BFH-Urteil vom 12.12.1979 (II R 79/75) BStBl. 1980 II S. 220
Übereignet eine KG, deren Komplementär der Erblasser war, in Erfüllung einer letztwilligen Anordnung (Verschaffungsvermächtnis oder Teilungsanordnung über einen nachlaßfremden Gegenstand) ein Grundstück an einen Miterben, so ist dieser Vorgang gemäß § 3 Nr. 2, 6, § 6 Abs. 2 GrEStG 1940 von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn an der KG nur der Erblasser, dessen Ehefrau und die gemeinsamen Kinder beteiligt waren, die den Erblasser beerbt haben (Anschluß an Urteil vom 13. März 1974 II R 52/66, BFHE 112, 415, BStBl II 1974, 555).
GrEStG 1940 § 3 Nr. 2, 6, § 6 Abs. 2.
Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Miterbin ihres am 25. September 1960 gestorbenen Vaters (Erblassers).
Am 4. April 1960 war ein Gesellschaftsvertrag notariell beurkundet worden, wonach der Erblasser seine Ehefrau und die beiden gemeinschaftlichen Kinder, die Klägerin und ihren Bruder, unter Gründung einer Kommanditgesellschaft als Kommanditisten in sein Einzelunternehmen aufgenommen hatte. Die drei Kommanditisten hatten ihre Einlagen dadurch zu leisten, daß jeweils … DM von dem Kapitalkonto des Erblassers abgebucht wurden. Die Einlage des Erblassers als persönlich haftender Gesellschafter betrug … DM.
Zu dem Betriebsvermögen des Einzelunternehmens gehörten Grundstücke, die im Rahmen des Gesellschaftsvertrages auf die neu gegründete Kommanditgesellschaft aufgelassen wurden.
In dem Gesellschaftsvertrag war außerdem bestimmt, daß bei Ausscheiden des Erblassers infolge Todes der Bruder der Klägerin anstelle des Erblassers persönlich haftender Gesellschafter werden sollte. Im übrigen sollte die Gesellschaft im Falle des Todes eines Gesellschafters mit dessen Erben fortgesetzt werden. Letztwillige Verfügungen eines Gesellschafters, die dem Vertragszweck nicht zuwiderliefen, sollten beachtet werden.
Ebenfalls am 4. April 1960 hatten der Erblasser und seine Ehefrau einen Erbvertrag geschlossen, durch den die Klägerin und ihr Bruder jeweils zu Erben des Erblassers und seiner Ehefrau je zur Hälfte eingesetzt wurden. Die Auseinandersetzung war für längere Zeit ausgeschlossen. Für die spätere Auseinandersetzung wurde u. a. angeordnet, daß der Bruder der Klägerin den Anteil des Erblassers an der Kommanditgesellschaft erhalten sollte. Die Klägerin sollte u. a. die Grundstücke A-Straße 1 erhalten, die zum Betriebsvermögen der Kommanditgesellschaft gehörten und auf diese aufgelassen worden waren.
Am 16. Juli 1970 wurde zwischen der Klägerin und ihrem Bruder sowie dem Testamentsvollstrecker ein Erbauseinandersetzungsvertrag geschlossen, in dem u. a. bestimmt wurde, daß die Klägerin die Grundstücke A-Straße 1 unter Übernahme von Grundstücksbelastungen erhalten sollte und daß die Kommanditgesellschaft die Übertragung dieser Grundstücke auf die Klägerin veranlassen werde. Hinsichtlich des Gesellschaftsanteils des Erblassers wurde vermerkt, daß dieser bereits geteilt worden sei.
Am gleichen Tage wurde sodann zwischen der Kommanditgesellschaft und der Klägerin hinsichtlich der Grundstücke A-Straße 1 ein notariell beurkundeter Übertragungsvertrag geschlossen und zugleich die Auflassung dieser Grundstücke auf die Klägerin erklärt. Die Klägerin übernahm dinglich gesicherte Verbindlichkeiten, ferner die Tilgung von Mieterdarlehen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA -) setzte gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. In Höhe von 20 v. H. des angenommenen Werts der Gegenleistung (entsprechend der Beteiligung der Klägerin und ihrer Mutter an der Kommanditgesellschaft) hielt das FA den Erwerb gemäß § 3 Nr. 6, § 6 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1940 für steuerfrei.
Mit ihrer Sprungklage, der das FA zugestimmt hat, begehrte die Klägerin die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheides. Sie berief sich dabei darauf, daß der Erwerbsvorgang gemäß § 3 Nr. 3 GrEStG 1940 als Erbauseinandersetzung steuerfrei sei.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision hat die Klägerin ihr Klagbegehren weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und des angefochtenen Steuerbescheides.
Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 ist durch den zwischen der Kommanditgesellschaft und der Klägerin am 16. Juli 1970 geschlossenen Grundstücksübertragungsvertrag verwirklicht worden. Vorher hatte die Klägerin aufgrund des Erbvertrages lediglich einen Verschaffungsanspruch, der die Kommanditgesellschaft selbst noch nicht zur Übertragung der Grundstücke verpflichtete.
Der Erwerb der Klägerin ist gemäß § 3 Nr. 2, 6 und § 6 Abs. 2 GrEStG 1940 von der Grunderwerbsteuer befreit. Dies gilt sowohl für den Fall, daß die letztwillige Anordnung hinsichtlich der Grundstücke A-Straße 1 als Verschaffungsvermächtnis zu würdigen ist, als auch für den Fall, daß in dieser Verfügung eine Teilungsanordnung über einen nachlaßfremden Gegenstand mit Verschaffungspflicht zu sehen ist (vgl. zur Abgrenzung beider Rechtsinstitute Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 8. November 1961 V ZR 31/60, BGHZ 36, 115; zur Verschaffungspflicht kraft Auflage Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts, 2. Aufl., § 28 II 3 S. 385, § 30 I 3 S. 439; zur Teilungsanordnung über einen nachlaßfremden Gegenstand auch Kohler, Archiv für civilistische Praxis, 91, 309, 334f., sowie Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl., § 2048 Rdnr. 9).
Daß § 3 Nr. 2 GrEStG 1940 ggf. auch in den Fällen eines Verschaffungsvermächtnisses gilt, hat der Senat bereits für den Fall entschieden, in dem Gegenstand des Vermächtnisses ein Grundstück war, das einer Kommanditgesellschaft gehörte, an der der Erblasser, der Erbe (Sohn des Erblassers) und der Vermächtnisnehmer (ebenfalls Sohn des Erblassers) beteiligt waren (vgl. das Urteil vom 13. März 1974 II R 52/66, BFHE 112, 415, BStBl II 1974, 555). Der Senat ist dabei davon ausgegangen, daß unter § 3 Nr. 2 GrEStG 1940 nicht nur ein Vermächtnis fällt, das ein Nachlaßgrundstück betrifft, sondern auch das Vermächtnis, das ein Grundstück betrifft, welches sich im Eigenvermögen des Erben befindet. Der Senat hat weiter gefolgert, daß auch Vermächtnisse unter § 3 Nr. 2 GrEStG 1940 fallen, die teils aus dem Nachlaß, teils aus dem Eigenvermögen des Erben zu erfüllen sind, und hieraus abgeleitet, daß Entsprechendes zu gelten habe, wenn das vermachte Grundstück im Eigentum einer Kommanditgesellschaft stehe, an der der Erblasser, der Erbe und der Vermächtnisnehmer beteiligt seien. Hieran hält der Senat fest.
Unter der Voraussetzung, daß die letztwillige Anordnung hinsichtlich des Grundstückes A-Straße 1 als Verschaffungsvermächtnis anzusehen ist, unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Fall BFHE 112, 415, BStBl II 1974, 555, im wesentlichen nur dadurch, daß in dem nunmehr zu entscheidenden Fall neben dem Erblasser und den Erben noch die Mutter der Erben als Gesellschafterin an der Kommanditgesellschaft beteiligt war. Da der Erwerb durch einen Gesellschafter von einer Personengesellschaft über die Freistellung nach § 6 Abs. 2 GrEStG 1940 hinaus auch insoweit von der Grunderwerbsteuer befreit ist, als die Mutter des Erwerbers an der Gesellschaft beteiligt ist (§ 3 Nr. 6 GrEStG), steht im vorliegenden Fall nichts entgegen, im übrigen § 3 Nr. 2 GrEStG 1940 wie in dem Falle BFHE 112, 415, BStBl II 1974, 555, anzuwenden.
An dem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn die letztwillige Anordnung hinsichtlich des Grundstückes A-Straße 1 nicht als Verschaffungsvermächtnis, sondern nur als Teilungsanordnung zu würdigen sein sollte. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 16. März 1977 II R 11/69 (BFHE 121, 519, BStBl II 1977, 640) hinsichtlich der Teilungsanordnung über einen Nachlaßgegenstand dahin entschieden, daß in diesem Falle diese Teilungsanordnung für die erbschaftsteuerrechtliche Bemessung des Vermögensanfalls an den begünstigten Erben zu berücksichtigen ist. Er hat dadurch erbschaftsteuerrechtlich das Vermächtnis und die Zuweisung eines Nachlaßgegenstandes durch Teilungsanordnung gleichbehandelt. Hinsichtlich des § 3 Nr. 2 GrEStG 1940 ist hieraus zu folgern, daß die Zuweisung eines Nachlaßgegenstandes mittels Teilungsanordnung bereits nach dieser Vorschrift von der Grunderwerbsteuer befreit ist. § 3 Nr. 3 GrEStG 1940 hat unter diesen Umständen im wesentlichen für die Fälle Bedeutung, in denen eine Nachlaßauseinandersetzung vorgenommen wird, ohne daß zuvor eine Zuweisung seitens des Erblassers erfolgt ist.
Im gleichen Umfang, in dem auch Verschaffungsvermächtnisse gemäß § 3 Nr. 2 von der Grunderwerbsteuer befreit sind, ist auch die Zuweisung eines Gegenstandes im Wege einer Teilungsanordnung dann von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn die Erben verpflichtet sind, den Gegenstand erst zu beschaffen. Für eine andere Auslegung gibt es keine überzeugenden Gründe.
Dahingestellt bleiben kann, wie der vorliegende Fall zu beurteilen gewesen wäre, wenn an der Kommanditgesellschaft ein Dritter als Gesellschafter beteiligt gewesen wäre, der weder zum Kreis der Erben und Vermächtnisnehmer noch zu den Verwandten in gerader Linie gehörte.