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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat im angefochtenen Urteil den Haftungsbescheid unter Begrenzung auf einen Haftungsbetrag von 20.290 EUR ohne Rechtsfehler als rechtmäßig angesehen. |
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1. Gegenstand des Rechtsstreits ist im Revisionsverfahren der Haftungsbescheid vom 17. April 2008 i.d.F., die er zunächst durch die Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2009 und anschließend durch das angefochtene Urteil gefunden hat. Es geht damit um eine Haftung des Klägers für die erstmals aufgrund des Bescheides über Körperschaftsteuer 1997, Solidaritätszuschlag und Feststellungen gemäß § 47 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1997 vom 10. Dezember 2007 (1.561 EUR Körperschaftsteuer und 3.117 EUR Solidaritätszuschlag) sowie der Zinsbescheide vom 7. Februar 2008 (587 EUR Aussetzungszinsen und 12.564 EUR Vollverzinsungszinsen zur Körperschaftsteuer 1997, 37 EUR Zinsen zum Solidaritätszuschlag 1997 sowie 2.125 EUR Aussetzungszinsen zur Körperschaftsteuer 2000 und 112 EUR Zinsen zum Solidaritätszuschlag 2000) festgesetzten Steuern und Zinsen zuzüglich 186 EUR Säumniszuschläge. In diesem Zusammenhang hat das FG ohne Rechtsfehler ausgeführt, dass der Haftung nicht der Eintritt der Verjährung entgegen gehalten werden kann. Denn nach § 191 Abs. 3 Satz 4 AO läuft die Festsetzungsfrist für Haftungsbescheide hinsichtlich der Steuern (und sonstiger Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis), die noch nicht festgesetzt sind, jedenfalls nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Festsetzung der Steuer ab (s. Senatsbeschluss vom 4. September 2002 I B 145/01, BFHE 199, 95, BStBl II 2003, 223, m.w.N.). Jener Zweijahreszeitraum war weder bei Erlass des ursprünglichen Haftungsbescheides noch im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung abgelaufen. |
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2. Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Nach § 69 Satz 1 AO haften u.a. die in § 34 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Die Haftung umfasst nach § 69 Satz 2 AO auch die in Folge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO haben die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AO haben sie insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. |
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3. Soweit der Kläger im Revisionsverfahren der Auffassung ist, die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Inhaftungnahme gemäß §§ 69, 34 AO seien insoweit nicht erfüllt, als die angeführten Steuerverbindlichkeiten der GmbH nicht vorlägen, ist ihm nicht zu folgen. Vielmehr hat das FG ohne Rechtsfehler erkannt, dass die materielle Rechtmäßigkeit der Bescheide über Steuern und Zinsen, die der Inanspruchnahme des Klägers zugrunde liegen, inhaltlich nicht mehr zu prüfen sind, da der Kläger die unanfechtbaren Steuerfestsetzungen wegen § 166 AO gegen sich gelten lassen muss. |
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a) Gemäß § 166 AO hat eine gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar festgesetzte Steuer neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch derjenige gegen sich gelten zu lassen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Das Haftungsverfahren soll dem von § 166 AO erfassten Haftungsschuldner keine erneute Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Steuerfestsetzungen verschaffen, weil er bereits zur Anfechtung der Steuerfestsetzung befugt war oder diese bereits –erfolglos– angefochten hat. |
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b) Die der Haftung zu Grunde liegenden Beträge sind mit Ausnahme der Säumniszuschläge durch unanfechtbare Bescheide gegenüber der GmbH bzw. der GmbH i.L. festgesetzt worden. Die Festsetzungen erfolgten durchgängig während des Zeitraums, in dem der Kläger entweder Geschäftsführer oder Liquidator der GmbH war. Als solcher hätte er die gegen die GmbH gerichteten Steuerfestsetzungen anfechten können. |
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c) Der Kläger kann nicht mit Erfolg darauf verweisen, der Tatbestand des § 166 AO sei nicht erfüllt, da die Körperschaftsteuer 1997 gegenüber PK hätte festgesetzt werden müssen, da dieser als bei Firmenfortführung haftender Erwerber (§ 25 Abs. 1 Satz 1 HGB) nach dem Eintritt der Nachhaftungsbegrenzung des § 26 Abs. 1 Satz 1 HGB für die GmbH/GmbH i.L. zum (alleinigen) Steuerschuldner dieser Körperschaftsteuer 1997 geworden sei. Denn die Körperschaftsteuerschuld des ehemaligen Betriebsinhabers ist nicht Gegenstand der Haftung des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB. |
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aa) Die Haftung des Erwerbers bei Firmenfortführung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 HGB) bezieht sich auf "alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers". Dazu hat das FG entschieden, es sei wegen des inhaltlich identischen Wortlauts ein Haftungsumfang entsprechend zur Regelung des § 75 AO heranzuziehen, was zu einer Begrenzung auf solche Steuertatbestände führe, die an den Betrieb eines Unternehmens anknüpfen. In diesem Zusammenhang wird allerdings auch die Auffassung vertreten, der Haftungsumfang sei bei § 25 HGB gegenüber der Haftung des Betriebsübernehmers nach § 75 AO ausgeweitet: Es werde bei der Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB nicht nur für typische Betriebsteuern (z.B. Umsatzsteuer, Gewerbesteuer), sondern für alle im Betrieb des früheren Inhabers begründeten Steuern (z.B. auch Kfz-Steuern für Betriebsfahrzeuge) gehaftet (so Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 69-77 AO Rz 15; s.a. Jatzke in Beermann/Gosch, AO Vor §§ 69-77 Rz 17, mit Hinweis auf Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 26. September 1997 VII B 82/97, BFH/NV 1998, 342 ["alle im Betrieb begründeten Steuerschulden" – dort konkret zur Umsatzsteuer]). |
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bb) Entgegen der Ansicht der Revision wird allerdings auch bei einem gegenüber dem sachlichen Anwendungsbereich des § 75 AO ausgeweiteten Verständnis die Körperschaftsteuer als "Personensteuer" (§ 10 Nr. 2 KStG) nicht vom Haftungsumfang des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB erfasst. Zwar führt die Körperschaftsteuer handelsrechtlich zu Betriebsausgaben der Kapitalgesellschaft (§ 275 Abs. 2 Nr. 18 und Abs. 3 Nr. 17 HGB); ebenfalls entspricht es ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. z.B. Urteile vom 4. Dezember 1996 I R 54/95, BFHE 182, 123; vom 31. März 2004 I R 83/03, BFHE 206, 58; vom 17. November 2004 I R 56/03, BFHE 208, 519; vom 22. August 2007 I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961; vom 6. Oktober 2009 I R 39/09, BFH/NV 2010, 470), dass Kapitalgesellschaften –anders als Einzelunternehmen und Personengesellschaften– steuerrechtlich gesehen über keine außerbetriebliche Sphäre verfügen mit der Folge, dass alle Geschäftsvorfälle als Einkünfte aus Gewerbebetrieb behandelt werden (§ 8 Abs. 2 KStG, § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes). Die Körperschaftsteuer der GmbH wird aber nicht "im Betrieb" begründet, sondern bezieht sich auf das gesamte von der Kapitalgesellschaft erzielte steuerpflichtige Einkommen (§ 8 Abs. 1, 2 KStG). Eine darauf bezogene Haftung ist mit dem die Rechtsnorm des § 25 HGB tragenden Gedanken der Kontinuität des Unternehmens kraft Firmenfortführung (s. insoweit BFH-Urteil vom 20. Mai 2014 VII R 46/13, BFHE 246, 114, BStBl II 2015, 107; s. allerdings zu dem Streit über den Normzweck die Nachweise in MünchKommHGB/Thiessen, 4. Aufl., § 25 Rz 11 ff.; BFH-Urteil vom 17. September 1991 VII R 72/88, BFH/NV 1992, 360) sowie des hieran anknüpfenden und dem Schutz des Rechtsverkehrs dienenden Schuldbeitritts des Betriebserwerbers (z.B. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 25 Rz 1) nicht vereinbar. Dieser normzweckbezogene Ausschluss der Körperschaftsteuer greift auch dann, wenn diese Steuer Rechtspersonen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 bis 6 KStG) betrifft, die § 8 Abs. 2 KStG nicht unterfallen, so dass sie eine außerbetriebliche Sphäre haben können. Nicht zuletzt kann die Höhe der Körperschaftsteuer auch bei Kapitalgesellschaften –wie sich im Streitfall erweist– durch gesellschaftlich veranlasste Vorgänge beeinflusst sein, die –wie beispielsweise vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG)– als Einkommensverteilung (§ 8 Abs. 3 KStG) zu qualifizieren sind. |
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4. Das FG hat im angefochtenen Urteil auch die übrigen Haftungsvoraussetzungen zu Recht bejaht. Dabei konnte es ohne Rechtsfehler auf einen Pflichtenverstoß des Klägers erkennen, da er in Kenntnis der Vermögensverlagerung auf seine Ehefrau nicht Vorsorge getragen hat, die Steuerschulden der GmbH zu tilgen (Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 25. April 2013 VII B 245/12, BFH/NV 2013, 1063, m.w.N.). Diese Pflichtwidrigkeit war geeignet, den Vorwurf zumindest grober Fahrlässigkeit zu begründen (zur Indizwirkung der Pflichtwidrigkeit: BFH-Beschlüsse vom 14. September 1999 VII B 33/99, BFH/NV 2000, 303; vom 25. Juli 2003 VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540; BFH-Urteil vom 13. März 2003 VII R 46/02, BFHE 202, 22, BStBl II 2003, 556). Darüber hinaus konnte das FG einen haftungsbegründenden ursächlichen Zusammenhang mit dem eingetretenen Steuerschaden rechtsfehlerfrei bejahen. |
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5. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg vortragen, das FA habe das gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO eingeräumte Entschließungs- und Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt. Das FG konnte insoweit nach den Maßgaben des § 102 Satz 1 FGO ohne Rechtsfehler dahin erkennen, dass die in § 5 AO festgelegten Grenzen des Ermessens nicht über- oder unterschritten waren und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Die Ausführungen des FG zur Ausübung des Entschließungs- und des Auswahlermessens werden von den Beteiligten im Grundsatz auch nicht in Zweifel gezogen. |
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Allerdings hat der Kläger mit seiner Revision geltend gemacht, PK sei für die Körperschaftsteuer 1997 als Steuerschuldner in Anspruch zu nehmen gewesen. Jedoch geht dieser Einwand nach dem oben Dargelegten fehl. Demgemäß verbietet sich die Annahme, die Ermessensausübung zur Körperschaftsteuer 2000 werde durch den (vermeintlichen) Fehler bei der Festsetzung zur Körperschaftsteuer 1997 "infiziert" und dies mache die Haftungsinanspruchnahme des Klägers insgesamt ermessensfehlerhaft. |
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. |
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