Alle Beiträge von steuerschroeder

Steuerberater

BFH-Urteil vom 20.9.1985 (VI R 120/82) BStBl. 1985 II S. 718

BFH-Urteil vom 20.9.1985 (VI R 120/82) BStBl. 1985 II S. 718

Werden dem Geschäftsführer einer GmbH die Mitgliedsbeiträge für einen Industrieclub von der GmbH erstattet, so ist der Erstattungsbetrag kein steuerpflichtiger Arbeitslohn, wenn der Arbeitnehmer im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers dem Club beigetreten ist.

EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren alleiniger Geschäftsführer und Liquidator einer GmbH in Liquidation. Anläßlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der GmbH für die Zeit vom 1. Januar 1973 bis 30. Juni 1978 wurde u. a. festgestellt, daß die GmbH dem Kläger dessen Mitgliedsbeiträge für einen Industrieclub erstattet hatte.

Wegen der Mitgliedsbeiträge erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA -) gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1978 gegen die Kläger. Darin wurden die Erstattungen durch die GmbH als Lohn des Klägers behandelt. Hiergegen wandten sich die Kläger mit dem Einspruch und der Klage. Zur Begründung trugen sie u. a. vor, nach § 3 der Satzung des Industrieclubs habe die Mitgliedschaft jedem Inländer und Ausländer offengestanden, der in Handel und Industrie, in Wissenschaft und Kunst oder im öffentlichen Leben tätig sei und der zum Eintritt eingeladen werde. Die GmbH habe die für sie notwendige Mitgliedschaft sinnvoll nur in der Person ihres alleinigen Geschäftsführers, des Klägers, erwerben können. So habe sie insbesondere die Räumlichkeiten des Clubs für geschäftliche Veranstaltungen nutzen können. Der Kläger selbst habe durch die Mitgliedschaft keinerlei Vorteil erlangt.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß die erstatteten Mitgliedsbeiträge zum Arbeitslohn des Klägers gehören. Der Vortrag des Klägers, die Mitgliedschaft im ausschließlichen Interesse seiner Arbeitgeberin erworben und beibehalten zu haben, ändere daran nichts. Vielmehr spreche die Lebenserfahrung dafür, daß Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer im Zweifel unter dem Gesichtspunkt des Leistungsaustausches erfolgten. Sie seien deshalb regelmäßig Arbeitslohn. Daß die Erstattung der hier streitigen Beiträge ausnahmsweise keine Gegenleistung im Rahmen des Dienstverhältnisses sei, hätten die Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt. Denn der Industrieclub verfolge nach seiner Satzung den Zweck, die deutschen wirtschaftlichen und kulturellen Aufgaben international einzuordnen und auf diese Weise die Erkenntnis von der Verflechtung aller Volkswirtschaften zu fördern. Das Ziel des Clubs sei die Erweckung der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und das wirtschaftliche Zusammenleben im Interesse einer Verständigung der Völker (§ 2 Abs. 1 und 2 der Satzung). Der Vereinszweck überschreite deshalb den Zweck einer berufsständischen Vereinigung weit. Daß die Mitgliedschaft des Klägers der von ihm vertretenen GmbH wirtschaftliche Vorteile gebracht habe, stehe der Einordnung als Arbeitslohn nicht entgegen, weil schon nach dem Satzungszweck auch andere als wirtschaftliche Angelegenheiten gepflegt würden. Durch die vorgelegte Übersicht der Veranstaltungen werde dies erhärtet, da Vorträge sowohl im kulturellen als auch im wirtschaftlichen Bereich durchgeführt worden seien und auch gesellschaftliche und allgemeinbildende Veranstaltungen nicht gefehlt hätten. Zudem habe die Mitgliedschaft dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, auch an solchen wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Veranstaltungen teilzunehmen, die ihn persönlich interessiert hätten.

Bei den Erstattungen der GmbH habe es sich auch nicht um Auslagenersatz gehandelt. Denn hier habe der Kläger – wie dargelegt – auch ein eigenes Interesse an der Mitgliedschaft gehabt. Schließlich könnten die Erstattungen der GmbH auch nicht als Werbungskostenersatz angesehen werden; dem stehe § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entgegen.

Der Senat habe nicht zu prüfen brauchen, ob er sich die Grundsätze des Urteils des Niedersächsischen FG vom 25. März 1981 VI 491/79 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1982, 44), auf die sich die Kläger berufen hätten, zu eigen machen könne. Denn Mitglied des Industrieclubs sei hier der Kläger persönlich; seine Arbeitgeberin habe als juristische Person keine Mitgliedschaft erwerben können (§§ 2 und 3 der Satzung). Der Fall liege deshalb anders als der vom Niedersächsischen FG entschiedene, da dort auch juristische Personen aufgenommen worden seien. Im übrigen differierten auch die Satzungszwecke beider Vereine.

Mit der Revision machen die Kläger im wesentlichen geltend: Zu Unrecht stelle das FG auf die Satzungsunterschiede zwischen dem hier in Rede stehenden Industrieclub und dem des Urteils des Niedersächsischen FG, das zwischenzeitlich vom Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 16. Dezember 1981 I R 140/81 (BFHE 135, 278, BStBl II 1982, 465) bestätigt worden sei, ab. Gerade dadurch, daß hier juristische Personen nicht Mitglied werden könnten, werde deutlich, daß es sich bei den Erstattungen an den Kläger in Wirklichkeit um Betriebsausgaben handele. Denn wie anders habe die GmbH ihre Ziele erreichen können, als durch die Person ihres alleinigen Geschäftsführers. Aber auch die Satzungszwecke beider Clubs differierten nicht wesentlich. Hinsichtlich der durchgeführten Veranstaltungen sei darauf hinzuweisen, daß von den beispielhaft aufgeführten 15 Veranstaltungen des Jahres 1977 13 einen direkten Bezug zu den wirtschaftlichen, wirtschaftspolitischen und technologischen Bereichen des Unternehmens gehabt hätten. Nur zwei hätten kulturellen Charakter gehabt. Als unstreitig dürfe schließlich die Tatsache bezeichnet werden, daß die GmbH in ziemlich großem Umfang von den Räumlichkeiten des Industrieclubs Gebrauch gemacht habe. Dies sei das Hauptmotiv für den Erwerb der Mitgliedschaft gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Erstattung der streitigen Mitgliedsbeiträge steuerpflichtiger Arbeitslohn des Klägers ist.

Zutreffend ist das FG allerdings davon ausgegangen, daß Arbeitslohn i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG alle Einnahmen sind, die einem Arbeitnehmer aus einem Dienstverhältnis – als einmalige oder laufende Einnahmen – zufließen, im Ergebnis mithin alles, was der Arbeitnehmer aus Anlaß oder als Ausfluß (als Frucht) seiner Arbeitsleistung erhält. Zu Unrecht hat die Vorinstanz hieraus jedoch die Folgerung gezogen, daß im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zweifel alle Zuwendungen unter dem Gesichtspunkt des Austausches von Dienstleistung und Gegenleistung erfolgten. Eine solche Vermutung, die noch dazu vom Steuerpflichtigen zu widerlegen wäre, wenn er die Annahme von Arbeitslohn verhindern will, gibt es nicht.

Wie der Senat im Urteil vom 17. September 1982 VI R 75/79 (BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39; vgl. ferner Urteile vom 7. Dezember 1984 VI R 164/79, BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164, und vom 22. März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529) entschieden hat, folgt vielmehr gerade aus dem auch vom FG angesprochenen Veranlassungsprinzip, daß Arbeitslohn nur eine Einnahme des Arbeitnehmers sein kann, die sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung seiner (individuellen) Arbeitskraft erweist, und daß hierzu nicht gehört, was der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse zuwendet. Nach diesem Grundsatz hat der Senat im Urteil in BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39 vom Arbeitgeber veranlaßte unentgeltliche Vorsorgeuntersuchungen seiner leitenden Angestellten nicht als steuerpflichtigen Arbeitslohn angesehen, weil sie in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers durchgeführt worden waren. Zu dieser Auffassung ist der Senat aufgrund der die Anordnung und Durchführung der Vorsorgeuntersuchungen betreffenden Umstände gelangt. Im vorliegenden Streitfall können ähnliche Umstände zur Verneinung von Arbeitslohn führen. Das zeigt das ebenfalls einen Industrieclub betreffende Urteil des FG Düsseldorf vom 14. April 1983 VII 49/79 H (EFG 1985, 178), in dem das FG – wohl zu Recht – ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Mitgliedschaft seiner geschäftsführenden Arbeitnehmer bejaht. Die Vorinstanz durfte deshalb nicht den Vortrag der Kläger, die Mitgliedschaft sei im ausschließlichen Interesse der Arbeitgeberin erworben worden, für unerheblich erklären. Es reichte auch nicht aus, die Mitgliedschaft deshalb als geldwerten Vorteil anzusehen, weil damit für den Kläger die bloße Möglichkeit verbunden war, neben wirtschaftlichen auch kulturelle und gesellschaftliche Veranstaltungen im eigenen Interesse zu besuchen. Ferner schließt die – vom FG nicht näher spezifizierte – Feststellung, daß der Industrieclub auch gesellschaftliche und allgemeinbildende Veranstaltungen durchgeführt habe, ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse der GmbH schon deshalb nicht aus, weil sie unmittelbar nichts darüber aussagt, aus welchem Grunde die Mitgliedschaft für die GmbH, die selbst nicht Mitglied werden konnte, von Interesse gewesen sein kann.

Wie sich aus den Ausführungen des Senats im Urteil in BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529 ergibt, beurteilt sich die Frage, ob eine Leistung an den Arbeitnehmer im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegt, nach dem vom Arbeitgeber mit der Zuwendung verfolgten Zweck. In diesem Zusammenhang sind äußere Umstände wie Anlaß, Zuwendungsgegenstand und Begleitumstände eingehend zu würdigen. Es wäre deshalb zu prüfen gewesen, welchen Zweck die GmbH mit der Mitgliedschaft des Klägers im Industrieclub verfolgte. Dabei wäre – schon weil der Kläger als Geschäftsführer über die Frage, ob die Mitgliedschaft für die GmbH vorteilhaft war, selbst entscheiden konnte – den Begleitumständen, also vor allem den für das Eigeninteresse der GmbH sprechenden Anzeichen Bedeutung zugekommen. Das FG durfte sich nicht darauf beschränken, den Satzungszweck des Industrieclubs zu untersuchen. Vielmehr hätte es vor allem auch der Frage nachgehen müssen, in welchem Umfang die GmbH von den Räumlichkeiten des Industrieclubs Gebrauch gemacht hat. Hinsichtlich der vom Industrieclub durchgeführten Veranstaltungen hätte es – neben dem Verhältnis der rein wirtschaftlich orientierten zu den allgemeinbildenden und gesellschaftlichen Veranstaltungen – insbesondere feststellen müssen, in welchem Umfang der Kläger an der jeweiligen Art der Veranstaltungen tatsächlich teilgenommen hat, weil das ebenso wie der Umfang der Benutzung der Räumlichkeiten des Industrieclubs Rückschlüsse auf das eigenbetriebliche Interesse der GmbH an der Mitgliedschaft des Klägers im Industrieclub zuläßt.

Diese Rechtsauffassung des Senats steht nicht in Widerspruch zum Urteil des BFH vom 27. Februar 1959 VI 271/57 U (BFHE 68, 601, BStBl III 1959, 230), in dem der Direktor einer Großbankfiliale die Mitgliedschaft zu einem Golfclub, einem Automobilclub, einer Kasino-Gesellschaft und einem Industrieclub erworben hatte; denn dort waren die Mitgliedschaften nach den Feststellungen der Tatsacheninstanz aus gesellschaftlichen Gründen erworben worden.

Die Vorentscheidung, die den vorstehenden Grundsätzen nicht entspricht, ist aufzuheben. Die Sache muß an das FG zurückverwiesen werden, weil sie nicht spruchreif ist. Das FG wird die unterbliebenen Feststellungen nachzuholen und über die Frage, ob ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse der GmbH bejaht werden kann, erneut zu befinden haben (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).