|
|
|
Die Beschwerde ist unbegründet und war daher zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend die von der Antragstellerin beantragte AdV der angefochtenen Steuerbescheide vom 5. November 2015 für die Monate August 2014 bis Juni 2015 über Spielvergnügungsteuer abgelehnt. |
|
|
1. Das FG hat sich zu Recht –entgegen der Auffassung der Antragstellerin– nicht auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Sicherheitsleistung beschränkt, sondern auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer AdV nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geprüft. Diese Prüfung war rechtmäßig. In Fällen, in denen die Finanzbehörde nach § 361 AO eine AdV nur gegen Sicherheitsleistung anordnet und dem Steuerpflichtigen für die Erbringung der Sicherheitsleistung eine Frist setzt, hat das FG auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der AdV zu prüfen, wenn im Zeitpunkt der Stellung des gerichtlichen AdV-Antrags nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO die Frist bereits (erfolglos) abgelaufen war. |
|
|
Dies folgt aus der Rechtsnatur der Anordnung einer Sicherheitsleistung. Bei dieser handelt es sich um eine unselbständige Nebenbestimmung, die der Aussetzungsentscheidung als aufschiebende Bedingung (vgl. § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO) beigefügt wird. Die Wirkungen der AdV treten nur und erst dann ein, wenn der Steuerpflichtige die Sicherheit leistet (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Mai 2000 VI B 266/98, BFHE 192, 1, BStBl II 2000, 536, unter II.10., m.w.N.). Erbringt der Steuerpflichtige innerhalb der von der Finanzbehörde gesetzten Frist die Sicherheitsleistung dagegen nicht, geht die getroffene Verfügung der Finanzbehörde ins Leere. Stellt der Steuerpflichtige nach Fristablauf einen gerichtlichen AdV-Antrag nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO, der auf AdV des angefochtenen Verwaltungsakts ohne Sicherheitsleistung gerichtet ist, muss das FG deshalb über die Tatbestandsvoraussetzungen der AdV insgesamt entscheiden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. August 1989 I B 39/89, BFH/NV 1990, 161, unter II.1., und vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, BFHE 183, 174, unter II.1.; vgl. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 FGO Rz 411). Aus den BFH-Beschlüssen vom 4. Februar 1998 VIII S 6/97 (BFH/NV 1998, 987) und vom 7. Mai 2008 IX S 26/07 (BFH/NV 2008, 1498) ergibt sich nichts anderes. Diesen Beschlüssen lagen andere Sachverhalte zugrunde. Zwar hatten in diesen Fällen die Finanzbehörden die Gewährung der AdV auch jeweils von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Sie hatten aber für die Erbringung der Sicherheitsleistung keine Frist gesetzt. |
|
|
2. Der Antrag der Antragstellerin auf AdV bzw. Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 3 und Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO ist zulässig. |
|
|
a) Der Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung der Steuerbescheide vom 5. November 2015 für die Monate August 2014 bis Juni 2015 über Spielvergnügungsteuer ab Antragstellung beim FG am 9. Februar 2016 bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung in Höhe von insgesamt 25.694,47 EUR ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, ist als Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 3 und Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO ab Fälligkeit auszulegen. |
|
|
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Ist der Verwaltungsakt, dessen Rechtswidrigkeit der Antragsteller geltend macht, bereits vollzogen, kommt nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO nur noch die Aufhebung der Vollziehung in Betracht. Im Streitfall sind die angefochtenen Steuerbescheide bereits durch Zahlung der streitigen Steuerforderungen durch die Antragstellerin vollzogen. Es kommt daher nur (noch) ein Antrag auf Aufhebung der Vollziehung in Betracht. |
|
|
b) Die besondere Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 FGO ist erfüllt. Nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ist der Antrag nach Abs. 3 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf AdV ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Eine teilweise Ablehnung durch die Finanzbehörde liegt z.B. vor, wenn –wie im Streitfall– das FA eine uneingeschränkt beantragte AdV nur gegen Sicherheitsleistung bewilligt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 1. September 2010 XI S 6/10, BFH/NV 2010, 2140, Rz 16, m.w.N.). Die besondere Zugangsvoraussetzung nach § 69 Abs. 4 FGO erfasst auch einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. März 2013 XI B 14/13, BFHE 240, 223, BStBl II 2013, 390, Rz 13, m.w.N.). |
|
|
3. Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 3 und Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO ist jedoch unbegründet. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide. |
|
|
a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 3 und Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Aufhebung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat. |
|
|
Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren über die Aufhebung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der Aufhebung der Vollziehung ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe i.S. einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 8. Februar 2017 X B 138/16, BFH/NV 2017, 579, Rz 32, m.w.N.). |
|
|
b) Zu den ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts gehören auch ernstliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit eines Gesetzes selbst, auf dem die Steuerfestsetzung beruht. Denn auch die vollziehende Gewalt ist nach Art. 20 Abs. 3, Art. 1 Abs. 3 des Grundgesetzes an Gesetz und Recht, insbesondere an die Grundrechte gebunden. Hat jedoch ein oberstes Bundesgericht die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes ausdrücklich bejaht, liegen ernstliche Zweifel im Allgemeinen nicht vor (vgl. BFH-Beschluss vom 21. September 1988 V B 137/87, BFH/NV 1989, 271, m.w.N.; Urteil des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 21. Februar 1961 1 BvR 314/60, BVerfGE 12, 180, BStBl I 1961, 63, unter B.II.). |
|
|
Bei ernstlichen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes setzt die AdV bzw. Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 3 und Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich voraus, dass ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, dem der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt (vgl. BFH-Beschluss vom 2. März 2017 II B 33/16, BFHE 257, 27, BStBl II 2017, 646, Rz 22, m.w.N.). Bei der Prüfung, ob ein solches berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen besteht, ist dieses mit den gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer AdV bzw. Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an. Dem bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG bestehenden Geltungsanspruch jedes formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes ist der Vorrang einzuräumen, wenn die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes führen würde, die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids im Einzelfall eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen als eher gering einzustufen sind und der Eingriff keine dauerhaften nachteiligen Wirkungen hat (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 257, 27, BStBl II 2017, 646, Rz 23, m.w.N.). |
|
|
4. Entsprechend diesen Grundsätzen ist die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Schätzbescheide nicht ernstlich zweifelhaft. |
|
|
a) Die Vollziehung war –wie das FG zutreffend entschieden hat– nicht im Hinblick auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes und das hierzu beim BFH anhängige Verfahren II R 21/15 aufzuheben. Dies folgt zum einen daraus, dass der BFH mit Urteil vom 7. Dezember 2011 II R 51/10 (BFH/NV 2012, 790) die Verfassungsmäßigkeit des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes ausdrücklich bejaht hat. Zum anderen würde die Aufhebung der Vollziehung im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes, nämlich des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes führen. Dieses Gesetz ist formell verfassungsgemäß zustande gekommen und kann daher bis zu einer Entscheidung des BVerfG Geltung beanspruchen. Die Antragstellerin hat kein besonderes berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, dem Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt. |
|
|
b) Das durch das FA im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren II R 21/15 angeordnete Ruhen des Einspruchsverfahrens stellt für sich genommen –anders als die Antragstellerin meint– ebenfalls keinen Grund für eine Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 3 und Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO dar. |
|
|
c) Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer AdV bzw. Aufhebung der Vollziehung auch nicht aus anderen Gründen vorliegen. |
|
|
aa) Das FA durfte die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2, § 158 AO i.V.m. § 1 Nr. 1 des Hamburgischen Abgabengesetzes wegen sachlicher Unrichtigkeit der Buchführung der Antragstellerin schätzen. Das FA war aufgrund der in den drei Nachschauen gewonnenen Auslesedaten berechtigt, die Buchführung der Antragstellerin sachlich zu verwerfen. Hierzu durfte es die mit amtseigenen Geräten ermittelten Auslesedaten der Nachschauen heranziehen, da es nach § 11 Abs. 2 HmbSpVStG berechtigt war, die Spielgeräte der Antragstellerin mit einem eigenen Gerät auszulesen. Auf die Frage, ob die Buchführung der Antragstellerin formell ordnungsgemäß war, kommt es im Streitfall deshalb nicht mehr an. |
|
|
(1) Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann (sog. Vorrang der Sachverhaltsermittlung und -feststellung, vgl. BFH-Beschluss vom 13. Juli 2010 V B 121/09, BFH/NV 2010, 2015, Rz 5). Liegt diese Voraussetzung vor, hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Ein Ermessen besteht insoweit nicht. |
|
|
§ 162 Abs. 2 AO konkretisiert die wichtigsten Schätzungsanlässe, ist jedoch nicht abschließend (vgl. Wortlaut "insbesondere"; vgl. auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 162 AO Rz 32; Klein/Rüsken, AO, 13. Aufl., § 162 Rz 21). Nach § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO i.V.m. § 158 AO sind die Besteuerungsgrundlagen insbesondere dann zu schätzen, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden. Nach § 158 AO sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass ist, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. § 158 AO begründet eine Rechtsvermutung zugunsten der sachlichen Richtigkeit der Buchführung. Das Ergebnis einer formell ordnungsgemäßen Buchführung ist nur insoweit nicht der Besteuerung zugrunde zu legen, als die Vermutung des § 158 AO von der Finanzbehörde widerlegt wird (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 2015, Rz 4). Aufgrund von Einzelprüfungen wird die sachliche Richtigkeit einer formell ordnungsgemäßen Buchführung erschüttert, wenn nachgewiesen wird, dass einzelne Geschäftsvorfälle nicht oder sachlich unrichtig in der Buchführung dargestellt sind. Die Einzelprüfung kann insofern den zwingenden Beweis dafür liefern, dass das Ergebnis der Buchführung sachlich nicht richtig ist. Sofern lediglich Zweifel an der ordnungsmäßigen Verbuchung einzelner Geschäftsvorfälle bestehen, hängt das weitere Verfahren davon ab, ob der Steuerpflichtige seiner Mitverantwortung für die Sachverhaltsaufklärung nachkommt (vgl. BFH-Beschluss vom 21. April 2005 X B 115/04, juris; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Rz 15). |
|
|
(2) Nach § 11 Abs. 1 HmbSpVStG können zur Sicherstellung einer gleichmäßigen und vollständigen Festsetzung und Erhebung der Spielvergnügungsteuer die Mitarbeiter der zuständigen Behörde ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung Geschäftsgrundstücke und Geschäftsräume von in § 3 HmbSpVStG genannten Personen (Aufsteller der Spielgeräte und Inhaber des Aufstellungsortes) während der Geschäfts- und Arbeitszeiten betreten, um Sachverhalte festzustellen, die für die Besteuerung erheblich sein können (Spielvergnügungsteuernachschau). Nach § 11 Abs. 2 HmbSpVStG haben die in § 3 genannten Personen und die von ihnen betrauten Personen auf Verlangen der Mitarbeiter Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Unterlagen vorzulegen, Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Verrichtungen an den Spielgeräten vorzunehmen, damit die Feststellungen ermöglicht werden. |
|
|
(3) Der Wortlaut des § 11 Abs. 2 HmbSpVStG ist so zu verstehen, dass auch die Mitarbeiter der Finanzbehörde im Rahmen der Nachschau die Spielgeräte mit eigenen Geräten auslesen dürfen. Die Gesetzesformulierung "damit die Feststellungen ermöglicht werden" richtet sich primär an die Mitarbeiter der Finanzbehörden, die nach § 88 Abs. 1 Satz 1 AO den Sachverhalt zu ermitteln haben. Diese Auslegung entspricht dem Sinn und Zweck der Norm, eine zeitnahe und kursorische Kontrolle zu gewährleisten (vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucks 18/2662, 8, zu § 11 HmbSpVStG). |
|
|
Eine solche Kontrollmöglichkeit wäre nicht in der erforderlichen Weise gegeben, wenn die Mitarbeiter der Finanzbehörde die Spielgeräte nicht mit eigenen Geräten auslesen dürften. Zudem ist vorgeschrieben, dass die Geldspielgeräte eine Auslesung ermöglichen müssen. So haben nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 der Spielverordnung die Spielgeräte eine Kontrolleinrichtung zu enthalten, die sämtliche Einsätze, Gewinne und den Kasseninhalt zeitgerecht, unmittelbar und auslesbar erfasst. Geldspielgeräte ohne diese Bauart dürfen nicht zugelassen werden. |
|
|
§ 147 Abs. 6 Satz 1 AO steht dieser Auslegung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift hat die Finanzbehörde, wenn nach § 146 Abs. 1 AO aufzubewahrende Unterlagen mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden sind, im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen. § 11 Abs. 2 HmbSpVStG geht § 147 Abs. 6 Satz 1 AO, der seinem Wortlaut nach ein unmittelbares Zugriffsrecht der Finanzbehörden auf elektronische Daten nur für die Außenprüfung vorsieht, als Spezialnorm vor. |
|
|
(4) Entsprechend diesen Grundsätzen waren die Buchführung und die Aufzeichnungen der Antragstellerin nicht gemäß § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen. Die vom FA durchgeführten Nachschauen ergaben einen um 52 % höheren durchschnittlichen Spieleinsatz pro Tag und Spielgerät als die Antragstellerin angemeldet hatte. In neun der von der Schätzung betroffenen Anmeldungszeiträume betrugen die Abweichungen der bei der Nachschau festgestellten Spieleinsätze von den angemeldeten Spieleinsätzen mehr als 40 %. Da die Antragstellerin diese erheblichen Abweichungen nicht erklären konnte, ist durch die Nachschauen die sachliche Unrichtigkeit der Buchführung belegt. Das FA durfte die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 i.V.m. § 158 AO schätzen. Die Ergebnisse der drei Nachschauen sind verwertbar. Insbesondere steht der Verwertbarkeit nicht entgegen, dass das FA im Rahmen nicht nur der dritten Nachschau die Spielgeräte der Antragstellerin mit einem eigenen Gerät auslas. Nach § 11 Abs. 2 HmbSpVStG war das FA hierzu berechtigt. Hinsichtlich der ersten zwei Nachschauen ist davon auszugehen, dass die Auslesedaten des FA und des Geschäftsführers der Antragstellerin übereinstimmten, da die Antragstellerin nichts Gegenteiliges vorgetragen hat. Es hätte der Antragstellerin im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 1 Satz 1 AO oblegen, Gegenteiliges vorzutragen. |
|
|
bb) Da das FA bereits nach § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO wegen sachlicher Unrichtigkeit der Buchführung zur Schätzung berechtigt war, kann dahinstehen, ob das FA die Besteuerungsgrundlagen auch nach § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2, § 158, § 146 Abs. 4 AO wegen formeller Mangelhaftigkeit der Buchführung schätzen durfte. Darauf, ob die Antragstellerin gegen § 146 Abs. 4 AO verstieß, indem sie die in den Spielgeräten gespeicherten elektronischen Daten vor Ablauf eines zusammenhängenden Monats auslas, löschte und extern (elektronisch) speicherte und bei der Datenübertragung die Möglichkeit einer Manipulation der Daten nicht ausgeschlossen war, kommt es im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht (mehr) an. |
|
|
Daher ist auch nicht mehr darauf einzugehen, welche Bedeutung den Schreiben des FA vom 27. Juni 2014 und vom 16. März 2015 zukommt. |
|
|
cc) An der Rechtmäßigkeit der Schätzungsbescheide bestehen auch der Höhe nach keine ernstlichen Zweifel. |
|
|
(1) Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind gemäß § 162 Abs. 1 Satz 2 AO alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Die gewonnenen Schätzungsergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Deshalb sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um im Rahmen des der Finanzbehörde Zumutbaren die Besteuerungsgrundlagen wenigstens teilweise zu ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 15. April 2015 VIII R 49/12, juris, Rz 19). Ziel der Schätzung ist der Ansatz derjenigen Besteuerungsgrundlagen, die die größtmögliche Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Juni 2003 IV R 36/02, BFHE 202, 395, BStBl II 2003, 871, unter III.1.b). Dabei erscheint eine Schätzung nicht schon deswegen als rechtswidrig, weil sie von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht. Solche Abweichungen sind notwendig mit einer Schätzung verbunden, die in Unkenntnis der wahren Gegebenheiten erfolgt. Die Schätzung erweist sich vielmehr erst dann als rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen verlässt (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, BFHE 169, 503, BStBl II 1993, 259, unter 2.b). In einem Streitverfahren müssen die Schätzungsgrundlagen von der Finanzbehörde so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfbarkeit möglich ist. Das zahlenmäßige Ergebnis der Schätzung muss auf Schlüssigkeit hin kontrollierbar sein (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921, Rz 24). |
|
|
Die Schätzung ist vom Gericht voll überprüfbar, weil sie keine Ermessensentscheidung darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 I R 103/00, BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171, unter III.A.2.b). Dies gilt auch für den BFH im Beschwerdeverfahren. Der BFH ist insoweit Tatsacheninstanz und anders als im Revisionsverfahren nicht an die tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, Rz 31). |
|
|
(2) Entsprechend diesen Grundsätzen kam das FG zutreffend zu dem Ergebnis, dass die Rechtmäßigkeit der Schätzungsbescheide auch der Höhe nach nicht ernstlich zweifelhaft ist. |
|
|
Das FA hat aufgrund der drei Nachschauen am 24. Juni 2014, 3. Dezember 2014 und 28. Juli 2015 einen durchschnittlichen Spieleinsatz von 514 EUR pro Tag und Geldspielgerät ermittelt und sich hieran bei der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für die Steuerbescheide August 2014 bis Juni 2015 orientiert. Es hat die Schätzungsgrundlage im jeweiligen Bescheid dargelegt. Anders als die Antragstellerin meint, sind drei Nachschauen mit einem Nachschauzeitraum von insgesamt mehr als 30 Tagen für die Schätzung der Spieleinsätze in einem Zeitraum von elf Monaten ausreichend. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund anzunehmen, dass das FA unterschiedliche Monatsphasen und Jahreszeiten (Juni, Juli und Dezember) gewählt hat. Saisonale Unterschiede wurden damit berücksichtigt. Zwar ist es zutreffend, dass das FA im Rahmen der Schätzung insgesamt zu wenig gesetzliche Feiertage berücksichtigt hat. Zudem hat es der Berechnung des Durchschnittseinsatzes aus der ersten Nachschau statt eines Nachschauzeitraums von 23 Tagen einen Nachschauzeitraum von nur 22 Tagen zugrunde gelegt. Dies führt aber im Ergebnis nur zu einer Abweichung von 3,5 % des ermittelten Durchschnittseinsatzes zugunsten der Antragstellerin. Angesichts des Umstandes, dass der in den Nachschauen ermittelte Durchschnittseinsatz den tatsächlich angemeldeten durchschnittlichen Spieleinsatz um 52 % übersteigt, fällt die Abweichung von 3,5 % nicht ins Gewicht. Diese liegt innerhalb des zulässigen Schätzungsrahmens und führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Schätzung. |
|
|
5. Die Vollziehung ist auch nicht nach § 69 Abs. 3 Satz 3 und Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO wegen einer unbilligen Härte aufzuheben. Die Antragstellerin hat die streitigen Steuerforderungen bereits bezahlt. Deshalb ist davon auszugehen, dass ihr durch die Nichtaufhebung der Vollziehung keine wirtschaftlichen Nachteile drohen. Eine Aufhebung der Vollziehung wegen unbilliger Härte scheidet zudem auch deshalb aus, weil Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht bestehen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 26. Oktober 2011 I S 7/11, BFH/NV 2012, 583, Rz 12). |
|
|
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. |
|