BFH-Beschluß vom 4.2.1987 (II B 33/85) BStBl. 1987 II S. 326

BFH-Beschluß vom 4.2.1987 (II B 33/85) BStBl. 1987 II S. 326

1. Ist ein bislang als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb „Stückländerei“ bewertetes Grundstück gemäß § 69 BewG dem Grundvermögen zuzurechnen, so muß dies im Wege der Nachfeststellung geschehen.

2. Die Aussetzung der Vollziehung eines derartigen Nachfeststellungsbescheids beschränkt sich auf die Suspendierung derjenigen Rechtsfolgen, die von ihm gegenüber dem vorherigen Zustand ausgelöst werden.

3. Die Aussetzung der Vollziehung von Einheitswertbescheiden ist auf diejenigen Stichtage zu beschränken, zu denen in materiell-rechtlicher Hinsicht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Feststellung bestehen.

FGO § 69; BewG §§ 21 bis 25, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 7, § 41 Abs. 3, § 69 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

 

Der Antragsteller erwarb mit Kaufvertrag vom 31. Dezember 1973 eine Teilfläche von 40.000 qm aus dem Grundstück vorgetragen im Grundbuch von X zum Kaufpreis von 1.650.000 DM. Als Tag der wirtschaftlichen Übergabe wurde der 2. Januar 1974 vereinbart. Das Grundstück liegt im Bereich eines Bebauungsplans, der am 8. September 1980 aufgestellt und am 4. September 1981 unanfechtbar und damit verbindlich wurde. Es ist in dem Bebauungsplan überwiegend als Gemeinbedarfsfläche (Krankenhaus) und zum Teil als öffentliche Grünfläche ausgewiesen.

Mit Nachfeststellungsbescheid auf den 1. Januar 1975 stellte das Finanzamt (FA) den Einheitswert auf 6.500 DM fest und bewertete den erworbenen Grundbesitz als Betrieb der Land- und Forstwirtschaft – Stückländerei – Diesen Bescheid hob das FA mit Wirkung vom 1. Januar 1979 auf, weil zu diesem Feststellungszeitpunkt für die erworbenen Grundstücksflächen eine weitere Nachfeststellung vorgenommen wurde. Diese weitere Nachfeststellung sei deshalb erforderlich geworden, weil die erworbenen Grundstücksflächen in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen würden. Das FA stellte deshalb zum 1. Januar 1979 im Wege der Nachfeststellung die Grundstücksart „unbebautes Grundstück“ und, nach Rückfrage bei dem Gutachterausschuß der Stadt X, einen Einheitswert von 200.000 DM fest. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.

Zum 1. Januar 1982 führte das FA eine Wertfortschreibung des durch Nachfeststellung zum 1. Januar 1979 festgestellten Einheitswertes für das unbebaute Grundstück durch; es stellte den Einheitswert nunmehr auf 1.820.000 DM fest. In den Erläuterungen zu diesem Bescheid heißt es, die Wertfortschreibung sei wegen Änderung tatsächlicher Verhältnisse mit Rücksicht auf die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans vorzunehmen.

Auf die Beschwerde hat die Oberfinanzdirektion (OFD) mit Entscheidung vom 4. Oktober 1984 die Vollziehung des Nachfeststellungsbescheids auf den 1. Januar 1979 in Höhe eines anteiligen Einheitswerts von 193.500 DM ausgesetzt und im übrigen die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Es bestünden ernstliche Zweifel daran, ob am 1. Januar 1979 die Voraussetzungen für die Zuordnung zum Grundvermögen vorgelegen hätten, weshalb die Aussetzung der Vollziehung in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft – Stückländerei – festgestellten Einheitswert und dem mit der angefochtenen Nachfeststellung festgestellten Wert geboten sei. Abgesehen davon, daß der Auffassung des Antragstellers, der Wertfortschreibungsbescheid zum 1. Januar 1982 stehe zu dem Nachfeststellungsbescheid (1. Januar 1979) im Verhältnis von Grundlagen- zu Folgebescheid, nicht gefolgt werden könnte, bestünden – ungeachtet seiner Unanfechtbarkeit – auch materiell-rechtlich keine ernstlichen Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit, weil der Grundbesitz nach Eintritt der Bestandskraft des Bebauungsplans gemäß § 69 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) dem Grundvermögen zuzuordnen sei.

Das FA hat aufgrund der Beschwerdeentscheidung den Grundsteuermeßbetrag bis auf einen Teilbetrag in Höhe von 6 v. T. von 6.500 DM (= 39 DM) von der Vollziehung mit der Maßgabe ausgesetzt, daß auf diesen Meßbetrag der Grundsteuerhebesatz für landwirtschaftliche Grundstücke anzuwenden sei.

Mit seinem gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das Finanzgericht (FG) gerichteten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung begehrt der Antragsteller, die Vollziehung des Nachfeststellungsbescheids auf den 1. Januar 1979 auch insoweit auszusetzen, als seinem Begehren nicht durch die OFD entsprochen worden sei, sowie Aussetzung der Vollziehung des Wertfortschreibungsbescheids auf den 1. Januar 1982. Zur Begründung führt er aus, die Voraussetzungen für eine Nachfeststellung auf den 1. Januar 1979 hätten nicht vorgelegen, weshalb der gesamte Feststellungsbescheid von der Vollziehung auszusetzen sei. Der Wertfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1982 sei deshalb von der Vollziehung auszusetzen, weil er einen Nachfeststellungsbescheid voraussetze.

Das FG hat den Antrag zurückgewiesen.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

 

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zutreffend den Antrag aus § 69 Abs. 3 FGO abgelehnt.

Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht die Aussetzung der Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts unter den in § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO normierten Voraussetzungen auch schon vor Erhebung der Klage anordnen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts, die die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts sprechenden Gründen gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Feststellungsbescheide liegen – soweit sie nicht schon von den Verwaltungsbehörden bejaht wurden – nicht vor.

1. Der Senat vermag der Auffassung des FG, der Nachfeststellungsbescheid auf den 1. Januar 1979 stelle in Wirklichkeit einen Art- und Wertfortschreibungsbescheid dar, nicht zu folgen.

Gegenstand der Bewertung ist die wirtschaftliche Einheit. Bei den wirtschaftlichen Einheiten des Grundbesitzes (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 BewG) unterscheidet sich deren Umfang danach, ob es sich um einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft oder um ein Grundstück handelt. Denn der Wirtschaftsteil eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft umfaßt außer dem Grund und Boden und den Wirtschaftsgebäuden die stehenden Betriebsmittel und einen normalen Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln (§ 33 Abs. 2 BewG). Die der Bewirtschaftung von Stückländereien dienenden Betriebsmittel sind auch dann in den Betrieb der Stückländereien einzubeziehen, wenn diese Betriebsmittel nicht dem Eigentümer der Stückländereien gehören (§ 34 Abs. 7 i. V. m. § 34 Abs. 4 BewG). Trotzdem wird bei der Bewertung dieser Flächen ein Abschlag wegen fehlender Betriebsmittel beim Grundeigentümer nicht vorgenommen (§ 41 Abs. 3 BewG). Damit werden nicht im Eigentum des Grundeigentümers stehende Wirtschaftsgüter in den Einheitswert der Stückländereien einbezogen. Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb „Stückländerei“ umfaßt deshalb andere Wirtschaftsgüter als die wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens (§ 70 Abs. 1 BewG), zu der Grund und Boden, Gebäude, sonstige Bestandteile und das Zubehör gehören (§ 68 Abs. 1 BewG), während Maschinen und sonstige zu einer Betriebsanlage gehörende Vorrichtungen nicht einbezogen werden (§ 68 Abs. 2 BewG). Auch das Gebäude auf fremdem Grund und Boden wird nicht in die Bewertung eines Grundstücks einbezogen, weil dieses Gebäude als selbständiges Grundstück im Sinne des Bewertungsrechts gilt (§ 70 Abs. 3 BewG).

Aus dem unterschiedlichen Umfang der wirtschaftlichen Einheiten des Grundbesitzes folgt, daß bei Zurechnung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen zum Grundvermögen nach Maßgabe des § 69 BewG i. S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 BewG eine wirtschaftliche Einheit neu entsteht und damit die Voraussetzungen für eine Nachfeststellung gegeben sind. Dabei ist nicht, wie das FG im Anschluß an Rössler/Troll/Langner (Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 13. Aufl., Anm. 21 zu § 23 BewG) meint, darauf abzustellen, ob die Verkehrsauffassung in der „Umwandlung“ einer Stückländerei in Grundvermögen nicht den Untergang der wirtschaftlichen Einheit „Betrieb der Land- und Forstwirtschaft“, sondern nur eine Artänderung einer schon bestehenden wirtschaftlichen Einheit sieht. Entscheidend ist vielmehr auf den vom Gesetz vorgegebenen Regelumfang der wirtschaftlichen Einheit abzustellen, denn dieser ist Bewertungsgegenstand. Das gilt auch, wenn im Einzelfall der tatsächliche Umfang der wirtschaftlichen Einheit sich nicht verändert (a. A. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Bem. 5 zu § 23 BewG), denn dieser wird auch bei Stückländereien ausdrücklich nicht berücksichtigt (§ 41 Abs. 3 BewG).

2. Im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch Aussetzung der Vollziehung kann der Antragsteller nicht mehr erreichen als im Hauptsacheverfahren. Dabei muß berücksichtigt werden, daß Feststellungsbescheide über den Einheitswert für den Grundbesitz nicht nur für das Jahr wirken, auf dessen Beginn sie ergehen, sondern eine Dauerwirkung bis zum Ende des Hauptfeststellungszeitraums haben, wenn sie nicht vorher aufgehoben (§ 24 BewG) oder durch Fortschreibung abgelöst werden (§§ 21, 22 BewG).

Das FG hat dies bei seiner Entscheidung zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beachtet. Es hat zutreffend ausgeführt, daß der Antragsteller durch die ihm von den Finanzbehörden gewährte Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Höhe des ausgesetzten Betrages und in bezug auf die Grundsteuer so gestellt ist, daß die Wirkungen des Nachfeststellungsbescheids für die Feststellungszeitpunkte 1. Januar 1979, 1980 und 1981 beseitigt sind. Dabei ist es im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß dann die Besteuerungsgrundlage entsprechend der Art- und der Wertfeststellung, wie sie durch die Nachfeststellung zum 1. Januar 1975 getroffen wurde, wieder wirksam werden würde. Der Umstand, daß die Nachfeststellung zum 1. Januar 1975 mit Wirkung zum 1. Januar 1979 aufgehoben war, mußte dabei außer Betracht bleiben, weil diese Aufhebung mit der Nachfeststellung zum 1. Januar 1979 im Zusammenhang stand und deshalb, wenn letztere Nachfeststellung nicht von Bestand bleiben könnte, wieder rückgängig gemacht werden müßte.

3. Im Ergebnis zutreffend hat das FG auch den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Wertfortschreibungsbescheids auf den 1. Januar 1982 abgelehnt.

Der Regelungsgehalt dieses Verwaltungsakts betrifft nur die Höhe des festgestellten Wertes (vgl. dazu auch Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 13. November 1981 III R 116/78, BFHE 135, 85, BStBl II 1983, 88). Hinsichtlich dieses eigenständigen Regelungsgehaltes fehlt es an der Voraussetzung für die Gewährung von Aussetzung der Vollziehung, daß der Bescheid angefochten ist. Unentschieden bleiben kann, ob der Senat der Auffassung des Antragstellers folgen würde, zwischen dem Wertfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1982 und dem Nachfeststellungsbescheid auf den 1. Januar 1979 bestehe das Verhältnis von Folgebescheid zu Grundlagenbescheid. Denn die Aussetzung der Vollziehung dieses Nachfeststellungsbescheids ist bis zu dem Zeitpunkt zu befristen, zu dem die Nachfeststellung als unbebautes Grundstück zulässig wäre.

Das hat zur Folge, daß die Aussetzung der Vollziehung des Nachfeststellungsbescheids zum 1. Januar 1979 sich nur auf diejenigen Stichtage erstrecken kann, in denen in materiell-rechtlicher Hinsicht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids bestehen. Dies ist im Streitfall für diejenigen Stichtage (Feststellungszeitpunkte) nicht der Fall, die nach dem Zeitpunkt der Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans liegen, der die Grundflächen umfaßt. Denn mit der Einbeziehung in den Bebauungsplan sind bei summarischer Prüfung die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 BewG erfüllt. Nach dieser Vorschrift sind land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage, den im Feststellungszeitpunkt bestehenden Verwertungsmöglichkeiten oder den sonstigen Umständen anzunehmen ist, daß sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken, insbesondere als Bauland, Industrieland oder Land für Verkehrszwecke dienen.

Im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mußte deshalb berücksichtigt werden, daß zum 1. Januar 1982 eine Nachfeststellung für die Grundflächen als unbebautes Grundstück zulässig wäre, wobei sich der festzustellende Wert bei summarischer Prüfung mit dem Wert deckt, der durch die Wertfortschreibung zum 1. Januar 1982 festgestellt wurde. Ob diese Wertfortschreibung verfahrensrechtlich bestehen bleiben kann oder, weil sie im Verhältnis zu der angefochtenen Nachfeststellung zum 1. Januar 1979 als Folgebescheid anzusehen ist und deshalb aufgehoben werden müßte, kann – wie bereits ausgeführt – unentschieden bleiben. Denn wenn sie aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben werden müßte, so erweist sie sich im Umfang ihres Regelungsgehalts, nämlich der Höhe des festgestellten Wertes als richtig, weil dann ein Wert in dieser Höhe durch Nachfeststellung festgestellt werden müßte.

Die Aussetzung der Vollziehung des Nachfeststellungsbescheids ist deshalb auf die Stichtage 1. Januar 1979 bis 1. Januar 1981 zu beschränken.


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