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II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen nicht die ausgesprochene Rechtsfolge, dass der Betrieb der Klägerin keinem begünstigten Wirtschaftszweig zuzuordnen sei. |
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1. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 sind u.a. Wirtschaftsgüter investitionszulagenbegünstigt, die zu einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes oder der produktionsnahen Dienstleistungen gehören. |
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a) Der Begriff des verarbeitenden Gewerbes bestimmt sich nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige. Der Gesetzgeber hat die Maßgeblichkeit der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige zwar erstmals in § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 2010 ausdrücklich angeordnet. Der Senat hält jedoch an seiner ständigen Rechtsprechung fest, wonach sich der Begriff des verarbeitenden Gewerbes im Investitionszulagenrecht auch für frühere Gesetzesfassungen nach der für das jeweilige Kalenderjahr geltenden Klassifikation der Wirtschaftszweige bestimmt, im Streitfall also nach der WZ 2003 (Senatsurteil vom 22. Dezember 2011 III R 1/10, BFH/NV 2012, 1654, Rz 12, 13). Auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– (Beschluss vom 31. Mai 2011 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1) kann die Klassifikation der Wirtschaftszweige zur Auslegung des Rechtsbegriffs "Verarbeitendes Gewerbe" herangezogen werden. Denn es beeinträchtigt weder die Gesetzesbindung der Gerichte noch den Anspruch des Einzelnen auf wirksame gerichtliche Kontrolle, wenn ein unbestimmter Rechtsbegriff durch die gesetzliche Verweisung auf bestimmte Verwaltungsvorschriften oder untergesetzliche Regelwerke konkretisiert wird oder wenn die konkretisierende Heranziehung solcher Vorschriften oder Regelwerke in vergleichbarer Weise auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 129, 1; Senatsurteil vom 22. September 2011 III R 64/08, BFHE 236, 168, BStBl II 2012, 538, Rz 14). |
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b) Aufgrund der genannten Entscheidung des BVerfG darf die Anwendung dieses Begriffs im Zulagenrecht jedoch nicht davon abhängig gemacht werden, ob eine Statistikbehörde einen Betrieb der in der Klassifikation der Wirtschaftszweige für das verarbeitende Gewerbe vorgesehenen Kategorie zugeordnet hat oder nicht. Eine eingeschränkte gerichtliche Prüfung darauf hin, ob die Zuordnung eines Betriebs durch eine Statistikbehörde offensichtlich unzutreffend ist, widerspräche nach dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 129, 1 der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes. Vielmehr haben die Gerichte die Einordnung eines Betriebs in eine Kategorie der Klassifikation der Wirtschaftszweige unabhängig von der Einordnung durch die Statistikbehörde zu prüfen und gegebenenfalls selbst vorzunehmen. |
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2. Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin mehrere nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige unterschiedlich einzuordnende Tätigkeiten (Mischbetrieb) ausübte, nämlich neben dem Baugewerbe Tätigkeiten des verarbeitenden Gewerbes (Metallumformtechnik) und der produktionsnahen Dienstleistungen (Konstruktionsbüro). Die schwerpunktmäßige Zuordnung des Mischbetriebs zum Baugewerbe ist aber auf Grundlage der von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen zu beanstanden. Denn die Einordnung des FG, "Montage – gleich welcher Materialien" dem Baugewerbe zuzurechnen, widerspricht der Klassifikation der Wirtschaftszweige. |
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a) Die Zuordnung eines Mischbetriebs zum Baugewerbe oder zum verarbeitenden Gewerbe oder zu den produktionsnahen Dienstleistungen hängt davon ab, welche Tätigkeit überwiegt; dies ist grundsätzlich nach dem Verhältnis der Wertschöpfungsanteile zu beurteilen (Senatsurteile vom 7. März 2002 III R 44/97, BFHE 198, 169, BStBl II 2002, 545; vom 19. Oktober 2006 III R 28/04, BFH/NV 2007, 1185; vom 17. April 2008 III R 100/06, BFH/NV 2008, 1531, Rz 18, und in BFHE 236, 168, BStBl II 2012, 358, Rz 20). Hilfsweise können als Abgrenzungsmerkmale auch der Umsatz, das investierte Kapital, die Arbeitslöhne oder eine Kombination dieser Merkmale in Betracht kommen (Senatsurteile in BFH/NV 2007, 1185; vom 20. September 1999 III R 33/97, BFHE 190, 266, BStBl II 2000, 208; vom 19. Oktober 2000 III R 100/96, BFH/NV 2001, 487; vom 23. Juli 1976 III R 166/73, BFHE 119, 549, BStBl II 1976, 705; vgl. Uhlmann, Betriebs-Berater 2005, 1534, und WZ 2003, S. 23: output- und input-orientierte Größen). |
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b) Im Streitfall ist daher maßgeblich, ob der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin im Bereich eines begünstigten Betriebs liegt (verarbeitendes Gewerbe und/oder produktionsnahe Dienstleistungen). Entgegen der Ansicht der Klägerin kann bei der Ermittlung des Schwerpunkts der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht auf die Verhältnisse einer einzelnen Betriebsstätte oder "fachlichen Einheit" abgestellt werden. |
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Der Gesetzgeber hat in § 2 InvZulG 1999 mehrfach zwischen den Begriffen "Betrieb" und "Betriebsstätte" unterschieden und diese nicht synonym verwendet. Die Auslegung der im Investitionszulagenrecht verwendeten Begriffe richtet sich grundsätzlich nach dem Ertragsteuerrecht (ständige Rechtsprechung; Senatsurteile vom 23. Juni 2015 III R 26/12, BFH/NV 2016, 65, Rz 21; vom 25. Januar 1985 III R 130/80, BFHE 143, 192, BStBl II 1985, 309), sofern sich nicht aus dem InvZulG, seinem Zweck und seiner Entstehungsgeschichte etwas anderes entnehmen lässt (Senatsurteil vom 26. Januar 2006 III R 5/04, BFHE 212, 381, BStBl II 2006, 771). Ein Betrieb im Steuerrecht liegt vor, wenn personelle und sächliche Mittel organisatorisch so miteinander verknüpft sind, dass sie nach der Verkehrsauffassung eine Einheit bilden. Subjektiv muss diese organisatorische Einheit zu einem betrieblichen Zweck und zur Erzielung von Gewinnen eingesetzt werden (Senatsurteil vom 19. Februar 2004 III R 1/03, BFH/NV 2004, 1231; BFH-Urteil vom 13. Oktober 1988 IV R 136/85, BFHE 154, 442, BStBl II 1989, 7). Einzelunternehmer können mehrere Betriebe haben. Für Personen- und Kapitalgesellschaften ist dagegen einkommen- und gewerbesteuerrechtlich unbestritten, dass diese nur einen Betrieb haben, der alle Betriebsstätten umfasst (BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2000 X B 111/00, BFH/NV 2001, 816); dies folgt aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sowie § 2 Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes. Davon ist grundsätzlich auch im Investitionszulagenrecht auszugehen (Senatsurteil in BFHE 212, 381, BStBl II 2006, 771). Lediglich für die Einordnung in das verarbeitende Gewerbe gilt nur die Gesamtheit der Betriebsstätten im Fördergebiet als ein Betrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 InvZulG 1999). |
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c) Soweit das FG den in der Montage der selbst hergestellten Metallteile liegenden Wertschöpfungsprozess dem Baugewerbe zugerechnet hat, ist diese Zuordnung zu beanstanden. Vielmehr ist der Einbau der selbst hergestellten Teile für die zulagenrechtliche Wertschöpfungsberechnung der Herstellung und damit dem verarbeitendem Gewerbe zuzurechnen. |
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aa) Das Baugewerbe umfasst zwar nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige Ausgabe 2003 (WZ 2003, S. 317) u.a. vorbereitende Baustellenarbeiten, Hoch- und Tiefbau (einschließlich spezialisierter Hoch- und Tiefbau) und Bauinstallationen. Auch die Errichtung von Stahlkonstruktionen beim spezialisierten Hoch- und Tiefbau (= Durchführung von Teilarbeiten im Hoch- und Tiefbau) zählt grundsätzlich ebenfalls zum Baugewerbe. Eine Zuordnung zum Baugewerbe liegt aber schon dann nicht mehr vor, wenn die für die Errichtung von Stahlkonstruktionen verwendeten Einzelteile von derselben Einheit hergestellt werden (WZ 2003, S. 317). Demnach wird nur der Einbau fremd hergestellter Teile vom Baugewerbe erfasst. Insoweit enthält die WZ 2003 (S. 318) auch den Hinweis, dass die Errichtung "von vollständig vorgefertigten Gebäuden oder Bauwerken aus selbst hergestellten Teilen" nicht vom Baugewerbe erfasst wird (WZ 2003, S. 318). Hieraus kann allerdings –entgegen der Ansicht des FG– nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass die Errichtung aus nicht vollständig oder überwiegend selbst hergestellten Teilen automatisch eine Klassifizierung als Baugewerbe nach sich zieht. Denn der "Einbau von selbst hergestellten Konstruktionsteilen, Fertigbauteilen und Ausbauelementen" wird nicht dem Baugewerbe zugeordnet, sondern gemäß dem verwendeten Material der entsprechenden Kategorie des Abschn. D und damit dem verarbeitenden Gewerbe (WZ 2003, S. 318). Damit teilt die Montage der individuell gefertigten Metallteile die Klassifizierung der Herstellung dieser Produkte. Auch bei anderen Formen des Hochbaus folgt der Einbau von Teilen der Unterklasse der jeweils verbauten Teile (z.B. WZ 2003, S. 321, Nr. 45.21.5: Errichtung von Fertigteilbauten aus Holz oder Kunststoff aus selbst gefertigten Bausätzen mit anschließender Montage auf der Baustelle wird nicht dem Baugewerbe zugerechnet). Darüber hinaus spricht auch die allgemeine Definition der Herstellung von Metallerzeugnissen (WZ 2003, S. 250), wonach die Abt. 28 die Herstellung "reiner" Metallerzeugnisse und die Abt. 29 bis 36 die Kombination oder Montagen solcher Metallerzeugnisse (mitunter mit anderen Materialien) zu komplexeren Einheiten umfassen, dafür, dass zur Metallerzeugung nicht nur die reine Produkterzeugung, sondern auch der Einbau und die Montage solcher Erzeugnisse gehören kann. |
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bb) Aus der Klassifizierung ergibt sich damit, dass die Fertigstellung selbst hergestellter Metallerzeugnisse einschließlich des Einbaus dem verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen ist. Sollte der Beitrag zur Wertschöpfung durch diese Tätigkeiten nur einen geringen Umfang einnehmen, kann dies zwar Auswirkungen auf die Schwerpunkttätigkeit des Mischbetriebs der Klägerin haben, rechtfertigt es aber nicht einen Teil der Tätigkeit schon gleichsam auf der ersten Stufe einem anderen (nicht begünstigten) Abschn. der Klassifikation (hier Abschn. F Baugewerbe) zuzuordnen. |
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3. Die Sache ist nicht spruchreif und daher an das FG zurückzuverweisen. Denn in Anwendung der vorstehenden Grundsätze kann der Senat auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht selbst beurteilen, ob der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Betriebs der Klägerin beim verarbeitenden Gewerbe oder beim Baugewerbe lag. |
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a) Das FG wird im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Feststellungen, auf welche der einzelnen Tätigkeiten der größte Wertschöpfungsanteil entfällt, gegebenenfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, zu treffen haben. Hilfsweise können daneben auch andere Kriterien herangezogen werden, auf die unter II.2.a der Gründe zitierten Senatsurteile in BFHE 190, 266, BStBl II 2000, 208; in BFH/NV 2007, 1185, und in BFH/NV 2008, 1531 wird Bezug genommen. |
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Die Einordnung der Klägerin zum verarbeitenden Gewerbe durch das TLS kann der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Denn diese gründet allein auf den von der Klägerin angegebenen und vom FG nicht weiter überprüften Zahlen. |
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b) Da das FG entsprechend seiner Rechtsauffassung den Umfang der klägerischen Tätigkeiten innerhalb und außerhalb des Fördergebiets (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 InvZulG 1999) sowie die Verbleibensvoraussetzungen des Wirtschaftsguts (Fünfjahreszeitraum, § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999) offengelassen hat, sind auch diese Fragen im zweiten Rechtsgang zu klären, sofern sie nach Beantwortung des begünstigten (Schwerpunkt-)Betriebs entscheidungserheblich sein sollten. |
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. |
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