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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Unrecht bei der Vergleichsrechnung nach § 31 EStG die für zwei Kinder des Klägers zu berücksichtigenden Kinderfreibeträge zusammengefasst und keine Einzelberechnung vorgenommen. |
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1. Nach § 31 Satz 1 EStG wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Betreuungsbedarfs entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld nach dem X. Abschnitt des EStG bewirkt. Für das Streitjahr 2000 wird ein Freibetrag von 3.456 DM für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie –unter weiteren, hier nicht vorliegenden Voraussetzungen– ein Betreuungsfreibetrag von 1.512 DM gewährt. Die Freibeträge sind bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten zu verdoppeln (§ 32 Abs. 6 Satz 3 EStG). |
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a) Welche der beiden Alternativen des § 31 Satz 1 EStG im Einzelfall zutrifft, bestimmt sich nach § 31 Satz 4 EStG. Hiernach sind die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG abzuziehen, wenn das Kindergeld die gebotene steuerliche Freistellung nicht in vollem Umfang bewirkt; in diesem Fall wird das gezahlte Kindergeld der Einkommensteuer hinzugerechnet (§ 36 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die gebotene steuerliche Freistellung wird nicht in vollem Umfang bewirkt, wenn das Kindergeld geringer ist als die Entlastung, die bei Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG eintritt. |
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b) Die Systematik des Gesetzes erfordert eine Vergleichsrechnung. Der Einkommensteuer, die sich nach Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG ergibt, wird die Einkommensteuer gegenübergestellt, die bei einer Steuerfestsetzung ohne Abzug der Freibeträge anfällt. Ist die Differenz geringer als das Kindergeld, so scheidet ein Abzug der Freibeträge aus, der Familienleistungsausgleich wird durch das Kindergeld bewirkt. Wegen der Progressionswirkung des Steuertarifs kann die Vergleichsrechnung bei mehreren Kindern unterschiedlich ausfallen, wenn sie für jedes einzelne Kind, beginnend beim ältesten, gesondert durchgeführt wird. Die im Regelfall für den Steuerpflichtigen günstige Einzelbetrachtung wird auch von der Finanzverwaltung angestellt (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. November 1995 IV B 5 -S 2282a- 438/95 II, BStBl I 1995, 805 Rz 7; R 31 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008). |
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2. Aus § 31 Satz 1 EStG und aus § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG ergibt sich, dass die Vergleichsrechnung für jedes Kind einzeln durchzuführen ist, beginnend beim ältesten. Nach § 31 Satz 1 EStG ist ein Einkommensbetrag in Höhe des Existenzminimums "eines" Kindes steuerlich freizustellen. Ebenso spricht der Wortlaut des § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG, wonach die Freibeträge "für jedes zu berücksichtigende Kind" des Steuerpflichtigen anzusetzen sind, gegen eine Zusammenfassung mehrerer Kinderfreibeträge (s. Schmidt/Loschelder, EStG, 29. Aufl., § 31 Rz 13; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 31 EStG Rz 34; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 31 EStG Rz 242; Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 31 Rz B 28; Plenker, Der Betrieb –DB– 1996, 2095; i.E. ebenso Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 31 Rz 23; Seiler in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 31 Rz 8; Dürr in Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 31 Rz 46; Stache in Bordewin/Brandt, § 31 EStG Rz 33a; Leichtle, DB 1997, 1149; a.A. FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Oktober 2002 1 K 925/98, EFG 2003, 169; FG München, Urteil vom 19. Juni 2008 15 K 4625/05, EFG 2008, 1460). Für ein Wahlrecht dahingehend, die für mehrere Kinder zu gewährenden Freibeträge zusammenzufassen, wenn dies bei Anwendung der sog. Fünftelregelung nach § 34 Abs. 1 EStG günstiger sein sollte, findet sich im Gesetz keine Stütze. |
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3. Der vom FG hervorgehobene Umstand, dass im Streitfall der Ansatz zusätzlicher Kapitaleinkünfte von 2.485 DM eine weitere Belastung mit Einkommensteuer von 7.390 DM bewirkt habe, ist kein ausreichender Grund, abweichend von den vorstehenden Ausführungen die Vergleichsrechnung nach § 31 EStG unter Zusammenfassung der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG durchzuführen. Denn der starke Anstieg der Einkommensteuerbelastung, der durch zusätzliche, nicht nach § 34 EStG begünstigte Einkünfte oder durch den Wegfall von Abzugsbeträgen bewirkt wird, ist keine Besonderheit der Vergleichsrechnung. Er ist Folge der sog. Fünftelregelung in § 34 Abs. 1 EStG (ebenso Bozza-Bodden, Anm. in EFG 2008, 626). |
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Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG beträgt die für außerordentliche Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte. Der aus dieser Art der Berechnung resultierende Vorteil ist umso größer, je geringer die nicht begünstigten Einkünfte sind (s.a. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 22. September 2009 IX R 93/07, BFHE 226, 510, BFH/NV 2010, 296). Die Erhöhung nicht begünstigter Einkünfte oder der Wegfall von Abzugsbeträgen bewirkt dementsprechend eine Minderung dieser (Über-)Begünstigung und einen starken Anstieg der Steuerprogression. |
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4. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers und auch des FG führt der Ansatz der zusätzlichen Kapitaleinkünfte nicht zu einer verfassungswidrigen Besteuerung. Der von einigen Autoren (Jahndorf/Lorscheider, Finanz-Rundschau –FR– 2000, 433; List, Betriebs-Berater 2003, 761; Siegel, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2007, 978; s.a. Henning/Hundsdoerfer/Schult, DStR 1999, 131; Birk/Kulosa, FR 1999, 433) angenommene Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) oder gegen das Verbot einer konfiskatorischen Besteuerung (Art. 14 GG) lässt sich nur bei einer isolierten Betrachtung der nicht begünstigten Einkünfte begründen. Maßstab für die Gleich- oder Ungleichbehandlung zweier Steuerpflichtiger ist jedoch die Belastung des gesamten zu versteuernden Einkommens (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2006 X R 22/06, BFH/NV 2007, 442, unter Hinweis auf Sieker, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 34 Rz A 102; ebenso Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, § 34 EStG Rz 4). Entsprechendes gilt, wenn –wie im Streitfall– eine konfiskatorische Besteuerung gerügt wird (s. BFH-Urteil in BFHE 226, 510, BFH/NV 2010, 296). Unabhängig hiervon ist die auf Antrag des Klägers durchgeführte Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte nach § 34 Abs. 1 EStG trotz des Wegfalls der Kinderfreibeträge für ihn weitaus vorteilhafter als es eine Besteuerung sämtlicher Einkünfte mit dem normalen Steuertarif wäre. |
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5. Der im finanzgerichtlichen Verfahren gestellte Antrag des Klägers, ausländische Steuern von 622 DM nicht nach § 34c Abs. 1 EStG anzurechnen, sondern sie nach § 34c Abs. 2 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte abzuziehen, führt nicht zu einer Herabsetzung der vom FA in Höhe von 19.994,58 EUR festgesetzten Steuer (umgerechnet 39.106 DM). Dies ergibt sich aus seiner dem FG mit Schreiben vom 5. April 2007 vorgelegten Berechnung, in der eine tarifliche Einkommensteuer von 39.404 DM ermittelt ist. |
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