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II. Die Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg. |
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1. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle des vor dem FG angefochtenen Änderungsbescheids vom 3. November 2004 ist während des Revisionsverfahrens der geänderte Bescheid des FA vom 25. Juni 2009 getreten. Da dem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt, kann es keinen Bestand haben (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 3. August 2005 I R 94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20; vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10). |
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Der Änderungsbescheid vom 25. Juni 2009 wurde gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens. Einer Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung gemäß § 127 FGO bedarf es nicht, weil die Sache spruchreif ist. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen werden von dem Änderungsbescheid nicht berührt und bilden unverändert die Grundlage für die Entscheidung des erkennenden Senats. Diese kann in der Sache selbst ergehen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). |
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2. Die Klage ist unbegründet und deshalb abzuweisen. FA und FG haben die von der Klägerin und der O-GmbH gebildeten Rückstellungen für die an die VBL künftig zu leistenden Sanierungsgelder zu Recht nicht ergebnismindernd berücksichtigt. |
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a) Gemäß § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat die Klägerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die handelsrechtlichen GoB ergeben sich insbesondere aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Dritten Buchs "Vorschriften für alle Kaufleute" der §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB). |
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b) Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH entweder –erstens– das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen, dem Grunde nach aber bestehenden Verbindlichkeit oder –zweitens– die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer –ggf. zugleich auch ihrer Höhe nach noch ungewissen– Verbindlichkeit (vgl. Senatsurteil vom 20. August 2008 I R 19/07, BFHE 222, 494, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im Einzelfall auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen (Senatsurteil vom 30. Januar 2002 I R 68/00, BFHE 197, 530, BStBl II 2002, 688). Dieser muss darüber hinaus ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 VIII R 14/92, BFHE 172, 456, BStBl II 1993, 891, m.w.N.). Für die Passivierung rechtlich noch nicht bestehender Verbindlichkeiten ist des Weiteren ein wirtschaftlicher Bezug der möglicherweise entstehenden Verbindlichkeit zum Zeitraum vor dem jeweiligen Bilanzstichtag erforderlich (vgl. BFH-Urteile vom 27. Juni 2001 I R 45/97, BFHE 196, 216, BStBl II 2003, 121; vom 30. Januar 2002 I R 71/00, BFHE 198, 420, BStBl II 2003, 279; vom 30. November 2005 I R 110/04, BFHE 212, 83, BStBl II 2007, 251; vom 13. Dezember 2007 IV R 85/05, BFHE 220, 117, BStBl II 2008, 516). |
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c) Nach diesen Maßgaben lagen am Bilanzstichtag 31. Dezember 2001 die Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen für die Sanierungsgelder nicht vor. |
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aa) Die Ansprüche der VBL gegen die Klägerin und die O-GmbH auf Leistung der Sanierungsgelder waren zum Bilanzstichtag zwar für die Rückstellungsbildung hinreichend wahrscheinlich, jedoch rechtlich noch nicht entstanden. |
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Die Satzungsänderung, mit der die Bestimmung des § 65 VBL-Satzung über die Erhebung der Sanierungsgelder geschaffen worden ist, ist am 22. November 2002 wirksam geworden, mithin nach dem Bilanzstichtag. Dass die Satzungsänderung mit Rückwirkung zum 1. Januar 2001 beschlossen worden ist, ändert nichts daran, dass es sich bei der Änderung um ein zeitlich nach dem Bilanzstichtag eingetretenes Ereignis handelt. Erst durch dieses Ereignis sind Rechtspflichten der Klägerin und der O-GmbH begründet worden, die in Rede stehenden Zahlungen zu leisten. |
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Ob –wie die Revision meint– bereits durch den Abschluss des Tarifvertrages "Altersvorsorgeplan 2001" am 13. November 2001, in dem sich auch Bestimmungen über die Erhebung der Sanierungsgelder zur Deckung der zu erwartenden Finanzierungslücke bei den Zusatzversorgungskassen finden, diese betreffende Rechtspflichten im Verhältnis zwischen den Tarifvertragsparteien oder im Verhältnis der an der VBL beteiligten Arbeitgeber begründet worden sind, kann offenbleiben. Denn eine Verpflichtung ist erst dann in dem für die Bilanzierung maßgeblichen Sinne rechtlich entstanden, wenn der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Leistungspflicht geknüpft ist (BFH-Urteile vom 12. Dezember 1991 IV R 28/91, BFHE 167, 334, BStBl II 1992, 600; vom 19. Mai 1987 VIII R 327/83, BFHE 150, 140, BStBl II 1987, 848; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 220, 117, BStBl II 2008, 516). Im Streitfall erforderte die Begründung einer auf die Sanierungsgelder bezogenen Leistungspflicht aber jedenfalls noch der Verankerung der entsprechenden Beitragspflichten in der Satzung der VBL, die zum Bilanzstichtag noch nicht erfolgt war. |
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bb) Der sonach für die Passivierung erforderliche wirtschaftliche Bezug der dem Grunde und der Höhe nach ungewissen Verpflichtungen zur Zahlung der Sanierungsgelder zum Zeitraum vor dem 31. Dezember 2001 ist nicht gegeben. |
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aaa) Der Vergangenheitsbezug setzt voraus, dass die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Entstehen der Verbindlichkeit bereits am Bilanzstichtag erfüllt sind und das rechtliche Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 167, 334, BStBl II 1992, 600; in BFHE 198, 420, BStBl II 2003, 279; in BFHE 212, 83, BStBl II 2007, 251). Maßgeblich ist dabei die wirtschaftliche Wertung des Einzelfalles vor dem Hintergrund der rechtlichen Struktur des Tatbestands, mit dessen Erfüllung die Verbindlichkeit entsteht (Senatsurteil in BFHE 212, 83, BStBl II 2007, 251). |
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bbb) Die Sanierungsgelder weisen ein wirtschaftlich wesentliches Merkmal auf, welches an die Zeit nach dem Bilanzstichtag anknüpft. Ihr wirtschaftlicher Zweck besteht darin, Finanzierungslücken bei der VBL zu schließen. Diese Finanzierungslücken sind darauf zurückzuführen, dass die von den Kassenmitgliedern in Form von Umlagen aufzubringenden Beiträge ab dem 1. Januar 2002 auf der Basis des nach dem Systemwechsel maßgeblichen Punktesystems bemessen werden, die vor diesem Zeitpunkt entstandenen Versorgungsansprüche der Bestandsrentner und Versorgungsanwartschaften der rentennahen Jahrgänge von der VBL jedoch weiterhin auf der Grundlage des vor dem Systemwechsel geltenden Gesamtversorgungsprinzips bedient werden müssen. Es soll demnach mit den Sanierungsgeldern eine für die nach dem 31. Dezember 2001 beginnenden Deckungsabschnitte erwartete Unterdeckung des versicherungsmäßigen Deckungskapitals der VBL ausgeglichen werden. Sobald diese Deckungslücke geschlossen ist, werden gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 VBL-Satzung keine Sanierungsgelder mehr erhoben. |
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Aus Sicht des Bilanzstichtages 31. Dezember 2001 sollen mit den Sanierungsgeldern folglich zwar versicherungsmathematisch bereits absehbare, jedoch tatsächlich erst in späteren Bilanzierungszeiträumen entstehende Finanzierungslücken bei der VBL abgedeckt werden. Insoweit bezieht sich deshalb die wirtschaftliche Ursache für die Erhebung der Sanierungsgelder auf Zeiträume nach dem Bilanzstichtag. Zwar sind die Versorgungsanwartschaften der betreffenden Pensionäre und Arbeitnehmer –soweit sie zum Bilanzstichtag bereits entstanden waren– durch die bis dahin bestehenden Beschäftigungsverhältnisse begründet worden. Der für die Erhebung der Sanierungsgelder wirtschaftlich maßgebliche Umstand besteht indes in der Gewährung des Bestandsschutzes für die Altfälle, ohne dass die dafür voraussichtlich erforderlichen Mittel künftig noch aus dem "regulären" Umlageaufkommen der VBL bestritten werden könnten. Die entsprechenden Leistungspflichten deckten mithin nicht Vergangenes (z.B. zu niedrige Zahlungen) ab, sondern hingen vorrangig mit dem künftigen betrieblichen Geschehen der Klägerin bzw. der O-GmbH zusammen. |
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Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass der Systemwechsel auf dem im Streitjahr abgeschlossenen Tarifvertrag "Altersvorsorgeplan 2001" beruht. Denn nicht der Systemwechsel als solcher, sondern die durch die Gewährung des Bestandsschutzes für die "Altfälle" hervorgerufenen künftigen Finanzierungslücken bei der VBL sind die wirtschaftliche Ursache für die Verpflichtung zur Zahlung der Sanierungsgelder. |
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Dem Zukunftsbezug steht auch nicht entgegen, dass die Gesamthöhe der Sanierungsgelder gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 VBL-Satzung ab dem 1. Januar 2002 auf 2 % der zusatzversorgungspflichtigen Entgelte aller Pflichtversicherten im Jahr 2001 festgelegt worden ist. Die Heranziehung der im Streitjahr bezogenen zusatzversorgungspflichtigen Entgelte als Ausgangsgröße für die Bemessung der Gesamthöhe der Sanierungsgelder führt nicht zu einer inhaltlichen, wirtschaftlich wesentlichen Verknüpfung mit Vorkommnissen des Streitjahrs. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Berechnungsmodalität, die nichts daran ändert, dass mit den Sanierungsgeldern künftige Deckungslücken geschlossen werden sollten. |
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d) Da somit die handelsrechtlichen Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen zum 31. Dezember des Streitjahres nicht gegeben waren, bedarf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob § 4c EStG der steuerlichen Anerkennung von Rückstellungen für die Sanierungsgelder entgegenstehen würde, keiner Entscheidung. |
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