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Die Beschwerde ist begründet. Das Unterlassen einer weiteren Sachverhaltsaufklärung durch das FG in Bezug auf eine mögliche Einzahlung des von der Klägerin an X am 9. März 2012 entrichteten Betrags in Höhe von 1.429.400 EUR in eine Lebensversicherung, deren Begünstigte die Klägerin gewesen sein soll, und eine mögliche diesbezügliche Absprache zwischen der Klägerin und X stellt einen Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 76 Abs. 1 FGO dar. Der BFH hebt das Urteil wegen des Verfahrensmangels auf und verweist die Sache nach § 116 Abs. 6 FGO an das FG zurück. |
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1. Das FG hat gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 76 Abs. 1 FGO verstoßen, indem es nicht weiter aufgeklärt hat, ob und ggf. wann der von der Klägerin am 9. März 2012 an X entrichtete Betrag in Höhe von 1.429.400 EUR in eine Lebensversicherung, deren Begünstigte die Klägerin sein sollte, eingezahlt wurde und ob diesbezüglich Abreden zwischen der Klägerin und X getroffen wurden. |
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a) Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Diese Pflicht beinhaltet zwar nicht, jeder fernliegenden Erwägung nachgehen zu müssen. Wohl aber muss das FG die sich im Einzelfall aufdrängenden Überlegungen auch ohne entsprechenden Hinweis der Beteiligten anstellen und entsprechende Aufklärungsmaßnahmen treffen. Die Sachaufklärungspflicht des FG kann allerdings nicht losgelöst von den Mitwirkungspflichten der Beteiligten (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO) gesehen werden (BFH-Beschluss vom 18. September 2013 – X B 38/13, BFH/NV 2014, 54, Rz 32). Die Aufklärung des Sachverhalts unter Ausschöpfung aller potentieller Beweismittel hat Vorrang vor einer Entscheidung unter Anwendung der Grundsätze der Feststellungslast. Die Anwendung der Regeln über die Feststellungslast stellt lediglich eine "ultima ratio" dar; vorrangig sind in jedem Fall eigene Bemühungen des FG zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 54, Rz 37). |
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b) Im Streitfall hat das FG die Auffassung des FA in der Einspruchsentscheidung, die von der Klägerin am 9. März 2012 an X geleistete Zahlung sei in eine Lebensversicherung eingezahlt worden, deren Begünstigte die Klägerin gewesen sei, im Tatbestand seines Urteils wiedergegeben. Nach Angaben der Klägerin sind außerdem in der mündlichen Verhandlung am 21. August 2017 eine mögliche Einzahlung in eine Lebensversicherung zugunsten der Klägerin und eine mögliche Absprache zwischen der Klägerin und X angesprochen worden. Die Klägerin führte überdies die Thematik in ihrer Klagebegründung an. Das FG hat jedoch diesbezüglich den Sachverhalt nicht mehr weiter aufgeklärt. In den Gründen seines Urteils hat es vielmehr ausgeführt, X habe über den erhaltenen Betrag frei verfügen können. Eine mögliche Absprache zwischen der Klägerin und X hat es nicht angesprochen. Diesbezüglich hätte das FG den Sachverhalt –unter Heranziehung der Klägerin und des FA, das eine solche Einzahlung in eine Lebensversicherung aufgeworfen hat– aber weiter aufklären müssen, da es sich um eine entscheidungserhebliche Tatsache handelt. Die weitere Sachverhaltsaufklärung musste sich dem FG zudem aufdrängen, da bereits das AG Zweifel am Vorliegen einer Schenkung hatte und es als ungewöhnlich ansah, dass die Klägerin kurz vor dem Tod des X ihm einen erheblichen Betrag zuwandte, obgleich Erbstreitigkeiten wahrscheinlich waren, und sie nicht davon ausgehen konnte, das Geld im Rahmen des Erbes wieder zu erlangen. Wäre der Geldbetrag hingegen in Absprache zwischen der Klägerin und X an X gezahlt worden mit dem Ziel, dass X den Betrag in eine Lebensversicherung mit der Klägerin als Begünstigte einzahlen würde, hätte die Klägerin bei dem Tod des X wieder von dem Geld profitieren können. Hätte es eine solche Absprache gegeben, dann hätte X über das Geld aber nicht frei verfügen können. Es wäre bereits der objektive Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht erfüllt. Das FG könnte eine freigebige Zuwendung nicht mehr dadurch bejahen, dass es die objektiven Voraussetzungen einer Schenkung annimmt und im Rahmen einer Umkehr der Beweislast auch den subjektiven Tatbestand als erfüllt ansieht. |
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2. Da das FG seine Pflicht aus § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt hat und hierdurch die Voraussetzungen des § 116 Abs. 6 FGO erfüllt sind, war auf die weiteren Rügen der Klägerin nicht mehr in Einzelheiten einzugehen. |
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3. Für das weitere Verfahren weist der BFH –ohne Bindungswirkung– auf Folgendes hin: |
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Sollte das FG nach weiterer Aufklärung des Sachverhalts zu der Auffassung gelangen, die Zahlung der Klägerin an X am 9. März 2012 stelle eine freigebige Zuwendung dar, wird es zu prüfen haben, ob die Klägerin im Jahr 2012 unbeschränkt steuerpflichtig nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a oder b ErbStG war. Das würde voraussetzen, dass die Klägerin im Inland einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG) oder sich noch nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten hat, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG). |
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a) Die Frage, ob eine natürliche Person im Inland einen Wohnsitz hat, beurteilt sich nach § 8 der Abgabenordnung (AO). Danach kommt es darauf an, ob die betroffene Person im Inland eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. |
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Begibt sich ein Steuerpflichtiger ins Ausland, ist zu prüfen, ob er seinen vorher im Inland begründeten Wohnsitz während seines Auslandsaufenthalts beibehalten oder aufgegeben hat. Der Wohnsitz wird erst dann aufgegeben, wenn die Voraussetzungen des § 8 AO nicht mehr erfüllt sind. Ob dies der Fall ist, richtet sich ebenfalls nach objektiv erkennbaren Umständen (BFH-Urteil vom 24. Juli 2018 – I R 58/16, BFH/NV 2019, 104, Rz 16 f.). |
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Ein Steuerpflichtiger kann gleichzeitig mehrere Wohnsitze haben und diese können im Inland und/oder Ausland belegen sein. Demgemäß ist es auch für das Vorliegen eines Wohnsitzes im Inland ohne Bedeutung, ob dieser den Mittelpunkt der Lebensinteressen der betreffenden Person bildet (BFH-Urteil vom 10. April 2013 – I R 50/12, BFH/NV 2013, 1909, Rz 13). |
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Ein inländischer Wohnsitz kann auch dann zur unbeschränkten Steuerpflicht eines Steuerpflichtigen führen, wenn der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen sich im Ausland befindet (vgl. zur unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 des Einkommensteuergesetzes BFH-Urteil vom 28. Januar 2004 – I R 56/02, BFH/NV 2004, 917, unter II.3.d). |
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Ein Wohnsitz nach § 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumen das Innehaben der Wohnung in dem Sinn voraus, dass der Steuerpflichtige tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit –wenn auch in größeren Zeitabständen– aufsucht. Der Wohnsitzbegriff setzt keinen Aufenthalt während einer Mindestzeit voraus. Erforderlich ist aber eine Nutzung, die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte und das Aufsuchen der Wohnung zu Verwaltungszwecken hinausgeht (BFH-Urteil vom 25. September 2014 – III R 10/14, BFHE 247, 239, BStBl II 2015, 655, Rz 14 f., m.w.N.). Auch unregelmäßige Aufenthalte in einer Wohnung können zur Aufrechterhaltung eines dortigen Wohnsitzes führen (BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 917, unter II.3.b). Ausreichend ist z.B. eine Nutzung der Wohnung zweimal jährlich für mehrere Wochen (BFH-Urteil vom 23. November 1988 – II R 139/87, BFHE 155, 29, BStBl II 1989, 182). |
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Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ausschließlich nach tatsächlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Wegen dieser objektiven Betrachtungsweise ist es daher z.B. ohne Bedeutung, wo jemand polizeilich gemeldet ist (BFH-Urteile vom 27. April 1995 – III R 57/93, BFH/NV 1995, 967, unter 1., und vom 22. August 2007 – III R 89/06, BFH/NV 2008, 351, unter II.1.). Auch die Angabe einer Postadresse reicht für einen Wohnsitz nicht aus. |
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Die Beurteilung, ob die Umstände auf eine Beibehaltung und Nutzung der Wohnung schließen lassen, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet. Das FG hat die Tatsachen, die auf einen Wohnsitz schließen lassen, festzustellen und zu würdigen (BFH-Urteil in BFH/NV 2019, 104, Rz 11 f.). |
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b) Im Streitfall hat das FG für die Annahme einer zumindest erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG festzustellen, ob objektive Umstände den Schluss zulassen, dass die Klägerin zumindest bis 9. März 2007 ihren inländischen Wohnsitz beibehalten hat. Dafür hat das FG festzustellen, ob und in welchem konkreten Zeitraum die Klägerin die inländische Wohnung in einem Umfang genutzt hat, der über einen bloßen Besuchscharakter hinausgeht. Die pauschale Angabe, die Klägerin habe bis in das Jahr 2008 hinein die Wohnung regelmäßig in einem nicht so unerheblichen Umfang genutzt, dass sie dort –neben ihrem Wohnsitz in der Schweiz– einen weiteren Wohnsitz gehabt habe, reicht nicht aus. Erforderlich sind Angaben zum Zeitpunkt (Bezeichnung des Monats/der Monate) und der konkreten Dauer (Angabe der Tage/ Wochen), in denen das FG von einer Nutzung der inländischen Wohnung durch die Klägerin ausgeht. |
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. |
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