BFH-Urteil vom 23.5.1990 (III R 145/85) BStBl. 1990 II S. 895

BFH-Urteil vom 23.5.1990 (III R 145/85) BStBl. 1990 II S. 895

1. Aufwendungen von Eltern für Besuchsfahrten zu ihrem eine Freiheitsstrafe verbüßenden volljährigen Kind in der Haftanstalt sind üblicherweise als durch den Grundfreibetrag und die Regelungen des sog. Kinderlastenausgleichs abgegolten anzusehen und deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG berücksichtigungsfähig.

2. Aufwendungen, die Eltern für die Strafverteidigung ihres volljährigen, wegen eines Verbrechens beschuldigten und angeklagten Kindes tragen, können insoweit als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein, als sich die Kosten innerhalb der durch die BRAGO festgelegten Rahmensätze halten.

EStG 1981 § 33.

Vorinstanz: FG des Saarlandes (EFG 1985, 504)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1982 die Kosten für den Wahlverteidiger ihrer damals 22 Jahre alten Tochter getragen haben. Diese wurde in einem im Streitjahr durchgeführten Strafverfahren wegen der Beteiligung an einem 1981 begangenen Raub mit Todesfolge zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin wurden der Tochter dabei nicht auferlegt.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1982 begehrten die Kläger, neben den in diesem Jahr angefallenen Kosten für den Wahlverteidiger (8.158 DM) auch die Aufwendungen für mehrere Besuchsfahrten zu ihrer inhaftierten Tochter in Höhe von insgesamt 1.599,20 DM gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes 1982 (EStG 1982) als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Sie trugen vor, als Eltern sowohl rechtlich als auch sittlich verpflichtet gewesen zu sein, ihrer mittellosen Tochter menschlich durch regelmäßige Besuche Beistand zu leisten und eine gute Verteidigung zu ermöglichen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA -) lehnte es – auch im Einspruchsverfahren – ab, den Klägern für die Aufwendungen zum Besuch der Tochter und für deren Verteidigung die Steuerermäßigung des § 33 EStG zu gewähren.

Das Finanzgericht (FG) anerkannte hingegen die von den Klägern geltend gemachten Kosten als außergewöhnliche Belastung. Die Vorentscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 504 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

I.

Entgegen der Vorentscheidung sind die Aufwendungen der Kläger für die Besuchsfahrten zu ihrer volljährigen Tochter in der Haftanstalt nicht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG steuermindernd zu berücksichtigen.

Nach § 33 Abs. 1 EStG 1982 wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung).

Der Senat kann es in diesem Zusammenhang dahingestellt sein lassen, ob die Aufwendungen für die Besuchsfahrten zwangsläufig erwachsen sind; jedenfalls waren sie nicht i.S. des § 33 Abs. 1 EStG außergewöhnlich. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 2. März 1984 VI R 158/80, BFHE 140, 556, BStBl II 1984, 484 m.w.N.) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die typischen Aufwendungen der Lebensführung sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen. Sie sind durch den Grundfreibetrag des § 32a EStG, der sich im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten verdoppelt (§§ 26, 26b und 32a Abs. 5 EStG), sowie für familienbedingte Mehraufwendungen durch die Regelungen des sog. Kinderlastenausgleichs (Kindergeld, Freibeträge usw.) typisierend abgegolten.

In Anwendung dieser Grundsätze hat der BFH Aufwendungen für Besuchsfahrten zwischen nahen Angehörigen regelmäßig nicht als außergewöhnlich, sondern typisierend als durch allgemeine Freibeträge und etwaige andere Vergünstigungen abgegolten angesehen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 8. Dezember 1988 IX R 157/83, BFHE 155, 359, BStBl II 1989, 282 unter 3.a, und in BFHE 140, 556, BStBl II 1984, 484 jeweils m.w.N.). Diese Auffassung ist im Schrifttum ganz überwiegend auf Zustimmung gestoßen (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 33 EStG Anm. 300 – Besuchsfahrten -; Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33 Anm. 63 C – Besuch -; Blümich/Oepen, Einkommensteuergesetz, § 33 Anm. 150 – Besuchsreisen -; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 33 Anm. 78 – Besuch -; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 33 Anm. 8 – Besuchsreisen -).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz nimmt die Rechtsprechung dann an, wenn es sich bei den Aufwendungen für die Besuchsfahrten um unmittelbare Krankheitskosten handelt (vgl. BFHE 140, 556, BStBl II 1984, 484). Danach sind Aufwendungen, die ausschließlich zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit oder eines Leidens getätigt werden oder die den Zweck verfolgen, die Krankheit oder ein Leiden – in der Person des Kranken – erträglich zu machen, als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596). Eine weitere Ausnahme generell für Aufwendungen anläßlich der Besuchsfahrten zu einem Kind zu machen, das eine Freiheitsstrafe verbüßt, hält der erkennende Senat nicht für geboten. Bei dieser Beurteilung wird nicht verkannt, daß Aufwendungen der hier streitigen Art insofern einen besonderen Charakter haben, als sie der späteren Eingliederung des Verurteilten in die soziale Lebensgemeinschaft förderlich sind und Bemühungen der eigenen Familie des Verurteilten zu dessen Resozialisierung ein hoher Stellenwert zukommt. Der Senat ist jedoch der Ansicht, daß Eltern ihre in einer Strafanstalt einsitzenden Kinder vor allem deshalb besuchen, um mit diesen den familiären Kontakt aufrechtzuerhalten. Zu diesem Zweck unternommene Besuchsfahrten sind jedoch nicht außergewöhnlich. Aus ähnlichen Erwägungen hat der Senat es abgelehnt, Aufwendungen für den Besuch des eine Freiheitsstrafe verbüßenden Ehegatten in der Haftanstalt als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (Urteil vom 23. Mai 1990 III R 63/85, BFHE 161, 69). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im übrigen auf die Begründung dieser Entscheidung verwiesen.

Im Streitfall sind keine besonderen Umstände ersichtlich oder von den Beteiligten vorgetragen, die im Hinblick auf die körperliche oder seelische Verfassung der Tochter eine Anerkennung der bei den Besuchsfahrten der Kläger entstandenen Kosten unter dem Gesichtspunkt der Krankheitskosten rechtfertigen würden. Ihr Fehlen steht einer steuerlichen Berücksichtigung dieser Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung entgegen.

II.

Hinsichtlich der Kosten für die Strafverteidigung der Tochter ist das FG zunächst im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß den Klägern diese Aufwendungen dem Grunde nach zwangsläufig erwachsen sind.

1. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen dem Grunde nach zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die aufgeführten Gründe von außen, d.h. vom Willen des Steuerpflichtigen unabhängig, auf seine Entschließung in einer Weise einwirken, daß er ihnen nicht auszuweichen vermag (vgl. BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745, und vom 27. Februar 1987 III R 209/81, BFHE 149, 240, BStBl II 1987, 432).

a) Im Streitfall ist allerdings zweifelhaft, ob die Kläger bereits aus rechtlichen Gründen gehalten waren, die Kosten für die Strafverteidigung ihrer Tochter zu tragen. Eine Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen ist nach ständiger Rechtsprechung nur zu bejahen, wenn die Aufwendungen nicht in Erfüllung selbst gesetzter Rechtspflichten, sondern aufgrund unmittelbar aus dem Gesetz folgender Ansprüche geleistet werden (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1987 III R 219/83, BFHE 152, 70, BStBl II 1988, 332 m.w.N.). Eltern sind ihren Kindern gegenüber zwar zur Leistung angemessenen Unterhalts verpflichtet (vgl. §§ 1601, 1610 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB -); in Rechtsprechung und Literatur ist jedoch streitig, ob der gesetzliche Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder gegenüber ihren Eltern auch die Kosten einer Strafverteidigung umfaßt (zum Meinungsstand vgl. Oberlandesgericht – OLG – Karlsruhe, Beschluß vom 7. November 1988 2 WF 65/88, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht – FamRZ – 1989, 534 m.w.N.). Überdies ist es fraglich, ob aus der gegenseitigen Beistandspflicht zwischen Eltern und Kindern (§ 1618a BGB) ein gesetzlicher Anspruch zur Übernahme der Kosten einer Strafverteidigung hergeleitet werden kann oder ob die Vorschrift des § 1360a Abs. 4 Satz 2 BGB auf das Eltern-Kind-Verhältnis analog anwendbar ist (vgl. Wacke in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1360a Rdnr. 21).

Der erkennende Senat braucht diese Frage jedoch nicht abschließend zu entscheiden, denn jedenfalls waren die Kläger aus sittlichen Gründen verpflichtet, Aufwendungen für die Strafverteidigung ihrer eines Verbrechens beschuldigten und angeklagten Tochter zu leisten.

b) Zur Bejahung sittlicher Gründe i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG reicht es nach der Rechtsprechung des BFH allerdings nicht aus, daß ein Steuerpflichtiger sich zu Aufwendungen für einen Dritten verpflichtet fühlt und wie ein anderer Steuerpflichtiger sich in einer vergleichbaren Situation verhalten hätte (vgl. Urteil in BFHE 140, 556, BStBl II 1984, 484 m.w.N.). Erforderlich ist vielmehr, daß er sich nach dem Urteil aller billig und gerecht denkenden Menschen zu den erbrachten Leistungen für verpflichtet halten muß und jede Möglichkeit, sich den geltend gemachten Aufwendungen zu entziehen, ausgeschlossen ist, da dies im sittlich-moralischen Bereich oder auf gesellschaftlicher Ebene Sanktionen für den Steuerpflichtigen zur Folge hätte (vgl. Urteil in BFHE 149, 240, BStBl II 1987, 432 m.w.N.). Eine die Zwangsläufigkeit gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG begründende sittliche Pflicht ist demnach zu bejahen, wenn diese so unabwendbar auftritt, daß sie ähnlich einer Rechtspflicht von außen her als eine Forderung oder doch zumindest Erwartung der Gesellschaft derart auf den Steuerpflichtigen einwirkt, daß ihre Erfüllung als selbstverständliche Handlung erwartet und die Mißachtung dieser Erwartung als moralisch anstößig angesehen wird (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 27. Oktober 1989 III R 205/82, BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294 m.w.N.).

c) In Anwendung dieser Rechtsprechung sieht der erkennende Senat die Kosten, die Eltern für die Strafverteidigung ihrer eines Verbrechens beschuldigten und angeklagten volljährigen Kinder aufwenden, regelmäßig als aus sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen an. Diese Beurteilung beruht entscheidend auf der Erwägung, daß die vielfältigen gesetzlichen Regelungen zum Unterhalt und zu den Beistandspflichten naher Angehöriger eine entsprechende Wertung der Allgemeinheit auch im Hinblick auf die Kosten einer Strafverteidigung volljähriger Kinder zum Ausdruck bringen. Wenn Ehepartnern (vgl. § 1360a Abs. 4 Satz 2 BGB) und minderjährigen Kindern (vgl. Urteil des OLG Köln vom 14. Februar 1979 20 U 21/79, FamRZ 1979, 964 und § 1611 Abs. 2 BGB) vom Gesetzgeber ein Rechtsanspruch auf Prozeßkostenvorschuß bzw. Übernahme von Strafverteidigungskosten durch den Unterhaltsverpflichteten eingeräumt wird, erscheint die Annahme berechtigt, daß die Allgemeinheit im Regelfall auch ein entsprechendes Handeln von Eltern gegenüber ihren volljährigen Kindern erwartet. Die Übernahme der Kosten einer Strafverteidigung wird dabei von der Allgemeinheit um so eher als selbstverständliche Handlung angesehen, je jünger das Kind ist. Als moralisch anstößig wird es jedenfalls gewertet, wenn zwar volljährige, innerlich jedoch noch nicht gefestigte Kinder (Heranwachsende), deren Verfehlung strafrechtlich noch nach dem Jugendstrafrecht geahndet wird, von ihren Eltern schon beim bloßen Verdacht einer Straftat im Stich gelassen würden.

Der erkennende Senat verkennt bei seiner Entscheidung nicht, daß die Aufwendungen für einen Strafprozeß in der Person des verurteilten Täters selbst nicht als außergewöhnliche Belastung angesehen werden (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1955 IV 373/54 U, BFHE 61, 361, BStBl III 1955, 338). Bei der Beurteilung, ob Aufwendungen zugunsten eines Dritten für einen Steuerpflichtigen aus sittlichen Gründen unabdingbar sind, kann das Verhalten des Unterstützten aber nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gründe der Zwangsläufigkeit beim Steuerpflichtigen selbst vorliegen (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 33 EStG Anm. 187; Arndt in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 33 Anm. C 12; anderer Ansicht: Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 33 Anm. 5 a).

d) Mit dieser Rechtsauffassung weicht der erkennende Senat nicht von der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH ab (vgl. Urteil vom 3. Mai 1974 VI R 86/71, BFHE 113, 12, BStBl II 1974, 686). Nach der vorstehend genannten Entscheidung stellen die Gerichtskosten, die Eltern für ein verurteiltes Kind übernehmen, grundsätzlich keine außergewöhnliche Belastung dar. Die zu den Verfahrenskosten zählenden Gerichtsgebühren sind jedoch von den zu den Auslagen der Prozeßbeteiligten zählenden Anwaltskosten zu unterscheiden (vgl. Kleinknecht/Meyer, Strafprozeßordnung, 39. Aufl., § 464a Anm. 5). Während Gerichtskosten und notwendige Auslagen der Staatskasse erst mit einer rechtskräftigen Verurteilung anfallen und als Teil der Strafe auf einen Verurteilten einwirken sollen, entstehen Anwaltskosten in erster Linie zur Wahrnehmung der Interessen des Beschuldigten, und zwar regelmäßig bereits zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens. Zu diesem Zeitpunkt ist indes noch nicht einmal absehbar, ob dieses Verfahren mit einer Anklageerhebung und einer Verurteilung endet (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 1989 X R 20/88, BFHE 157, 397, BStBl II 1989, 831). Im übrigen kann nach Ansicht des erkennenden Senats die Frage, ob Eltern zu Beginn eines Strafverfahrens aus moralischen Gründen verpflichtet sind, ihrem Kind durch Übernahme der Anwaltskosten beizustehen, nicht vom Ausgang des Strafverfahrens abhängig gemacht werden.

2. Anwaltskosten für die Strafverteidigung eines Kindes erwachsen den Eltern jedoch nur zwangsläufig, soweit diese Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Entsprechend sind nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Senatsurteil vom 17. September 1987 III R 242/83, BFHE 151, 380, BStBl II 1988, 130; und BFH-Urteil vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711), der sich die Literatur angeschlossen hat (vgl. Blümich/Oepen, a.a.O., § 33 Anm. 126; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, a.a.O., § 33 Anm. 60 ff.; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: außergewöhnliche Belastung, Anm. B III 3; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 33 EStG Anm. 195; Arndt in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 33 Anm. C 34; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 33 Anm. 6), nur die Kosten steuerlich zu berücksichtigen, die der Höhe nach angemessen sind. Welche Aufwendungen der Höhe nach angemessen sind, bestimmt sich dabei unter Berücksichtigung objektiver Merkmale nach der allgemeinen Verkehrsauffassung. Auf die Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen oder den Lebensstandard und die Lebensgewohnheiten des vom Steuerpflichtigen unterstützten Dritten kommt es bei der Beurteilung grundsätzlich nicht an (vgl. z.B. Arndt in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 33 Anm. C 34; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 33 EStG Anm. 197).

In Anwendung dieser Erwägungen auf den Streitfall ist der erkennende Senat der Ansicht, daß die Aufwendungen für eine Strafverteidigung nur innerhalb der durch die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) festgelegten Rahmensätze als angemessen anzusehen sind. Die Allgemeinheit erwartet von Eltern, daß diese im Rahmen der gesetzlichen Gebührenordnung für die bestmögliche Verteidigung des Kindes sorgen. Über den gesetzlichen Gebührenrahmen hinausgehende Aufwendungen sind, auch unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung, nicht mehr als zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 EStG anzusehen. Dabei verkennt der Senat nicht, daß Anwälte im Rahmen von privatrechtlichen Vereinbarungen gelegentlich auch höhere Gebührensätze verlangen. Im Hinblick auf den weiten Spielraum, welchen die BRAGO bei der Festsetzung der Gebühren für eine Strafverteidigung einräumt, scheint jedoch die Annahme berechtigt, daß die Allgemeinheit von Eltern Aufwendungen, die die Rahmengebühr überschreiten, nicht erwartet.

3. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen war die Tochter der Kläger bei der Begehung der Tat 21 Jahre alt. Die Kläger haben ihr durch Übernahme der Anwaltskosten beigestanden. Diese Aufwendungen sind ihnen nach obigen Ausführungen dem Grunde nach aus sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Ob diese Aufwendungen sich der Höhe nach innerhalb der durch die BRAGO festgelegten Rahmensätze halten, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Insoweit fehlen in dem finanzgerichtlichen Urteil die erforderlichen Feststellungen über die Dauer der strafgerichtlichen Hauptverhandlung.

III.

Die Vorentscheidung, der eine abweichende Rechtsauffassung zugrunde liegt, ist aufzuheben. Da die Streitsache nicht spruchreif ist, ist sie zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).

Bei der erneuten Verhandlung wird das FG prüfen müssen, ob die Aufwendungen der Kläger für die Strafverteidigung ihrer Tochter innerhalb des durch §§ 83 ff. BRAGO gezogenen Gebührenrahmens liegen und ob sie nur den gemäß §§ 25 Abs. 3 ff. BRAGO erstattungsfähigen Auslagenersatz umfassen. Soweit den Klägern höhere Aufwendungen entstanden sind, sind diese weitergehenden Kosten nicht gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen.

Bei seiner Entscheidung wird das FG auch zu beachten haben, daß die Klage, soweit sie die Kirchensteuer betrifft, unzulässig ist. Wendet sich ein Steuerpflichtiger mit seiner Klage – wie im Streitfall – lediglich gegen die Besteuerungsgrundlagen der Einkommensteuer, wird der Kirchensteuerbescheid also lediglich als Folgebescheid zum Einkommensteuerbescheid angegriffen (§ 351 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO 1977 -), ist die Klage wegen Kirchensteuer unzulässig (§ 16 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 des Kirchensteuergesetzes – Saar – i.d.F. vom 1. Juni 1977, Amtsblatt 1977, 598; Beschluß des BFH vom 13. September 1968 VI B 101/67, BFHE 93, 298, BStBl II 1968, 780). Wer seinen Rechtsbehelf gegen einen Folgebescheid lediglich mit Mängeln des Grundlagenbescheides begründet, macht nicht geltend, er sei durch den Folgebescheid beschwert.


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