), die Rentenverpflichtung durch eine Einmalzahlung in Höhe des nach Anlage 9a zum Bewertungsgesetz (BewG) zu ermittelnden Barwertes abzulösen, gebietet keine andere rechtliche Beurteilung. Dem Ablösungsrecht der Verpflichteten steht kein entsprechendes Recht der Klägerin auf Kapitalisierung des Rentenvermächtnisses gegenüber. In der vorgesehenen Wertermittlung für den Fall der Ausübung des Ablösungsrechts kommt zum Ausdruck, dass der Istwert (Barwert) einer langfristig wiederkehrend zu erbringenden Leistung niedriger ist als der Nominalwert der Summe aller –voraussichtlich– über die lange Frist zu erbringenden Zahlungen. Die Differenz fließt der Klägerin im Nichtablösungsfalle aber nicht als Ertrag aus einer Kapitalforderung zu, sondern originär als –einkommensteuerrechtlich nicht zu erfassendes– Vermächtnis. Aus der Bewertung der in gestreckter Form erbrachten Leistung nach näherer Maßgabe des BewG ergibt sich nicht die Steuerbarkeit des Erwerbs (vgl. BFH-Urteil in BFHE 190, 178, BStBl II 2000, 82, unter II.3.b bb). Für den Zufluss und die Zurechnung von Kapitaleinkünften bedeutet es einen –hier entscheidungserheblichen– Unterschied, ob eine bereits bestehende Kapitalforderung im Rahmen einer Vermögensumschichtung mit Aufzinsung verrentet wird, oder ob ohne eine solche Vermögensumschichtung eine Rente zugesagt und im –angenommenen– Ablösungsfall unter Abzinsung erst in eine Kapitalforderung umgewandelt wird. |
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