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II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und des Haftungsbescheids (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Entgegen dem Urteil des FG liegen die Voraussetzungen für eine Haftung nach § 71 AO bereits mangels objektiver Steuerverkürzung nicht vor, da die GmbH zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs im Jahr 2000 berechtigt war. |
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1. Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet gemäß § 71 AO für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 AO. |
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a) Der Begriff der Steuerhinterziehung in § 71 AO entspricht dem in § 370 AO. Nach § 370 Abs. 1 AO begeht eine Steuerhinterziehung, wer |
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"1. den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, 2. die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder 3. pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt". |
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Nach § 370 Abs. 4 Satz 1 AO werden Steuern verkürzt, |
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"wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht". |
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b) Im Streitfall war die GmbH im Dezember 2000 materiell-rechtlich zum Vorsteuerabzug berechtigt, so dass die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung Dezember 2000 nicht zu einer Steuerverkürzung geführt hat. |
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aa) Nach der für den Haftungszeitraum geltenden Fassung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG war der Unternehmer berechtigt, als Vorsteuerbetrag "die in Rechnungen im Sinne des § 14 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind" abzuziehen. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, war er nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. |
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Zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG berechtigen neben Leistungen auch Teilleistungen. Teilleistungen liegen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind derartige Teilleistungen z.B. bei Mietverträgen über eine bestimmte (Mindest-)Laufzeit gegeben, wenn sie in monatliche Zahlungs- und Leistungsabschnitte untergliedert sind und durch die monatlichen Zahlungsaufforderungen oder -belege konkretisiert werden (BFH-Urteil vom 9. September 1993 V R 42/91, BFHE 173, 231, BStBl II 1994, 269, Leitsatz 1). |
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bb) Im Streitfall führte die Vereinbarung der für einzelne Kalenderjahre geschuldeten Mindestlizenzgebühr zu Teilleistungen. Ebenso wie bei einem Mietvertrag sah der Lizenzvertrag eine bestimmte Gesamtlaufzeit vor, wobei für einzelne Zeiträume der vertraglichen Gesamtlaufzeit ein jeweils eigenständiges Entgelt zu entrichten war. Bei diesen Einzelzeiträumen wie z.B. dem Kalenderjahr 2000 handelte es sich um Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung, für die gesonderte Entgeltvereinbarungen vorlagen. Daher kommt es für die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs entgegen dem FG-Urteil nur auf die Erbringung der Teilleistung und die Erteilung der Rechnung, nicht aber auch auf die Bezahlung der Rechnung an, so dass im Hinblick auf den für Dezember 2000 vorgenommenen Vorsteuerabzug auch keine Berichtigungspflicht nach § 153 AO bestehen konnte. |
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cc) Dem Vorsteuerabzug steht auch nicht entgegen, dass die der GmbH eingeräumte Lizenz wirtschaftlich wertlos war und der Lizenzgeber möglicherweise in Betrugsabsicht gehandelt hat (vgl. zur Lieferung abhandengekommener Sachen und zur Lieferung in Betrugsabsicht BFH-Urteil vom 8. September 2011 V R 43/10, BFHE 235, 501, BFH/NV 2012, 664, unter II.2.). |
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c) Hat die GmbH den Vorsteuerabzug für das Jahr 2000 zu Recht in Anspruch genommen, kann der Haftungsanspruch auch nicht auf eine unterlassene Berichtigung nach § 17 UStG im Jahr 2000 gestützt werden. |
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aa) Aufgrund der Kündigung des Lizenzvertrages durch die GmbH am 2. März 2001 war der für das Jahr 2000 zu Recht in Anspruch genommene Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG erst im Jahr 2001 zu berichtigen. Aus der Kündigung ergab sich, dass die GmbH im Hinblick auf die Mängel der eingeräumten Lizenz nicht mehr bereit war, die für das Vorjahr geschuldete Zahlung zu leisten. Aufgrund der Kündigung stand fest, dass der Anspruch auf Entrichtung der Lizenzgebühr nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen war, dass der Lizenzgeber seinen Anspruch jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, unter II.1.a). |
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bb) Die Berichtigungspflicht aufgrund der Vertragskündigung betrifft aber entgegen der Auffassung des FA nicht das Jahr des Vorsteuerabzugs (2000), sondern führt nach § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG zu einer Berichtigung für den Besteuerungszeitraum und damit für das Jahr, in dem die Uneinbringlichkeit eingetreten ist. Die Berichtigung war daher nicht für das Jahr des Vorsteuerabzugs, sondern erst für das Folgejahr 2001 vorzunehmen. |
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2. Auch die Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2000 vom 10. Februar 2003, die gemäß § 168 AO zu einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung führte, begründete keine Steuerhinterziehung. Zwar hat die GmbH in dieser Jahreserklärung abweichend von der zutreffenden Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 2000 keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug mehr geltend gemacht, so dass auch der sich hieraus ergebende Umsatzsteuer-Jahresbescheid keinen Vorsteuerabzug aus den von der GmbH bezogenen Teilleistungen enthielt. Die unterbliebene Berücksichtigung des Vorsteuerabzugs war aber zu Lasten der GmbH materiell-rechtlich unzutreffend (s. oben II.1.b). Da sich die Beurteilung, ob eine objektive Steuerverkürzung vorliegt, nach dem materiellen Steuerrecht bestimmt, ohne dass dabei eine Bindung an bestandskräftige Steuerbescheide besteht (Jäger, in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 370 Rz 94; vgl. auch Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 396 AO 1977, Rz 10 ff.), kann die Steuerverkürzung nicht aus der Bestandskraft des Umsatzsteuerjahresbescheids 2000 abgeleitet werden. Ebenso hat ein strafgerichtliches Urteil keine Bindungswirkung für das Haftungsverfahren (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7. November 2006 VIII R 81/04, BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364; BFH-Beschluss vom 4. Juli 2008 II B 66/07, Zeitschrift für Steuern & Recht 2008, R-793, m.w.N.). |
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3. Ein Haftungsanspruch kann sich im Streitfall nicht aus § 69 AO ergeben, da das FA den Haftungsbescheid nur auf § 71 AO gestützt hat. Ein Auswechseln des Haftungstatbestandes wäre nur bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung möglich gewesen (BFH-Urteil vom 8. November 1994 VII R 1/93, BFH/NV 1995, 657, unter 1.c), was im Streitfall aber unterblieben ist. |
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