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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und beider Grunderwerbsteuerbescheide (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass die Klägerin als Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Erwerberin i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein kann. Es hat jedoch nicht erkannt, dass weder durch die Kapitalerhöhung vom 10. September 2007 noch durch den Erwerb des Geschäftsanteils des P durch die Klägerin am 27. Februar 2008 ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Erwerbsvorgang verwirklicht wurde. |
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1. Eine Erbengemeinschaft kann in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Erwerberin i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein. |
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a) Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 2. April 2008 II R 53/06, BFHE 220, 550, BStBl II 2009, 544; vom 23. Mai 2012 II R 21/10, BFHE 237, 466, BStBl II 2012, 793, Rz 12, und vom 11. Juni 2013 II R 52/12, BFHE 241, 419, BStBl II 2013, 752, Rz 10). Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst (BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2006 II B 26/06, BFH/NV 2007, 500; Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 1 Rz 906). |
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b) Anteile an einer Gesellschaft können sich i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG in der Hand einer Erbengemeinschaft vereinigen. |
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Die Erbengemeinschaft ist selbständiger Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts (vgl. BFH-Urteile vom 15. Mai 1957 II 102/56 U, BFHE 65, 14, BStBl III 1957, 238, und vom 13. November 1974 II R 26/74, BFHE 114, 288, BStBl II 1975, 249, jeweils m.w.N.; Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rz 73; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 1 Rz 51). Sie kann ein Grundstück aus dem Nachlass veräußern oder für den Nachlass erwerben. Dem steht nicht entgegen, dass die Erbengemeinschaft nicht auf Dauer angelegt, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet ist (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 37/08, BFHE 228, 172, BStBl II 2010, 489). Unschädlich ist auch, dass sie über keine eigenen Organe verfügt, durch die sie im Rechtsverkehr handeln könnte, und kein eigenständiges, handlungsfähiges Rechtssubjekt ist (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. Oktober 2006 VIII ZB 94/05, Neue Juristische Wochenschrift 2006, 3715, m.w.N.). Die grunderwerbsteuerrechtliche Selbständigkeit der Erbengemeinschaft nach außen folgt aus deren bürgerlich-rechtlicher Selbständigkeit als Zurechnungssubjekt des gesamthänderisch gebundenen Sondervermögens (Pahlke/Franz, a.a.O., § 1 Rz 51). Auch wenn jeder Miterbe jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen kann (§ 2042 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches –BGB–), sind die Miterben während des Bestehens der Erbengemeinschaft zum gemeinsamen Handeln verpflichtet (§ 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB; Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl., Einf v § 2032 Rz 2). |
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Nichts anderes gilt im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Diese Vorschrift stellt Rechtshandlungen, die auf die Vereinigung von Anteilen in einer Hand gerichtet sind und zu einem Wechsel der Rechtsträgerschaft an diesen Anteilen führen, dem zivilrechtlichen Grundstückserwerb gleich (vgl. Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rz 906). Es handelt sich um einen Ergänzungstatbestand, der Vorgänge auf gesellschaftsrechtlicher Ebene erfasst, die ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nach dem Erwerb eines Grundstücks gleichstehen. Mit dem Erwerb von mindestens 95 % der Anteile an der Gesellschaft wird deren Inhaber so behandelt, als habe er die zum Aktivvermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (vgl. oben II.1.a). Erlangt eine Erbengemeinschaft mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft, wird sie gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich so behandelt, als habe sie das Grundstück von der Gesellschaft erworben. Den Miterben steht nur gemeinschaftlich und nicht etwa jedem einzelnen Miterben entsprechend seinem Erbanteil der Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft zu. Beträgt dieser mindestens 95 %, hat die Erbengemeinschaft insgesamt eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Grundstück. Alle Entscheidungen, die den Anteil und damit auch das Grundstück betreffen, können die Miterben bis zu deren Auseinandersetzung nur gemeinsam als Erbengemeinschaft treffen. |
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2. Das FG hat jedoch nicht erkannt, dass das FA sowohl dem Ausgangs- als auch dem Änderungsbescheid keine grunderwerbsteuerbaren Sachverhalte zugrunde gelegt hat. Weder der im Grunderwerbsteuerbescheid vom 23. März 2009 als Rechtsvorgang benannte Kapitalerhöhungsbeschluss vom 10. September 2007 noch die im Bescheid vom 25. November 2009 als Rechtsvorgang benannte Vereinigung aller Anteile am 27. Februar 2008 erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist vielmehr durch die Erklärung des Bevollmächtigten des K vom 18. Oktober 2007, den Anteil des P an der Kapitalerhöhung zu übernehmen, erfüllt worden. |
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a) Durch den Beschluss über die Kapitalerhöhung vom 10. September 2007 haben sich die Anteile nicht in der Hand der Klägerin vereinigt. |
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Der Beschluss über die Kapitalerhöhung begründete für sich genommen noch keinen Anspruch auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen, aufgrund dessen mindestens 95 % in der Hand der Klägerin vereinigt waren. Die Gesellschafter haben hierin ausdrücklich vereinbart, dass die bisherigen Gesellschafter in demselben Umfang, in dem sie bislang an der Gesellschaft beteiligt waren, an der Kapitalerhöhung teilnehmen durften. Durch den Beschluss hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine höhere Beteiligung als die bis dahin gehaltenen 85 % der Anteile erlangt. Erst durch die Erklärung vom 18. Oktober 2007, auch den auf den Gesellschafter P entfallenden Anteil an der Kapitalerhöhung zu übernehmen, ist der Anteil der Klägerin auf 97 % angewachsen. Es kann dahinstehen, ob bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 10. September 2007 faktisch feststand, dass der Gesellschafter P sich nicht an der Kapitalerhöhung beteiligen werde, denn rechtlich war ihm dies innerhalb der eingeräumten Frist noch möglich. Bis dahin war der Anspruch auf Übereignung der Anteile sowohl hinsichtlich der Ausübung des Übernahmerechts durch P als auch hinsichtlich der Erklärung der Klägerin, auch den Anteil des P zu übernehmen, aufschiebend bedingt. |
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b) Der Erwerb der restlichen Anteile des Gesellschafters P am 27. Februar 2008 unterliegt ebenfalls nicht der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. |
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Sind die Anteile an einer Gesellschaft bereits aufgrund eines vorausgegangenen Rechtsgeschäfts in einer Hand vereinigt, weil das nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erforderliche Quantum von 95 % erfüllt ist, unterliegt der Erwerb der restlichen Anteile nicht zusätzlich der Besteuerung. Insoweit gilt nichts anderes, als wenn der Anteilseigner das notwendige Quantum bereits zuvor teils unmittelbar und teils mittelbar hält und nachfolgend alle Anteile unmittelbar in der Hand des Anteilseigners vereinigt werden (vgl. BFH-Urteile vom 20. Oktober 1993 II R 116/90, BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121, und vom 12. Januar 1994 II R 130/91, BFHE 173, 229, BStBl II 1994, 408; Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rz 881, 980). |
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Mit der Erklärung des Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2007, auch den Anteil des Gesellschafters P an der Kapitalerhöhung zu übernehmen, waren bereits zu diesem Zeitpunkt 97 % der Anteile an der GmbH in der Hand der Klägerin vereinigt. Der nachfolgende Erwerb der restlichen 3 % der Anteile führte lediglich zu einer Verstärkung der Beteiligung und erfüllte nicht (nochmals) den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. |
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c) Weder der Grunderwerbsteuerbescheid vom 23. März 2009 noch der als Änderungsbescheid bezeichnete Grunderwerbsteuerbescheid vom 25. November 2009, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2011, können dahingehend ausgelegt werden, dass das FA die Steuer für den zutreffenden Rechtsvorgang habe festsetzen wollen. |
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Gemäß § 119 AO muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Steuerbescheide müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Bei Grunderwerbsteuerbescheiden ist die Angabe des zu besteuernden Erwerbsvorgangs unerlässlich (BFH-Urteile vom 13. September 1995 II R 80/92, BFHE 178, 468, BStBl II 1995, 903, und vom 22. August 2007 II R 44/05, BFHE 218, 494, BStBl II 2009, 754). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Entscheidend sind der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Urteil vom 21. Juli 2011 II R 7/10, BFH/NV 2011, 1835, m.w.N.). |
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Ein Grunderwerbsteuerbescheid ist zwar nicht allein deshalb rechtswidrig, weil der der Besteuerung unterworfene Rechtsvorgang nicht an dem in dem Steuerbescheid genannten, sondern an einem anderen Tage zustande gekommen ist (BFH-Beschluss vom 17. März 2006 II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341, m.w.N.). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Behörde einen anderen als den im Steuerbescheid benannten Erwerbsvorgang besteuern wollte (vgl. Pahlke/Franz, a.a.O., Vorb § 15 Rz 3). Reicht der vom Grunderwerbsteuerbescheid erfasste Lebenssachverhalt nicht aus, um den Tatbestand, an den das GrEStG die Steuerpflicht knüpft, zu erfüllen, ist der Bescheid rechtswidrig, ohne dass die Behörde –etwa im Einspruchsverfahren (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 1993 II R 50/90, BFH/NV 1993, 712)– den im Bescheid bezeichneten –unzutreffenden– Erwerbsvorgang durch einen anderen –zutreffenden– ersetzen könnte (vgl. Pahlke/Franz, a.a.O., Vorb § 15 Rz 3). Das gilt insbesondere für Erwerbsvorgänge, bei denen mangels Vereinbarung einer Gegenleistung eine Bewertung des Grundstücks gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG vorzunehmen ist, denn die Bewertung hat auf den zutreffenden Zeitpunkt zu erfolgen. Dieser muss im Wege der Auslegung unmissverständlich dem Grunderwerbsteuerbescheid zu entnehmen sein. |
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Im Streitfall bezeichnen die beiden angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide vom 23. März 2009 und vom 25. November 2009 jeweils Rechtsvorgänge, die den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht erfüllen. Die Rechtsvorgänge, die der Besteuerung unterworfen wurden, sind im Einzelnen jeweils unter Angabe von Datum und UR-Nr. genau bezeichnet. Sie können gegen ihren Wortlaut nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie statt der bezeichneten Rechtsvorgänge die durch die Erklärung vom 18. Oktober 2007 ausgelöste Anteilsvereinigung erfassen sollten. Die Vorentscheidung war aus diesen Gründen aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). |
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3. Die Sache ist spruchreif. |
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Die mit der Klage angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide vom 23. März 2009 und vom 25. November 2009, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2011, sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie unterwerfen Rechtsvorgänge der Besteuerung, die nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllen (s.o. unter II.2.). Es kann daher dahinstehen, ob das FG trotz des Vorläufigkeitsvermerks das Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG in den dort anhängigen Verfahren zur Grundbesitzbewertung hätte ruhen lassen müssen. |
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