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BFH-Urteil vom 18.3.1980 (VIII R 69/78) BStBl. 1980 II S. 501

BFH-Urteil vom 18.3.1980 (VIII R 69/78) BStBl. 1980 II S. 501

Wird im Zuge einer vorweggenommenen Erbfolge ein Betrieb übertragen, werden in dem einheitlichen Vertrag bürgerlich-rechtlich unterschiedliche Leistungen vereinbart und erfüllt eine Leistungsverpflichtung die Merkmale einer Leibrente, sind die auf dieser Verpflichtung beruhenden wiederkehrenden Bezüge eine Leibrente. Vom Berechtigten brauchen sie nur mit dem Ertragsanteil versteuert zu werden; vom Verpflichteten können sie nur mit dem Ertragsanteil (als Sonderausgaben) berücksichtigt werden.

EStG § 22 Nr. 1 Satz 1, Nr. 1 Buchst. a.

Sachverhalt

 

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) – geboren am 1. November 1904 – übertrug seinem Sohn B – Beigeladener – mit Wirkung vom 1. Juni 1968 sein Geschäft und mehrere Grundstücke im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge. In dem Übergabevertrag vom 11. Juni 1968 war unter III 2 vereinbart:

„Der Übernehmer zahlt an seinen Vater eine Unterhaltsrente in Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, und zwar auf Lebensdauer des Berechtigten.

Diese Rente beträgt bei einem steuerlichen Reingewinn des übergebenen Betriebes von über 150.000 DM jährlich 2.500 DM monatlich,

und bis zu einem steuerlichen Jahresreingewinn von 150.000 DM oder einem Verlust 2.000 DM monatlich.

Der Rentenanspruch beginnt am 1. 7. 1968.

Die Zahlung ist jeweils im voraus bis zum Dritten jeden Monats fällig.

Zur Sicherung dieses Rentenanspruches verpflichtet sich der Übernehmer, eine Risikoversicherung abzuschließen, und zwar zugunsten seines Vaters, des Übergebers, und zwar in ausreichender Höhe.

Er verpflichtet sich weiter, die hierfür anfallenden Prämien laufend und pünktlich zu zahlen und dem Berechtigten auf Verlangen Zahlungsnachweis zu erbringen.

Der Berechtigte ist derzeit 63 Jahre alt.

Die vereinbarte Rente soll abhängig sein von der Entwicklung der Lebenshaltungskosten, wobei maßgebend sind die Berechnungen des Bayerischen Statistischen Landesamtes. Bis zu einer Änderung von 10 % nach oben oder unten der Lebenshaltungskosten gegenüber dem heutigen Stand oder dem Stand nach einer durchgeführten Änderung, soll eine Erhöhung oder eine Ermäßigung der Rente nicht eintreten.“

Der Beigeladene war nach dem Übergabevertrag ferner verpflichtet, Zahlungen zu leisten oder zu ersetzen, die für einen von seinem Vater zurückbehaltenen PKW für Steuern und Versicherungsbeiträge anfallen würden, wobei der Jahreswert dieser Verpflichtung von den Beteiligten im Übergabevertrag mit rd. 700 DM angegeben wurde.

Dem Kläger sind 1972 37.023 DM zugeflossen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA -) sah in der Rente wiederkehrende Bezüge des Klägers. Eine Leibrente hielt das FA nicht für gegeben, weil die Rentenansprüche des Klägers vom Gewinn eines fremden Unternehmens abhingen und deshalb keine gleichmäßigen und gleichbleibenden Leistungen vorlägen.

Der Kläger ist dagegen der Auffassung, die Rente richte sich nicht nach einer schwankenden Grundlage. Sie sei an zwei Eckwerte geknüpft, nämlich an einen steuerlichen Reingewinn bis 150.000 DM oder Verlust und zum anderen an einen steuerlichen Reingewinn über 150.000 DM.

Das Finanzgericht (FG) hat den verpflichteten Sohn zum Verfahren beigeladen.

Das FG, dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 380 (EFG 1978, 380) veröffentlicht ist, beurteilte Einnahmen in Höhe von 24.000 DM als Leibrente, da der Verpflichtete gleichmäßig und gleichbleibend eine monatliche Geldleistung in Höhe von 2.000 DM selbst bei einem Verlust des übergebenen Betriebes zu erbringen gehabt habe (Mindestbetrag). Dagegen sei die weiter vorgesehene monatliche Geldleistung von 500 DM (Erhöhungsbetrag) von den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten abhängig, nämlich davon, ob der Jahresreingewinn des übergebenen Betriebes die Grenze von 150.000 DM übersteigen werde oder nicht.

Gegen das Urteil des FG haben der Beigeladene und das FA Revision eingelegt. Sie sind der Ansicht, die vereinbarte Rente sei ein einheitliches Ganzes. Es sei auch nie die Absicht der Parteien gewesen, zwei verschiedene Rechtsverhältnisse zu gestalten. Es lägen nicht zweierlei Anspruchsgrundlagen vor, sondern lediglich ein Anspruch aus Anlaß der Betriebsübertragung, der an die möglichen Veränderungen der Betriebsergebnisse angepaßt sei.

Der Beigeladene beruft sich für seine Auffassung auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. März 1962 VI 105/61 U (BFHE 75, 96, BStBl III 1962, 304), vom 16. September 1965 IV 67/61 S (BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706), vom 2. Dezember 1966 VI 365/65 (BFHE 87, 563, BStBl III 1967, 243), vom 1. August 1975 VI R 48/73 (BFHE 116, 501, BStBl II 1975, 881) und vom 30. April 1976 VI R 34/75 (BFHE 119, 54, BStBl II 1976, 539).

Der Beigeladene und das FA beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

 

Die Revision des FA und des Beigeladenen sind nicht begründet.

1. Übereinstimmend gehen Kläger, FA und Beigeladene davon aus, daß die wiederkehrenden Bezüge anläßlich einer Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vereinbart worden sind und daß der Unterhaltscharakter in Anbetracht der Höhe des übertragenen Vermögens nicht offensichtlich den Versorgungscharakter überwiegt, also wiederkehrende Bezüge i. S. von § 22 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorliegen, wobei nur streitig ist, ob es sich dabei um wiederkehrende Bezüge in der besonderen Art einer Leibrente (§ 22 Nr. 1 EStG) handelt. Dem entgegenstehende Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich.

2. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß der Begriff der Leibrente nach bürgerlichem Recht zu bestimmen und daß darunter ein einheitlich nutzbares Recht (Rentenstammrecht) zu verstehen ist, das dem Berechtigten für die Lebensdauer eines Menschen eingeräumt ist und dessen Erträge als fortlaufend wiederkehrende gleichmäßige Leistungen in Geld oder vertretbaren Sachen bestehen (§ 759 BGB). Die Schriftform (§ 761 BGB) ist eingehalten.

a) Zu Unrecht rügen FA und Beigeladener, daß die Vorinstanz die Abmachungen über die Zahlung von monatlich 2.000 DM oder 2.500 DM als die Vereinbarung von zwei rechtlich unterschiedlich zu beurteilenden Ansprüchen mit der Folge behandelt hat, daß der Anspruch auf den Betrag von 2.000 DM eine Leibrente sei, neben dem ein weiterer Anspruch auf einen Erhöhungsbetrag von 500 DM bestehe, der eine ungleichmäßig zu erbringende Gewinnbeteiligung sei.

Die Vorinstanz hat sich für diese Auslegung auf den Vertrag berufen und ausgeführt, aus der inhaltlichen Ausgestaltung dieser „einen Unterhaltsrente“ sei „eindeutig als wirklicher Wille der Parteien (§§ 133, 157 BGB) erkennbar, daß unterschiedliche und voneinander unabhängige Geldleistungen festgelegt werden sollten“.

Insoweit liegt keine den Senat bindende Tatsachenfeststellung, sondern eine voll nachprüfbare Rechtsauslegung vor.

Zutreffend ist auch hier der rechtliche Ausgangspunkt, daß bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist (§ 133 BGB), und daß Verträge so auszulegen sind, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 BGB). Zwischen den Vertragsparteien ist eine Einigung darüber zustande gekommen, unter welchen Umständen monatlich 2.500 DM zu zahlen sind und unter welchen anderen Umständen sich der Betrag auf monatlich 2.000 DM beläuft.

Von den Parteien ist zu keinem Zeitpunkt behauptet worden, daß ihre Erklärungen nicht mit dem übereinstimmten, was sie hätten erklären wollen. Sie haben auch nicht vorgebracht, es liege ein Mißverständnis über die Einigung in Nebenpunkten vor, das zur Folge hätte, eine Vertragslücke sei zu schließen (§ 155 BGB).

Es sind auch keine Anhaltspunkte vorhanden, die eine andere Auslegung der Willenserklärung der Vertragsparteien (§ 133 BGB) oder des objektiven Vertragsinhalts (§ 157 BGB) als in dem vom FG vorgenommenen Sinne erforderten oder rechtfertigten. Der Rückgriff auf einen ungeklärt gebliebenen Sinn wäre unzulässig.

Die von den Parteien abgegebenen Erklärungen stimmen mit dem überein, was sie mit diesen Erklärungen wirtschaftlich erreichen wollen. Das wird von keinem der Vertragspartner bestritten. Kann das wirtschaftlich gewollte Ziel auf bürgerlich-rechtlich unterschiedlicher Weise erreicht werden, gilt als bürgerlich-rechtlich vereinbart, was die Parteien erklärt haben und nicht, was sie hätten erklären können.

Der Vater hat den Betrieb übertragen. Das geschah zwar nicht im Wege eines Verkaufs, bei dem Leistung und Gegenleistung ausgewogen gegenübergestanden hätten, sondern im privaten Bereich im Zuge einer vorweggenommenen Erbfolge. Gleichwohl hatte die Leistung des Beigeladenen das Ziel, die Versorgung des Klägers für die Zukunft zu sichern. Dies kommt in dem von den Vertragschließenden gewählten Ausdruck „Unterhaltsrente“ zum Ausdruck. Dabei erweist sich die Vereinbarung der Zahlungsverpflichtung von 2.000 DM als die Verpflichtung zur Zahlung eines Betrages, der unter allen Umständen zu leisten ist, unabhängig von der Entwicklung des vom Sohn übernommenen Geschäfts. Insoweit übernahm der Sohn eine wagnisbehaftete Verpflichtung im Sinne eines Leibrentenversprechens, wie das FG zutreffend erkannt hat. Die Verpflichtung war unabhängig von den Bedürfnissen des Vaters und der Leistungsfähigkeit des Sohnes. Der Betrieb wurde sozusagen gegen das selbständige Rentenstammrecht eingetauscht. Diese Vereinbarung steht nicht unter dem stillschweigenden Vorbehalt gleichbleibender Verhältnisse (§ 323 der Zivilprozeßordnung – ZPO), wie das im Zweifel bei Unterhaltsverträgen der Fall ist. Denn die Rente ist auch zu zahlen, wenn der Sohn aus dem übernommenen Betriebe Verluste erleidet.

Die Spannungsklausel des Vertrages ist mit einem Leibrentenversprechen vereinbar. Das entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 1967 VI R 80/66, BFHE 89, 443, BStBl III 1967, 699; vom 7. März 1974 IV R 232/71, BFHE 112, 141, BStBl II 1974, 483; vom 25. Februar 1975 VIII R 115/70, BFHE 115, 563, BStBl II 1975, 730; vom 12. November 1975 I R 135/73, BFHE 118, 44, BStBl II 1976, 297; Urteile des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 24. November 1951 II ZR 51/51, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, BGB § 133 [A] Nr. 2, und vom 17. Dezember 1973 II ZR 48/71, Neue Juristische Wochenschrift 1974, S. 273 – NJW 1974, 273 -; Urteile des Bundesarbeitsgerichts – BAG – vom 16. Oktober 1975 3 AZR 417/75, Betriebs-Berater 1976 S. 137 – BB 1976, 137 -, und vom 13. Oktober 1976 3 AZR 606/75, Der Betrieb 1977 S. 503 – DB 1977, 503 -; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 3. Oktober 1972 I C 36/68, NJW 1973, 529) und der Meinung im Schrifttum (vgl. hierzu Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, München 1979, Anm. 5 und 6 zu den §§ 244, 245; Walberer, Preisindex in Wertsicherungsklauseln, Deutsche Notarzeitschrift 1958, S. 633).

Demzufolge hat die Vorinstanz zu Recht die Vereinbarung der Vertragsparteien dahin ausgelegt, die Vertragsparteien hätten eine Leibrente von 2.000 DM monatlich und eine weitere Zahlungsverpflichtung über einen Erhöhungsbetrag von 500 DM vereinbart, der keine Leibrente ist.

b) Liegen zwei und – wie ausgeführt – nicht nur eine Zahlungsverpflichtung des Übernehmers vor, sind auch die rechtlichen Folgerungen unzutreffend, die das FA und der Beigeladene an ihre Auslegung des Vertrages geknüpft haben.

Das dem Kläger als Gegenleistung für die Betriebsübertragung eingeräumte Rentenstammrecht wirft Erträge auf Lebensdauer ab, und zwar in der Form fortlaufend wiederkehrender gleichmäßiger Leistungen in Geld (vgl. Urteil des Reichsgerichts – RG – vom 12. Dezember 1907 IV 221/07, RGZ 67, 204, 213; BGH-Urteil vom 16. Dezember 1965 II ZR 274/63, BB 1966, 305).

Die Gleichmäßigkeit der wiederkehrenden Bezüge im vorerwähnten Sinne erfordert, daß die Bezüge nicht nur fortlaufend, sondern daß sie auch fest begrenzt und gleichmäßig sein müssen. Das Merkmal der festen Begrenzung der Bezüge ist erfüllt, denn die Bezüge sind betraglich festgelegt; es wäre im übrigen selbst dann erfüllt, wenn – wie der Revisionskläger unzutreffend meint – ein Zahlungsanspruch über zwei zahlenmäßig unterschiedliche Beträge vorläge.

Mit dem Merkmal der Gleichmäßigkeit der Leistungen wäre es zwar unvereinbar, wenn die Vertragsparteien die wiederkehrenden Einzelleistungen von wirtschaftlichen Voraussetzungen irgendwelcher Art – wie z.B. von der Höhe des Gewinns des übertragenen Betriebes – abhängig gemacht hätten (vgl. RG-Urteile in RGZ 67, 204, 213; vom 19. März 1936 IV 277/35, RGZ 150, 385, 391). Das ist jedoch hinsichtlich der monatlich zu zahlenden 2.000 DM nicht der Fall.

Wird im Zuge einer vorweggenommenen Erbfolge ein Betrieb übertragen, werden in dem einheitlichen Vertrag bürgerlich-rechtlich unterschiedliche Leistungen vereinbart und erfüllt eine Leistungsverpflichtung die Merkmale einer Leibrente, sind die auf dieser Verpflichtung beruhenden wiederkehrenden Bezüge eine Leibrente. Vom Berechtigten brauchen sie nur mit dem Ertragsanteil versteuert zu werden; vom Verpflichteten können sie nur mit dem Ertragsanteil (als Sonderausgaben) berücksichtigt werden. Dem steht nicht entgegen, daß die weiteren wiederkehrenden Bezüge in Geld zu erbringen sind, wie im vorliegenden Fall hinsichtlich des Betrages von weiteren 500 DM, wenn der steuerliche Reingewinn des übergebenen Betriebs 150.000 DM übersteigt, und wenn der Verpflichtete außerdem verpflichtet ist, Steuern und Versicherungen für einen zurückbehaltenen PKW zu zahlen.