|
|
|
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). |
|
|
1. Kindergeld wird nur an einen Kindergeldberechtigten gezahlt (§ 64 Abs. 1 EStG). Lebt das Kind nicht im Haushalt beider Eltern oder eines Elternteils, sondern in einem eigenen Haushalt, so ist gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 EStG kindergeldberechtigt, wer dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt. Gewähren –wie hier– beide Elternteile eine Unterhaltsrente, so erhält das Kindergeld derjenige, der die höchste Unterhaltsrente zahlt (§ 64 Abs. 3 Satz 2 EStG). |
|
|
a) Ob ein Berechtigter die Voraussetzungen des § 62 EStG erfüllt und wem von mehreren Berechtigten der Kindergeldanspruch zusteht, ist für jeden einzelnen Monat zu entscheiden. Der Vorrang kann dabei auch in kurzer Folge wechseln, z.B. durch wechselnde Haushaltsaufnahme infolge des Auszugs und Wiedereinzugs des zum Berechtigten bestimmten Elternteils (z.B. Senatsurteil vom 18. Mai 2017 III R 11/15, BFHE 259, 78, BStBl II 2017, 1199, betreffend Wiederaufleben der Berechtigtenbestimmung während eines Versöhnungsversuchs). Dies gilt auch für den Vorrang nach § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG, wenn z.B. der Elternteil, der bisher die niedrigere Unterhaltsrente zahlte, diese erhöht, oder wenn die höhere Unterhaltsrente des anderen Elternteils für einen oder mehrere Monate ausfällt. |
|
|
b) Der Begriff der Unterhaltsrente i.S. von § 64 Abs. 3 Satz 1 EStG orientiert sich am Begriff der Geldrente i.S. von § 1612 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Hiernach ist Unterhalt durch Entrichtung einer monatlich im Voraus zu zahlenden Geldrente zu gewähren. Unterhaltsrente ist der laufende Barunterhalt (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 16. Dezember 2003 VIII R 67/00, BFH/NV 2004, 934; Senatsurteil vom 5. November 2015 III R 57/13, BFHE 252, 108, BStBl II 2016, 403). Die Unterhaltsrente ist grundsätzlich sowohl für als auch in dem Monat zu leisten, für den das Kindergeld begehrt wird (Senatsurteil vom 28. April 2016 III R 30/15, BFH/NV 2016, 1272, Rz 14, m.w.N.). |
|
|
Auf die Berechtigtenbestimmung nach § 64 Abs. 3 EStG wirken sich daher weder Sachleistungen noch nachträglich erbrachte Unterhaltsleistungen aus (Senatsurteil in BFH/NV 2016, 1272; Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2005 III B 107/05, BFH/NV 2006, 549; ebenso Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach –HHR–, § 64 EStG Rz 16; Felix in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 64 Rz D 3; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 64 Rz 151). Die Frage, ob Zahlungen, die gemäß § 11 EStG bis zu zehn Tage vor Beginn oder nach Beendigung des Kalendermonats geleistet werden, für den sie bestimmt sind, als Unterhaltsrente berücksichtigt werden können, braucht der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, betreffend behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt). |
|
|
c) Unter einer Rente werden allgemein regelmäßige Zahlungen verstanden, die jemand aus angelegtem Kapital, auf Grundlage von Rechtsansprüchen oder als freiwillige Zuwendung erhält (Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl., Bd. 23, S. 5; ähnlich Duden, Bd. 10, 2. Aufl., S. 521: Einkommen in Form regelmäßiger monatlicher Zahlungen). Daher sind einzelne Zahlungen, mit denen bestehender Unterhalts-, Sonder- oder Mehrbedarf abgedeckt wird oder die ohne konkreten Bedarf geleistet werden, bei der nach § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG zu treffenden Entscheidung nicht zu berücksichtigen (HHR/Wendl, § 64 EStG Rz 16; Avvento in Kirchhof, EStG, 17. Aufl., § 64 Rz 7; ebenso Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz, Stand 2017, BStBl I 2017, 1006, Kap. A 26 Abs. 1). Denn einzelne Geldzuwendungen, z.B. für Krankheitskosten, Kfz-Reparaturen, Urlaub oder besondere Ausbildungskosten, fallen mangels Regelmäßigkeit nicht unter den Begriff einer Rente. |
|
|
d) Unberücksichtigt bleiben auch regelmäßige Unterhaltszahlungen, die in größeren Zeitabständen als einem Monat geleistet werden (für eine Berücksichtigung regelmäßiger Zahlungen dagegen Avvento in Kirchhof, EStG, 17. Aufl., § 64 Rz 7, unter Hinweis auf das Senatsurteil in BFH/NV 2016, 1272; HHR/Wendl, § 64 EStG Rz 16; Felix in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 290. AL 8/2018, X. Kindergeld, D2). Sie können zwar als Rente verstanden werden, werden aber nicht gemäß § 1612 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB "monatlich im Voraus" geleistet. |
|
|
e) Der Senat sieht keine überzeugenden Gründe, von der Orientierung des Begriffs "Unterhaltsrente" in § 1612 Abs. 3 Satz 1 BGB abzuweichen, auch wenn dadurch der insgesamt geringer belastete Elternteil das Kindergeld erhalten kann. Die höhere Belastung mit Unterhaltsleistungen führte nach der bis 1995 geltenden Rechtslage zum Vorrang; nach § 3 Abs. 3 Satz 2 des Bundeskindergeldgesetzes a.F. erhielt das Kindergeld, wer "das Kind überwiegend unterhält". Nach geltendem Recht ist die höhere Belastung aber nur von Bedeutung, soweit sie auf der Unterhaltsrente beruht. Sie bleibt daher auch in anderen Fällen unberücksichtigt, z.B. wenn ein Elternteil Sachleistungen erbringt, indem er dem Kind zu Unterhaltszwecken eine Wohnung am Studienort oder ein Automobil überlässt. |
|
|
Denn das Kindergeldrecht bedarf als "Massenrecht" der Typisierung (Senatsurteil vom 13. Juni 2013 III R 58/12, BFHE 242, 118, BStBl II 2014, 834). Klare und einfache Regelungen, die die Vorhersehbarkeit behördlicher Entscheidungen erhöhen und den Aufwand vermindern, liegen auch im Interesse der Kindergeldberechtigten. |
|
|
Die erforderliche vergröbernde, die Abwicklung von Massenverfahren erleichternde Typisierung ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn sie führt zu keinem unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Betroffenen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, 172; BFH-Urteil vom 5. Juni 2002 X R 1/00, BFH/NV 2002, 1438, Rz 23). Der Klägerin hätte es freigestanden, die regelmäßigen monatlichen Unterhaltsrenten für einen etwaigen Mehr- oder Sonderbedarf zu erhöhen. |
|
|
2. Der Beigeladene hat in allen Monaten des Streitzeitraums –von Januar bis August 500 EUR gegenüber 400 EUR und ab September 590 EUR gegenüber 490 EUR– regelmäßig 100 EUR mehr gezahlt als die Klägerin. Der Beigeladene hat daher im gesamten Streitzeitraum die höhere Unterhaltsrente gezahlt und ist deshalb vorrangig berechtigt. |
|
|
a) Die weiteren Zahlungen der Klägerin sind nicht regelmäßig monatlich geleistet worden und können daher nach den vorgenannten Rechtsgrundsätzen nicht als Unterhaltsrente qualifiziert werden. Insofern ist ohne Bedeutung, ob die Klägerin die Gebühren für das Sommer- und das Wintersemester sowie die Kosten der Bahncard und der Heimfahrt-Tickets nur im Streitzeitraum oder jedes Jahr übernommen hat und sie an den Sohn oder unmittelbar an den Gläubiger –Universität und Bahn– gezahlt hat. |
|
|
b) Unerheblich ist, dass der Beigeladene der Kindergeldgewährung an die Klägerin nicht entgegentritt. Eltern können sich nur dann wirksam über ihren Anspruch auf Kindergeld einigen, wenn ihre Ansprüche gleichrangig sind, also z.B. bei gemeinsamer Haushaltsaufnahme (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG) oder wenn beide dem nicht in einen elterlichen Haushalt aufgenommenen Kind gleich hohe oder keine Unterhaltsrenten zahlen (§ 64 Abs. 3 Satz 3 EStG). Ist ein Elternteil vorrangig berechtigt, so sind Vereinbarungen über den Kindergeldbezug gegenstandslos (Senatsurteil in BFHE 259, 78, BStBl II 2017, 1199). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es auch nicht darauf an, ob die Familienkasse im Ergebnis nicht höher belastet wird, wenn der "falsche" Elternteil das Kindergeld erhält. |
|
|
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Dem Beigeladenen sind keine Kosten aufzuerlegen, da er sich nicht aktiv am Prozess beteiligt hat (§ 135 Abs. 3 FGO); etwaige außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten. |
|