BFH-Urteil vom 8.8.1986 (VI R 117/83) BStBl. 1987 II S. 184

BFH-Urteil vom 8.8.1986 (VI R 117/83) BStBl. 1987 II S. 184

Taxifahrer können grundsätzlich ohne Einzelnachweis einen Verpflegungsmehraufwand von 8 DM bzw. 16 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen, wenn sie ununterbrochen mehr als sechs bzw. zwölf Stunden unterwegs sind (Ergänzung zu den Urteilen vom 8. August 1986 VI R 195/82 und VI R 2/84 ).

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1; LStR 1981 Abschn. 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Sätze 4 bis 6 und Abs. 3 Satz 4 Nr. 3.

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1983, 597)

Sachverhalt

 

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Taxifahrer in Frankfurt am Main beschäftigt. Nach einer Bescheinigung seines Arbeitgebers war er im Streitjahr 1980 an 275 Tagen länger als 12 Stunden unterwegs. Während der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA -) dem Kläger einen Betrag von 3 DM täglich gemäß Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 6 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1978 zum Werbungskostenabzug anerkannte, begehrt der Kläger den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von arbeitstäglich 16 DM gemäß Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 LStR 1981.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der nachfolgenden, in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 597 veröffentlichten Begründung ab: Eine Anwendung der in Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3 LStR 1981 enthaltenen und gemäß dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 29. Juni 1979 (BStBl I 1979, 374) schon im Streitjahr 1980 geltenden Regelung hinsichtlich des Verpflegungsmehraufwandes von Kraftfahrern scheide schon deshalb aus, weil der Kläger nicht als Berufskraftfahrer im Sinne der Richtlinien angesehen werden könne. Aus dem BMF-Schreiben werde ersichtlich, daß der Richtliniengeber die Regelung im Hinblick auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. November 1978 VI R 171-172/76 (BFHE 126, 454, BStBl II 1979, 148) für Berufskraftfahrer getroffen habe, die als LKW-Fahrer unterwegs seien. Im Gegensatz zu LKW-Fahrern, die bei unterschiedlichen Fahrtzielen längere Zeit vom Firmensitz entfernt unterwegs seien, kehre der Kläger täglich des öfteren an seinen Ausgangspunkt zurück. Seine Fahrten seien regelmäßig auf einen bestimmten Bezirk begrenzt. Ein Mehraufwand für Verpflegung in der vom Kläger begehrten Höhe falle bei Taxifahrern ebensowenig an wie bei jedem anderen Arbeitnehmer, der nicht die Möglichkeit eines Kantinenessens habe. Ein Taxifahrer habe gegenüber einem Arbeitnehmer ohne Kantinenverpflegung infolge seiner umfangreichen Ortskenntnis und seiner Beweglichkeit sogar Gelegenheit zu preisgünstigerer Nahrungsaufnahme. Die Anerkennung von Verpflegungsmehraufwendungen für Taxifahrer würde daher zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung gegenüber Arbeitnehmern ohne Kantinenverpflegung führen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor: Entgegen der Auffassung des FG betreffe Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3 LStR 1981 auch Taxifahrer (FG Hamburg, Urteil vom 2. September 1982 III 105/81, EFG 1983, 116). Die Richtlinien gälten nicht nur für LKW-Fahrer, sondern für Berufskraftfahrer allgemein. Darüber hinaus seien sie sogar anwendbar für Personen, die auf vergleichbaren Fahrzeugen eingesetzt seien, so z.B. für Lokführer, Zugbegleiter, Straßenbahnfahrer usw. Entscheidend sei allein, daß er – der Kläger – berufsmäßig ein Kraftfahrzeug geführt habe und auf diesem Fahrzeug ununterbrochen mehr als 12 Stunden eingesetzt gewesen sei. Damit bestehe ein Anspruch auf Anwendung der Richtlinienregelung, was auch nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde. Es möge zwar sein, daß ein Taxifahrer wegen seiner umfangreichen Ortskenntnis Gelegenheit zu preisgünstiger Nahrungsaufnahme und daher durch den Ansatz der Pauschbeträge im Einzelfall geringfügig Vorteile habe. Andererseits könne der Ansatz der Pauschbeträge aber auch zu Nachteilen führen, da z.B. der in der Großstadt tätige Taxifahrer einen höheren, durch die Pauschalen nicht gedeckten Verpflegungsmehraufwand habe. Durch den Ansatz der Pauschalen werde vermieden, daß man in vielen Fällen gerade wegen der unterschiedlichen Gewichtung in Einzelfällen zu widersprüchlichen Ergebnissen komme. Daher sei der Ansatz der Pauschbeträge auch im Streitfall ein Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Dies habe auch die BFH-Rechtsprechung wiederholt hervorgehoben (z.B. Urteil vom 14. August 1981 VI R 115/78, BFHE 134, 139, BStBl II 1982, 24). Der vom FG herangezogene Vergleich von Taxifahrern und standortgebundenen Arbeitnehmern gehe fehl, da bei den Taxifahrern nach der Lebenserfahrung klar ersichtlich sei, daß sie einen Verpflegungsmehraufwand hätten. Zum einen sei ein Taxifahrer für Nah- und Fernfahrten eingesetzt. Zum anderen könne sich ein Taxifahrer, anders als ein standortgebundener Arbeitnehmer, nicht die preisgünstigsten Verpflegungsstätten nutzbar machen, weil er durch seinen unregelmäßigen Einsatz in den verschiedenen Stadtbezirken gar nicht die Möglichkeit habe, diese Verpflegungsstätten aufzusuchen. Ein Taxifahrer habe auch keine festen Pausen an bestimmten Stellen, sondern er habe dort seine Pausen einzulegen, wo es die Taxizentrale anordne.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus: Zwar habe der Richtliniengeber die unter Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3 LStR 1981 fallenden Personen nicht als „Berufskraftfahrer“ bezeichnet, wie dies noch im BMF-Schreiben in BStBl I 1979, 374 der Fall gewesen sei, sondern er habe auch Personen mit vergleichbarer Tätigkeit einbezogen. Hierunter falle der Kläger schon deshalb nicht, weil er als Taxifahrer typischerweise nicht länger als sechs Stunden täglich ununterbrochen unterwegs sei. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb ein standortgebundener Arbeitnehmer die preisgünstigsten Verpflegungsstätten nutzen könne, während einem mobilen Taxifahrer durch seine ständige Bindung an sein Fahrzeug ein Verpflegungsmehraufwand erwachsen solle. Wenn sich der Kläger ausschließlich im Fahrzeug aufhalten müsse, habe er keine Möglichkeit, sich anders als mit außerhalb der Arbeitszeit beschafften Lebensmitteln (belegte Brote, Obst usw.) zu verpflegen. Eine solche während der Arbeitszeit durchaus übliche Verpflegungsart bedinge aber gerade keinen Verpflegungsmehraufwand.

Entscheidungsgründe

 

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 8. August 1986 VI R 195/82 (BFHE 147, 247, BStBl 1986, 824) entschieden, daß die Regelung in Abschn. 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 und Abs. 3 Satz 4 Nr. 3 LStR 1981 grundsätzlich von den FG zu beachten und auch auf Omnibusfahrer im städtischen Linienverkehr anzuwenden ist. Durch weiteres Urteil vom 8. August 1986 VI R 2/84 (BFHE 147, 255, BStBl II 1986, 828) hat der Senat diese Rechtsprechung auch auf Straßenbahnführer ausgedehnt.

Da von ihrem Wortlaut her auch Taxifahrer unter die Richtlinienregelung fallen und der dem Verfahren VI R 195/82 beigetretene BMF bestätigt hat, daß die Regelung sowohl für Fernfahrer als auch für im städtischen Verkehr eingesetzte Fahrer gelten solle, bestehen keine Bedenken, Taxifahrern grundsätzlich die Pauschalen von 8 DM bzw. 16 DM als Verpflegungsmehraufwand bei mehr als sechsstündiger bzw. zwölfstündiger Abwesenheit zuzubilligen. Es entspricht der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Senats, die Pauschbeträge der LStR nur ausnahmsweise nicht anzuwenden. Der Senat hat im Urteil VI R 195/82 unter 3. e) der Entscheidungsgründe zum Ausdruck gebracht, daß die Richtlinienregelung grundsätzlich auch zu beachten ist, wenn sich der „Berufskraftfahrer“ teilweise von mitgebrachten Mahlzeiten ernährt oder wenn er die Möglichkeiten zu preisgünstigem Essen an den Haltepunkten kennt. Daß der Kläger an den jeweiligen Haltepunkten nur jeweils geringe Wartezeiten gehabt haben mag, spricht demnach nicht gegen den Anfall beruflich veranlaßter Verpflegungsmehraufwendungen. Gerade kurze Verweilzeiten können jemanden dazu veranlassen, z.B. an einem Kiosk oder Schnellimbiß relativ teure Mahlzeiten oder Getränke zu sich zu nehmen.

Wenn dem Kläger nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzlich die Beträge des Abschn. 22 Abs. 3 Satz 4 Nr. 3 LStR zustehen, so war die Sache dennoch unter Aufhebung der Vorentscheidung zur erneuten Verhandlung an das FG zurückzuverweisen, da das FG – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Kläger ununterbrochen länger als 12 Stunden unterwegs war. Nach Abschn. 22 Abs. 2 Sätze 4 bis 6 LStR beendet eine Rückkehr zum Betriebssitz, Standort, Fahrzeugdepot oder zur Einsatzstelle die Abwesenheitszeit. Eine nur kurze Berührung der vorbezeichneten Orte führt aber dann nicht zur Unterbrechung des Abwesenheitszeitraums, wenn dadurch die fahrertypische Tätigkeit nicht unterbrochen wird und die kurzfristige Rückkehr nicht dazu geeignet ist, daß der Arbeitnehmer an den vorbezeichneten Orten eine Mahlzeit einnimmt. Diese Einschränkung des Abzugs von Verpflegungsmehraufwendungen ist sachgerecht, da auch eine Dienstreise oder ein Dienstgang eine ununterbrochene Abwesenheit von der regelmäßigen Arbeitsstätte erfordert (Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 Buchst. b Satz 1 und Buchst. d LStR 1981).

Das FG wird festzustellen haben, ob im Streitfall die Fahrertätigkeit des Klägers in einer Weise unterbrochen worden ist, die der Gewährung der Verpflegungsmehraufwendungen überhaupt oder nur der Gewährung des höheren Pauschbetrages von 16 DM entgegensteht. Dabei können als vom Betriebssitz entfernt liegende Standorte oder Einsatzstellen im Sinne der Richtlinienregelung nur solche Orte sein, die wie eine regelmäßige Arbeitsstätte nach einzelnen Fahrten regelmäßig immer wieder aufgesucht werden.


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