|
|
|
Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG. Die Vorentscheidung ist dem FA nicht wirksam zugestellt worden. |
|
|
1. Gemäß § 104 Abs. 2 FGO kann die Bekanntgabe eines Urteils an die Beteiligten –statt durch Verkündung– durch Zustellung erfolgen. Für die Zustellung von Urteilen im finanzgerichtlichen Verfahren gilt § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 317 der Zivilprozessordnung (ZPO). Nach dieser Vorschrift in der seit dem 01.07.2014 geltenden Fassung des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (BGBl I 2013, 3786) werden Urteile den Beteiligten von Amts wegen grundsätzlich in Abschrift zugestellt (§ 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Abschrift ist von der Geschäftsstelle gemäß § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu beglaubigen. Ausfertigungen eines Urteils werden gemäß § 317 Abs. 2 Sätze 1 und 3 Halbsatz 1 ZPO nur noch auf Antrag und regelmäßig ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe erteilt (vgl. auch BTDrucks 17/12634, S. 30). Der Beginn von Rechtsmittelfristen setzt nicht mehr die Zustellung einer Ausfertigung, sondern die Übermittlung einer beglaubigten Abschrift als Regelform der Urteilszustellung voraus (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 27.01.2016 – XII ZB 684/14, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 2016, 1180, Rz 16). |
|
|
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH muss eine Urteilsausfertigung die Urschrift wortgetreu und richtig wiedergeben. Hierzu gehört, dass sie erkennen lässt, ob das Urteil überhaupt von Richtern unterzeichnet worden ist, und wenn ja, welche Richter es unterschrieben haben. Die Unterzeichnung des Urteils wird durch die maschinenschriftliche Wiedergabe der Namen der Richter unter dem Urteil kenntlich gemacht (vgl. z.B. BGH-Urteile vom 23.01.1975 – VII ZR 199/73, NJW 1975, 781, und vom 22.09.1977 – VII ZR 144/77, NJW 1978, 217; BGH-Beschlüsse vom 30.05.1990 – XII ZB 33/90, Zeitschrift für das Gesamte Familienrecht 1990, 1227, und vom 09.06.2010 – XII ZB 132/09, BGHZ 186, 22, unter II.2.a; vgl. auch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts –BVerwG– vom 06.11.2017 – 8 PKH 3/17, juris, Rz 6). |
|
|
Kann einer Ausfertigung nicht entnommen werden, ob die erkennenden Richter das Urteil unterschrieben haben, ist nicht gewährleistet, dass die Ausfertigung das Urteil so wiedergibt, wie es tatsächlich gefällt worden ist. Diese Unklarheit führt zur Unwirksamkeit der Zustellung (vgl. BGH-Urteile in NJW 1975, 781, und in NJW 1978, 217; zustimmend MünchKommZPO/Musielak, 5. Aufl., § 315 Rz 12, § 317 Rz 12; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 169 Rz 8; Zöller/Feskorn, a.a.O., § 315 Rz 9; Hunke in Baumbach/ Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, Zivilprozessordnung, 78. Aufl., § 317 Rz 11, 11a "Nur Berichterstatter"; differenzierend Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 23. Aufl., § 310 Rz 33, § 315 Rz 19; a.A. Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 28.09.2012 – 19 U 129/12, Der Deutsche Rechtspfleger 2013, 265, Rz 15). Sie wird auch nicht dadurch geheilt, dass der Empfänger die Gelegenheit erhält, sich von der Vollständigkeit der Urschrift und dem Gleichlaut von Urteil und Ausfertigung zu überzeugen (vgl. BGH-Urteil in NJW 1975, 781). |
|
|
3. Diese Rechtsprechung ist zu der vor dem 01.07.2014 geltenden Rechtslage ergangen, findet aber weiter Anwendung. Für die Zustellung von Urteilsausfertigungen kann nichts anderes als für die Zustellung beglaubigter Abschriften des Urteils nach neuem Recht gelten (vgl. Zöller/Feskorn, a.a.O., § 317 Rz 9; vgl. auch BVerwG-Beschluss vom 06.11.2017 – 8 PKH 3/17, juris, Rz 6). |
|
|
4. Nach diesen Maßstäben ist das finanzgerichtliche Urteil dem FA nicht wirksam zugestellt worden. Das FG hatte in der mündlichen Verhandlung beschlossen, seine Entscheidung nicht zu verkünden, sondern den Beteiligten durch Zustellung bekanntzugeben. Entsprechend fertigte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle eine beglaubigte Abschrift des Urteils an und stellte sie dem FA per Computerfax zu. Dies ergibt sich aus der Gerichtsakte. Obwohl die Urschrift des Urteils danach von sämtlichen Berufsrichtern unterzeichnet worden war, enthält die dem erkennenden Senat vom FA vorgelegte Urteilsabschrift lediglich die Unterschriften zweier Richter. Deren Namen sind unter dem Urteilstext in Schreibmaschinenschrift wiedergegeben. Der Name des dritten Berufsrichters in der Mitte der Seite fehlt. Der dem FA zugestellten Abschrift lässt sich nicht entnehmen, ob auch der dritte Berufsrichter die Urschrift unterschrieben hat. Dies führt zur Unwirksamkeit der Zustellung und hindert das Wirksamwerden der Entscheidung. Zur Beseitigung des Rechtsscheins der Wirksamkeit ist das Urteil aufzuheben. |
|
|
5. Der Senat weist ohne Bindungswirkung für den zweiten Rechtsgang darauf hin, dass Kosten eines Zivilprozesses, in dem ein Erbe (vermeintliche) zum Nachlass gehörende Ansprüche des Erblassers geltend gemacht hat, als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abzugsfähig sind; § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG steht dem Abzug nicht entgegen. |
|
|
a) Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind, soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeiten u.a. die Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Kosten für die Verwaltung des Nachlasses sind nicht abzugsfähig (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG). |
|
|
b) Der Begriff der Nachlassregelungskosten ist grundsätzlich weit auszulegen (BFH-Urteil vom 19.06.2013 – II R 20/12, BFHE 241, 416, BStBl II 2013, 738, Rz 11). Er umfasst u.a. die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses sowie alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen (BFH-Urteil vom 11.01.1961 – II 155/59 U, BFHE 72, 273, BStBl III 1961, 102; FG Köln, Urteil vom 05.02.2009 – 9 K 204/07, Erbfolgebesteuerung 2010, 8, Rz 39; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2014 – 7 K 1377/14, EFG 2015, 658, Rz 24). Zu den Nachlassregelungskosten können danach auch Kosten zählen, die dem Erben durch die gerichtliche Geltendmachung von (vermeintlichen) zum Nachlass gehörenden Ansprüchen des Erblassers entstehen (vgl. Götz, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge –ZEV– 2010, 561, 562; Billig, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuerrecht 2017, 60, 62). |
|
|
c) Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Regelung des Nachlasses liegt vor, wenn die Kosten in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen und nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG) anfallen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 416, BStBl II 2013, 738, Rz 11). Die Abgrenzung zwischen Kosten der Nachlassregelung und Kosten der Nachlassverwaltung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. |
|
|
aa) Ein enger sachlicher Zusammenhang von Prozesskosten mit dem Erwerb ist insbesondere dann gegeben, wenn die Klage eines Erben dazu dient, das Bestehen von nachlasszugehörigen Ansprüchen des Erblassers und damit den Umfang des Nachlasses zu klären. Gleiches gilt für Kosten eines Rechtsstreits, den ein Erbe führt, um die Herausgabe von Nachlassgegenständen durch Dritte zu erwirken. Herrscht Gewissheit über Umfang und Zusammensetzung des Nachlasses und hat der Erbe die Nachlassgegenstände in Besitz genommen, endet der sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb. Kosten, die dem Erben in der Folgezeit zum Zwecke der Erhaltung, Mehrung, Nutzung oder Verwertung des Nachlassvermögens entstehen, sind keine Nachlassverbindlichkeiten. |
|
|
bb) Ein enger zeitlicher Zusammenhang von Prozesskosten mit dem Erwerb ist gegeben, wenn die Klage unverzüglich nach dem Erbfall, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (entsprechend § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), erhoben wurde (vgl. Königer, ZEV 2017, 352, unter 6.). Unverzügliches Handeln ist anzunehmen, wenn die Klage innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmenden angemessenen Prüfungs- und Vorbereitungszeit erhoben wird. Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Erbfall und dem Prozessbeginn ist, desto höhere Anforderungen sind an die Darlegung und Glaubhaftmachung der Gründe für die Verzögerung und eines fehlenden Verschuldens des Klägers zu stellen. |
|
|
d) § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG steht dem Abzug der Prozesskosten als Nachlassverbindlichkeiten nicht entgegen. |
|
|
Nach dieser Vorschrift sind Schulden und Lasten nicht abzugsfähig, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegen. Diese Vorschrift gilt nur für vom Erblasser begründete Schulden und Lasten und ist nicht auf Nachlassregelungskosten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG anwendbar. § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG will eine doppelte Steuerminderung durch den grundsätzlich nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vorzunehmenden Abzug der vom Erblasser herrührenden Schulden und Lasten vermeiden, wenn diese ausnahmsweise mit steuerbefreiten Vermögensgegenständen wirtschaftlich zusammenhängen. Demgegenüber umfassen Nachlassregelungskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG Aufwendungen, die der Erwerber des Nachlasses nach dem Erwerb zur Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses erbracht hat. Dabei kann es sich schon begrifflich nicht um vom Erblasser herrührende Schulden und Lasten handeln, die im Zusammenhang mit steuerbefreiten Vermögensgegenständen stehen. Das gilt selbst dann, wenn Nachlassregelungskosten –wie z.B. Prozesskosten– darauf abzielen, an sich steuerbefreite Vermögensgegenstände zum Nachlass zu ziehen. Auch in diesem Fall geht es um die Regelung des gesamten Nachlasses durch den Erwerber. Ähnlich wie bei den in § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG ausdrücklich genannten Grabpflegekosten oder den unter § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG fallenden Verbindlichkeiten (vgl. BFH-Urteile vom 22.07.2015 – II R 21/13, BFHE 250, 221, BStBl II 2016, 228, zum Geldvermächtnis, und vom 22.07.2015 – II R 12/14, BFHE 250, 225, BStBl II 2016, 230, zum Pflichtteils- und Zugewinnausgleich) ist der Abzug nicht durch § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG eingeschränkt. |
|
|
6. Die Übertragung der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. |
|