BFH-Urteil vom 26.2.1987 (V R 114/79) BStBl. 1987 II S. 471

BFH-Urteil vom 26.2.1987 (V R 114/79) BStBl. 1987 II S. 471

Eine im Konkursverfahren nach Grund und Höhe angemeldete, jedoch bestritten gebliebene Umsatzsteuerforderung kann in dem Feststellungsbescheid des FA nach § 226 a AO (§ 251 Abs. 3 AO 1977) und in dem sich anschließenden Rechtsbehelfsverfahren nicht gegen eine andere – an sich unbestrittene – Umsatzsteuerforderung ausgetauscht werden.

Das FG darf deshalb die Rechtmäßigkeit eines Feststellungsbescheides im Sinne des § 226 a AO (§ 251 Abs. 3 AO 1977), mit dem das FA bestritten gebliebene Vorsteuerrückforderungsansprüche nach § 17 Abs. 2 Satz 1 UStG 1973 geltend gemacht hat, nicht damit begründen, daß Umsatzsteuerforderungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 in gleicher Höhe bestünden.

AO § 226a; AO 1977 § 251 Abs. 3; UStG 1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1, 2, § 17 Abs. 2 Satz 1; KO §§ 139, 146 Abs. 1, 4, 6.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

 

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der R GmbH. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens am 11. Februar 1975 hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA -) mit dem Anspruch auf Vorrecht aus § 61 Abs. 1 Nr. 2 der Konkursordnung (KO) eine Umsatzsteuerforderung für 1975 in Höhe von 51.517,32 DM angemeldet. Diese Anmeldung ist hernach gegenüber dem Konkursgericht auf 42.367,22 DM beschränkt worden. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Umsatzsteuer für Leistungen der Gemeinschuldnerin vor Konkurseröffnung in Höhe von 14.220,85 DM und aus der Rückforderung von Vorsteuerabzugsbeträgen in Höhe von 28.146,37 DM für Leistungen, welche die Gemeinschuldnerin vor Konkurseröffnung erhalten, aber nicht bezahlt hatte.

Im Prüfungstermin vom 9. Juli 1976 bestritt der Kläger die Forderung. Das FA erließ daraufhin am 2. August 1976 einen Bescheid gemäß § 226 a der Reichsabgabenordnung (AO), in dem es unter der Bezeichnung „Umsatzsteuer 2/75“ die bestrittene Forderung als bevorrechtigte Konkursforderung nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO feststellte. Es führte dazu aus, 14.220,85 DM entfielen auf nicht abgerechnete fertige und halbfertige Arbeiten, 28.146,37 DM beträfen die Rückforderung von geltend gemachten Vorsteuerbeträgen gemäß § 17 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für von der Gemeinschuldnerin nicht erfüllte Verbindlichkeiten. Den Einspruch des Klägers wies das FA zurück.

Das Finanzgericht (FG) hat die auf Aufhebung des Feststellungsbescheids vom 2. August 1976 gerichtete Klage abgewiesen und dazu ausgeführt: Aufgrund einer im Jahre 1979 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung, die das FG angeregt hatte, habe sich ergeben, daß neben dem Vorsteuerrückforderungsanspruch in Höhe von 28.146,37 DM für 1975 aus Leistungen der Gemeinschuldnerin eine Umsatzsteuerforderung in Höhe von 61.085,89 DM bestehe, wovon mindestens 42.367,22 DM auf den Zeitraum 2/1975 entfalle. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht bestritten, daß die Umsatzsteuerforderung von 61.085,90 DM zu Recht bestehe. Seine Einwendungen gegen den Rückforderungsanspruch in Höhe von 28.146,37 DM könnten die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheides vom 2. August 1976 nicht beeinträchtigen. Es könne nämlich dahingestellt bleiben, ob diese Einwendungen zu Recht bestünden, denn aufgrund der Prüfungsfeststellungen stehe unbestritten fest, daß in dem vom Feststellungsbescheid erfaßten Zeitraum Februar 1975 Umsatzsteuerforderungen bezüglich fertiger und halbfertiger Bauten entstanden seien, die den im Feststellungsbescheid angegebenen Betrag von 42.367,22 DM bei weitem überstiegen. Auf den Streit bezüglich des Betrages von 28.146,37 DM komme es bei dieser Sachlage nicht mehr an.

Am 29. August 1979 hatte vor dem FG mündliche Verhandlung stattgefunden. Am selben Tag, jedoch nach Schluß der mündlichen Verhandlung, ging ein Schreiben des Klägers beim FG ein, in dem er mitteilte, daß er durch Schreiben vom selben Tag an das Amtsgericht-Konkursgericht die Teilforderung von 14.220,85 DM mit dem Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO anerkannt habe; insoweit erklärte er den Rechtsstreit vor dem FG in der Hauptsache für erledigt. In Höhe von 28.146,37 DM blieb die zur Konkurstabelle angemeldete Forderung bestritten.

Mit der Revision rügt der Kläger, das angefochtene Urteil verletze § 146 Abs. 4 KO, weil das FG entgegen dieser Vorschrift den Schuldgrund für die angemeldeten Forderungen ausgewechselt habe. Der angefochtene Feststellungsbescheid sei wegen Verletzung des § 17 UStG rechtswidrig, soweit das FA damit Vorsteuern von 28.146,37 DM zurückfordere; denn die übrigen Gläubiger meldeten ihre Rechnungsforderungen zu 100 % brutto an, so daß es zu einer doppelten Inanspruchnahme der Masse komme. Der Anspruch des Fiskus nach § 17 UStG entstehe erst mit der Berichtigung der Umsatzsteuerverbindlichkeiten der Gläubiger. Dies sei regelmäßig erst nach Konkurseröffnung der Fall, so daß der Rückforderungsanspruch des Fiskus nach § 17 UStG keine Konkursforderung im Sinne des § 3 KO sei.

Im Revisionsschriftsatz vom 19. September 1979 beantragte der Kläger, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach den Schlußanträgen erster Instanz zu erkennen. Im Schriftsatz vom 11. Oktober 1979 – innerhalb der Revisionsfrist – erklärte der Kläger, daß im anhängigen Revisionsverfahren eine Umsatzsteuerforderung von 28.146,37 DM strittig sei.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

 

II.

Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).

1. Der Senat legt den nicht eindeutigen Revisionsantrag dahin aus, daß der Kläger nur noch eine Beschwer hinsichtlich der auf § 17 Abs. 2 Satz 1 UStG 1973 gestützten Forderung des FA in Höhe von 28.146,37 DM geltend macht. Das ergibt sich aus der Erledigungserklärung im Schriftsatz vom 29. August 1979, aus der Revisionsbegründung, mit der der Kläger sich allein gegen die Schuldgrundauswechslung und die Vorsteuerrückforderung wendet, und schließlich aus dem Schriftsatz vom 11. Oktober 1979.

2. Die Vorentscheidung verletzt in dem durch die Revision angefochtenen Umfang § 146 Abs. 4 KO.

Werden zur Konkurstabelle angemeldete, nicht titulierte Forderungen im Prüfungstermin bestritten, kann der Gläubiger die Feststellung gegen den Bestreitenden betreiben (§ 146 Abs. 1 Satz 1 KO). Dies geschieht bei Steuerforderungen durch die Feststellung des FA gemäß § 226 a AO (nunmehr § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung – AO 1977 -), sofern die Steuern noch nicht vor Konkurseröffnung durch einen Steuerbescheid festgesetzt und damit im Sinne von § 146 Abs. 6 KO tituliert sind (Jaeger/Weber, Konkursordnung, 8. Aufl., Bd. II, § 146 Anm. 20; Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 10. Aufl., § 146 Rdnr. 30). Diese Feststellung kann zufolge § 146 Abs. 4 KO nur auf den Grund gestützt und nur auf den Betrag gerichtet werden, welcher in der Anmeldung oder in dem Prüfungstermin angegeben ist (§ 146 Abs. 5 KO), weil andernfalls einem Gläubiger, der die angemeldete Forderung nicht bestritten hatte (§ 144 Abs. 1 KO), durch Einbeziehung einer nicht geprüften Forderung (§ 141 KO) das Recht zum Widerspruch genommen wäre (§ 147 Satz 1 KO; Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 17. Mai 1984 V R 80/77, BFHE 141, 7, BStBl II 1984, 545).

Grund der Forderung (§ 139 Satz 1, § 146 Abs. 4 KO) ist der Sachverhalt, auf dem die Forderung beruht (Jaeger/Weber, a. a. O., § 139 Anm. 1; Kuhn/Uhlenbruck, a. a. O., § 139 Rdnr. 3). Bei der Umsatzsteuer entstehen – anders als etwa bei der Einkommensteuer gemäß § 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) – die sich aus der Verwirklichung der im UStG enthaltenen gesetzlichen Tatbestände (z. B. §§ 1, 14 Abs. 2, Abs. 3, § 15 Abs. 1, §§ 15 a, 17 Abs. 1, Abs. 2 UStG 1973) ergebenden Steuerbeträge, unbeschadet der Zusammenfassung bei der Steuerberechnung, gesondert (BFH-Urteil vom 30. September 1976 V R 109/73, BFHE 120, 562, 566, BStBl II 1977, 227). Forderungsgrund ist demnach der Sachverhalt, der zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes geführt hat. Die Zusammenfassung der einzelnen Steuerforderungen unter Berücksichtigung der abziehbaren Vorsteuern (§ 15 UStG 1973) zu einer positiven oder negativen Steuerzahlungsschuld (§ 16 Abs. 1, Abs. 2 UStG 1973) ändert nichts daran, daß die einzelnen Tatbestandsverwirklichungen Besteuerungsgegenstand sind (vgl. BFHE 120, 562, BStBl II 1977, 227).

Die Zusammenfassung dient der Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Sie gestattet nicht, eine im Konkursverfahren nach Grund und Höhe angemeldete, jedoch bestritten gebliebene Umsatzsteuerforderung gegen eine andere Forderung auszutauschen; denn dies ginge über den Zweck der Zusammenfassung hinaus und würde das Widerspruchsrecht der anderen am Konkursverfahren Teilnehmenden gefährden.

Da in dem Urteil der bestritten gebliebene Vorsteuerrückforderungsanspruch (§ 17 Abs. 2 Satz 1 UStG 1973) nicht geprüft, sondern die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheids unter Heranziehung der bei der Umsatzsteuersonderprüfung ermittelten Umsatzsteuerforderung aus Werklieferungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973) begründet und damit der Grund der angemeldeten Forderung ausgetauscht worden ist. verstößt das angefochtene Urteil gegen § 146 Abs. 4 KO; es war aufzuheben. Das FG wird die mangelnden Feststellungen über Grund und Höhe der vom FA gemäß § 226 a AO festgestellten Forderung zu treffen haben.

Vorsorglich weist der Senat auf sein Urteil vom 13. November 1986 V R 59/79 (BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226) hin, wonach der Anspruch des FA auf Rückforderung vom Gemeinschuldner abgezogener Vorsteuern, der auf der Uneinbringlichkeit der Entgelte infolge der Konkurseröffnung beruht, Konkursforderung im Sinne des § 3 Abs. 1 KO ist.


Steuerarten, Steuergesetze, Steuerrichtlinien, Steuerurteile, Steuerrechner, Steuertabellen, Steuerformulare, Steuerberatung & Steuererklärungen