|
II. Die Beschwerden sind unzulässig, weil S, der sie im Namen des Klägers erhoben hat, seine Bevollmächtigung nicht nachgewiesen hat. |
|
|
1. Gemäß § 62 Abs. 4 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) müssen sich die Beteiligten vor dem BFH durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt gemäß § 62 Abs. 4 Satz 2 FGO bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem BFH eingeleitet wird. Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen, kann aber innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist nachgereicht werden (§ 62 Abs. 6 Sätze 1 und 2 FGO). |
|
|
a) Allerdings hat das Gericht einen Mangel der Vollmacht nur dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn als Bevollmächtigter nicht eine in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO bezeichnete Person oder Gesellschaft auftritt (§ 62 Abs. 6 Satz 4 FGO). Da S als Steuerberater zugelassen ist, ist der erkennende Senat nicht bereits von Amts wegen zu einer Berücksichtigung des Mangels der Vollmacht gezwungen. |
|
|
Daraus folgt aber nicht, dass das Fehlen der Prozessvollmacht unbeachtlich ist. Vielmehr muss das Gericht in einem solchen Fall nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheiden, ob es die Vorlage einer Vollmacht für notwendig erachtet oder nicht (Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2011 X B 109/11, BFH/NV 2012, 438, m.w.N.). Kommt das Gericht dabei zu dem Ergebnis, dass die Vorlage der Vollmacht nicht verzichtbar ist, so ist der von dem vollmachtlosen Vertreter eingelegte Rechtsbehelf als unzulässig zu verwerfen. |
|
|
b) Im Verhältnis zu einer der in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO genannten Personen oder Gesellschaften ist die Anforderung einer schriftlichen Prozessvollmacht ermessensgerecht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Person tatsächlich nicht oder nicht wirksam bevollmächtigt ist. Diese Voraussetzung ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung u.a. bejaht worden, wenn der vor dem BFH auftretenden Person das Mandat bereits im Verfahren vor dem FG entzogen worden war (BFH-Beschlüsse vom 11. November 2009 I B 152/09, BFH/NV 2010, 449, und vom 15. April 2010 V B 7/09, BFH/NV 2010, 1830), wenn Eheleute getrennt leben und ein Berufsträger eine große Zahl unzulässiger Rechtsbehelfe für beide Ehegatten einlegt, obwohl er nur eine von einem der Ehegatten unterzeichnete Vollmacht vorlegen kann (BFH-Beschluss vom 12. November 2009 VIII B 167/09, BFH/NV 2010, 450: Annahme fehlender Bevollmächtigung durch den anderen Ehegatten) oder die vor dem BFH auftretende Person schon vom FG erfolglos aufgefordert worden war, eine Prozessvollmacht vorzulegen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2012, 438). Demgegenüber begründet allein der Umstand, dass keine Klagebegründung eingereicht worden ist, noch keinen Zweifel am Bestehen einer Vollmacht (BFH-Entscheidungen vom 11. Februar 2003 VII R 18/02, BFHE 201, 409, BStBl II 2003, 606, und vom 10. Februar 2009 X B 211/08, BFH/NV 2009, 782). |
|
|
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze war in den vorliegenden Beschwerdeverfahren eine Prozessvollmacht anzufordern und das Fehlen der Vollmacht zu berücksichtigen. |
|
|
a) So ist erkennbar, dass dem Auftreten des S im Verwaltungs-, Klage- und Rechtsmittelverfahren nicht der aktuelle Sachstand des Besteuerungsverfahrens des Klägers zugrunde liegt. |
|
|
Obwohl der Gesamtbetrag der streitigen Steuerfestsetzungen (für alle Streitjahre und Steuerarten zusammengenommen) durch die FÄ N und S bereits vor Klageerhebung auf 8.970,07 EUR reduziert worden ist, wiederholt S in jedem seiner Schriftsätze die Behauptung, das FA verlange vom Kläger mehr als 102.000 EUR. |
|
|
Zudem hat S auch die Bescheide über Einkommensteuer 2006 und 2007 sowie Gewerbesteuermessbetrag 2005 bis 2007 angefochten, obwohl die entsprechenden Steuer- bzw. Messbeträge noch vor Klageerhebung aufgrund der nachgereichten Steuererklärungen auf jeweils 0 EUR herabgesetzt worden sind und der Kläger durch diese Bescheide daher nicht mehr beschwert ist. |
|
|
Auch der Umstand, dass die Zuständigkeit für das Besteuerungsverfahren noch vor Erhebung der ersten hier streitgegenständlichen Klage auf das FA S übergegangen ist, ist durch S nicht verarbeitet worden. Vielmehr hat er in seiner Klageschrift vom 3. Juni 2011 darum gebeten, dass das FG den richtigen Beklagten bestimmen möge ("wer Beklagte ist, Gerichtsentscheidung"). |
|
|
Dies alles zeigt –ebenso wie die Fristversäumung bei den anfänglich erhobenen "Sprungklagen"–, dass S seine Prozessführung nicht auf den aktuellen Stand des Besteuerungsverfahrens des Klägers stützt, was wiederum den Schluss auf das Fehlen einer Bevollmächtigung zulässt. |
|
|
b) Die Prozessführung durch S ließ von Anfang an und lässt weiterhin nicht erkennen, dass sie auch nur ansatzweise auf die Sache und den konkreten Einzelfall bezogen wäre. So wiederholt S vielfach die immer gleichen Behauptungen, die größtenteils bereits durch die weitere Entwicklung überholt sind; auch legt er in ständiger Wiederholung Kopien der immer gleichen, nicht sachdienlichen Unterlagen vor (allgemeine Schreiben von Bundesministerien; Aufstellungen rückständiger Beträ0ge, die seit langer Zeit überholt sind; Auszüge aus der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergangenen Entscheidung; unvollständige Ablichtungen des Protokolls einer in einem früheren Verfahren vor dem FG durchgeführten mündlichen Verhandlung, das die Behauptungen des Klägers zum Verlauf dieser Verhandlung zudem nicht trägt). Eine Auseinandersetzung mit den vom FA N konkret aufgezeigten Mängeln der Gewinnermittlungen des Klägers sowie mit den zahlreichen prozessualen Problemen der von S eingeleiteten Verfahren, auf die das FG mehrfach hingewiesen hat, findet hingegen nicht statt. |
|
|
Auch der Umstand, dass S –trotz entsprechender Hinweise des FG– zahlreiche Anträge gestellt sowie Rechtsbehelfe eingelegt hat, die jeweils nicht statthaft oder aus anderen Gründen unzulässig sind, zeigt, dass bei seinem Handeln nicht der Gesichtspunkt einer tatsächlichen und sachgerechten Vertretung des Klägers leitend ist. Allein vor dem erkennenden Senat hat S im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt 30 Verfahren eingeleitet, die allesamt –auch unabhängig vom Fehlen einer Bevollmächtigung– unzulässig oder zumindest offensichtlich unbegründet sind. Auch das hieraus für den Kläger resultierende Risiko, aus Gerichtskosten und den von S berechneten Steuerberatungsgebühren in Anspruch genommen zu werden, spricht in derartigen Fällen für eine sorgfältige Prüfung, ob ein solches Prozessverhalten in Ausübung einer tatsächlich bestehenden Vollmacht erfolgt. |
|
|
Dass auch S selbst sich nicht zu einer sachgerechten Vertretung des Klägers in der Lage sieht, zeigt der Umstand, dass er mehrfach die "Beiladung" eines Rechtsanwalts beantragt hat, um "Waffengleichheit" zu erreichen. |
|
|
c) Zudem hatte S bereits im Verwaltungsverfahren weder eine Originalvollmacht vorgelegt, obwohl er dies selbst angekündigt hatte, noch hatte er –trotz entsprechender Aufforderung durch das FA N– den lediglich lückenhaft ausgefüllten Vollmachtsvordruck in einer vervollständigten Fassung eingereicht. |
|
|
d) Bei dieser Sachlage reicht die am 8. Dezember 2011 übersandte Kopie einer auf den 19. Februar 2008 datierten Blankovollmacht zum Nachweis einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung für die Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht aus. Zum einen lässt diese Kopie nicht erkennen, welche Person für welches konkrete Verfahren bevollmächtigt worden sein soll. Zum anderen ist die Urkunde, die der Kopie zugrunde liegt, mehr als drei Jahre vor Erhebung der ersten hier zu beurteilenden Klage unterzeichnet worden. Am 19. Februar 2008 waren lediglich die erstmaligen Schätzungsbescheide über Einkommen- und Umsatzsteuer 2005 ergangen. In den nunmehr anhängigen Verfahren geht es hingegen um Einkommen- und Umsatzsteuer sowie Gewerbesteuermessbetrag 2005 bis 2007; zudem haben sich die tatsächlichen Grundlagen durch die Einreichung der Steuererklärungen und die darauf beruhende weitgehende Abhilfe durch die FÄ N und S erheblich geändert. |
|
|
Der am 7. Februar 2012 –ebenfalls nur in Kopie– übermittelte Vollmachtsvordruck, in dem diese Blankovollmacht mit dem Kanzleistempel des S versehen worden ist, reicht im konkreten Fall zum Nachweis einer Bevollmächtigung ebenfalls nicht aus. S hat das entsprechende Originaldokument trotz Aufforderung nicht eingereicht. Zudem ist unklar, zu welchem Zeitpunkt der Kanzleistempel angebracht worden ist. Der zeitliche Ablauf lässt eher darauf schließen, dass dies erst nach dem 8. Dezember 2011 –der erstmaligen Vorlage einer Kopie der Blankovollmacht beim BFH– geschehen ist. |
|
|
Gleiches gilt für die am 30. März 2012 zu den Akten des II. Senats eingereichte Vollmachtskopie. Auch hier ist die Unterschrift des Klägers auf den 19. Februar 2008 datiert. Eine konkrete Bezeichnung der anhängigen Verfahren, auf die sich die Vollmacht beziehen soll, fehlt. Diese Vollmacht ist zudem in sich unschlüssig, weil sie "in Sachen" des Steuerberaters S erteilt worden ist, also nicht etwa in Sachen des Klägers. Auch ist keine Originalurkunde eingereicht worden; der Ablauf lässt vielmehr erneut vermuten, dass die Urkunde in der Form, wie sie heute vorliegt, nicht am 19. Februar 2008 angefertigt worden ist. Daran ändert auch die notarielle Beglaubigung der Übereinstimmung der vorgelegten Kopie mit der Urschrift nichts. Ungeachtet der Frage, ob der auf der Kopie erkennbare Vermerk sich tatsächlich auf den vorstehenden Text bezog, sich mithin auf einem Original befindet, hat der Notar nur beglaubigt, dass am 9. März 2012 die angefertigte Kopie mit der an diesem Tag dem Notar vorgelegten Urschrift übereinstimmte. Der Notar hat hingegen keine Aussage darüber getroffen, welche Teile der Vollmachtsurkunde an welchem Tag von welcher Person angefertigt worden sind. |
|
|
Erst recht genügt der Umstand, dass der Kläger unter dem 7. Juli 2011 eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unterzeichnet hat und diese Erklärung anschließend von S bei Gericht eingereicht worden ist, nicht, um auf das Bestehen einer Vollmacht schließen zu können. Zum einen ist in dem Erklärungsvordruck keine Bevollmächtigung eines Dritten enthalten; zum anderen ist der Vordruck lange vor Einleitung der vorliegenden Rechtsmittelverfahren ausgefüllt worden. |
|
|
Die vom Senatsvorsitzenden angeforderten Originale der am 8. Dezember 2011 und 7. Februar 2012 eingereichten Vollmachtskopien sowie eine auf die zahlreichen eingeleiteten Rechtsmittelverfahren bezogene Originalvollmacht sind hier bis heute nicht eingegangen. |
|
|
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Die Kosten der Beschwerdeverfahren sind S als vollmachtlosem Vertreter aufzuerlegen (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2012, 438, unter II.4., m.w.N.). |
|