BFH-Urteil vom 17.10.1990 (I R 16/89) BStBl. 1991 II S. 211

BFH-Urteil vom 17.10.1990 (I R 16/89) BStBl. 1991 II S. 211

1. Zu den inländischen Einkünften i.S. des § 49 EStG gehören Vergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG (jetzt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG), die der persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA für eine Hingabe von Darlehen von der Gesellschaft bezogen hat, wenn und soweit sie durch eine inländische Betriebsstätte der Gesellschaft erzielt werden.

2. Die Besteuerung dieser Vergütungen ist nicht durch das DBA-Schweiz ausgeschlossen, wenn der persönlich haftende Gesellschafter seinen Wohnsitz in der Schweiz hat.

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 3, § 49 Abs. 1 Nr. 2a; DBA-Schweiz Art. 7 Abs. 1 und Abs. 7.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte in dem Streitjahr 1983 seinen Wohnsitz in der Schweiz. Er war als persönlich haftender Gesellschafter ohne Einlage an der inländischen Kommanditgesellschaft auf Aktien R beteiligt.

Der Kläger unterhielt bei der R ein Verrechnungskonto; Guthaben auf diesem Konto hatte die R, Überziehungen der Kläger zu verzinsen. Im Streitjahr 1983 erhielt der Kläger Guthabenzinsen in Höhe von 35.338,46 DM.

Er legte im Laufe des Verfahrens Unterlagen vor, wonach die maßgeblichen Schweizer Steuerbehörden der Auffassung sind, daß die Zinsen nicht in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik), sondern in der Schweiz zu versteuern seien.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA -) setzte die Einkommensteuer unter Einbeziehung der Zinserträge fest. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung der Art. 11 Abs. 2 und 3 i.V.m. Art. 7 Abs. 7 Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 – DBA-Schweiz – (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519).

Er beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid dahin zu ändern, daß die Einkommensteuer von einem um 35.338,46 DM geminderten zu versteuernden Einkommen festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).

1. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), hatte der Kläger im Streitjahr 1983 weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Er war deshalb in der Bundesrepublik nur mit seinen inländischen Einkünften i.S. des § 49 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beschränkt steuerpflichtig.

2. Zu den inländischen Einkünften i.S. des § 49 EStG gehören Vergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG, die der persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA für die Hingabe von Darlehen von der Gesellschaft bezogen hat, wenn und soweit sie durch eine inländische Betriebsstätte der Gesellschaft erzielt werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG). Dazu hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß der Kläger Zinsen von der KGaA erzielt, an der er als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt war. Die Zinsen sind gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG (jetzt: § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) gewerbliche Einkünfte. Es handelt sich um Vergütungen, die der Kläger für die Hingabe von Darlehen an die KGaA bezog.

3. Die Besteuerung der gewerblichen Zinseinkünfte durch die Bundesrepublik ist durch das DBA-Schweiz nicht ausgeschlossen. Das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik ergibt sich aus Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Abs. 7 DBA-Schweiz. Die Zinsen gehören zu dem Gewinn eines schweizerischen Unternehmens, das seine Tätigkeit in der Bundesrepublik durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt. Die R ist hinsichtlich des Komplementäranteils des Klägers ein schweizerisches Unternehmen. Bei Personengesellschaften entscheidet sich die Frage, ob ein schweizerisches oder deutsches Unternehmen i.S. des DBA-Schweiz vorliegt, nach dem Wohnsitz des Teilhabers (Busiek in Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen-Schweiz, Art. 7 Rdnr. 134 ff., und Locher/Meier/v. Siebenthal, Doppelbesteuerungsabkommen-Schweiz, B 7.7. Nr. 2).

Die nach deutschem Recht gebildete KGaA ist, soweit es das Verhältnis des persönlich Haftenden zu der KGaA betrifft, für die Anwendung des DBA-Schweiz in der Bundesrepublik eine Personengesellschaft. Da der Begriff der Personengesellschaft im DBA-Schweiz nicht definiert ist, hat er bei Anwendung des Abkommens durch die Bundesrepublik, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, die Bedeutung, die ihm nach dem Recht der Bundesrepublik über die Steuern zukommt, welche Gegenstand des Abkommens sind (Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz). In dem danach maßgebenden deutschen Steuerrecht findet sich der Ausdruck „Personengesellschaft“ an mehreren Stellen (vgl. § 138 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung – AO 1977 -; § 7 Abs. 3 des Außensteuergesetzes – AStG -; §§ 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b, 106 Abs. 5 Nr. 3 und 107 Nr. 2 Buchst. d des Bewertungsgesetzes – BewG -; § 15 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 EStG in der jetzt gültigen Fassung; § 5 Abs. 1 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes – GewStG -; § 15 Nr. 2 Satz 2 und § 19 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG – 1977, und §§ 2 Abs. 2, 5 Abs. 1, 6, 8, 9, 10, 12 und § 24 des Umwandlungs-Steuergesetzes – UmwStG – 1977). Vielfach besteht dabei für die KGaA in den einschlägigen Gesetzen eine gesonderte Regelung, so daß angenommen werden kann, daß die KGaA jedenfalls insoweit nicht zu den Personengesellschaften gehört (§ 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG; in § 106 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG; in § 107 Nr. 2 Buchst. e i.V.m. § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Nr. 1 BewG; vgl. auch § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG). Der Senat kann offen lassen, inwieweit die KGaA im Sinne einzelner Bestimmungen des deutschen Steuerrechts zu Personengesellschaften zählt. Der Zusammenhang i.S. des Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz erfordert es jedenfalls, für die Anwendung des DBA-Schweiz in der Bundesrepublik bei der KGaA von einer Personengesellschaft auszugehen, soweit das Verhältnis des persönlich haftenden Gesellschafters zu der KGaA maßgebend ist. Entscheidend ist dabei, daß die KGaA insoweit für die Besteuerung nicht wie eine juristische Person behandelt wird (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Schweiz). Das Einkommen der KGaA mindert sich um den Gewinnanteil des persönlich haftenden Gesellschafters (§ 9 Nr. 2 KStG 1977), während es bei juristischen Personen normalerweise für die Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens ohne Bedeutung ist, ob das Einkommen verteilt wird (§ 8 Abs. 3 Satz 1 KStG 1977). Die Gewinnanteile eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA zählen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG); es besteht insoweit eine Regelung, die der für die Gewinnanteile einer OHG bzw. KG entspricht (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG).

Nach Art. 7 Abs. 7 Satz 1 DBA-Schweiz gilt Art. 7 DBA-Schweiz auch für Einkünfte aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft. Da die KGaA, soweit es das Verhältnis des persönlich haftenden Gesellschafters zu der KGaA angeht, nach dem DBA-Schweiz als Personengesellschaft zu behandeln ist und demgemäß der persönlich haftende Gesellschafter insoweit der Unternehmer ist, folgt hieraus, daß die Gewinnanteile eines in der Schweiz ansässigen persönlich haftenden Gesellschafters einer deutschen KGaA insoweit in der Bundesrepublik besteuert werden können, als die Gewinne aus einer in der Bundesrepublik liegenden Betriebsstätte stammen. Es handelt sich um den Gewinn eines schweizerischen Unternehmens des Klägers, das seine Tätigkeit durch eine in der Bundesrepublik gelegene Betriebsstätte ausübt (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz).

Das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik besteht gemäß Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Schweiz auch für Vergütungen, die ein Gesellschafter einer Personengesellschaft von der Gesellschaft für die Gewährung eines Darlehens bezieht, wenn die Vergütungen nach dem Steuerrecht des Vertragsstaates, in dem die Betriebsstätte gelegen ist, den Einkünften des Gesellschafters aus dieser Betriebsstätte zugerechnet werden. Danach unterliegen die strittigen Zinsen der deutschen Besteuerung. Die KGaA ist, soweit es das Verhältnis des persönlich haftenden Gesellschafters zu der KGaA angeht, nach dem DBA-Schweiz als Personengesellschaft anzusehen. Zinsen werden nach dem Recht des Vertragsstaates, in dem sich die Betriebsstätte befindet – im Streitfall nach dem Recht der Bundesrepublik -, den Einkünften des Gesellschafters aus der Betriebsstätte zugerechnet. Dies ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG, wonach die Vergütungen, die der persönlich haftende Gesellschafter von der KGaA für die Hingabe von Darlehen bezogen hat, zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb und damit zu den Einkünften aus der Betriebsstätte rechnen, die die KGaA unterhält. Anhaltspunkte dafür, daß im Streitfall die KGaA Gewinne aus nicht in der Bundesrepublik liegenden Betriebsstätten bezogen hat, liegen nicht vor.

Dem deutschen Besteuerungsrecht steht Art. 7 Abs. 8 DBA-Schweiz nicht entgegen. Art. 7 Abs. 8 DBA-Schweiz betrifft den Fall, daß zu den Gewinnen eines Unternehmens Einkünfte gehören, die in anderen Artikeln des Abkommens behandelt werden. Art. 7 Abs. 8 DBA-Schweiz sieht dabei vor, daß die Bestimmungen dieser anderen Artikel durch die Bestimmungen des Art. 7 nicht berührt werden. Bei den Zinsen handelt es sich zwar um Einkünfte, die in einem anderen Artikel des DBA-Schweiz, nämlich in Art. 11 DBA-Schweiz, behandelt werden. Nach Art. 11 Abs. 1 DBA-Schweiz können Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, nur in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden. Daraus kann nicht entnommen werden, daß die Zinsen, die im Streitfall aus der Bundesrepublik stammen und an den in der Schweiz ansässigen Kläger gezahlt wurden, nur in der Schweiz besteuert werden können. Art. 7 Abs. 8 DBA-Schweiz bezieht sich nicht auf die in Art. 7 Abs. 7 Satz 2 angesprochenen Vergütungen, die ein Gesellschafter einer Personengesellschaft von der Gesellschaft für die Gewährung von Darlehen erhält. Es ist ausgeschlossen, daß das Abkommen die in einem Absatz eines Artikels getroffene Regelung im nächsten Absatz wieder aufhebt.

Art. 7 Abs. 8 DBA-Schweiz behält auch bei der vom Senat vertretenen Auslegung des Abkommens seinen Sinn. Hier wird klargestellt, daß von Art. 7 Abs. 1 nur Gewinne eines Unternehmens zu erfassen sind, die der inländischen Betriebsstätte zugerechnet werden können (vgl. Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 2. Aufl., Art. 7 Rdnr. 150). Daneben kann Art. 7 Abs. 8 DBA-Schweiz auch eine Abgrenzungsnorm für den Fall sein, daß Gewinne der inländischen Betriebsstätte zugerechnet werden können. Veräußert beispielsweise ein schweizerisches Unternehmen, das nur über eine Betriebsstätte in der Bundesrepublik verfügt, ein in der Schweiz gelegenes, jedoch dieser Betriebsstätte dienendes Grundstück, steht die Besteuerung eines entstehenden Veräußerungsgewinns allein der Schweiz zu. Art. 7 Abs. 8 DBA-Schweiz sieht insoweit vor, daß Art. 13 Abs. 1 DBA-Schweiz, der das Besteuerungsrecht für die Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens für den Belegenheitsstaat begründet, durch Art. 7 DBA-Schweiz nicht berührt wird. Bezieht ein in einem Vertragsstaat ansässiger Unternehmer, ohne eine Betriebsstätte im anderen Staat zu unterhalten, von dort Dividenden, ergibt sich aus Art. 7 Abs. 8 DBA-Schweiz, daß er für diese Erträge nicht nach Art. 7 DBA-Schweiz Befreiung von der Besteuerung dieses Staates verlangen kann, sondern ihr in den Grenzen des Art. 10 DBA-Schweiz unterworfen bleibt (vgl. Korn/Debatin, Doppelbesteuerungsabkommen-Schweiz, Art. 7 Anm. 2 c). Kommt danach Art. 11 DBA-Schweiz nicht zum Zuge, muß der Senat nicht darauf eingehen, welche Folgerungen sich aus Art. 11 Abs. 3 DBA-Schweiz ergäben.


Steuerarten, Steuergesetze, Steuerrichtlinien, Steuerurteile, Steuerrechner, Steuertabellen, Steuerformulare, Steuerberatung & Steuererklärungen