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BFH-Urteil vom 24.9.1987 (V R 105/77) BStBl. 1988 II S. 303

BFH-Urteil vom 24.9.1987 (V R 105/77) BStBl. 1988 II S. 303

1. Unter „Werbung“ i. S. von § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 1 UStG 1973 ist eine zwangsfreie und absichtliche Form der Beeinflussung zu verstehen, welche Menschen zur Erfüllung des Werbeziels veranlassen soll, und zwar mindestens insoweit, als das Werbeziel darin besteht, den Entschluß zum Erwerb von Gegenständen oder zur Inanspruchnahme von sonstigen Leistungen auszulösen.

2. Zum Tatbestandsmerkmal der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen i. S. von § 4 Nr. 8 UStG 1973.

UStG 1973 § 8 Abs. 1 Nr. 11, § 4 Nr. 3, § 4 Nr. 8, § 4 Nr. 9 Buchst. b.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1977, 619)

Sachverhalt

 

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) unterhielt im Streitjahr (1974) eine Werbe- und Versicherungsagentur. Er veröffentlichte selbstverfaßte Werbetexte als Anzeigen in inländischen Zeitungen für X, der Interessenten anbot, sich mit Einlagen an einem sog. Warentermin-Sammelkonto zu beteiligen.

In den vom Kläger in inländischen Zeitungen eingerückten Anzeigen wurde X als ein international anerkannter Warenterminspezialist bezeichnet. Interessenten wurde die Möglichkeit geboten, beim Kläger ausführliche Informationen und Zeichnungsunterlagen zu erhalten.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA -) vertrat im Anschluß an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Auffassung, der Kläger führe zwar Werbeleistungen für einen ausländischen Auftraggeber aus i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1973) in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1973 vom 26. Juni 1973 – StÄndG 1973 – (BGBl I 1973, 676, 684, BStBl I 1973, 545, Art. 6 Nr. 3 Buchst. a), die nach § 4 Nr. 3 UStG 1973 grundsätzlich steuerfrei seien. Der ausländische Auftraggeber bewirke jedoch durch die Gewährung von Beteiligungen an dem sog. Warentermin-Sammelkonto gegen eine Einlage Leistungen der in § 4 Nr. 8 UStG 1973 bezeichneten Art, indem er Anteile an einer „Gesellschaft oder anderen Vereinigung“ veräußere; folglich entfalle die Steuerfreiheit der Werbeleistungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 UStG 1973. Dementsprechend unterwarf das FA in dem – gemäß § 100 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigen – Umsatzsteuerbescheid vom 17. Februar 1975 die vom Kläger gegenüber X bewirkten Werbeleistungen der Umsatzsteuer.

Der Einspruch blieb erfolglos.

Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Umsatzsteuer – vorläufig – herab. Das FG hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die vom Kläger an X bewirkten Leistungen seien nach § 8 Abs. 1 Nr. 11 i.V. m. § 4 Nr. 3 UStG 1973 steuerfrei. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 1 UStG 1973 seien sonstige Leistungen, die üblicherweise und ausschließlich der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit dienen, steuerfrei, wenn sie für einen ausländischen Auftraggeber bewirkt würden. Zwischen den Beteiligten sei nicht streitig, daß diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt seien.

Der Steuerbefreiung stehe die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 UStG 1973 nicht entgegen. Nach ihr entfalle die Steuerbefreiung für Leistungen, wenn die Leistungen überwiegend für Leistungen der in § 4 Nrn. 8 bis 12 UStG 1973 bezeichneten Art ausgeführt würden. Die Leistungen von X, für die der Kläger geworben habe, fielen nicht unter das Tatbestandsmerkmal „Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen“ i. S. § 4 Nr. 8 UStG 1973. X habe als Gegenleistung für die „Einlagen“ der vom Kläger geworbenen „Auftraggeber“ an die Auftraggeber keine Anteile an einer Gesellschaft oder anderen Vereinigung übertragen.

Das Urteil des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1977, 619 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 4 Nrn. 3 und 8 und des § 8 Abs. 1 Nr. 11 UStG 1973.

Zur Begründung trägt es im wesentlichen vor: Die Steuerbefreiung für die Werbeleistungen des Klägers sei nach § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 UStG 1973 zu versagen, da der ausländische Auftraggeber X Leistungen i. S. des § 4 Nr. 8 UStG 1973 bewirkt habe, indem er Anteile an einer Gesellschaft oder anderen Vereinigung veräußert habe. Anteile an einer Gesellschaft i. S. des § 4 Nr. 8 UStG 1973 seien u.a. auch Anteile an einer stillen Gesellschaft nach §§ 335 ff. des Handelsgesetzbuches – HGB – a. F. (§§ 230 ff. HGB n. F.). X habe den Anlegern gegen eine (Mindest-)Einlage jeweils eine Beteiligung als stiller Gesellschafter eingeräumt.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

 

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Der Senat geht im Ergebnis mit der Vorentscheidung davon aus, daß der Kläger für den ausländischen Auftraggeber X steuerfreie sonstige Leistungen i. S. des § 4 Nr. 3 i.V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 1 UStG 1973 bewirkt hat (s. unter 1.). Der Steuerfreiheit dieser Leistungen steht die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 UStG 1973 nicht entgegen. Denn die vom Kläger erbrachten Leistungen sind nicht überwiegend für Leistungen der in § 4 Nrn. 8 bis 12 UStG 1973 bezeichneten Art ausgeführt worden (s. unter 2. und 3.).

1. Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt hat der Kläger neben dem Einrücken von selbstverfaßten Anzeigen in inländische Zeitungen für den ausländischen Auftraggeber X noch weitere Leistungen erbracht, indem er an Interessenten auf Anfrage Informationsmaterial und Zeichnungsunterlagen versandt hat. Auch hierin liegen Leistungen i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 1 UStG 1973.

a) Nach § 4 Nr. 3 i.V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 1 UStG 1973 müssen die sonstigen Leistungen u.a. üblicherweise und ausschließlich der Werbung dienen.

aa) Zu den der Werbung dienenden sonstigen Leistungen gehören die Werbegestaltung, zu der die Abfassung von Werbetexten rechnet, die Werbemittlung, die u.a. die Erteilung von Anzeigenaufträgen an Verleger von Zeitungen umfaßt, sowie die Durchführung der Werbung, zu der die Verteilung von Prospekten und sonstige Formen der Direktwerbung zählen (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen – BMF – vom 14. Dezember 1973 IV A 3 – S 7.149 – 7/73, BStBl I 1973, 739, I, 1, Satz 3 Nrn. 3, 5 und 6).

bb) Das Verfassen von Anzeigetexten durch den Kläger – Entsprechendes gilt für die Übersendung der Broschüren auf Anfrage an Interessenten – diente nach dem Inhalt der Tätigkeit der Werbung. Hierdurch sollte der Absatz von Anteilen an dem von X geführten Warentermin-Sammelkonto gefördert werden.

Unter Werbung wird nach allgemeinem, aber auch nach wirtschaftswissenschaftlichem Sprachgebrauch eine zwangsfreie und absichtliche Form der Beeinflussung verstanden, welche die Menschen zur Erfüllung des Werbeziels veranlassen soll (Kösting in Tietz, Handwörterbuch der Absatzwirtschaft, Stichwort „Werbung“ Spalte 2.241; Gablers, Wirtschaftslexikon, 11. Aufl., 1983, Stichwort „Werbung“, S. 2.210; Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 6. Bd., 1984, Stichwort „Werbung“, S. 716). Dies stimmt mit dem Sprachgebrauch im Zivilrecht überein. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) ausgeführt, bei der Werbung – wie bei der Verkaufsförderung und bei der Förderung der Public Relations – handele es sich um Marketinginstrumente (vgl. Kösting in Tietz, a.a.O., Stichwort „Marketing“, Spalte 1.238), denen die Absicht gemeinsam sei, die Einstellung der Öffentlichkeit oder bestimmter Zielgruppen zugunsten des Unternehmers oder seiner Produkte zu beeinflussen (vgl. Urteil vom 24. April 1986 IX ZR 37/85, Der Betrieb – DB – 1986, 1714; vgl. auch Baur, Investmentgesetze, Kommentar zum Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften und zum Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile, 1970, § 1 Auslandsinvestmentgesetz, Anm. 3).

Hiermit steht die Auffassung der Finanzverwaltung in Einklang, die für den Begriff der Werbung darauf abstellt, daß bei den Werbeadressaten der Entschluß zum Erwerb von Gegenständen oder zur Inanspruchnahme von sonstigen Leistungen ausgelöst werden soll (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1973, 739, I, 1, Satz 1, und vom 4. Juni 1981 IV A 2 – S 7117 – 32/81, II, Nr. 7 (3) Sätze 2 und 3 Rdnr. 30, BStBl I 1981, 481; Abschn. 39 Abs. 3 Satz 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien – UStR – 1986/87). Ob etwa mit der Auffassung der Finanzverwaltung für andere Sachverhaltsgestaltungen (z.B. bei der Werbung für politische, soziale oder religiöse Zwecke) eine nicht gerechtfertigte Einengung des Begriffs der Werbung verbunden ist, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden.

Hier kann mithin davon ausgegangen werden, daß unter Werbung zu verstehen ist: eine zwangsfreie und absichtliche Form der Beeinflussung, welche Menschen zur Erfüllung des Werbeziels veranlassen soll, und zwar mindestens insoweit, als das Werbeziel darin besteht, den Entschluß zum Erwerb von Gegenständen oder zur Inanspruchnahme von sonstigen Leistungen auszulösen.

Die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien zu § 8 Abs. 1 Nr. 11 UStG 1973 bestätigen dieses Ergebnis. Hiernach sollten insbesondere „die Leistungen der Werbungsmittler und der Werbe- und Public Relations-Agenturen sowie die Leistungen der werbedurchführenden Unternehmer“ von der Umsatzsteuer befreit werden, soweit diese ihre Leistungen für ausländische Auftraggeber ausführen. Auf diese Weise sollte der Ausschaltungsgefahr für die inländische Werbewirtschaft entgegengewirkt werden. Denn die inländischen Unternehmer der Werbewirtschaft wären andernfalls gezwungen gewesen, ihren ausländischen Auftraggebern Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen, die diese regelmäßig nicht als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 UStG 1973 hätten geltend machen können (Begründung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes – Mehrwertsteuer -, BTDrucks VI 2.817, zu Art. 1 Nr. 5, zu Buchst. d = S. 18). Hiernach hätte sich die Gefahr ergeben, daß die ausländischen Auftraggeber nicht mehr geneigt gewesen wären, mit Hilfe der inländischen Werbewirtschaft, insbesondere über das Inland hinausgehende Werbung zu betreiben, bzw. daß die ausländischen Auftraggeber versucht hätten, den Nettolistenpreis (ohne Umsatzsteuer) als Endpreis zu erzwingen (vgl. Eckhardt/Weiß, Umsatzsteuer – Mehrwertsteuer -, § 4 Nr. 3 Anm. 17). Angesichts der sich hieraus ergebenden Absicht des Gesetzgebers, durch die Einführung des § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 1 UStG 1973 die Wettbewerbsfähigkeit der Werbewirtschaft zu stärken bzw. zu erhalten, kann nicht angenommen werden, der Begriff „Werbung“ in § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 1 UStG 1973 habe enger ausgelegt werden sollen, als er von den beteiligten Wirtschaftskreisen verstanden wird.

cc) Auch soweit sich die Tätigkeit des Klägers darauf beschränkt hat, Werbung zu vermitteln (Erteilung von Anzeigenaufträgen an inländische Zeitungsverleger), hat der Kläger sonstige Leistungen i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 1 UStG 1973 erbracht, die der Werbung dienen. Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Mai 1971 V R 34/68 (BFHE 103, 96, BStBl II 1971, 755) ergibt sich nichts anderes. Dort hat der erkennende Senat zwar ausgeführt, der Werbungsmittler i. S. des § 53 Abs. 1 Satz 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB 1951) i. d. F. der 8. Verordnung zur Änderung der UStDB vom 7. Februar 1957 (BGBl I 1957, 6, BStBl I 1957, 131) erbringe keine Werbeleistungen, sondern eine Leistung, die darin bestehe, einen Werbenden mit der Werbung für einen Dritten – seinen Auftraggeber – zu beauftragen. Der Werbungsmittler führe den an ihn von seinem Auftraggeber erteilten Werbeauftrag nicht persönlich durch, sondern lasse ihn von einem Werbenden ausführen. Der Werbungsmittler löse damit die Werbung nur aus, die zwar seinem Auftraggeber zugute komme, vom Werbenden aber gegenüber dem Werbungsmittler erbracht werde.

Diese Ausführungen befassen sich damit, die Eigenart der Leistungen des Werbungsmittlers i. S. des § 53 Abs. 1 UStDB 1951 zu bestimmen. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um diese Frage, sondern um die Klärung dessen, ob die Leistungen des Werbungsmittlers i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 1 UStG 1973 der Werbung dienen, d.h. diese fördern. Dies ist zu bejahen. Der Werbungsmittler fördert zumindest mittelbar (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1973, 739, I Abs. 1 Satz 1) die eigentliche Werbung durch die Werbenden gegenüber den Werbeadressaten, indem er durch die Vergabe von Werbeanzeigen für seinen Auftraggeber überhaupt erst die Voraussetzungen für diese Werbung schafft.

dd) Die Leistungen des Klägers gegenüber X erfüllen ferner das Tatbestandsmerkmal aus § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 1 UStG 1973, „üblicherweise und ausschließlich“ der Werbung zu dienen. Sie beschränken sich auf den Zweck – unmittelbar oder mittelbar -, die Werbeadressaten zur Erfüllung des Werbeziels zu veranlassen (Merkmal der Ausschließlichkeit), auch unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung – Merkmal der Üblichkeit – (vgl. Eckhardt/Weiß, a.a.O., § 8 Anm. 106).

2. Die Steuerfreiheit der erörterten Werbeleistungen des Klägers entfällt nicht gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 UStG 1973. Nach dieser Vorschrift sind solche Werbeleistungen von der Steuerfreiheit ausgenommen, die überwiegend für Leistungen der in § 4 Nrn. 8 bis 12 UStG 1973 bezeichneten Art ausgeführt werden. Mit der Präposition (Verhältniswort) „für“ in der vorbezeichneten Vorschrift wird in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 2, Stichwort „für“, S. 921) zum Ausdruck gebracht, daß ein Verhältnis des Nutzens (zugunsten von …) gemeint ist. Das entsprechende negative Tatbestandsmerkmal ist nicht erfüllt. Die vom Kläger für X ausgeführten Werbeleistungen wurden von X insbesondere nicht dazu genutzt, Umsätze mit Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen i. S. des § 4 Nr. 8 UStG 1973 auszuführen.

a) Die Annahme, der Kläger habe keine Werbeleistungen für Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen i. S. des § 4 Nr. 8 UStG 1973 ausgeführt, folgt nicht schon aus dem Umstand, daß X sich im Ausland aufhielt und vermutlich ausschließlich im Ausland tätig geworden ist (vgl. § 3 Abs. 8, § 3 Abs. 10 Satz 1 UStG 1973). Denn zu „Leistungen“ der in § 4 Nrn. 8 bis 12 UStG 1973 bezeichneten Art“ gehören auch solche Leistungen, die zwar in den Vorschriften des § 4 Nrn. 8 bis 12 UStG 1973 aufgeführt sind, aber nicht unter das deutsche Umsatzsteuergesetz fallen (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1973, 739, Abschn. V, unter Nr. 3).

b) X hat nicht Umsätze von Anteilen an Gesellschaften oder anderen Vereinigungen (§ 4 Nr. 8 UStG 1973) dadurch ausgeführt, daß er den Kapitalgebern gegen Zahlung einer „Einlage“ eine Beteiligung an dem Warentermin-Sammelkonto eingeräumt hat. Denn die von X den Anlegern eingeräumte Beteiligung ist nicht als Anteil an einer Gesellschaft oder anderen Vereinigung i. S. des § 4 Nr. 8 UStG 1973 zu beurteilen (s. unter aa) f). Da die Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 i.V. m. § 4 Nr. 8 UStG 1973 schon hieran scheitert, kann offenbleiben, ob die Einräumung der Beteiligungen am Warentermin-Sammelkonto gegen eine Einlage der Kapitalgeber überhaupt einen Leistungsaustausch darstellt (vgl. hierzu Senatsurteile vom 18. Dezember 1975 V R 131/73, BFHE 117, 501, BStBl II 1976, 265; vom 20. Mai 1976 V R 122/73, Umsatzsteuer-Rundschau – UR – 1976, 187, und vom 4. Juli 1985 V R 107/76, BFHE 145, 244, BStBl II 1986, 153).

aa) Ob die von X den Anlegern eingeräumten Beteiligungen am Warentermin-Sammelkonto Anteile an einer Gesellschaft oder anderen Vereinigungen i. S. von § 4 Nr. 8 UStG 1973 sind, beurteilt sich im Streitfall nach den entsprechenden inländischen zivilrechtlichen Vorschriften, auch wenn die Vereinbarungen zwischen X und den Anlegern nach ausländischem Recht gewürdigt werden müßten. Für die steuerliche Behandlung kommt es darauf an, ob die ausländischen Gesellschaften nach ihrem im Ausland geregelten rechtlichen Aufbau und ihrer wirtschaftlichen Stellung einer deutschen Gesellschaft entsprechen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 1968 I 121/64, BFHE 93, 1, BStBl II 1968, 695). Diesen zum Ertragsteuerrecht entwickelten Grundsätzen ist in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht jedenfalls insoweit zu folgen, als es für die Besteuerung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften (§ 4 Nr. 8 UStG 1973) darauf ankommt, ob und welche Art einer Gesellschaft gegeben ist.

bb) Im Streitfall kommt keine der genannten Vereinigungen, insbesondere auch keine stille Gesellschaft, in Betracht. Die Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen Anlegern und dem Verwalter stellen sich vielmehr als Treuhandverhältnisse dar; dies folgt aus der Würdigung der vertraglichen Beziehungen zwischen X und den jeweiligen Anlegern bezüglich der Beteiligung am Warentermin-Sammelkonto … Wird ausgeführt …

Der VIII. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 9. September 1986 VIII R 318/83 (BFH/NV 1987, 158) im Falle einer solchen Beteiligung an einem Warentermin-Sammelkonto entschieden, das Zustandekommen einer stillen Gesellschaft zwischen dem Verwalter des Warenterminkontos und dem einzelnen Anleger sei auszuschließen. Vielmehr seien die Einlagen, die Surrogate der Einlagen und die angesammelten Gewinne Treugut. Der Verwalter habe zwar nach außen im eigenen Namen über die überlassenen Gelder verfügen können. Er habe jedoch die vorgesehenen Geschäfte „für die Rechnung der Teilnehmer“ getätigt und habe das Sammelkonto „separat“ von seinen anderen Geschäften führen müssen. Diese Absprache sei als rechtsgeschäftliche Treuhandabrede zwischen dem Verwalter als Treuhänder und den Anlegern als Treugeber zu werten (Hinweis auf: Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, 1973, 106 ff.; Liebsch/Mathews, Treuhand und Treuhänder in Recht und Wirtschaft, 2. Aufl., 1983, S. 70 ff.). Der Verwalter sei in der Verwendung der ihm übertragenen Gelder beschränkt; er habe sie lediglich für Warentermingeschäfte an den internationalen Börsenplätzen und für damit zusammenhängende Geschäfte verwenden dürfen. Eine Vermischung mit eigenen Geldern sei ihm nicht gestattet gewesen. Seine Tätigkeit sei eine entgeltliche Geschäftsbesorgung (§ 675 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB -); Entgelte seien die von ihm verrechneten Honorare.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Würdigung an. Die vorliegende Gestaltung entspricht dem in der Praxis häufig vorkommenden (typischen) Fall, daß ein branchenfremder Interessent in ein Geschäftsbesorgungsverhältnis zu einem Fachmann in Warentermingeschäften tritt und am Börsengeschehen nur in seinem eigenen spekulativen Interesse teilzunehmen braucht (vgl. Pecher in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., 1986, § 764 Anm. 13).

Der Annahme eines Treuhandverhältnisses steht im Streitfall auch nicht entgegen, daß mehrere Treugeber vorhanden sind. Insoweit schließt das persönliche Vertrauensverhältnis, das zwischen Treuhänder und Treugeber besteht, nicht aus, daß mehr als ein Treugeber vorhanden ist (Coing, a.a.O., S. 188).

c) Der eben dargelegte Umstand, daß im Streitfall eine Mehrzahl von Treugebern vorhanden war, hat nicht zur Folge, daß X etwa doch Umsätze mit Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen i. S. von § 4 Nr. 8 UStG 1973 ausgeführt hat. Die Treugeber bildeten im Streitfall weder eine Personengesellschaft noch ein korporationsähnliches Gebilde oder eine Gemeinschaft i. S. der §§ 741 ff. BGB.

aa) Das Warentermin-Sammelkonto war nicht korporationsähnlich organisiert, und die Anleger bildeten keine – insoweit allein in Betracht kommende – körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft (vgl. Martens in Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 1986, 5. Aufl., § 161 Anm. 28 f.). Die Anleger haben sich nicht zur Förderung eines „gemeinsamen Zweckes“ (vgl. § 705 BGB) zusammengeschlossen. Ohne die Verpflichtung zur Förderung eines gemeinsamen Zweckes entsteht kein Gesellschaftsverhältnis und kein korporativer Verband (siehe Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 1986, § 4 ff., S. 45). Eine Würdigung der festgestellten Vertragsbeziehungen ergibt, daß die Anleger mit X lediglich Vereinbarungen getroffen haben, um individuelle Interessen zu verfolgen. Der Beitritt zum Warentermin-Sammelkonto wurde lediglich zwischen X – also nicht einer Gesellschaft oder ähnlichem – und dem jeweiligen Anleger vereinbart … (Wird ausgeführt.)

bb) Nach den vom FG festgestellten Vertragsbeziehungen haben die Anleger auch keine Gemeinschaft i. S. von §§ 741 ff. BGB vereinbart … (Wird ausgeführt.)

3. X hat auch keine Umsätze i. S. des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1973 ausgeführt (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 UStG 1973). Selbst wenn er – was sich aus den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ergibt – Warentermingeschäfte in der Form von Differenzgeschäften getätigt haben sollte, die als Spiel i. S. des § 764 BGB anzusehen sind (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1981 VIII R 125/79, BFHE 135, 426, BStBl II 1982, 618, 619), hätte er keine Umsätze ausgeführt, die nach inländischem Recht (siehe unter 2. a) unter das Lotteriegesetz fallen. Denn mangels eines Spielplanes liegt keine von dieser Vorschrift erfaßte Lotterie vor (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 1951 II 32/51 U, BFHE 55, 418, BStBl III 1951, 166) oder Ausspielung (BFH-Urteil vom 10. Juli 1968 II 94, 95/63, BFHE 93, 388, BStBl II 1968, 829). Umsätze aus der Veranstaltung eines Glücks- oder Geschicklichkeitsspiels – von letzterem wäre im vorliegenden Falle auszugehen (vgl. Arnim, Juristen-Zeitung 1982, 843, 845, Fußnote 34) – fallen nicht unter § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1985 V R 169/82, BFHE 145, 253, BStBl II 1986, 160).