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II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG wird aufgehoben und der Haftungsbescheid vom 25. Februar 2003 auf eine Haftungssumme in Höhe von 4.721.963,70 DM (= 2.414.301,70 EUR) herabgesetzt (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). |
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1. Der Revisionsantrag des FA, die Klage unter Aufhebung des FG-Urteils abzuweisen, ist aufgrund der Zusage, einen geänderten Haftungsbescheid zu erlassen, so zu verstehen, dass das FA mit seiner Revision nur noch anstrebt, den streitgegenständlichen Haftungsbescheid vom 25. Februar 2003 entsprechend der Zusage in Höhe der Haftungssumme von 4.721.963,70 DM (2.414.301,70 EUR) zu bestätigen. Das FG hat –ohne den Antrag des FA im Tatbestand des Urteils anzupassen– auch nur noch über den eingeschränkten Klageabweisungsantrag des FA entschieden. Der Senat ist an diesen Antrag gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO i.V.m. § 121 FGO gebunden und hat über die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids nur noch in diesem Umfang zu entscheiden. |
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2. Das FG hat das Verhalten des Klägers, für die Monate August bis November 1999 für die I-GmbH weder Umsatzsteuer-Voranmeldungen abzugeben noch die fälligen Steuerbeträge zu entrichten, zu Recht als vierfache Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO gewürdigt und den Haftungsbescheid gemäß §§ 191 Abs. 1, 71 AO dem Grunde nach als rechtmäßig angesehen. |
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a) Die I-GmbH schuldete die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer für die von ihr ausgeführten Lieferungen an die K-GmbH nach § 1 Abs. 1 UStG. Es liegen entgegen der Auffassung des FA und des FG keine Rechnungen mit unberechtigtem Steuerausweis gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG vor. |
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aa) Auf der Grundlage der bindenden Feststellungen des FG ist davon auszugehen, dass Lieferungen an die I-GmbH i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und von dieser an die K-GmbH vorliegen. Denn die I-GmbH hat als Abnehmerin die erforderliche Verfügungsmacht an den CPUs erlangt, da die von ihr beauftragten Kuriere die Ware vom Spediteur des Verkäufers für sie in Empfang genommen und auf ihre Veranlassung im Rahmen eigenständiger Lieferungen gemäß § 3 Abs. 1 UStG weiter zur K-GmbH transportiert haben. Aufgrund dieser Feststellungen des FG hat der Senat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die I-GmbH nur zum Schein als reiner "Rechnungsschreiber" in eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen dem ausländischen Verkäufer und der K-GmbH eingeschaltet gewesen sein könnte (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 12. August 2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259, unter II.1.a bb a.E.; BGH-Urteil vom 22. Mai 2003 5 StR 520/02, BFH/NV 2004 Beilage 2, 163, unter II.1.b aa). |
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bb) Die von der I-GmbH ausgeführten Lieferungen, die zum Zweck der Steuerhinterziehung erfolgten, sind der Besteuerung zugrunde zu legen. |
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Der Senat folgt der Rechtsprechung des EuGH, der wiederholt entschieden hat, Lieferungen von Gegenständen seien steuerbare Umsätze, wenn sie die objektiven Kriterien erfüllten, auf denen diese Begriffe beruhten (EuGH-Urteile vom 12. Januar 2006 C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen u.a., Slg. 2006, I-483, BFH/NV 2006 Beilage 2, 144 Rdnr. 55; vom 21. Februar 2006 C-255/02, Halifax, Slg. 2006, I-1609, BFH/NV 2006 Beilage 3, 260 Rdnrn. 55 bis 58). |
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Soweit der EuGH davon ausgeht, dass die objektiven Kriterien einer Lieferung im Fall einer Steuerhinterziehung nicht vorliegen (vgl. EuGH-Urteile vom 6. Juli 2006 C-439/04 und 440/04, Axel Kittel u.a., Slg. 2006, I-6161, BFH/NV 2006 Beilage 4, 454 Rdnr. 44, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2006, 594; Halifax in Slg. 2006, I-1609, BFH/NV 2006 Beilage 3, 260, unter Rdnr. 59), handelt es sich um einen eigenständigen Vorsteuerversagungsgrund (vgl. die Senatsentscheidung vom 19. April 2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315; BFH-Urteil vom 10. Dezember 2008 XI R 57/06, BFH/NV 2009, 1156). Für die Besteuerung von Ausgangsumsätzen ist dies aber ohne Bedeutung. Die vom Steuerhinterzieher ausgeführte Lieferung ist bei diesem steuerbar und steuerpflichtig. Davon zu unterscheiden ist die im Streitfall, der Lieferungen im Inland betrifft, nicht zu entscheidende Frage, ob bei Mitwirkung an einer Steuerhinterziehung im Anschluss an eine innergemeinschaftliche Lieferung dem Lieferer die Steuerbefreiung nach § 6a UStG zu versagen ist (vgl. BGH-Beschluss vom 7. Juli 2009 1 StR 41/09, UR 2009, 732). |
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cc) Die Steuer für Lieferungen entsteht gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG mit Ablauf der jeweiligen Voranmeldungszeiträume. Die hieraus resultierenden Steuerbeträge sind gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG voranzumelden. Das FG hat insoweit gemäß § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindend festgestellt, dass Voranmeldungszeitraum der Kalendermonat (§ 18 Abs. 2 Satz 2 UStG) war. |
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b) Der Senat folgt dem FG darin, dass der Kläger als faktischer Geschäftsführer und Verfügungsberechtigter der I-GmbH gemäß § 35 AO i.V.m. § 34 Abs. 1 AO seiner rechtlichen Verpflichtung vorsätzlich nicht nachgekommen ist, namens der Gesellschaft Voranmeldungen für die Monate August bis November 1999 abzugeben und die fälligen Steuerbeträge zu entrichten. Er hat daher für jeden der Voranmeldungszeiträume eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begangen. |
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aa) Im Bereich des Sonderdelikts aus § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kann in Bezug auf die Hinterziehung von Umsatzsteuern Täter nur sein, wer die rechtliche Erklärungspflicht für die Voranmeldungen und die Jahreserklärungen zu erfüllen hat (vgl. BGH-Urteil in BFH/NV 2004 Beilage 2, 163, sowie z.B. Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz 1403; Joecks in Franzen/Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 370 Rz 155). Zu den Erklärungsverpflichteten gehört unter anderem auch der Verfügungsberechtigte i.S. des § 35 AO (BFH-Entscheidungen vom 16. März 1995 VII R 38/94, BFHE 177, 209, BStBl II 1995, 859; vom 7. April 1992 VII R 104/90, BFH/NV 1993, 213; aus steuerstrafrechtlicher Sicht BGH-Entscheidungen vom 8. November 1989 3 StR 249/89, Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht –wistra– 1990, 97; vom 17. Februar 1998 5 StR 624/97, wistra 1998, 225; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz 118.1 und 118.3). |
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bb) Der Kläger war als faktischer Geschäftsführer und Verfügungsberechtigter gemäß § 35 AO erklärungspflichtig. |
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Verfügungsberechtigter i.S. des § 35 AO ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH jeder, der nach dem Gesamtbild der Verhältnisse rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen sind, verfügen kann und als solcher nach außen auftritt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Entscheidungen vom 10. Mai 1989 I R 121/85, BFH/NV 1990, 7; vom 27. November 1990 VII R 20/89, BFHE 163, 106, BStBl II 1991, 284; vom 24. April 1991 I R 56/89, BFH/NV 1992, 76; in BFH/NV 1993, 213; vom 19. Mai 2009 VII B 207/08, nicht veröffentlicht –n.v.–). Eine rechtliche Verfügungsmacht besteht danach, wenn der Verfügungsberechtigte die Pflichten des gesetzlichen Vertreters –mittelbar– durch die Bestellung der entsprechenden Organe erfüllen lassen kann (s. Boeker in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 35 AO Rz 10, 14; Jatzke in Beermann/Gosch, AO § 35 Rz 10, 11, 19). Der "Auftritt nach außen" liegt vor, wenn der faktische Geschäftsführer sich gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit als solcher geriert, das Auftreten gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit aber weisungsabhängigen Personen überlässt (BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 76; vgl. auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 25. Juni 2008 12 K 407/04, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2008, 1434). |
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Das FG ist auf dieser Grundlage in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Schluss gekommen, dass der Kläger faktischer Geschäftsführer der I-GmbH war. Er beherrschte die Abläufe und steuerte, wann und in welcher Höhe CPUs bestellt, an die K-GmbH weiterveräußert und in Rechnung gestellt wurden, dirigierte mit P, wann und in welcher Höhe Bargeld durch IW vom Geschäftskonto der Gesellschaft abzuheben war und welche Informationen IW an das FA geben sollte. Er verteilte das abgehobene Bargeld und behielt den "Restgewinn" nach Abzug der Beträge für IW und P zurück sowie in mindestens derselben Höhe wie die Beträge für IW und P für sich. Das FG hat zu Recht auch das Merkmal des "Auftritts nach außen" als erfüllt angesehen. Zwar hat der Kläger im Außenverhältnis gezielt den im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer IW vorgeschoben. Er trat nach den Feststellungen des FG jedoch vereinzelt für die I-GmbH nach außen auf und übte im Übrigen seine Leitungsmacht im Innenverhältnis gegenüber IW und P umfassend aus. |
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Zutreffend geht das FG nach den vorstehenden Feststellungen weiter davon aus, der Kläger habe seine Verpflichtung, für die I-GmbH Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate August bis November 1999 abzugeben und die fälligen Steuerbeträge zu entrichten, jedenfalls mittelbar über IW und P tatsächlich erfüllen können, dies aber nicht getan. |
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Soweit der Kläger hiergegen einwendet, dass die vom FG getroffenen Feststellungen für die Annahme einer Verfügungsberechtigung i.S. von § 35 AO nicht ausreichten, berücksichtigt er weder, dass es genügt, wenn der faktische Geschäftsführer sich gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit als solcher geriert und das Auftreten gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit weisungsabhängigen Personen überlässt (BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 76) noch, dass der Senat an die Feststellung des FG, die nicht mit begründeten Revisionsrügen angegriffen wurden, nach § 118 Abs. 2 AO gebunden ist. |
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cc) Der Kläger hat auch vorsätzlich gehandelt, da er nach den Feststellungen des FG von Anfang an geplant hat, weder Voranmeldungen noch eine Jahreserklärung abzugeben. |
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c) Unerheblich ist, dass der Kläger auch seine Erklärungspflicht in Bezug auf die Umsatzsteuerjahreserklärung für die I-GmbH verletzt und dass das FA einen Umsatzsteuerjahresbescheid 1999 erlassen hat. |
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aa) Eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen nicht abgegebener Umsatzsteuer-Voranmeldungen ist vollendet, wenn eine Steueranmeldung –hier die einzelnen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate August bis November 1999– zum gesetzlich vorgegebenen Termin ausbleibt (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. Entscheidungen vom 11. Dezember 1990 5 StR 519/90, wistra 1991, 215; grundlegend vom 17. März 2009 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221; vom 2. Dezember 2008 1 StR 344/08, wistra 2009, 189). Die nicht angemeldeten nominalen Steuerbeträge sind "auf Dauer" verkürzt, wenn der Täter –wie hier der Kläger– von vornherein weder Voranmeldungen noch die Jahreserklärung abgeben will (BGH-Urteile vom 21. Januar 1998 5 StR 686/97, wistra 1998, 146; in wistra 1998, 225; vom 20. April 1999 5 StR 54/99, wistra 1999, 298). Hinterziehungstaten wegen der Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und von Umsatzsteuerjahreserklärungen stehen ferner auch dann im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander, wenn sie dasselbe Kalenderjahr betreffen (vgl. z.B. BGH-Urteil in BGHSt 53, 221). |
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bb) Die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Streitjahr durch den Jahressteuerbescheid 1999 vom 1. Dezember 2000 vor Erlass des Haftungsbescheids stellt die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids vom 25. Februar 2003 ebenfalls nicht in Frage. Wird die Erstschuld durch Jahresbescheid festgesetzt, kann trotzdem ein Haftungsbescheid ergehen (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1999 VII R 98/98, BFHE 190, 25, BStBl II 2000, 486). |
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cc) Anhaltspunkte dafür, dass die gemäß § 102 FGO vom Senat nur eingeschränkt überprüfbare Entscheidung, den Kläger in Haftung zu nehmen, nicht ermessensgerecht sein könnte, bestehen nicht. Im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zugesagte Herabsetzung des Haftungsbetrages kommt es auf die vom Kläger aufgeworfene Frage einer Aufteilung der Haftung im Rahmen der gebotenen Ermessensausübung (§§ 191, 5 AO) nicht mehr an. |
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3. Das Urteil des FG ist aber gleichwohl materiell-rechtlich fehlerhaft. Es verletzt die zu § 71 AO maßgeblichen Rechtsgrundsätze zur Ermittlung des Vermögensschadens und ist deshalb aufzuheben. Das FG stellt für den Vermögensschaden zu Unrecht auf den Vorsteuerabzug der K-GmbH ab. Maßgeblich sind demgegenüber die nicht angemeldeten Steuerbeträge der I-GmbH. Soweit es zwar von einem Vermögensschaden ausgeht, die Steuerhinterziehung des Klägers für den Schadenseintritt jedoch nicht als ursächlich ansieht, ist dem nicht zu folgen. |
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a) Die Haftungssumme gemäß § 71 AO bestimmt sich grundsätzlich nach den verkürzten nominalen Steuerbeträgen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 11. Februar 2002 VII B 323/00, BFH/NV 2002, 891; Senatsbeschluss vom 6. November 2006 V B 117/05, BFH/NV 2007, 508). Beschränkt wird die Haftung des Steuerhinterziehers gemäß § 71 AO jedoch auf den Vermögensschaden des Fiskus, der durch die Tat verursacht und vom Vorsatz des Täters umfasst ist (vgl. BFH-Urteile vom 13. Juli 1994 I R 112/93, BFHE 175, 489, BStBl II 1995, 198, und vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). |
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b) Für die Höhe des Vermögensschadens aufgrund der Steuerhinterziehung ist im Streitfall nicht auf den "Vorsteuerschaden" auf Ebene der K-GmbH, sondern auf den nicht angemeldeten nominalen Steuerbetrag in Höhe von 6.721.805,86 EUR (13.146.709,56 DM) abzustellen. |
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aa) Wie unter II.2.a ausgeführt, liegen im Streitfall entgegen der Auffassung des FA und des FG steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen der I-GmbH vor. Das FG hat seine Auffassung, der Vermögensschaden des Fiskus aus der Hinterziehung des Täters richte sich nach der Höhe der "verlorenen Vorsteuerbeträge" der K-GmbH, daher zu Unrecht darauf gestützt, die I-GmbH habe in ihren Rechnungen Steuerbeträge gemäß § 14 Abs. 3 UStG unberechtigt ausgewiesen, die sie nach den Vorgaben des EuGH-Urteils Schmeink & Cofreth in Slg. 2000, I-6973, BFH/NV 2001 Beilage 1, 33 und der anknüpfenden Rechtsprechung (vgl. z.B. Senatsentscheidungen vom 22. Februar 2001 V R 5/99, BFHE 194, 506, BStBl II 2004, 143; vom 8. März 2001 V R 61/97, BFHE 194, 517, BStBl II 2004, 373; vom 17. Mai 2001 V R 77/99, BFHE 194, 552, BStBl II 2004, 370; vom 25. April 2002 V B 73/01, BFHE 198, 71, BStBl II 2004, 343) habe berichtigen können. Dies kann wegen des Vorliegens steuerbarer und steuerpflichtiger Lieferungen im Streitfall schon dem Grunde nach nicht durchgreifen. Die I-GmbH schuldete die Umsatzsteuer für die von ihr ausgeführten Lieferungen endgültig. |
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bb) Selbst wenn die Auffassung des FG zuträfe und von unberechtigt ausgewiesenen Steuerbeträgen i.S. des § 14 Abs. 3 UStG auszugehen wäre, für die die Steuer mit Ausgabe der Rechnung (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG) entstanden wäre, würde sich im Streitfall der Vermögensschaden des Fiskus nach den nicht angemeldeten nominalen Steuerbeträgen richten. Die hieraus resultierenden Steuerbeträge hätte die I-GmbH als Unternehmerin im Streitjahr gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG anmelden müssen. |
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Die vom FG als maßgeblich erachtete Berichtigungsmöglichkeit der Steuerschuldnerin I-GmbH, die das FG zugunsten des Klägers als Haftungsschuldner anwenden will, hätte im Übrigen nach der unter II.3.b aa zitierten Senatsrechtsprechung für die an die K-GmbH ausgestellten Rechnungen nicht bestanden. Die Gefährdung des Steueraufkommens wurde von der I-GmbH nicht beseitigt. Weder hat die K-GmbH vor dem Vorsteuerabzug Rechnungen an die I-GmbH zurückgegeben oder die I-GmbH diese storniert, noch ist die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer gezahlt oder die von der K-GmbH abgezogene Vorsteuer zurückgeführt worden. Entgegen der Auffassung des FG gilt dies auch für die Rechnungen, aus denen das FA der K-GmbH Vorsteuerbeträge von vornherein nicht anerkannt hat (2.795.156,20 DM und 5.558.818 DM). Die Gefährdung des Steueraufkommens besteht dann, solange diese Ausgangsrechnungen nicht storniert oder zurückgegeben werden. |
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c) Soweit das FG für die noch streitige Haftungssumme in Höhe von 4.721.963,70 DM (2.414.301,70 EUR) –die obere Grenze der Haftungssumme im zugesagten geänderten Haftungsbescheid– einen Vermögensschaden des Fiskus bejaht, aber einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Steuerhinterziehung durch den Kläger und dem Schadenseintritt verneint, hält das Urteil einer Prüfung nicht stand. |
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aa) Die Haftung gemäß § 71 AO entfällt, wenn derselbe Vermögensschaden für den Fiskus auch bei steuerehrlichem Verhalten eingetreten wäre (vgl. Jatzke in Beermann/Gosch, a.a.O., § 71 Rz 15). Die Haftung ist im Fall der Nichtabgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Nichtentrichtung fälliger Steuerbeträge auf den Betrag begrenzt, der bei rechtzeitiger Abgabe und Zahlung unter gleichmäßiger Befriedigung aller Gläubiger hätte getilgt werden können (BFH-Beschlüsse vom 27. März 2006 VII B 117/05, BFH/NV 2006, 1254; vom 22. Oktober 2009 V B 108/08, BFH/NV 2010, 170). |
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bb) Maßgeblich ist demnach im Streitfall, ob die I-GmbH in der Lage war, die aufgrund der ausgeführten Lieferungen an die K-GmbH geschuldeten Steuerbeträge rechtzeitig anzumelden und zu entrichten. Nach den Feststellungen des FG zu den Zahlungseingängen und Mittelabflüssen bestehen keine Zweifel für den Senat, dass die K-GmbH an die I-GmbH sämtliche in Rechnung gestellten Steuerbeträge bezahlt hat. Diese verfügte somit über genügend Mittel, um die anzumeldenden Steuerbeträge rechtzeitig entrichten zu können. Das FG wählt für die Kausalitätsprüfung demgegenüber einen unzutreffenden Ausgangspunkt. Es hat, seinem rechtsfehlerhaften Ansatz zur Ermittlung des Vermögensschadens folgend, geprüft, ob die Steuerhinterziehung durch den Kläger für die ausgefallene Nachforderung des Fiskus gegenüber der K-GmbH ursächlich war. |
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cc) Unbeachtlich ist, dass die I-GmbH auf Grundlage der Netto-Einkaufspreise einen Verlust erwirtschaftet sowie aus den An- und Verkäufen der CPUs einen "Gewinn" von rund 3,8 Mio. DM erzielt hat, der unterhalb der noch streitigen Haftungssumme liegt. |
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Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG Baden-Württemberg in EFG 2008, 1434, wonach das strafbare Unterlassen des Täters, die gebotenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen nicht abgegeben und die fälligen Steuerbeträge nicht rechtzeitig entrichtet zu haben, nicht ursächlich für den Steuerschaden des Fiskus –in Höhe der nicht angemeldeten Nominalbeträge– sei, wenn der "Rechnungsaussteller" und Zwischenhändler –hier die I-GmbH– nicht über ausreichende Zahlungsmittel verfüge, weil er empfangene Zahlungsmittel umgehend für neue An- und Verkaufsgeschäfte innerhalb des Karussells genutzt habe. |
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Die vom Kläger gemeinsam mit P und IW schuldhaft herbeigeführte Zahlungsunfähigkeit der I-GmbH kann weder den Kausalzusammenhang zwischen der Unterlassungstat und dem Schadenseintritt des Fiskus ausschließen, noch ist zu prüfen, ob die Haftungssumme nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung zu mindern sein könnte (vgl. zur schuldhaften Verschlechterung der Liquiditätslage einer Gesellschaft durch den haftenden Gesellschafter die BFH-Entscheidungen vom 5. März 1991 VII R 93/88, BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678; vom 26. August 1992 VII R 50/91, BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8; in BFH/NV 2002, 891). |
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4. Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene Haftungsbescheid ist, soweit der Senat noch über ihn zu entscheiden hat, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Bescheid wird geändert und die Haftungssumme auf den durch das FA zugesagten Betrag von 4.721.963,70 DM (2.414.301,70 EUR) herabgesetzt. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vom FA zugesagte Änderungsbescheid braucht nicht mehr zu ergehen. |
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 FGO. Die Kosten des Rechtsstreits sind wegen der zwischenzeitlichen teilweisen Erledigung des Rechtsstreits nach Zeitabschnitten zu verteilen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 136 Rz 3). |
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