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II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) durch Abweisung der Klage. Denn das FG hat die an die Klägerin gezahlten Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld zu Unrecht als steuerfreie Abfindungen beurteilt. |
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1. Gemäß § 3 Nr. 9 Satz 1 EStG (i.d.F. der Streitjahre) sind Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten Auflösung des Dienstverhältnisses, höchstens jedoch 24.000 DM (1998) bzw. 16.000 DM (1999), steuerfrei. |
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a) Die Auflösung des Dienstverhältnisses verlangt dessen endgültige Beendigung. Im Falle des Wechsels des Arbeitgebers wird aber eine rein formale Betrachtung der Zielsetzung des § 3 Nr. 9 EStG (sozialpolitisch begründeter Ausgleich der Folgen eines Arbeitsplatzverlustes) nicht gerecht. Entscheidend ist vielmehr, wie die Beteiligten nach den Umständen des Einzelfalles die Umsetzung des Arbeitnehmers ausgestaltet haben. Wird das bestehende Dienstverhältnis bei Umsetzung eines Arbeitnehmers innerhalb eines Konzerns oder anlässlich eines Betriebsübergangs zwar mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt, so ist ein die steuerfreie Abfindung rechtfertigender Arbeitsplatzverlust nicht gegeben (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 13. Dezember 2005 XI R 8/05, BFH/NV 2006, 1071; vom 2. April 2008 IX R 82/07, BFH/NV 2008, 1325). |
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Dagegen wird ein bestehendes Arbeitsverhältnis i.S. von § 3 Nr. 9 EStG aufgelöst, wenn die Arbeitsvertragsparteien –selbst im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang und ohne Umgehung der Rechtsfolgen des § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)– das Arbeitsverhältnis wirksam aufheben, auch wenn Arbeitnehmer zugleich (vgl. dazu Urteile des Bundesarbeitsgerichts –BAG– vom 28. April 1987 3 AZR 75/86, BAGE 55, 228, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht –ZIP– 1988, 120; vom 10. Dezember 1998 8 AZR 324/97, BAGE 90, 260, ZIP 1999, 320, Der Betrieb –DB– 1999, 537) zur Vermeidung einer Entlassung in ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einer (gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches –SGB– III auch betriebsorganisatorisch eigenständigen) externen BQG eintreten (vgl. BAG-Urteil vom 30. März 2004 1 AZR 85/03, AP Nr. 170 zu § 112 BetrVG 1972; vom 18. August 2005 8 AZR 523/04, BAGE 115, 340, ZIP 2006, 148, DB 2006, 107; vom 23. November 2006 8 AZR 349/06, ZIP 2007, 643, Betriebs-Berater –BB– 2007, 1054). Dieser Auffassung tritt der erkennende Senat bei. |
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b) Eine solche vom Arbeitgeber veranlasste Vertragsauflösung des Dienstverhältnisses liegt vor, wenn der Arbeitgeber die entscheidenden Ursachen für die Auflösung gesetzt hat. Das ist anhand der Umstände des Einzelfalls vom FG als Tatsacheninstanz zu entscheiden. Dabei ist nicht die arbeitsrechtliche Beurteilung der Auflösung maßgeblich, sondern allein der Umstand, wer die Auflösung "betrieben" hat, von wem also die (Initiative zur) Beendigung des Dienstverhältnisses ausgegangen ist (vgl. dazu BFH-Urteile vom 11. Januar 1980 VI R 165/77, BFHE 129, 479, BStBl II 1980, 205; vom 10. November 2004 XI R 51/03, BFHE 208, 186, BStBl II 2005, 441, und XI R 64/03, BFHE 207, 336, BStBl II 2005, 181, m.w.N.). |
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c) Abfindungen i.S. des § 3 Nr. 9 EStG sind Leistungen an den Arbeitnehmer, die Nachteile des Arbeitnehmers aus dem Verhalten des bisherigen Arbeitgebers ausgleichen sollen. Die Norm erfasst alle Leistungen zur Abgeltung von Interessen, die durch den Arbeitsplatzverlust infolge Auflösung des Dienstverhältnisses beeinträchtigt sind, soweit die Auflösung vom Arbeitgeber veranlasst oder gerichtlich ausgesprochen wurde (BFH-Urteile vom 16. Dezember 1992 XI R 33/91, BFHE 170, 369, BStBl II 1993, 447; vom 16. Juli 1997 XI R 85/96, BFHE 183, 532, BStBl II 1997, 666, je m.w.N.). Unter § 3 Nr. 9 EStG fallen nur solche Leistungen, die gerade durch die Auflösung des bisherigen Dienstverhältnisses bedingt sind; der einfache Kausalzusammenhang genügt nicht. Erforderlich ist ein unmittelbarer Zusammenhang der Zahlung mit dem aufgelösten Dienstverhältnis (BFH-Urteile in BFHE 170, 369, BStBl II 1993, 447; vom 1. August 2007 XI R 18/05, BFH/NV 2007, 2104). |
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Zwar kommt es auf die Art der Zahlung (Einmalbetrag, Teilbeträge) und deren Bezeichnung nicht an (Schmidt/Heinicke, EStG, 25. Aufl., § 3 ABC, Stichwort "Abfindungen …", S. 86; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 3 Rz 289, 290; Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach –HHR–, § 3 Nr. 9 EStG Rz 11). So können "Abfindungen" auch als laufende (wiederkehrende) Beträge gezahlt werden (BFH-Urteil vom 11. Januar 1980 VI R 165/77, BFHE 129, 479, BStBl II 1980, 205, Rz 33 bei juris; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 3 Nr. 9 Rz 38). Hinsichtlich der Zweckgerichtetheit der Zahlung ("wegen") ist aber entscheidend auf die Abfassung der Vereinbarungen (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 2003 XI R 17/02, BFHE 203, 490, BStBl II 2004, 264, unter II.1.c; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 3 ABC, Stichwort "Abfindungen …", S. 85; Kreft/HHR, § 3 Nr. 9 EStG Rz 14) und deren Auslegung abzustellen (zur wegen ihrer aus § 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG folgenden normativen Wirkung wie Tarifverträge vorzunehmenden Auslegung von Sozialplänen als Betriebsvereinbarung s. BAG-Urteile vom 12. November 2002 1 AZR 632/01, BAGE 103, 312, DB 2003, 1686, BB 2003, 2401; vom 2. März 2004 1 AZR 272/03, AP Nr. 13 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung). So hat der BFH in einem Sachverhalt monatliche Zuzahlungen des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld nicht als Abfindungen gemäß § 3 Nr. 9 EStG beurteilt, weil diese nicht wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses, sondern wegen Kurzarbeit im Rahmen eines zwar bereits gekündigten, aber noch bestehenden Arbeitsverhältnisses gezahlt wurden (BFH-Beschluss vom 21. Mai 2007 XI B 169/06, BFH/NV 2007, 1648). |
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2. Diesen Maßstäben entspricht die Vorentscheidung nicht; sie ist daher aufzuheben. Das FG hat die an die Klägerin in den Streitjahren erfolgten Zuzahlungen unter Verstoß gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze und damit zu Unrecht als Abfindungen i.S. des § 3 Nr. 9 EStG angesehen; denn die Zahlungen sind nicht "wegen" der Auflösung eines Dienstverhältnisses erfolgt. |
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a) Zwar ist das FG zutreffend von einer endgültigen Beendigung (Auflösung) des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit der K-GmbH ausgegangen. Dieses Arbeitsverhältnis wurde in Umsetzung des Sozialplans zur Vermeidung der mit einer Betriebsschließung verbundenen Entlassungen durch Aufhebungsvertrag vom 8. April 1998 mit Wirkung zum 30. April 1998 einvernehmlich beendet. Der zugleich abgeschlossene befristete Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und der E-GmbH stellt sich –entgegen der Ansicht des FA– weder als hinausgezögerte Entlassung noch als bloße Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der K-GmbH dar. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin –allerdings neben Qualifizierungsmaßnahmen– bei der E-GmbH weitgehend ihre frühere Tätigkeit ausgeübt haben mag und die Vereinbarungen des Sozialplans Gegenstand des befristeten Arbeitsvertrages waren. Auch die Tatsache, dass die von der E-GmbH übernommenen Arbeitnehmer in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit "K-GmbH" innerhalb der E-GmbH und in den angemieteten Räumlichkeiten der K-GmbH weiterbeschäftigt wurden, ist unter Berücksichtigung des sich aus dem Gesetz (§ 175 Abs. 1 SGB III) ergebenden Zwecks einer solchen Regelung unschädlich. Zudem und entscheidend ist aber, dass die E-GmbH als externe BQG eine eigenständige juristische Person (mit eigenem Gesellschaftszweck) ist, die auch über ihre Gesellschafter nicht mit der K-GmbH unternehmerisch verbunden ist (vgl. Pröpper, DB 2001, 2170, 2172, unter IV.2.a). Das gilt unabhängig davon, wie die Herkunft der betreffenden Gelder und deren Auszahlung über die E-GmbH (ggf. als Zahlstelle) zu beurteilen ist. Daher ist das FG zu Recht von einem neuen eigenständigen Arbeitsverhältnis mit der E-GmbH ausgegangen. |
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b) Indes sind die Zuzahlungen nach Maßgabe der Sozialplan-Vereinbarungen nicht "wegen" der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der K-GmbH, sondern wegen der vereinbarten Kurzarbeit bei der E-GmbH erfolgt. Das FG hat diese Zahlungen unter Verstoß gegen die maßgebenden Auslegungsgrundsätze daher unzutreffend als Abfindungen i.S. des § 3 Nr. 9 EStG behandelt. |
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Zwar obliegt die Vertragsauslegung dem FG als Tatsacheninstanz. Wenn sie den Auslegungsgrundsätzen entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, d.h. jedenfalls möglich ist, bindet sie den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 25. Februar 2009 IX R 76/07, BFH/NV 2009, 1268; vom 22. Mai 2007 IX R 22/06, BFH/NV 2007, 1836, m.w.N.). Im Streitfall ist die Auslegung des FG jedoch nicht möglich; der hierin liegende Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. |
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Nach dem Sozialplan (S. 3, unter "Maßnahmen" 1. und 2.) sollten die betroffenen Beschäftigten –neben dem Abschluss von Aufhebungsverträgen mit der K-GmbH und dem gleichzeitigen Abschluss von zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen mit der E-GmbH– "während der Dauer der strukturellen Kurzarbeit" "einen Nachteilsausgleich" aus dem von der K-GmbH "zur Verfügung gestellten Härtefonds" erhalten. Erläuternd ergibt sich dazu aus der Protokoll-Notiz zum Sozialplan, dass den betroffenen Beschäftigten "zum Ausgleich der Nachteile, die ihnen durch die dauerhafte Gewährung von Kurzarbeitergeld entstehen, eine monatliche Nettozahlung" zusteht. Nach Wortlaut, Wortsinn und dem Zweck dieser betrieblichen Regelung sollte der so abgefasste Nachteilsausgleich gerade nicht wegen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, sondern ausdrücklich und eindeutig wegen der durch die dauerhafte Gewährung von Kurzarbeit entstehenden Nachteile gewährt werden, und zwar gerade auch für die Dauer dieser Kurzarbeit. Entsprechend waren nach der Protokoll-Notiz auch "monatliche Nettozahlungen" vorgesehen, die dann auch von der E-GmbH als "monatliche Nettozuschüsse" bestätigt wurden. Dass die Vertragsparteien in ihrer Vereinbarung vom 20. April 1998 (Anlage 2 zum Sozialplan) den betroffenen Beschäftigten einen "Nachteilsausgleich gemäß § 3 Ziff. 9 EStG zugesichert" haben, ist als Vereinbarung über Rechtsfolgen steuerrechtlich unzulässig. Denn eine Vereinbarung ziviler Vertragsparteien über die Steuerfreiheit der vereinbarten Leistungen ist nichtig (vgl. zu Vereinbarungen zwischen Steuerpflichtigem und Finanzbehörde: Pahlke/Koenig/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl. § 38 Rz 31; Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 38 AO Rz 66). |
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Auch generell steht dem die Vereinbarung vom 20. April 1998 (Anlage 2 zum Sozialplan) ersichtlich nicht entgegen. Zum einen ist –mit dem FA– überhaupt fraglich, ob es sich dabei nicht um einen weiteren Nachteilsausgleich in Gestalt einer (echten) Abfindung handelt; denn die Vereinbarung knüpft für die übernommenen Beschäftigten an deren Ausscheiden aus der K-GmbH an und erwähnt an keiner Stelle, dass dieser Nachteilsausgleich wegen der Kurzarbeit und für deren Dauer gezahlt werden soll. In § 1 heißt es sogar ausdrücklich "aus Anlaß des Aufhebungsvertrages". Zum anderen orientiert sich die Formel zur Berechnung des Nachteilsausgleichs u.a. an der bisherigen Bezahlung der Beschäftigten; es werden Höchstbeträge ausgewiesen, deren Auszahlung zudem nicht monatlich, sondern einmalig "mit der April-Abrechnung 1999" oder "im Juli 1999" erfolgen soll. Dazu hat das FG indes keine Feststellungen getroffen; vielmehr steht fest, dass die Klägerin in den beiden Streitjahren monatliche Zahlungen erhalten hat. Im Übrigen wäre die Vereinbarung vom 20. April 1998 bei Zweifeln im Sinne des Sozialplans auszulegen, der einschließlich seiner Protokoll-Notiz einen unmittelbaren Zusammenhang der Zahlungen mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht oder nur mittelbar erkennen lässt. |
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3. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen. Unter Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarungen im Rahmen des Sozialplans sind die Zuzahlungen (Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld) der E-GmbH an die Klägerin als steuerpflichtiger Arbeitslohn –wie in den angegriffenen Einkommensteuerbescheiden bereits geschehen– anzusetzen. Ob der Klägerin aufgrund der Vereinbarung vom 20. April 1998 (Anlage 2 zum Sozialplan) über die bisherigen Zahlungen hinaus ein weiterer arbeitsrechtlicher Zahlungsanspruch zusteht, ist hier nicht zu beurteilen. |
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