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II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass das Versicherungsentgelt für die Kautionsrückversicherung der Versicherungsteuer zu unterwerfen ist. |
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1. Nach § 1 Abs. 1 VersStG unterliegt die Zahlung des Versicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses der Steuer. |
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a) Unter dem Versicherungsverhältnis sind das durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandene Rechtsverhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers zum Versicherer und seine Wirkungen zu verstehen (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 8. Dezember 2010 II R 12/08, BFHE 232, 223, BStBl II 2012, 383, m.w.N.). Wesentliches Merkmal für ein "Versicherungsverhältnis" i.S. des § 1 Abs. 1 VersStG ist das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen Wagnisses (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2009 II R 44/07, BFHE 228, 285, BStBl II 210, 1097, m.w.N.). |
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Der Begriff der Versicherung ist weit gefasst und nach den besonderen Zwecken des Versicherungsteuerrechts zu deuten (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 2006 II R 78/04, BFH/NV 2007, 513). Das allgemeine Versicherungsrecht ist für das Versicherungsteuerrecht nur insoweit maßgebend, als das VersStG nichts anderes erkennen lässt. Die besonderen Voraussetzungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und des Versicherungsaufsichtsgesetzes gelten nicht ohne weiteres für das Versicherungsteuerrecht (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 513). |
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b) Ein Versicherungsverhältnis i.S. des § 1 Abs. 1 VersStG wird auch durch eine vertraglich vereinbarte Rückversicherung begründet (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 1967 V 5/64, BFHE 89, 198, BStBl III 1967, 643). |
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Eine Rückversicherung liegt vor, wenn sich ein Versicherer (Erstversicherer) für die gegenüber dem Versicherungsnehmer übernommene Gefahr und die daraus resultierende Zahlungsverpflichtung gegen Zahlung einer Prämie bei einem anderen Versicherer (Rückversicherer) versichert, sich also von diesem wegen des übernommenen Risikos teilweise oder volle Deckung versprechen lässt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs –RFH– vom 13. Mai 1930 VII 501/29, RFHE 129, 1; Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. Oktober 2009 C-242/08, Swiss Re Germany Holding, Slg. 2009, I-10099 Rdnr. 38; Lorenz in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 1 Rz 108; Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2005 über die Rückversicherung und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 98/78/EG und 2002/83/EG –Richtlinie 2005/68/EG–, ABl. L 323, 1 vom 9. Dezember 2005; § 779 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung). |
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Für das Vorliegen eines Versicherungsverhältnisses i.S. des § 1 Abs. 1 VersStG und die Besteuerung des für eine Rückversicherung gezahlten Versicherungsentgelts ist unerheblich, dass die Vorschriften des VVG nach § 209 VVG nicht auf die Rückversicherung anzuwenden sind. Maßgebend ist vielmehr die versicherungsteuerrechtliche Einordnung der Rückversicherung. |
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c) Dementsprechend unterliegt der Versicherungsteuer nach § 1 Abs. 1 VersStG auch das Versicherungsentgelt für eine sog. Kautionsrückversicherung, mit der die Gefahr aus einer vom Erstversicherer abgeschlossenen Kautionsversicherung durch einen Rückversicherer abgesichert wird. |
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2. Die Steuerbarkeit des Versicherungsentgelts für die Kautionsrückversicherung wird nicht durch § 2 Abs. 2 VersStG ausgeschlossen. |
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a) Nach § 2 Abs. 2 VersStG gilt ein Vertrag, durch den der Versicherer sich verpflichtet, für den Versicherungsnehmer Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten, nicht als Versicherungsvertrag. |
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aa) Die erstmals im VersStG vom 8. April 1922 (RGBl I 1922, 400) –VersStG a.F.– enthaltene Regelung wurde jeweils unverändert in die späteren Versicherungsteuergesetze übernommen. Der (damaligen) Begründung ist zu entnehmen, dass Zweifel bestanden, ob die Kautionsversicherung überhaupt den Wesensmerkmalen einer Versicherung entspricht (Verhandlungen des Reichstags I. Wahlperiode 1920, Bd. 369, Anlage Nr. 2868 zu den Stenografischen Berichten, S. 7). Wegen dieser Zweifel sowie zur Gleichstellung mit der nicht versicherungsmäßig betriebenen geschäftsmäßigen Übernahme von Bürgschaftsleistungen gegen Entgelt durch andere Unternehmer, insbesondere Großbanken, wurden die Kautionsversicherungsverträge in § 2 Abs. 2 VersStG ausdrücklich als Nichtversicherungsverträge definiert (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juli 1972 V R 33/68, BFHE 107, 60). |
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bb) Die gesetzliche Fiktion des § 2 Abs. 2 VersStG bewirkt, dass bei einer Kautionsversicherung versicherungsteuerrechtlich kein Versicherungsvertrag und damit auch kein steuerbares Versicherungsverhältnis i.S. des § 1 Abs. 1 VersStG vorliegt. § 2 Abs. 2 VersStG schließt damit bereits die Steuerbarkeit der Kautionsversicherung aus. Die Regelung ist aufgrund ihres Inhalts und ihrer systematischen Stellung im VersStG nicht als Steuerbefreiung anzusehen; die Ausnahmen von der Besteuerung sind nicht in § 2 VersStG, sondern in § 4 VersStG geregelt. Folge der Fiktion ist, dass mangels eines steuerbaren Versicherungsverhältnisses das Versicherungsentgelt für eine Kautionsversicherung nicht der Versicherungsteuer unterliegt. Die Kautionsversicherung wird für Zwecke der Versicherungsteuer nicht als Versicherung behandelt. |
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cc) Für den Eintritt der Fiktion des § 2 Abs. 2 VersStG ist nicht maßgebend, wie ein Kautionsversicherungsvertrag versicherungsrechtlich oder schuldrechtlich einzuordnen ist. Deshalb ist für die Besteuerung unerheblich, ob versicherungsrechtlich von einer echten Versicherung zugunsten eines Dritten auszugehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1969 II 103/63, BFHE 99, 60). Ebenso ist nicht von Bedeutung, wie der Kautionsversicherungsvertrag schuldrechtlich zu qualifizieren ist (als Geschäftsbesorgungsvertrag i.S. des § 675 des Bürgerlichen Gesetzbuchs: Urteile des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2006 IX ZR 121/05, Versicherungsrecht –VersR– 2006, 1637, und vom 18. November 2010 IX ZR 17/10, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht –ZInsO– 2010, 2391, m.w.N.; als Versicherungsvertrag: Prölss in Prölss/Martin, Versicherungsver-tragsgesetz, 28. Aufl. 2010, § 1 Rz 6; Thomas/Dreher, VersR 2007, 731; Rind/Wendt, VersR 2008, 1601; Wendt, ZInsO 2008, 1343; Medert, Versicherungswirtschaft –VW– 2011, 1636). |
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b) Eine Kautionsrückversicherung, durch die das Wagnis aus einer Kautionsversicherung ganz oder teilweise übernommen wird, fällt –im Gegensatz zur Kautionsversicherung– nicht in den Regelungsbereich des § 2 Abs. 2 VersStG (vgl. BFH-Urteil in BFHE 89, 198, BStBl III 1967, 643). |
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Die Vorschrift betrifft Sachverhalte, in denen sich der Versicherer verpflichtet, Dritten gegenüber für den Versicherungsnehmer Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1977 II R 36/76, BFHE 122, 352, BStBl II 1977, 688, unter 4.). Bei einer Kautionsrückversicherung verpflichtet sich der Rückversicherer aber nicht gegenüber den Versicherungsnehmern des Erstversicherers zur Leistung von Bürgschaften. Vielmehr verpflichtet er sich gegenüber dem Erstversicherer zur Übernahme von Vermögensschäden, die diesem aus den von ihm mit den Versicherungsnehmern abgeschlossenen Kautionsversicherungen entstehen. Die Kautionsrückversicherung wird also nicht von der Fiktion des § 2 Abs. 2 VersStG erfasst. Damit unterliegt das Versicherungsentgelt –anders als bei der Kautionsversicherung– der Versicherungsteuer. Kautionsversicherung und Kautionsrückversicherung sind steuerrechtlich getrennt zu behandeln (vgl. BFH-Urteil in BFHE 89, 198, BStBl III 1967, 643). |
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3. Die Zahlung des Versicherungsentgelts für eine sog. Kautionsrückversicherung ist nicht nach § 4 Nr. 1 VersStG von der Versicherungsteuer befreit, wenn durch die Versicherung die Gefahr aus einem Vertrag übernommen wird, der nach § 2 Abs. 2 VersStG nicht als Versicherungsvertrag gilt. Eine Rückversicherung i.S. des § 4 Nr. 1 VersStG setzt eine andere steuerbare Versicherung voraus, deren Risiko abgesichert wird (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 570; Klink, Zeitschrift für Versicherungswesen –ZfV– 2011, 506, m.w.N.; a.A. Rind/Wendt in VersR 2008, 1601; Medert, VW 2011, 1636). Das ergibt sich aus dem Wortlaut, dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. |
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a) Von der Besteuerung ausgenommen ist die Zahlung des Versicherungsentgelts für eine Rückversicherung (§ 4 Nr. 1 VersStG). |
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Der Begriff der Rückversicherung im Sinne dieser Vorschrift wird im VersStG nicht definiert. Ob eine Versicherung die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 VersStG erfüllt, ist maßgeblich aus versicherungsteuerrechtlicher Sicht zu bestimmen. Steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale sind nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung zu interpretieren (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc). Für die Annahme einer Rückversicherung i.S. des § 4 Nr. 1 VersStG reicht es deshalb nicht aus, dass die Versicherung versicherungsrechtlich betrachtet als Rückversicherung einzustufen ist. |
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b) Eine Rückversicherung i.S. des § 4 Nr. 1 VersStG setzt begrifflich eine andere (steuerbare) Versicherung voraus, deren Wagnis ganz oder teilweise vom Rückversicherer übernommen wird (vgl. RFH-Urteil vom 6. September 1933 II A 139/33, RFHE 34, 72). Eine Rückversicherung ist schon nach dem allgemeinen Sprachverständnis nicht allein eine Versicherung zwischen einem Versicherer und einem Versicherungsnehmer, sondern vielmehr eine besondere Art der Versicherung, die der Absicherung einer anderen Versicherung dient. |
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Darauf deutet auch Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/68/EG hin. Danach bezeichnet der Begriff Rückversicherung im Sinne dieser Richtlinie die Tätigkeit der Übernahme von Risiken, die von einem Versicherungsunternehmen oder einem anderen Rückversicherungsunternehmen abgegeben werden. Auch wenn dieser Begriff, der nur auf die Übernahme der durch Versicherungsunternehmen abgegebenen Risiken abstellt, für das Versicherungsteuerrecht zu eng ist, kann daraus dennoch der Schluss gezogen werden, dass eine Rückversicherung das Bestehen einer weiteren Versicherung voraussetzt, deren Gefahr ganz oder teilweise übernommen wird. Von diesem Begriffsverständnis wird auch versicherungsrechtlich ausgegangen; Rückversicherung ist die Versicherung der von dem Versicherer übernommenen Gefahr (vgl. Klimke in Prölss/Martin, a.a.O., § 209 Rz 3; Rixecker in Römer/Langheid, Versicherungsvertragsgesetz, 3. Aufl. 2012, § 209 Rz 1). |
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Bei einer sog. Kautionsrückversicherung, die Gefahren aus den von einem Versicherer abgeschlossenen Kautionsversicherungen abdeckt, gelten jedoch die Verträge, deren Risiko durch die Kautionsrückversicherung übernommen wird, nach § 2 Abs. 2 VersStG nicht als Versicherungsverträge. Aus versicherungsteuerrechtlicher Sicht fehlt es deshalb bei einer solchen "Kautionsrückversicherung" an einer anderen steuerbaren Versicherung und damit an einem Wesensmerkmal der Rückversicherung i.S. des § 4 Nr. 1 VersStG. Diese Art der "Kautionsrückversicherung" ist versicherungsteuerrechtlich eine Erstversicherung. |
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c) Auch die Entstehungsgeschichte und der Zweck der Steuerbefreiung einer Rückversicherung sprechen dafür, dass eine Rückversicherung i.S. des § 4 Nr. 1 VersStG neben dem Rückversicherungsverhältnis zwischen dem Rückversicherer und dem Versicherer ein anderes durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenes Versicherungsverhältnis i.S. des § 1 Abs. 1 VersStG zwischen dem Versicherer und einem Versicherungsnehmer voraussetzt, dessen Gefahr durch die Rückversicherung übernommen wird. |
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Die Steuerbefreiung für Rückversicherungen war –in Anlehnung an entsprechende Regelungen in früheren Stempelsteuergesetzen– bereits in § 8 Nr. 2 VersStG a.F. enthalten und wurde seitdem in sämtliche Neufassungen des VersStG (nunmehr in § 4 Nr. 1 VersStG) übernommen (vgl. Klink in ZfV 2011, 506, m.w.N.). Durch die Steuerbefreiung der Rückversicherung soll eine mehrfache Besteuerung vermieden werden, weil die Rückversicherung wirtschaftlich gesehen ein Risiko betrifft, das schon bei der Besteuerung des Versicherungsentgelts für die zugrunde liegende Versicherung steuerlich erfasst worden ist (vgl. Greiff, Reichsstempelsteuergesetz, 2. Aufl. 1914, 768; Wunschel-Kostboth, Versicherungsteuergesetz 1937, 105; Rind/ Wendt in VersR 2008, 1601, 1605; Klink in ZfV 2011, 506, 508). |
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Dieser Zweck rechtfertigt es, eine Versicherung, die eine Kautionsversicherung i.S. des § 2 Abs. 2 VersStG absichert, nicht als steuerfreie Rückversicherung i.S. des § 4 Nr. 1 VersStG zu qualifizieren. Bei einer solchen "Kautionsrückversicherung" kann von vornherein keine Doppelbelastung mit Versicherungsteuer eintreten, weil der Vertrag, dessen Gefahr durch die Rückversicherung übernommen wurde, nach § 2 Abs. 2 VersStG nicht als Versicherungsvertrag gilt und damit ein steuerbares Versicherungsverhältnis i.S. des § 1 Abs. 1 VersStG nicht gegeben ist. Das Versicherungsentgelt für den Kautionsversicherungsvertrag unterliegt nicht der Versicherungsteuer. |
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4. Nach diesen Grundsätzen ist das von W an die Klägerin gezahlte Versicherungsentgelt steuerpflichtig. Der zwischen der Klägerin und W vereinbarte Versicherungsvertrag betraf die begrenzte Übernahme von Gefahren aus den von W mit verschiedenen Versicherungsnehmern geschlossenen Kautionsversicherungen. Da sich W in den Kautionsversicherungsverträgen gegenüber den Versicherungsnehmern verpflichtete, für diese Bürgschaften zu leisten, gelten diese Verträge nach § 2 Abs. 2 VersStG nicht als Versicherungsverträge. Versicherungsteuerrechtlich gesehen ist das durch den Kautionsversicherungsvertrag begründete Verhältnis zwischen W und dem jeweiligen Versicherungsnehmer kein Versicherungsverhältnis. Damit ist auch der zwischen der Klägerin und W geschlossene Versicherungsvertrag keine steuerfreie Rückversicherung, sondern eine steuerpflichtige Erstversicherung. |
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