Archiv der Kategorie: BFH-Urteile

Hier finden Sie alle BFH-Urteile.

Der Bundesfinanzhof (BFH) ist das oberste deutsche Finanzgericht und dementsprechend wichtig sind BFH-Urteile für das deutsche Steuerrecht. Zum BFH kommen Sie nur in einem Revisionsverfahren bzw. Beschwerdeverfahren nach einem Finanzgerichtsurteil. Der Rechtszug geht im Steuerrecht nur über zwei Instanzen: Finanzgericht – BFH. Die erste Instanz fehlt, da das Finanzamt über Einsprüche zunächst selbst entscheidet. Allerdings entscheidet ein anderer Finanzbeamte aus der Rechtsbehelfsstelle und nicht der Sachbearbeiter. Vor dem BFH können Sie sich nicht mehr selbst vertreten.

Die Kosten für ein BFH-Urteil können – abhängig vom Streitwert – hoch sein. Es empfiehlt sich daher vorher eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Es entstehen einerseits Gerichtskosten, die sich nach dem Gerichtskostengesetzes (GKG) richten. Andererseits entstehen zwangsweise auch Kosten für den Steuerberater, da vor dem BFH vertretungszwang herrscht. Allerdings richten sich die Kosten für den Steuerberater dann nicht nach der Steuerberatungsvergütungsverordnung (StBVV), sondern nach der Rechtsanwaltsvergütungsverordnung (RVV). Für die Gegenseite, nämlich das Finanzamt, entstehen keine Kosten. Sofern die Revision beim BFH gewonnen wird, übernimmt das Finanzamt alle Kosten.

Das BFH-Urteil bindet – wie in allen finanzgerichtlichen Verfahren – nur die am Rechtsstreit beteiligten Personen (§ 110 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung). Erst durch eine Veröffentlichung der BFH-Urteile bzw. Beschlüsse im Bundessteuerblatt Teil II (BStBl II) werden die Finanzämter angewiesen, diese BFH-Urteile auch in anderen Fällen anzuwenden. Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben beschließen, welche BFH-Urteile im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht werden und somit allgemein anzuwenden sind.

Viele BFH-Urteile werden nicht zur amtlichen Veröffentlichung freigegeben, weil diese zum Teil keine über den Einzelfall hinaus bedeutsamen oder grundsätzlichen Erkenntnisse enthalten. Zum Teil werden diese BFH-Urteile nicht veröffentlicht, weil diese der Finanzbehörde nicht gefallen. Daher sind diese BFH-Urteile oder auch BFH-NV (NV = nicht veröffentlicht) besonders interessant und werden auch veröffentlicht.

Es gibt aber auch BFH-Urteile, die der Finanzverwaltung nicht gefallen. Diese BFH-Urteile werden nicht veröffentlicht. Daher sind diese Urteile für Steuerpflichtige bzw. deren Steuerberater besonders interessant. Es gibt aber auch BFH-Urteile, die mit einem sogenannten Nichtanwendungserlass belegt werden, d.h. die Finanzverwaltung darf das BFH-Urteil nicht über den Einzelfall hinaus angewendet werden. Nichtanwendungserlasse werden im als BMF-Schreiben im Bundessteuerblatt I (BStBl I) veröffentlicht. Nichtanwendungserlasse sind verfassungsrechtlich nicht unproblematisch. In der Regel wird dann versucht, das „Steuersparmodell“ über eine Gesetzesänderung zu schließen. Den Steuerpflichtigen bleibt dann nur der Rechtsweg, um ihr gutes Recht zu erhalten.

BFH-Urteil vom 18.2.1987 (II R 213/84) BStBl. 1987 II S. 392

BFH-Urteil vom 18.2.1987 (II R 213/84) BStBl. 1987 II S. 392

1. Auch bei einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist beim Gericht eine schriftliche Prozeßvollmacht einzureichen (Anschluß an BFHE 133, 344, BStBl II 1981, 678).

2. Eine zur Einreichung der Prozeßvollmacht gesetzte Frist mit ausschließender Wirkung wird dann nicht eingehalten, wenn innerhalb dieser Frist nur eine Fotokopie der schriftlichen Prozeßvollmacht eingereicht wird.

FGO § 62 Abs. 3, § 155; ZPO § 88.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

 

Für die Klägerin reichten ihre Prozeßbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 9. November 1982 eine Anfechtungsklage beim Finanzgericht (FG) ein, ohne daß sie eine Prozeßvollmacht übersandten. Deshalb setzte der Berichterstatter mit Verfügung vom 14. Januar 1983 für das Einreichen der Vollmacht eine Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 20. Februar 1983 aufgrund des Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 – VGFG-EntlG – (BGBl I 1978, 446). Mit Schriftsatz vom 18. Februar 1983, eingegangen am Montag, den 21. Februar 1983, übersandten die Prozeßbevollmächtigten eine Ablichtung der Originalvollmacht. Der Berichterstatter leitete daraus Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage her und äußerte diese in seiner Verfügung vom 17. April 1983. Die Originalvollmacht ging am 13. Mai 1983 beim FG ein.

Mit einem späteren Schreiben vom 28. September 1983 wiesen die Prozeßbevollmächtigten auf folgendes hin:

Die Übersendung einer Fotokopie der Prozeßvollmacht sei auf ein Versehen eines Mitarbeiters zurückzuführen. Dieses Versehen sei entschuldbar, da die Ablichtung von der Originalprozeßvollmacht kaum zu unterscheiden gewesen sei. Dies sei darauf zurückzuführen, daß der Abwickler der Klägerin bei der Ausfertigung der Vollmacht einen Kugelschreiber mit schwarzer Schrift verwendet habe.

Sobald das Versehen durch die Verfügung des Berichterstatters bekanntgeworden sei, sei die Übersendung der Originalvollmacht veranlaßt worden. Daß die Originalvollmacht erst nach Ablauf der 14-Tage-Frist beim FG eingegangen sei, sei entschuldbar.

Das FG hat die Klage (als unzulässig) abgewiesen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

 

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Die Klage wurde dadurch (endgültig) unzulässig, daß bis zum Ablauf des 21. Februar 1983 nur die Fotokopie der schriftlichen Prozeßvollmacht beim FG einging. Die an diesem Tage endende Frist für das Einreichen der Vollmacht i. S. des Art. 3 § 1 VGFG-EntlG hätte nur durch Einreichung des Originals der Prozeßvollmacht gewahrt werden können. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der genannten Frist liegen nicht vor.

1. Der Berichterstatter des zuständigen Senates des FG war berechtigt, den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin für das Einreichen der Prozeßvollmacht eine Frist mit ausschließender Wirkung zu setzen. Dies ergab sich aus Art. 3 § 1 VGFG-EntlG.

a) Die Vorschrift des § 88 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO), wonach ein Mangel der Vollmacht von Amts wegen nicht zu prüfen ist, wenn als Bevollmächtigter – wie im Streitfall – ein Rechtsanwalt auftritt, ist im finanzgerichtlichen Verfahren nicht entsprechend anwendbar (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 15. Mai 1981 VI R 212/78, BFHE 133, 344, BStBl II 1981, 678, und vom 17. Juli 1984 VIII R 20/82, BFHE 141, 463, BStBl II 1984, 802).

Allerdings vertritt das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hinsichtlich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine andere Auffassung. Es hält den § 88 Abs. 2 ZPO über § 173 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) für sinngemäß anwendbar, obwohl auch dort durch § 67 Abs. 3 VwGO (mit dem § 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung – FGO – wortgleich) die Einreichung einer schriftlichen Vollmacht vorgeschrieben ist (vgl. die Urteile vom 31. Juli 1984 9 C 881/82, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 1985, 1178, und vom 22. Januar 1985 9 C 105/84, NJW 1985, 2963).

Aus der unterschiedlichen Auslegung der beiden Verfahrensordnungen ergibt sich jedoch nicht, daß eine Abweichung i. S. des § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl I, 661) vorliegt. Denn es liegen gleichwohl keine übereinstimmenden Regelungen vor.

Zwar enthalten sowohl § 173 VwGO als auch § 155 FGO weitgehend übereinstimmende Verweisungen auf die ZPO. Beide Vorschriften enthalten jedoch den Zusatz, daß die Regelungen der ZPO nur insoweit gelten, als die grundsätzlichen Unterschiede der Verfahrensordnungen dies nicht ausschließen. Daraus ergibt sich, daß sowohl für die VwGO als auch für die FGO gesondert zu prüfen ist, ob die jeweilige Verfahrensregelung eine ergänzende Anwendung von Vorschriften der ZPO ausschließt. Es können im Einzelfall durchaus unterschiedliche Folgerungen zu ziehen sein, ohne daß darin eine Abweichung i. S. des § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Obersten Gerichtshöfe des Bundes gesehen werden muß.

Hinsichtlich des finanzgerichtlichen Verfahrens ist in diesem Zusammenhang besonders darauf hinzuweisen, daß die Verpflichtung zur Einreichung einer schriftlichen Vollmacht durch das VGFG-EntlG noch verstärkt worden ist, ohne daß bestimmte Gruppen von Prozeßbevollmächtigten hiervon ausgenommen worden sind. Hierzu hätte angesichts der Neuregelung des § 88 Abs. 2 ZPO mit Wirkung ab 1. Januar 1977 aber Anlaß bestanden, wenn eine solche sinngemäße Anwendung gewollt gewesen wäre.

Im übrigen würden sich bei einer sinngemäßen Anwendung des § 88 Abs. 2 ZPO auf das finanzgerichtliche Verfahren erhebliche Auslegungsschwierigkeiten ergeben. Wollte man diese Vorschriften ihrem Wortlaut entsprechend nur auf Rechtsanwälte anwenden, so würden andere Berufsträger benachteiligt, obwohl sie nach § 62 Abs. 2 FGO in Verbindung mit den entsprechenden Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes unterschiedslos zur Vertretung im finanzgerichtlichen Verfahren berechtigt sind.

Der Senat wird in seiner Auffassung dadurch bestätigt, daß der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung (BT-Drucks. 10/3437) in seinem § 65 davon ausgeht, daß ein Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen ist. In der Begründung heißt es dazu, daß es nicht zweckmäßig sei, eine dem § 88 Abs. 2 ZPO entsprechende Ausnahme für alle Fälle einer geschäftsmäßigen Prozeßvertretung zu machen, daß aber eine unterschiedliche Regelung für die einzelnen Berufsgruppen ebenfalls nicht gerechtfertigt sei (a. a. O. S. 104).

b) Der Berichterstatter des zuständigen Senates des FG handelte nicht rechtswidrig, als er bereits zwei Monate nach Erhebung der Klage eine Frist mit ausschließender Wirkung zur Einreichung der Vollmacht setzte. Es mag zwar vielfach zweckmäßig sein, die Vollmacht zunächst nur durch die Geschäftsstelle anzumahnen (vgl. hierzu Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 12106/1). Dadurch wird aber nicht ausgeschlossen, daß der Berichterstatter im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens sofort eine Frist mit ausschließender Wirkung setzt.

Daß die gesetzte Frist zu knapp gewesen sei (vgl. hierzu das BFH-Urteil vom 21. Februar 1980 V R 71-73/79, BFHE 130, 240, BStBl II 1980, 457) ist nicht ersichtlich. Die Prozeßbevollmächtigten haben innerhalb dieser Frist die Prozeßvollmacht (wenn auch nur in Fotokopie) einreichen können. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist unter diesen Umständen nicht erkennbar.

Die Klägerin rügt auch zu Unrecht, daß der Berichterstatter seine Ermessensentscheidung, eine Frist mit ausschließender Wirkung zu setzen, nicht begründet habe. Eine Begründung ist für die Fristsetzung i. S. des Art. 3 § 1 VGFG-EntlG nicht vorgeschrieben.

2. Die Klägerin hat die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FGO i. V. m. Art. 3 § 1 VGFG-EntlG durch die Einreichung einer Fotokopie der Originalvollmacht nicht erfüllt. Vorgeschrieben ist die Einreichung einer schriftlichen Vollmacht. Da die Einreichung der Vollmacht nicht nur Sachurteilsvoraussetzung ist, sondern auch Beweisfunktion hat, muß die Originalvollmacht eingereicht werden. Es gilt hier nichts anderes als beim Urkundenbeweis (vgl. hierzu Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 1986 II ZR 56/85, Der Betrieb 1986, 798).

Unter diesen Umständen können die Erleichterungen, die hinsichtlich der Einlegung der schriftlichen Klage (vgl. § 65 Abs. 1 FGO) durch die Rechtsprechung zugestanden worden sind (vgl. u. a. das BFH-Urteil vom 19. September 1974 IV R 24/74, BFHE 113, 416, BStBl II 1975, 199, hinsichtlich der Einreichung eines Matrizenabzuges, und das Urteil des BVerwG vom 7. November 1973 VI C 124/73, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 64, Rechtsspruch 27 mit Anmerkung von Späth, hinsichtlich der Einreichung einer Fotokopie der eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Klageschrift), nicht auf die Einreichung der Prozeßvollmacht übertragen werden.

3. Daraus, daß die Einreichung einer Fotokopie nach dem späteren Vortrag der Klägerin auf einem Büroversehen beruhte, mußten der Klägerin keine Nachteile entstehen. Sie hätte es in der Hand gehabt, innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen, beginnend mit der Mitteilung des Berichterstatters, daß nur eine Fotokopie eingereicht worden sei, einen begründeten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Nachreichung des Originals der Prozeßvollmacht zu stellen. Diese Voraussetzungen hat die Klägerin nicht erfüllt. Sie hat erst Monate später im einzelnen begründet, warum zunächst nur eine Fotokopie eingereicht worden sei und daß dies auf einem Büroversehen beruht habe. Unter diesen Umständen hat das FG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist der mit ausschließender Wirkung zur Einreichung der Prozeßvollmacht gesetzten Frist zu Recht abgelehnt.