BFH-Urteil vom 13.12.1989 (I R 39/88) BStBl. 1990 II S. 340

BFH-Urteil vom 13.12.1989 (I R 39/88) BStBl. 1990 II S. 340

1. Zur mittelbaren Täterschaft.

2. Tatherrschaft setzt in der Regel den Willen zur Ausübung von Herrschaft, die Kenntnis der diesbezüglichen Umstände und die Verwirklichung gewisser Zielvorstellungen voraus. Durchführung und Ausgang der Tat müssen maßgeblich vom Willen des mittelbaren Täters abhängen.

3. Eine (in gutem Glauben geleistete) Spende an die Staatsbürgerliche Vereinigung 1954 e.V. (SV) löst noch keine von den für die SV Handelnden in mittelbarer Täterschaft begangene Steuerhinterziehung aus.

AO a.F. § 144 Abs. 1 Satz 1, § 146 Abs. 4, § 392; AO 1977 § 173 Abs. 2 Satz 1, § 235, § 370; StSäumG § 4a; StGB § 25, § 78; KStG 1968 § 5, § 6; EStG 1971 § 10d; ErgAbgG § 6 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Das Vermögen der …. B …. ist zum 1. Oktober 1972 rechtswirksam als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Ausschluß der Abwicklung im Wege der Verschmelzung nach § 339 Abs. 1 Nr. 1 des Aktiengesetzes (AktG) auf die …. AG übertragen worden. ….

In ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Wirtschaftsjahr 1. Januar bis 30. September 1972 hatte die B abzugsfähige Spenden ausgewiesen, darunter eine Spende von 20.000 DM an die Staatsbürgerliche Vereinigung e.V., Köln/Koblenz (im folgenden: SV). Diese war als begünstigte juristische Person i.S. des § 49 Nr. 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1955 vom 21. Dezember 1955 (BGBl I 1955, 756, BStBl I 1955, 710) und des § 26 Nr. 3 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV) 1955 vom 23. Dezember 1955 (BGBl I 1955, 853, BStBl I 1955, 733) anerkannt worden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA -) setzte die Körperschaftsteuer und die Ergänzungsabgabe entsprechend der Erklärung durch Steuerbescheid vom 28. September 1973 vorläufig fest.

Aufgrund von Feststellungen während einer Betriebsprüfung änderte das FA die Körperschaftsteuer und die Ergänzungsabgabe für 1972 durch endgültigen Bescheid vom 13. August 1976, dem eine Abrechnung und eine Zahlungsaufforderung hinsichtlich der Mehrbeträge beigefügt war.

Bei steuerstrafrechtlichen Prüfungen der Steuerfahndungsstelle wurde ermittelt, daß die SV ihr zugewendete Gelder nach Abzug der bei ihr entstandenen Kosten und einiger anderer Aufwendungen entgegen der Bestätigung in der Spendenquittung und entgegen den gesetzlichen Bestimmungen nicht für steuerbegünstigte Zwecke verwendet, sondern an im Deutschen Bundestag vertretene politische Parteien i.S. des Gesetzes über die politischen Parteien – Parteiengesetz – (PartG) weitergeleitet hatte. Das FA erhielt von diesem Sachverhalt durch eine Mitteilung der Steuerfahndungsstelle vom 19. Januar 1984 Kenntnis. Es änderte daraufhin durch Bescheid vom 27. Dezember 1984 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) erneut die Festsetzung der Körperschaftsteuer und der Ergänzungsabgabe und setzte außerdem durch Bescheid vom selben Tage erstmals Hinterziehungszinsen für die Zeit vom 2. November 1973 bis 2. Januar 1985 fest.

Die Einsprüche der Klägerin gegen diese Bescheide blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab den drei Klagen, die es zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hatte, statt und hob die angefochtenen Bescheide sowie die Einspruchsentscheidungen auf.

Das FG hielt die Steuer- und Abgabenansprüche mangels einer Hinterziehung für verjährt und den Zinsanspruch für nicht entstanden.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung des § 144 der Reichsabgabenordnung (AO) und die des § 235 AO 1977.

Der Steuer- und der Abgabenanspruch seien nicht verjährt. Der objektive und der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung seien erfüllt. Das rechtfertige auch die Festsetzung von Hinterziehungszinsen. ….

Die Klägerin …. meint, die Voraussetzungen einer mittelbaren Täterschaft lägen nicht vor. Dazu verweist die Klägerin auf das angefochtene Urteil des FG und auf den Beschluß des Senats vom 18. Dezember 1986 I B 1/86 (BFHE 148, 222, BStBl II 1988, 211) und macht diese Entscheidungen zum Gegenstand ihres Sach- und Rechtsvortrages.

Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).

A.

Körperschaftsteuer 1972 und Ergänzungsabgabe 1972

Das FA durfte den Steuerbescheid vom 13. August 1976 weder hinsichtlich der Körperschaftsteuer 1972 noch hinsichtlich der Ergänzungsabgabe 1972 ändern (I). Die streitigen Beträge waren nicht hinterzogen (II).

I.

1. Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob die geltend gemachten Abgabeansprüche verjährt waren.

Die Verjährung dieser Ansprüche richtet sich gemäß Art. 97 § 10 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) vom 14. Dezember 1976 (BGBl I 1976, 3341 – 3381 ff. -, BStBl I 1976, 694) noch nach den „Vorschriften der Reichsabgabenordnung über die Verjährung …., soweit sie für die Festsetzung einer Steuer, Steuervergütung oder steuerlicher Nebenleistung …. von Bedeutung sind“. Das gilt auch für die Ergänzungsabgabe (§ 6 Abs. 1 des Ergänzungsabgabegesetzes – ErgAbgG -). Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 AO beträgt die Verjährungsfrist für die Körperschaftsteuer und die Ergänzungsabgabe fünf Jahre, für hinterzogene Beträge zehn Jahre. Gemäß § 146a Abs. 4 AO verjährt der Anspruch nicht, bevor die Strafverfolgung verjährt ist. Eine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 404 AO) verlängert die Verjährungsfrist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 AO nicht (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 16. Januar 1973 VIII R 52/69, BFHE 108, 286, BStBl II 1973, 273) und kann deshalb hier außer Betracht bleiben.

Wie während des Revisionsverfahrens geklärt wurde, sind sich die Beteiligten darüber einig, daß der Änderungsbescheid vom 13. August 1976 die Verjährung der genannten Steueransprüche nicht unterbrochen hat und diese Ansprüche selbst bei Unterstellung einer Steuerhinterziehung bereits verjährt waren.

Hinsichtlich der Strafverfolgungsverjährung (§ 144 Abs. 1 Satz 1, § 146a Abs. 4 AO) bestehen zwischen den Beteiligten voneinander abweichende Rechtsauffassungen. Die besondere Problematik der Strafverfolgungsverjährung (§§ 78 ff. des Strafgesetzbuches – StGB -) bei (möglichem) Fortsetzungszusammenhang in Fällen mittelbarer Täterschaft in bezug auf den Tatmittler – wie im Streitfall besonders deutlich wird – bedarf keiner Entscheidung. Für die Entscheidung des Senats kommt es auf den Eintritt der Strafverfolgungsverjährung letztlich nicht an. Die Revision des FA kann schon aus anderen Gründen keinen Erfolg haben.

2. Das FG hat zwar unerörtert gelassen, ob das FA zu einer Änderung des Steuerbescheides vom 13. August 1976 befugt war. Dies ist jedoch unabhängig davon noch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen (BFH-Urteil vom 20. Juni 1968 V 134/65, BFHE 93, 209, BStBl II 1968, 755).

Der Steuerbescheid vom 13. August 1976 war – wie das FG festgestellt hat – aufgrund einer Betriebsprüfung ergangen. Er durfte deshalb nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 173 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 geändert werden (vgl. Art. 97 § 9 Sätze 1 und 2 EGAO 1977). Durch diese Vorschrift wird solchen Steuerbescheiden eine erhöhte Bestandskraft zugemessen. Das ist gerechtfertigt, weil bei der Betriebsprüfung der Sachverhalt ausgiebig geprüft worden ist oder hätte geprüft werden können (ähnlich Tipke/Kruse, Abgabenordnung, 13. Aufl., § 173 Tz. 34). Dabei ist es unerheblich, ob der damalige Prüfer die streitigen Vorgänge überhaupt geprüft hat, ob er sie aus rechtlichen Erwägungen von sich aus nicht aufgegriffen hat oder ob er sie in Übereinstimmung mit der damaligen Verwaltungsübung unbeanstandet gelassen hat. Das FA wäre dann zu einer Änderung des Steuerbescheides vom 13. August 1976 befugt gewesen (§ 173 Abs. 2 AO 1977), wenn die streitigen Abgabenbeträge hinterzogen waren. Das ist nicht gegeben.

II.

Das FG hat zutreffend eine Hinterziehung der mit dem angefochtenen Steuerbescheid geltend gemachten Körperschaftsteuer und der Ergänzungsabgabe verneint. Die Voraussetzungen des § 392 AO (jetzt: § 370 AO 1977) liegen nicht vor.

1. Die Verantwortlichen der B haben sich keine (unmittelbare) Steuerhinterziehung zuschulden kommen lassen. Sie scheiden als Täter aus. Die Steuerfahndungsstelle konnte – wie das FG für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt hat – nicht ermitteln, „daß der Steuerpflichtige Kenntnisse von der Funktion der Geldempfänger als sog. ‚Waschanstalt‘ hatte“. Davon ist auch das FA bei der steuerlichen Auswertung der Fahndungsfeststellungen (so ausdrücklich auf S. 3 der Einspruchsentscheidung) ausgegangen.

Insoweit besteht Übereinstimmung zwischen den Beteiligten.

2. Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß auch eine „Steuerhinterziehung gemäß § 392 AO begangen durch die für die SV Handelnden in mittelbarer Täterschaft …. zu verneinen“ ist.

a) Die mittelbare Täterschaft wird im StGB weder definiert noch näher umschrieben. Darauf hat der Gesetzgeber wegen der Vielgestaltigkeit dieser Täterschaftsform ausdrücklich verzichtet (BTDrucks V/4095, S. 12 unter Hinweis auf BTDrucks IV/650, S. 149). Nach § 25 StGB wird (u.a.) als Täter bestraft, „wer die Straftat …. durch einen anderen begeht“ (vgl. zum Begriff und den Formen der Täterschaft: Cramer in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 23. Aufl., 1988, Vorbem. §§ 25 ff. RN 1 bis 16). Damit wird nur die Täterschaftsform als solche angeführt, nicht aber werden einzelne Voraussetzungen dafür festgelegt. Das Wesen der mittelbaren Täterschaft besteht darin, daß der Täter die einzelnen Merkmale des Straftatbestandes nicht selbst verwirklicht, sondern sich dazu eines anderen, des sog. Tatmittlers (auch: Werkzeug) bedient; dieser ist selbst weder Täter noch Mittäter (ähnlich Dreher/Tröndler, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 44. Aufl., § 25 StGB Anm. 3). Dementsprechend ist mittelbarer Täter, wer mit Tatherrschaft (siehe dazu den Entwurf eines Strafgesetzbuches E 1962, Begründung, 3. Titel, Täterschaft und Teilnahme, BTDrucks IV/650, S. 147/148) einen anderen veranlaßt, für ihn die zur Verwirklichung des Straftatbestandes notwendigen Handlungen als Teil eines von ihm verfolgten Gesamtplanes vorzunehmen. Erfüllt der mittelbare Täter diese Voraussetzungen, wird ihm das Handeln des Tatmittlers wie eigenes Handeln zugerechnet: Der mittelbare Täter ist strafrechtlich so zu behandeln, als habe er diese Tatteile eigenhändig verwirklicht. Deshalb sind alle Voraussetzungen der Straftat allein auf den mittelbaren Täter zu beziehen (Cramer in Schönke/Schröder, a.a.O., § 25 RN 6 und 7) und (nur) in dessen Person zu prüfen (Lackner, Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 18. Aufl., 1989, § 25 1 b aa). Der mittelbare Täter muß daher mit Täterwillen handeln, d.h. die Tat als seine eigene wollen. Entsprechend dem Wesen der mittelbaren Täterschaft muß sich „das Gesamt-Geschehen als Werk des steuernden Willens des Hintermannes darstellen“ und dieser muß „den Tatmittler durch seinen Einfluß in der Hand haben“ (so Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl., 1988, § 62 Abs. 1 Satz 1, S. 601; ähnlich Lackner, a.a.O., § 25 1 b). Die Tatherrschaft setzt in der Regel begrifflich den Willen zur Ausübung von Herrschaft, die Kenntnis der diesbezüglichen Umstände und die Verwirklichung gewisser Zielvorstellungen voraus. Zu ihr gehört nicht nur ein „Beherrschen-Wollen“, sondern auch ein „Herrschen-Können“: Täter ist deshalb nicht schon, wer ein eigenes Interesse am Erfolg hat. Wesentlich für die Tatherrschaft im Sinne der Rechtsprechung und der Rechtslehre ist vielmehr, „wieweit der Beteiligte den Geschehensablauf selbst in der Hand hat, mag er dabei …. sich eines anderen als bloßen Werkzeugs bedienen, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen“ (so Begründung zum Entwurf eines Strafgesetzbuches, a.a.O., S. 147). Die Formen einer solchen Tatherrschaft sind vielgestaltig (vgl. wegen der verschiedenen Formen die ausführliche Darstellung bei Roxin in Leipziger Kommentar zum StGB – LK -, 10. Aufl., § 25 Rdnr. 45, 46, 49 ff.; ders. in Festschrift für Richard Lange zum 60. Geburtstag, Berlin 1976, Bemerkungen zum „Täter hinter dem Täter“, S. 173 ff.; Dreher/Tröndler, a.a.O., § 25 Anm. 3; Kohlmann, Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht einschließlich Verfahrensrecht, 3. Aufl., Teil B, Rdnr. 110 ff., und die Zusammenstellung in BTDrucks IV/650, S. 149). Darauf braucht der Senat nicht näher einzugehen. Für den Bereich des Steuerstrafrechts kann – wenn überhaupt – eine Tatherrschaft nur als Erregung und Ausnutzung eines Irrtums (ähnlich Franzen/Gast-de Haan/Samson, Steuerstrafrecht, 3. Aufl., 1985, § 369 Rdnr. 68: kraft überlegenen Wissens oder Willens) in Betracht kommen (vgl. dazu Roxin, LK, a.a.O., Rdnr. 57, der bei der mittelbaren Täterschaft kraft Irrtums – „Irrtums-Herrschaft“ – vier Stufen unterscheidet).

b) Entsprechend dieser Rechtslage hat das FG aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse des Streitfalles im Ergebnis zutreffend eine Steuerhinterziehung – begangen von den für die SV verantwortlich Handelnden in mittelbarer Täterschaft – verneint.

aa) Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß es im Streitfall an einer den Anforderungen der mittelbaren Täterschaft genügenden Beherrschung des Geschehensablaufes durch die Verantwortlichen der SV fehlt.

Es kann offenbleiben, ob einer solchen Tatherrschaft schon der zeitliche Abstand zwischen dem Ausstellen der (inhaltlich unrichtigen) Spendenbescheinigung und deren Verwendung durch B entgegensteht (vgl. dazu im allgemeinen Maier, Die mittelbare Täterschaft bei Steuerdelikten, Monatsschrift für Deutsches Recht – MDR – 1986, 358 unter III 2, S. 360/361). Die für die SV verantwortlich Handelnden konnten zu dem Geschehensablauf nur in zweifacher Hinsicht beitragen: Sie konnten zum einen ein scheinbar satzungsgemäßes Vereinsleben gegenüber ihrem Betriebs-FA als Voraussetzung für ihre Berechtigung zur Ausstellung von Spendenbescheinigungen aufrechterhalten und zum anderen der B eine nach ihrem objektiven Inhalt unrichtige Spendenbescheinigung erteilen. Mit diesem „Tatbeitrag“ haben die Verantwortlichen der SV keinen tatbestandsmäßigen Geschehensablauf in Gang gesetzt, der mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Steuerhinterziehung führen konnte. Nach (dem hier maßgebenden – § 2 Abs. 1 StGB -) § 392 AO beging eine Steuerhinterziehung, wer zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil eines anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erschleicht oder bewirkt, daß Steuereinnahmen verkürzt werden.

Das FG hebt in dem angefochtenen Urteil zutreffend hervor, daß die Verantwortlichen der SV den weiteren Geschehensablauf nach Hingabe der Spendenbescheinigung und damit den Ablauf des Gesamtgeschehens nicht mehr im Sinne der Tatherrschaftstheorie zur mittelbaren Täterschaft beherrschen konnten. Es mag zwar im allgemeinen in Fällen dieser Art einiges für die Vorlage der Spendenbescheinigung beim FA zum Zwecke des Abzugs der Spende als Betriebsausgabe und eine eintretende Steuerminderung sprechen. Eine sich allein auf solche Vermutungen gründende Wertung kann aber bei objektiver Abwägung die Annahme einer Tatherrschaft der Verantwortlichen der SV nicht rechtfertigen.

Im Streitfall wird eine solche Tatherrschaft durch die steuerlichen Besonderheiten bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens der B und der Steuerfestsetzung sowie durch das Nichtwissen der Verantwortlichen der SV insbesondere um die allgemeinen wirtschaftlichen und steuerlichen Verhältnisse der B und um die möglichen steuerlichen Auswirkungen einer Geltendmachung der Spende ausgeschlossen. Es fehlen insoweit wesentliche Merkmale, die für das Beherrschen des Gesamtgeschehens durch die Verantwortlichen der SV im Sinne einer Tatherrschaft und die Möglichkeit ihrer Ausübung maßgebend sind und deshalb gefordert werden müssen. So war es allein Sache der dafür Verantwortlichen der B, die Spende als Betriebsaufwand verbuchen und eine Gewinn- und Verlustrechnung erstellen zu lassen, in der sich die Spende als Betriebsausgabe gewinnmindernd auswirkte. Darüber hinaus konnten die Verantwortlichen der SV das Eintreten einer Steuerverkürzung nicht beeinflussen: Sie konnten weder mit der für eine Tatherrschaft erforderlichen Sicherheit damit rechnen noch mit der nötigen Bestimmtheit darauf einwirken, daß die B die Spendenbescheinigung zum Abzug ihrer Spende dem FA vorlegen würde. Das konnte z.B. wegen der Ausschöpfung der in § 11 Nr. 5 a und b des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1968 festgelegten Grenzen für die „Ausgaben zur Förderung …. staatspolitischer Zwecke ….“ und für „Spenden an politische Parteien ….“ von vornherein ausscheiden. Die Verantwortlichen der SV konnten den Ablauf des Gesamtgeschehens auch nicht dahin beherrschen, daß sich die Spende bei der B im Streitjahr überhaupt steuermindernd auswirken würde. Das wäre nicht gegeben, wenn die B das maßgebende Wirtschaftsjahr mit einem Verlust abgeschlossen hätte oder ein eventueller Gewinn durch einen Verlustabzug gemäß §§ 5 und 6 KStG 1968 i.V.m. § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1971 aufgezehrt worden wäre. Dies alles war einer Tatherrschaft der Verantwortlichen der SV entzogen; Einwirkungsmöglichkeiten bestanden für diese insoweit nicht (vgl. dazu Maier, a.a.O., unter III 3 a.E., S. 361/362).

bb) Unabhängig davon sind auch die Ausführungen des FG zum Fehlen eines Täterwillens der für die SV Handelnden im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Verantwortlichen der SV waren, wie das FG zutreffend hervorhebt, daran interessiert, Spenden einzunehmen. Darauf war ihr Wollen gerichtet. Ein solches Wollen umfaßt nicht den Willen, eine Steuerhinterziehung als Täter zu begehen. Täter ist, wer die Tat selbst (§ 25 Abs. 1 StGB, 1. Alternative) oder durch einen anderen begeht (§ 25 Abs. 1 StGB, 2. Alternative), d.h. daß der Täter die tatbestandsmäßigen Handlungen selbst vornimmt oder durch einen anderen, den er – in welcher Weise auch immer – beherrscht, vornehmen läßt. Darüber hinaus erfordert eine Steuerhinterziehung in subjektiver Hinsicht Vorsatz. Das ist der Wille, den (Straf-)Tatbestand in Kenntnis aller seiner Tatmerkmale zu erfüllen. Dazu gehört das Wissen, daß der Täter eine Täuschungshandlung vornimmt und dadurch ein Steueranspruch beeinträchtigt wird (so Franzen/Gast-de Haan/Samson, a.a.O., § 370 Rdnr. 186). Deshalb ist der „Hinterziehungsvorsatz nur dann vollständig, wenn der Täter die im Einzelfall in Betracht kommende steuer-gesetzliche Pflicht (nach Grund, Umfang und Fälligkeit) kennt und ihr zuwider die Steuer dem Steuerberechtigten (ganz, z.T. oder zeitweise) vorenthalten will“ (so Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 1. bis 6. Aufl., § 392 Anm. 7 b). Dieser innere Tatbestand der Steuerhinterziehung muß auch bei dem mittelbaren Täter vorhanden sein und hat gerade bei ihm besondere Bedeutung. „Auch der mittelbare Täter – mag er durch einen gutgläubigen oder einen bösgläubigen Mittler handeln – muß die einzelne Tat nach allen für den Tatbestand wesentlichen Merkmalen innerlich erfassen; zwar ist nicht möglich, daß er alle Einzelheiten der Ausführung kennt; er muß aber wenigstens eine Vorstellung von den besonderen Umständen haben, die der Tat im gegebenen Falle ihr strafrechtlich bedeutsames Gepräge geben“ (so für den inneren Tatbestand des Betruges bei mittelbarer Täterschaft Urteil des Reichsgerichts – RG – vom 29. August 1935 3 D 531/35, RGSt 69, 285). Dementsprechend wird von den Verantwortlichen der SV der notwendige innere Tatbestand der Steuerhinterziehung nicht erfüllt: Es konnte ihnen nicht bekannt sein, ob die B die Spende buchführungs- und bilanzmäßig sowie steuerrechtlich als solche behandeln würde und ob dieses Verhalten schließlich zu einer Steuerminderung führen würde. Zu Recht hat das FG in diesem Zusammenhang auch die Angaben des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewürdigt, wonach andere Konzerngesellschaften ebenfalls Spenden geleistet haben, obwohl sich diese nicht steuermindernd auswirken konnten. Danach scheidet ein vorsätzliches Handeln der Verantwortlichen der SV aus: Ihnen konnte nach den im Streitfall angegebenen Verhältnissen und aufgrund der Kompliziertheit des Steuerrechts die konkrete Steuerpflicht der B hinsichtlich der Körperschaftsteuer und der Ergänzungsabgabe 1972 nicht bekannt sein (vgl. dazu Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 392 Anm. 7 c).

Nach dieser Rechtsauffassung könnte auch bei bedingtem Vorsatz der Verantwortlichen der SV der innere Tatbestand einer Steuerhinterziehung nicht erfüllt werden. Aus einem solchen Vorsatz ergibt sich kein Täterwille. Die Verantwortlichen der SV wollten – wie das FG zutreffend dargelegt hat – mit der ausgestellten Spendenbescheinigung allenfalls als Gehilfen, nicht aber selbst als Täter handeln. Es ist im übrigen kein Anhaltspunkt dafür zu erkennen, daß die Verantwortlichen der SV im konkreten Fall der B mit einer Steuerverkürzung gerechnet und eine solche in Kauf genommen haben.

3. Demgegenüber vermag das diesbezügliche Vorbringen des FA nicht zu überzeugen. Das FA geht vom Begriff der mittelbaren Täterschaft im Sinne der herrschenden strafrechtlichen Auffassung aus, daß nämlich der mittelbare Täter „das Verhalten seines Tatmittlers steuert oder als der sonst entscheidende Veranlasser der Tat Verantwortung für das Gesamtgeschehen hat“ (so Cramer in Schönke/Schröder, a.a.O., Vorbem. § 25 RN 78). Dem ist auch das FG gefolgt. Es hat bei Übertragung dieser Rechtsansicht vom mittelbaren Täter auf den Streitfall die Anforderungen an die mittelbare Täterschaft nicht überspannt. Die von dem FA für seine gegenteilige Auffassung angeführten Beispiele (der mittelbare Täter bedient sich aufgrund falscher Anschuldigungen eines rechtmäßig handelnden Staatsorgans zu einer Freiheitsberaubung) liegen tatsächlich und rechtlich anders. In diesen Fällen hat der mittelbare Täter durch falsche Anschuldigungen bewußt und gewollt das maßgebende Gesamtgeschehen und die deliktischen Folgen unmittelbar ausgelöst. Das ausgewählte Werkzeug mußte für den Täter zwangsläufig den strafrechtlichen Tatbestand vollen Umfangs verwirklichen. Das ist mit dem Geschehen im Streitfall nicht vergleichbar. Das FA übersieht bei seinen Erwägungen, daß die Verantwortlichen der SV (nur) eine unrichtige Spendenbescheinigung ausgestellt und mit dieser Handlung nicht schon begonnen haben, den (gesetzlichen) Tatbestand der Steuerhinterziehung zu verwirklichen.

B.

Hinterziehungszinsen

Das FG hat zu Recht den Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen vom 27. Dezember 1984 aufgehoben.

Nach § 4a des Steuersäumnisgesetzes – StSäumG – (jetzt: § 235 AO 1977) dürfen Hinterziehungszinsen nur bei einer vollendeten Steuerhinterziehung (§ 392 AO) festgesetzt werden, d.h. nur dann, wenn sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt sind (BFH-Beschluß vom 12. November 1975 I B 72/75, BFHE 117, 340, 342, BStBl II 1976, 260). Das ist – wie der Senat unter A.II.2 im einzelnen ausgeführt hat – nicht gegeben.

C.

Einer Vorlage der Sache an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§§ 1, 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968, BGBl I 1968, 661) bedarf es bei der Rechtsauffassung des Senats nicht. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von einer Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofes des Bundes ab. Der von dem Bundesgerichtshof entschiedene Fall (Urteil vom 28. Januar 1987 3 StR 373/86, MDR 1987, 419) betraf eine Steuerhinterziehung begangen in Mittäterschaft. In jenem Fall hatten – anders als im Streitfall – die Verantwortlichen des Unternehmens – wie der Tatrichter festgestellt hatte – bewußt und gewollt in Kenntnis aller tatsächlichen Umstände und der steuerrechtlichen Bedeutung ihres Tuns (vgl. A.II.1 der Gründe dieser Entscheidung; vgl. Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz ab 1975, § 10b, Rechtsspruch 7) gehandelt. Wie das FG im Streitfall festgestellt hat und worüber auch zwischen den Beteiligten Einigkeit besteht, wußten die Verantwortlichen der B dagegen nichts von der wirklichen Funktion der SV und der satzungswidrigen Verwendung ihrer Spende.

….


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