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| II. Aufgrund des eingetretenen gesetzlichen Beteiligtenwechsels ist Beklagte und Revisionsklägerin nunmehr die Familienkasse … der Bundesagentur für Arbeit (vgl. z.B. Senatsurteil vom 18. Dezember 2013 III R 52/11, BFH/NV 2014, 851, Rz 9). Dies ist im Rubrum des Urteils entsprechend berücksichtigt worden. |
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| Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). |
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| Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) liegen im Streitzeitraum zwar die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch der Klägerin nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 3 EStG vor. |
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| Das FG hat aber den seiner Entscheidung zugrunde gelegten Ausschlusstatbestand des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG rechtsfehlerhaft angewendet. Denn die Feststellungen des FG zum polnischen Recht erlauben keine abschließende Beurteilung der Frage, ob weder der Klägerin noch einem Dritten in Polen ein Anspruch auf dem Kindergeld vergleichbare Leistungen zustand. |
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| 1. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wird Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das Leistungen zu zahlen sind oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder einer der in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Leistungen vergleichbar sind. Für die Verwirklichung dieses Ausschlusstatbestandes ist es unerheblich, ob der Anspruch auf die entsprechenden Leistungen nach ausländischem Recht der nach deutschem Recht kindergeldberechtigten Person oder einem Dritten zusteht (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 27. November 1998 VI B 120/98, BFH/NV 1999, 614, unter 1.). |
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| Nach den Senatsurteilen vom 13. Juni 2013 III R 10/11 (BFHE 241, 562, BStBl II 2014, 706, Rz 22 ff.) und III R 63/11 (BFHE 242, 34, BStBl II 2014, 711, Rz 19 ff.) hat das FG bei Prüfung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG insbesondere folgende Grundsätze zu beachten: |
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| a) Die Vorschrift verpflichtet zunächst die Familienkasse, aber in einem nachfolgenden Klageverfahren auch das FG, selbst zu prüfen, ob für ein Kind ein Anspruch auf Gewährung von dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen nach ausländischem Recht besteht. Diese Prüfung hätte nur dann zu unterbleiben, wenn bereits eine ausländische Behörde über den streitigen ausländischen Anspruch mit Bindungswirkung für die deutschen Behörden und Gerichte entschieden haben sollte. Ob aus solchen Entscheidungen/Bescheinigungen eine Bindungswirkung resultiert, ist allerdings höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 241, 562, BStBl II 2014, 706, Rz 26). |
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| b) Bei bestehender Prüfungspflicht hat das FG das maßgebende ausländische Recht gemäß § 155 FGO i.V.m. § 293 der Zivilprozessordnung (ZPO) von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen. Es ist nicht Aufgabe des Kindergeldberechtigten, die Regelungen über das ausländische Recht im Einzelnen darzulegen. |
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| Daneben muss das FG den für die Subsumtion unter das maßgebliche ausländische Recht entscheidungserheblichen Sachverhalt unter Beachtung der erweiterten Mitwirkungspflichten des Kindergeldberechtigten nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung von Amts wegen ermitteln und feststellen. |
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| c) Nach alledem darf das FG nicht allein aus dem Umstand, dass der Kindergeldberechtigte keine (negative) Entscheidung/Bescheinigung einer ausländischen Behörde über das Nichtbestehen eines Anspruchs auf ausländische Familienleistungen beigebracht hat, folgern, es habe ein Anspruch nach ausländischem Recht bestanden. |
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| 2. Für das Revisionsgericht sind die vom FG zu Bestehen und Inhalt des ausländischen Rechts getroffenen Feststellungen grundsätzlich bindend (§ 155 FGO i.V.m. § 560 ZPO); sie sind wie Tatsachenfeststellungen zu behandeln (Senatsurteile in BFHE 241, 562, BStBl II 2014, 706, Rz 38; in BFHE 242, 34, BStBl II 2014, 711, Rz 34). |
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| Der BFH hat daher solche Feststellungen des FG im Allgemeinen seiner Entscheidung zugrunde zu legen, sofern hiergegen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgetragen worden sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Juli 2003 I R 82/01, BFHE 202, 547, BStBl II 2004, 4, unter II.2.). Die Bindungswirkung entfällt allerdings dann, soweit die erstinstanzlichen Feststellungen zu Bestehen und Inhalt des ausländischen Rechts nur einen kursorischen Überblick geben (Senatsurteile in BFHE 241, 562, BStBl II 2014, 706, Rz 38; in BFHE 242, 34, BStBl II 2014, 711, Rz 34; Beermann in Beermann/Gosch, FGO § 118 Rz 38.2). |
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| 3. Danach ist die vom FG erfolgte Prüfung des polnischen Rechts revisionsrechtlich zu beanstanden. |
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| a) Das FG hat zwar zutreffend eine eigene Entscheidung darüber getroffen, ob nach polnischem Recht einer Person für T ein Anspruch auf Gewährung von dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen zustand. Insbesondere bestehen nach den Feststellungen des FG keine Anhaltspunkte dafür, dass eine –ggf. Bindungswirkung besitzende– negative Entscheidung/Bescheinigung einer polnischen Behörde über das Nichtbestehen eines solchen Anspruchs vorgelegen haben könnte. |
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| b) Die vom FG zu Bestehen und Inhalt des polnischen Rechts getroffenen Feststellungen entfalten aber keine Bindungswirkung, weil sie –jedenfalls soweit sie die (fehlende) Anspruchsberechtigung des Kindsvaters und der Klägerin betreffen– auf einem nur kursorischen (unzulänglichen) Überblick über das maßgebliche polnische Recht beruhen. |
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| Der Vorentscheidung lässt sich zwar noch entnehmen, dass in Polen die Familienleistungen auf der Grundlage des Gesetzes vom 28. November 2003 erbracht werden. Einzelheiten zu Inhalt und Auslegung dieses Gesetzes hat das FG aber nicht festgestellt. |
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| aa) So hat das FG nicht dargelegt, aufgrund welcher Vorschrift(en) welchen Inhalts des polnischen Rechts eine Anspruchsberechtigung des Kindsvaters wegen der gegebenen familiären Situation ausgeschlossen gewesen sein soll. Das insoweit maßgebliche polnische Recht bleibt im Dunkeln. |
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| bb) Ebenso stellt die Aussage des FG, das Einkommen der Klägerin übersteige die insoweit maßgebliche Einkommensgrenze von 504 PLN pro Monat und Familienmitglied, keine tragfähige Grundlage für die Schlussfolgerung dar, die Klägerin sei nicht anspruchsberechtigt gewesen. |
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| Es fehlen Feststellungen dazu, wer nach polnischem Recht als "Familienmitglied" gilt. Daher erschließt sich nicht, weshalb allein auf das Einkommen der Klägerin als "Familienmitglied" abgestellt und nicht auch das Einkommen anderer "nahestehender Personen" (z.B. des Kindsvaters und/oder der Großmutter von T) in die Berechnung des Familieneinkommens einbezogen worden ist. Bei entsprechender Berücksichtigung weiterer Personen wäre es vorstellbar, dass –ausgehend von dem dann maßgeblichen Familieneinkommen– das monatliche Pro-Kopf-Einkommen der Familienmitglieder die genannte Einkommensgrenze nicht überschritten hat. Aber selbst wenn allein auf das Einkommen der Klägerin hätte abgestellt werden müssen, bliebe offen, nach welchen Regeln des polnischen Rechts der maßgebliche Einkommensbetrag zu ermitteln ist. Das FG hat nicht festgestellt, was nach polnischem Recht als "Einkommen pro Familienmitglied" anzusetzen ist. Damit bleibt unklar, ob der vom FG angeführte monatliche Verdienst der Klägerin von rd. 700 EUR –offensichtlich ihre im Jahr 2008 erzielten inländischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb– tatsächlich der nach polnischem Recht maßgebliche Betrag gewesen sein kann. Im Übrigen hat das FG auch nicht dargelegt, für welchen Zeitraum das Einkommen heranzuziehen ist, um beurteilen zu können, ob die maßgebliche Einkommensgrenze überschritten ist. |
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| Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin in der Revisionsinstanz, wonach die maßgebliche Einkommensgrenze selbst dann überschritten wäre, wenn T und die Großmutter als Familienmitglieder in die Berechnung des Familieneinkommens hätten einbezogen werden müssen. Die Vorentscheidung enthält weder aussagekräftige Feststellungen zum ausländischen Recht noch die erforderlichen Feststellungen zur Höhe des danach maßgeblichen Familieneinkommens. |
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| 4. Für den zweiten Rechtsgang weist der Senat auf Folgendes hin: |
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| a) Im Streitfall hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, ob der dem § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorgehende Art. 10 der VO Nr. 574/72 anwendbar ist (zur Nichtanwendbarkeit des Art. 76 der VO Nr. 1408/71 vgl. Senatsurteil vom 15. März 2012 III R 52/08, BFH/NV 2012, 1519, Rz 31). |
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| Im Streitfall könnte der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 eröffnet sein, weil die Klägerin zwar nicht in Deutschland, aber ggf. in Polen nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 in irgendeinem der von ihrem sachlichen Geltungsbereich erfassten Zweige der sozialen Sicherheit versichert war (vgl. dazu Senatsurteil vom 4. August 2011 III R 55/08, BFHE 234, 316, BStBl II 2013, 619, Rz 19). |
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| Sollte danach der persönliche Geltungsbereich eröffnet sein, käme eine Anwendung des Art. 10 der VO Nr. 574/72 dann in Betracht, wenn Deutschland –was noch festzustellen wäre– nach den Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 der zuständige Beschäftigungsmitgliedstaat und Polen –was das FG bereits festgestellt hat– der Wohnmitgliedstaat des Kindes ist (vgl. z.B. Senatsurteile vom 16. Mai 2013 III R 8/11, BFHE 241, 511, BStBl II 2013, 1040, Rz 27; in BFHE 241, 562, BStBl II 2014, 706, Rz 44). Schließlich wäre eine Anwendung des Art. 10 der VO Nr. 574/72 nicht notwendigerweise deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin (oder ihre Mutter) nicht selbst die Voraussetzungen des Anhangs I Teil I Buchst. E (bis April 2005 Buchst. C; bis 2006 Buchst. D) der VO Nr. 1408/71 erfüllte (vgl. z.B. Senatsurteil vom 5. Juli 2012 III R 76/10, BFHE 238, 87, BStBl II 2013, 1033, Rz 19 ff.). |
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| b) Sollte hingegen bei eröffnetem persönlichen Geltungsbereich Polen nach den Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 der zuständige Mitgliedstaat sein, wäre § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anwendbar (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 241, 511, BStBl II 2013, 1040, Rz 28 f.). Dabei hat der Senat bereits darauf hingewiesen, dass infolge der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union für den Fall, dass in dem anderen Mitgliedstaat (hier Polen) dem Kindergeld vergleichbare Leistungen bezogen worden sind, der Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG im Allgemeinen nur in entsprechender Höhe gekürzt werden darf (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 241, 511, BStBl II 2013, 1040, Rz 29). Noch nicht entschieden hat der Senat, ob bei dieser Ausgangslage für den Fall eines nach ausländischem Recht zwar bestehenden, aber nicht zur Auszahlung gelangten Anspruchs das deutsche Kindergeld gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ebenfalls nur in entsprechender Höhe gekürzt werden darf oder insgesamt ausgeschlossen ist. |
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| c) Wäre § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG deshalb anwendbar, weil der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 nicht eröffnet sein sollte, würde sich für den Fall, dass in Polen ein Anspruch auf dem Kindergeld vergleichbare Leistungen bestanden haben sollte, ebenfalls die Frage nach einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Gewährung von Differenzkindergeld) stellen. Insoweit verweist der Senat auf das Urteil vom 13. November 2014 III R 1/13 (zur Veröffentlichung bestimmt). |
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| IV. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO). |
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| V. Die Kostenentscheidung wird gemäß § 143 Abs. 2 FGO dem FG übertragen. |
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