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II. Die Revisionen der Beteiligten sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Die bisherigen Feststellungen des FG reichen nicht aus, eine abschließende Entscheidung über die Höhe der –in ihrem Anwendungsbereich aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht auf einen verhältnismäßigen Kern beschränkten und bei der Ermittlung des Übernahmeverlusts anzusetzenden– Sperrbeträge und die Höhe der Gewerbesteuer-Rückstellungen zu treffen. |
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1. Geht das Vermögen einer Körperschaft durch Umwandlung auf eine Personengesellschaft über, ist auf der Ebene der Personengesellschaft durch Gegenüberstellung des Wertes, mit dem die übergehenden Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, und des Buchwerts der Anteile an der übertragenden Körperschaft der Übernahmegewinn/-verlust zu ermitteln (§ 4 Abs. 4 UmwStG 1995). Dies gilt für den Fall, dass eine Körperschaft formwechselnd in eine Personengesellschaft umgewandelt wird (§§ 190 ff. UmwG 1995), entsprechend (§ 14 UmwStG 1995). Der so ermittelte Übernahmegewinn/-verlust "1. Stufe" ist gemäß § 4 Abs. 5 UmwStG 1995 um die nach § 10 Abs. 1 UmwStG 1995 anzurechnende Körperschaftsteuer und um einen Sperrbetrag i.S. des § 50c EStG 1990 zu erhöhen bzw. zu mindern, soweit die Anteile an der übertragenden Körperschaft am steuerlichen Übertragungsstichtag zum Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft gehörten. Ergibt sich danach weiterhin ein Übernahmeverlust ("2. Stufe"), sind die Wertansätze der übergegangenen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter bis zu ihren Teilwerten aufzustocken; ein dann immer noch verbleibender Betrag mindert den Gewinn der übernehmenden Personengesellschaft (§ 4 Abs. 6 UmwStG 1995). |
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2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund streiten die Beteiligten darum, ob der von der Klägerin erzielte Übernahmeverlust um einen Sperrbetrag i.S. des § 50c EStG 1990 gemindert wird, der auf dem Erwerb der Anteile an der W GmbH durch die GW GmbH bzw. dem Erwerb der Anteile an der G/GW GmbH durch die GV GmbH beruht. Diese Frage ist –entgegen der Annahme der Vorinstanz– nach deutschem Recht zu bejahen. |
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a) Nach § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 kann ein zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigter Steuerpflichtiger, der einen Anteil an einer in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder in dem Zeitpunkt der Gewinnminderung unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erwirbt, Gewinnminderungen, die (u.a.) durch den Ansatz des niedrigeren Teilwerts im Jahr des Erwerbs oder in einem der folgenden neun Jahre entstehen, bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigen, soweit der Ansatz des niedrigeren Teilwerts nur auf Gewinnausschüttungen (u.a.) zurückgeführt werden kann und die Gewinnminderungen insgesamt den Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Nennbetrag des Anteils (sog. Sperrbetrag, vgl. § 50c Abs. 4 EStG 1990) nicht übersteigen; wirtschaftlich entspricht dieser Sperrbetrag den vom Erwerber als Teil des Kaufpreises bezahlten offenen Rücklagen bzw. stillen Reserven der Kapitalgesellschaft. Dieser (begrenzten) Nichtberücksichtigung einer Gewinnminderung liegt in erster Linie die Zielsetzung zugrunde, in Fällen der Veräußerung einer Beteiligung durch einen nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner (vgl. § 51 des Körperschaftsteuergesetzes –KStG– 1991 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3, § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1990) die "Abgeltung" des Körperschaftsteuerguthabens über den Kaufpreis zu neutralisieren und dadurch aus Sicht des Anrechnungsverfahrens missbräuchlichen Gestaltungen entgegenzuwirken (vgl. BTDrucks 8/3648, S. 22 ff.; BTDrucks 8/4157, S. 5 f.). Da der Veräußerungsgewinn der inländischen Besteuerung regelmäßig entzogen ist, wird, um dieses Regelungsziel durchzusetzen, in gewisser Weise systemwidrig verfahren und nicht an die Besteuerung des nichtanrechnungsberechtigten Anteilsveräußerers, sondern an die Gewinnermittlung des anrechnungsberechtigten Steuerpflichtigen angeknüpft, indem der ausschüttungs- oder abführungsbedingte Ansatz des niedrigeren Teilwerts bei diesem unberücksichtigt bleibt. Die Belastung der Erträge mit Körperschaftsteuer während der Besitzzeit des Nichtanrechnungsberechtigten wird dadurch bei dem (anrechnungsberechtigten) Anteilserwerber definitiv; eine "Einmalbesteuerung" im Inland wird sichergestellt (Senatsurteile vom 7. November 2007 I R 41/05, BFHE 219, 549, BStBl II 2008, 604; vom 12. November 2008 I R 77/07, BFHE 224, 32, BStBl II 2009, 831, je m.w.N.). |
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b) Die Voraussetzungen für die Bildung eines Sperrbetrages gemäß § 50c Abs. 1 EStG 1990 waren im Augenblick des Erwerbs der 5 %igen Beteiligung an der GW GmbH durch die GV GmbH und der insgesamt 100 %igen Beteiligung an der W GmbH durch die GW GmbH erfüllt. Dies gilt auch für das zwischen den Beteiligten allein streitige Tatbestandsmerkmal des Erwerbs von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner. |
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Die Vorinstanz hat die jeweiligen Anteilsveräußerer –in Großbritannien ansässige Kapitalgesellschaften– nicht als nichtanrechnungsberechtigte Anteilseigner i.S. des § 50c Abs. 1 EStG 1990 angesehen. Dazu hat das FG darauf verwiesen, dass ein in Großbritannien ansässiger Anteilseigner ähnlich dem in Deutschland geltenden Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren eine Steuergutschrift in Höhe der von seiner Kapitalgesellschaft für die ausgeschütteten Gewinne bezahlten "advance corporation tax" erhalte und dass dabei gemäß Art. XVIII Abs. 1 Buchst. b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26. November 1964 (BGBl II 1966, 359, BStBl I 1966, 730) i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 23. März 1970 (BGBl II 1971, 46, BStBl I 1971, 140) jedenfalls auch die Körperschaftsteuer einzubeziehen sei, die eine deutsche ausschüttende Gesellschaft in Deutschland zu entrichten hatte. Auf dieser Grundlage ("Anrechnungsberechtigung") greife § 50c Abs. 1 EStG 1990 schon seinem Wortlaut nach nicht ein. Dieser Ansicht folgt der Senat nicht. |
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Der Tatbestand des § 50c Abs. 1 EStG 1990, der einen Erwerb eines Anteils an einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft durch einen zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten Steuerpflichtigen von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erfasst, nimmt auf den Ausschluss von der Anrechnung der Körperschaftsteuer durch § 50 Abs. 5 Satz 2 EStG 1990 und § 51 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 KStG 1991 Bezug. Dass eine Steueranrechnung im ausländischen Wohnsitz- bzw. Sitzstaat des Anteilseigners auf der Grundlage eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht tatbestandserheblich ist, folgt insbesondere aus dem Zweck der Vorschrift, die Einmalbesteuerung in Deutschland erzielter Gewinne mit inländischer Ertragsteuer zu gewährleisten. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn eine –nach welchen Maßgaben auch immer ausgestaltete– Anrechnung deutscher Körperschaftsteuer auf eine ausländische Steuer den Tatbestand des § 50c EStG 1990 ausschließen könnte. Auch zeigt § 50c Abs. 6 EStG 1990, der den Wechsel eines bisher nicht anrechnungsberechtigten Anteilseigners in die Anrechnungsberechtigung regelt, was insbesondere dem Wechsel von der beschränkten in die unbeschränkte Steuerpflicht entspricht (z.B. BTDrucks 8/3648, S. 24), den tatbestandlichen Bezug zu dem auf unbeschränkt Steuerpflichtige abzielenden Anrechnungsverfahren des nationalen Rechts auf. Auf dieser Grundlage geht die ganz herrschende Ansicht davon aus, dass der Tatbestand des § 50c Abs. 1 EStG 1990 bei beschränkter Steuerpflicht des Veräußerers stets anzuwenden ist, ohne dass es auf eine kraft Doppelbesteuerungsabkommens im ausländischen Staat eingeräumte Anrechnungsmöglichkeit ankommt (z.B. Dötsch in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 50c EStG Rz 40; Blümich/ Hofmeister, EStG/KStG/GewStG, § 50c EStG Rz 10; Krebs/ Bödefeld, Betriebs-Berater 2004, 407, 408; wohl auch Kempermann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50c EStG Rz 8). Dem schließt sich der Senat an. |
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Ein abweichendes Ergebnis lässt sich für den Fall, dass der nichtanrechnungsberechtigte beschränkt Steuerpflichtige innerhalb der Europäischen Union ansässig ist, vor dem Hintergrund der einschlägigen Spruchpraxis des EuGH (vgl. etwa Urteile vom 6. Juni 2000 C-35/98 "Verkooijen", Slg. 2000, I-4071; vom 12. Dezember 2002 C-324/00 "Lankhorst-Hohorst", Slg. 2002, I-11779; vom 7. September 2004 C-319/02 "Manninen", Slg. 2004, I-7477) auch nicht im Wege einer gemeinschaftsrechtskonformen Regelungsauslegung erreichen. Wortlaut und Zweck der Vorschrift belassen insoweit keine Auslegungsspielräume. |
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c) Der den Anteilen an der W GmbH anhaftende Sperrbetrag ist im Zuge der Verschmelzung der W GmbH auf die G/GW GmbH nicht untergegangen. Zwar ist er, da die Verschmelzung ohne Ausgabe neuer Anteile vollzogen wurde, entgegen der Revision des FA nicht gemäß § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 (i.d.F. vor dem Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) auf die Anteile an der GW GmbH "verlagert" worden. Eine Berücksichtigung des Sperrbetrages bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses der Klägerin folgt jedoch aus § 50c Abs. 7 EStG 1990. |
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§ 50c Abs. 7 EStG 1990 unterwirft ausschüttungsbedingte Gewinnminderungen aus Anteilen an einer Tochtergesellschaft, die ihrerseits Erwerberin i.S. des § 50c EStG 1990 ist, den Rechtsfolgen dieser Vorschrift. Damit sollte insbesondere eine Fallgestaltung getroffen werden, bei der zwischen dem nichtanrechnungsberechtigten Anteilsveräußerer und dem anrechnungsberechtigten Erwerber eine anrechnungsberechtigte Person zwischengeschaltet wurde, die –vom Erwerber durch Einlagen ausgestattet– die Beteiligung erwarb und dann die von ihr im Erwerbspreis der Anteile mitbezahlten Dividenden an den Erwerber weiter ausschüttete (BTDrucks 12/5016, S. 89 f.). Neben den Gewinnminderungen durch den (ausschüttungsbedingten) Ansatz des niedrigeren Teilwerts ist vom sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift eine Gewinnminderung bei der Muttergesellschaft erfasst, die bei Auflösung oder Herabsetzung des Nennkapitals der Tochtergesellschaft entsteht, soweit sie darauf zurückzuführen ist, dass "Gewinnausschüttungen im Sinne des Absatzes 1 weitergeleitet worden sind". |
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Zu dieser zuletzt angeführten Variante der Regelung wird die Auffassung vertreten, dass die Verschmelzung der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft der Auflösung der Tochtergesellschaft gleichgestellt werden kann. Dieser Auffassung hat sich der Senat in seinen Urteilen in BFHE 219, 549, BStBl II 2008, 604 und in BFHE 224, 32, BStBl II 2009, 831 angeschlossen. Daran hält er fest. Dass die Berechnung des die Anteile an der W GmbH betreffenden Sperrbetrages (322.565.500 DM) den Maßgaben des § 50c Abs. 4 EStG 1990 entspricht, ist unter den Beteiligten nicht in Streit. |
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d) Bei der Berechnung des Übernahmeverlusts gemäß § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG 1995 war die Rechtsfolge des § 5 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 1995 zu beachten. Daher war der Übernahmegewinn/-verlust im Streitfall so zu ermitteln, als seien Anteile an der übertragenden Körperschaft –hier: der GW GmbH–, die zum inländischen Betriebsvermögen eines Gesellschafters der übernehmenden Personengesellschaft –hier: der GV GmbH– gehören, zum Buchwert in das Betriebsvermögen der Personengesellschaft überführt worden. Dass die Berechnung des diese Anteile betreffenden Sperrbetrages (22.887.706 DM) den Maßgaben des § 50c Abs. 4 EStG 1990 entspricht, ist unter den Beteiligten nicht in Streit. |
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3. Der Ansatz der Sperrbeträge in der vom deutschen Recht vorgegebenen Höhe steht jedoch mit gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen nicht uneingeschränkt in Einklang. Für eine Entscheidung über den Ansatz der Sperrbeträge im Streitfall bedarf es weiterer Sachaufklärung durch das FG. |
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a) Wie der EuGH in seinem Urteil in IStR 2009, 691 entschieden hat, ist Art. 73b EGV (später Art. 56 EG, jetzt Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union –AEUV–) dahin auszulegen, dass er § 50c EStG 1990 nicht entgegensteht, soweit sich diese Regelung auf das beschränkt, was erforderlich ist, um die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und um rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu verhindern, die allein zu dem Zweck geschaffen wurden, ungerechtfertigt in den Genuss eines Steuervorteils zu kommen. Diese Prüfung sei dem nationalen Gericht vorbehalten. Dieser Prüfungsauftrag lässt Raum für die der ständigen Spruchpraxis des erkennenden Senats entsprechende "geltungserhaltende Reduktion" einer nationalen Norm, um dem Anwendungsvorrang gemeinschaftsrechtlichen Primärrechts (und damit hier der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 EG, jetzt Art. 63 AEUV) vor nationalem Recht durch das "Hineinlesen" der vom EuGH verbindlich formulierten gemeinschaftsrechtlichen Erfordernisse in die betroffene nationale Norm Rechnung zu tragen (vgl. z.B. Senatsurteile vom 10. Januar 2007 I R 87/03, BFHE 216, 312, BStBl II 2008, 22; vom 9. August 2006 I R 31/01, BFHE 214, 496, BStBl II 2007, 838; s. auch Gosch, Deutsches Steuerrecht 2007, 1553, 1555; derselbe, Die Unternehmensbesteuerung 2009, 73, 77 f., jeweils m.w.N.). |
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b) Die Prüfung, ob sich § 50c EStG 1990 auf das beschränkt, was erforderlich ist, um die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und um rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu verhindern, die allein zu dem Zweck geschaffen wurden, ungerechtfertigt in den Genuss eines Steuervorteils zu kommen, bezieht sich nach den Vorgaben des EuGH-Urteils in IStR 2009, 691 zunächst auf die Bemessung des Sperrbetrages. Indem der Sperrbetrag anhand der Anschaffungskosten der betreffenden Anteile errechnet wird und sich allein darauf bezieht, dass der Kaufpreis den Nennbetrag der Anteile übersteigt, beruht er auf der (gesetzlichen) Vermutung, "dass jede Erhöhung des Verkaufspreises unweigerlich die Berücksichtigung der Steuergutschrift umfasst", obgleich "die nicht ausgeschütteten Gewinne und die Möglichkeit, in den Genuss einer mit den Anteilen zusammenhängenden Steuergutschrift zu kommen, nur ein Bestandteil des Verkaufspreises der Anteile" sein kann (EuGH-Urteil in IStR 2009, 691, dort Rz 94 bis 96). |
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Die gesetzliche Regelung zur Ermittlung des Sperrbetrages in § 50c Abs. 4 Satz 1 EStG 1990 lässt mit dem Hinweis auf den Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Nennbetrag der Anteile nach seinem Wortlaut keine Möglichkeit erkennen, einen solchen Unterschiedsbetrag auf seine Veranlassung hin zu untersuchen und gegebenenfalls aufzuspalten. Eine solche Differenzierung ist aber nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erforderlich, um die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung zu wahren. Dem Erwerber der Anteile muss die Möglichkeit eingeräumt werden, nachzuweisen, dass der konkret gezahlte Kaufpreis eine besondere Vergütung des bereits bestehenden Körperschaftsteuerguthabens (bezogen auf bereits versteuerte Rücklagen, die bei einer Ausschüttung eine Körperschaftsteuerminderung bei der Körperschaft und eine Körperschaftsteueranrechnung beim Ausschüttungsempfänger zur Folge haben, s. dazu Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 50c EStG Rz 6, 11) nicht beinhaltet, sondern dieser Kaufpreis auch einem anrechnungsberechtigten Anteilsverkäufer gezahlt worden wäre (s. insoweit auch Lieber, jurisPR-SteuerR 51/2009 Anm. 5, zu C.). |
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Dass der Sperrbetrag neben den im Kaufpreis mitbezahlten offenen Rücklagen auch die stillen Reserven der Kapitalgesellschaft, die im Augenblick der Anteilsübertragung vorhanden sind, erfasst, wird zwar von der Klägerin gerügt. § 50c EStG 1990 schieße insoweit über seinen Zweck –die Verhinderung der Körperschaftsteuer-Anrechnung "über die Grenze"– hinaus (s. auch Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 50c EStG Rz 81). Denn über die Einbeziehung der stillen Reserven, die bisher im Inland nicht zu besteuern waren und daher auch keinen Körperschaftsteuer-Anrechnungsanspruch ausgelöst haben, wird im Sperrbetrag letztlich eine Besteuerung dieser stillen Reserven im Inland erreicht (bzw. eine Besteuerung einer Ausschüttung dieser stillen Reserven, im Streitfall in Gestalt der Verringerung des Übernahmeverlusts). |
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Der Senat schließt sich dieser Kritik aber nicht an. Denn mit der Erfassung der stillen Reserven im Sperrbetrag wird nicht auf die Wertsteigerung der Anteile zugegriffen, die der Besteuerungsbefugnis des Sitzstaates des Anteilsveräußerers unterliegen. Vielmehr geht es um die (Einmal-)Besteuerung der im Inland erwirtschafteten stillen Reserven der juristischen Person, die ansonsten unter Berücksichtigung der Wirkungen der einkommensmindernden ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung beim Anteilserwerber –der zugleich Empfänger der Ausschüttung ist, die wiederum als aus der Realisierung dieser stillen Reserven finanziert angesehen werden kann– gefährdet wäre. Damit wird dem Gesichtspunkt der angemessenen Abgrenzung der Besteuerungsbefugnisse der Mitgliedstaaten, die der EuGH als Rechtfertigungsgrund einer Beschränkung anerkannt hat, entsprochen, soweit die im Sperrbetrag erfassten stillen Reserven als der deutschen Besteuerung unterliegend angesehen werden können. |
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c) In eine Prüfung, ob sich § 50c EStG 1990 auf das beschränkt, was erforderlich ist, um die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, kann nach den Vorgaben des EuGH-Urteils in IStR 2009, 691 (dort Rz 97 f.) gegebenenfalls auch die Wirkung weiterer Steuerarten einzubeziehen sein. Dazu wird von der Klägerin darauf verwiesen, dass die Berücksichtigung des Sperrbetrags und die Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Steuer des gebietsansässigen Anteilseigners auch für andere Steuern, denen der Anteilseigner unterliegen könne, insbesondere für die Berechnung der von ihm geschuldeten Gewerbesteuer, Folgen habe (s. auch Lieber, a.a.O.). Dem ist vom BMF entgegengehalten worden, dass jedenfalls in der Situation des § 4 Abs. 5 UmwStG 1995 eine Ausschüttung zu Buchwerten erfolgt, so dass der Gesichtspunkt der Sicherstellung der (inländischen) Einmalbesteuerung nicht berührt ist. Letzterem folgt der Senat. Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, dass die Gewerbesteuer nicht durch den Tatbestand, der die Rechtsfolge des § 50c EStG 1990 nach sich zieht, ausgelöst wird, sondern sie vielmehr nur an die Erhöhung der inländischen Bemessungsgrundlage anknüpft (§ 6 Satz 1 i.V.m. § 7 des Gewerbesteuergesetzes 1991). Ihr kommt daher kein eigenständiger Regelungszweck im hier streitigen Zusammenhang zu (so im Ergebnis auch Gosch, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung 2009, 418, 419), was allerdings die Erfassung als Gewerbeertrag nicht hindert (s. dazu auch Senatsurteil vom 22. Februar 2006 I R 120/04, BFHE 213, 25, BStBl II 2007, 321). |
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d) Nach den Vorgaben des EuGH-Urteils in IStR 2009, 691 (dort Rz 99 f.) kann dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf das Regelungsziel, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu verhindern, die allein zu dem Zweck geschaffen wurden, ungerechtfertigt in den Genuss eines Steuervorteils zu kommen, nur dadurch entsprochen werden, dass es einem nationalen Gericht möglich ist, eine Einzelfallprüfung durchzuführen und sich dabei für die Berücksichtigung von missbräuchlichem oder betrügerischem Verhalten der betroffenen Personen auf objektive Elemente zu stützen. Wenn man diese Möglichkeit zur gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung des § 50c EStG 1990 einbezieht, muss das Gemeinschaftsrecht der Anwendung der Sperrbeträge im Streitfall nicht entgegenstehen. |
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Unter den Beteiligten ist streitig, ob diesem Rechtfertigungserfordernis eine eigenständige Bedeutung zukommt. So ist das BMF der Auffassung, dass eine solche missbrauchsabwehrbezogene Rechtfertigung dann entbehrlich ist, wenn die Regelung (wie im Streitfall § 4 Abs. 5 UmwStG 1995 i.V.m. § 50c EStG 1990) nicht speziell einem Missbrauchsverhinderungszweck dient und in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Sicherstellung der Einmalbesteuerung im Inland erzielter Gewinne steht. Jedoch lässt sich dem EuGH-Urteil in IStR 2009, 691 eine als Alternativangebot ausgestaltete Rechtfertigung nicht entnehmen. Vielmehr heißt es dort ausdrücklich, dass es "Sache des vorlegenden Gerichts (sei), zu prüfen, ob sich die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung auf das beschränkt, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist". Dies schließt es wiederum aber nicht aus, beide rechtfertigenden Gesichtspunkte –die Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten und die Notwendigkeit der Verhinderung einer Steuerumgehung– in eine "Gesamtbetrachtung" der Rechtfertigung einzufügen (EuGH-Urteile vom 18. Juli 2007 C-231/05 "Oy AA", Slg. 2007, I-6373 Rz 63; vom 21. Januar 2010 C-311/08 "SGI", IStR 2010, 144 Rz 69). |
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Im Streitfall liegt ein in einer äußerst engen zeitlichen Abfolge gestalteter konzerninterner Sachverhalt (Anteilserwerb mit zeitnaher Aufwärtsverschmelzung und daran anknüpfender ausschüttungsgleicher Umwandlung) vor, der –wenn der Kaufpreis der Anteile höher war als der Kaufpreis, der an einen anrechnungsberechtigten Anteilsverkäufer gezahlt worden wäre (s. insoweit Lieber, a.a.O.)– zumindestens auch zum Zweck hatte, die Einmalbesteuerung der im Inland erwirtschafteten Vermögenszuwächse zu vermeiden. Dass der Anteilserwerb, wie die Klägerin vorgetragen hat, Teil einer übernationalen Unternehmensumstrukturierung war, tritt bei einer solchen Ausgestaltung des Geschäfts zurück. Der Ansatz der Sperrbeträge im Streitfall wäre dann als gerechtfertigt anzusehen. |
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e) Die Feststellungen des FG zu den Übertragungsvorgängen reichen nicht aus, die Ermittlung der jeweiligen Sperrbeträge –bezogen auf den Erwerb der Anteile an der W GmbH in zwei Teilakten durch die G GmbH bzw. den Erwerb der Anteile an der G/GW GmbH durch die GV GmbH– nach den oben dargelegten Maßgaben durchzuführen bzw. zu der Rechtfertigung i.S. der Ausführungen zu d) zu entscheiden. Insoweit sind weitere Feststellungen, die sich auf die Kaufpreise und die Zusammensetzung des Betriebsvermögens der W GmbH bzw. der G/GW GmbH beziehen, erforderlich. Dies nachzuholen, ist Aufgabe des FG. Die Klägerin trägt die Feststellungslast für die sperrbetragsmindernde Differenzierung des Anteilskaufpreises ("Gegenbeweis" des Steuerpflichtigen, so im Ergebnis auch Lieber, a.a.O.). |
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4. Bei der Ermittlung der festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind Gewerbesteuer-Rückstellungen in einer Höhe anzusetzen, die einer Ermittlung des Gewerbeertrages unter Berücksichtigung des Ansatzes der sog. Sperrbeträge (und der entsprechenden Folgewirkungen auf die Höhe des Übernahmeverlusts) entsprechen. |
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a) Konkrete Feststellungen zur Höhe der bei der Ermittlung der festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb berücksichtigten Gewerbesteuer-Rückstellungen sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Aus dem Urteil folgt nur, dass das FG davon ausgegangen ist, dass die Klägerin "in ihren Bilanzen für die Streitjahre wegen der ungeklärten Rechtsfrage" (hinsichtlich der geltend gemachten Gewinnminderungen durch eine AfA auf den Marktwert) "rein vorsorglich entsprechend höhere Gewerbesteuerrückstellungen gebildet" habe. Eine "(Vorsorge-)Rückstellung" könne jedoch frühestens mit der Beanstandung einer bestimmten Sachbehandlung durch den Betriebsprüfer gebildet werden; da die Betriebsprüfung aber erst nach der Aufstellung der Bilanz des letzten Streitjahrs begonnen habe, seien die Gewerbesteuer-Rückstellungen "im Wege der Bilanzberichtigung für die einzelnen Streitjahre im Ergebnis insoweit erfolgswirksam aufzulösen". |
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b) Dem FG ist zwar insoweit zu folgen, dass nach der BFH-Rechtsprechung zur Rückstellungsbildung bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen grundsätzlich die verpflichtungsbegründenden Tatsachen den Fachbehörden bekannt sein müssen bzw. deren Aufdeckung unmittelbar bevorstehen muss (z.B. BFH-Urteil vom 27. November 2001 VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731; Senatsurteil vom 16. Februar 1996 I R 73/95, BFHE 180, 110, BStBl II 1996, 592). Auf der anderen Seite hat der Senat bereits im Urteil vom 18. Juli 1973 I R 11/73 (BFHE 110, 226, BStBl II 1973, 860) den allgemeinen Grundsatz hervorgehoben, dass für die Frage der Aktivierungspflicht und der Passivierungspflicht und damit für die Frage, ob die Bilanz richtig oder unrichtig ist, der Erkenntnisstand des sorgfältigen Kaufmanns bei Aufstellung der Bilanz zu berücksichtigen ist. Das führt dazu, dass der Steuerpflichtige Mehrsteuern zu passivieren hat, wenn er bei Aufstellung der Bilanz unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns konkret mit der Entstehung der Mehrsteuern rechnen muss (§ 249 i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 und § 253 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs). |
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c) Für den Streitfall folgt daraus, dass die von der Klägerin gebildeten Gewerbesteuer-Rückstellungen dem Grunde und der Höhe nach bei der steuerlichen Einkünfteermittlung beizubehalten ist, soweit sie tatsächlich die einkünfteerhöhenden Umstände der Änderungsbescheide (Ansatz der Sperrbeträge) vorweggenommen haben sollten. Denn jene Rückstellungen waren einerseits unter Berücksichtigung der Verwaltungsauffassung zum Ansatz der Sperrbeträge ermittelt worden und andererseits in den Handelsbilanzen der Klägerin ausgewiesen sowie eine Folge der von der Klägerin deklarierten Umstrukturierung. Der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass die Finanzbehörde den Steuerbetrag auf dieser Grundlage festsetzt, beeinflusst ebenso wie die Frage, ob die durch Änderungsbescheide umgesetzte Einkünfteerhöhung bis zum Eintritt der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung in dem anhängigen gerichtlichen Verfahren Bestand haben wird, die Höhe der ungewissen Verbindlichkeit am jeweiligen Bilanzstichtag der Streitjahre nicht. |
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d) Die Höhe dieser Rückstellung war aber nicht –ebenso wenig wie der Umstand oder die Höhe einer Gegenkorrektur bei der Einkünfteermittlung durch die Klägerin– Gegenstand der tatrichterlichen Feststellungen des FG. Es obliegt dem FG, entsprechende Feststellungen als Voraussetzungen für eine Ermittlung des festzustellenden Gewinns zu treffen. |
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