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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Bank (im Folgenden S-Bank), vereinbarte mit der D-GmbH, die als Teppichhändlerin tätig war, am 13. August 1997 die Gewährung eines "Allzweck-Darlehens" in Höhe von 1,1 Mio. DM und eines Kontokorrentkredits über einen Höchstbetrag von zunächst 300.000 DM, der ab 15. November 1997 auf 150.000 DM beschränkt werden sollte. Als Sicherheit für beide Kredite diente u.a. die Übereignung des Warenlagers der D-GmbH in B. Die Klägerin und die D-GmbH vereinbarten eine "Raumsicherungsübertragung Waren mit Abtretung der Verkaufsforderungen". Nach Tz. 4.2. des Vertrages vereinbarten die Klägerin und die D-GmbH hinsichtlich des Besitzrechtes und zum Verkauf der Waren Folgendes: |
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"Die Übergabe der als Sicherheit dienenden Waren an die S-Bank wird durch folgende Vereinbarungen ersetzt: Die S-Bank beläßt dem Sicherungsgeber, damit er seinen Betrieb im bisherigen Rahmen ordnungsgemäß weiterführen kann, den unmittelbaren Besitz der als Sicherheit dienenden Waren und gestattet ihm, die in ihrem Eigentum stehenden Waren im eigenen Namen, jedoch im Interesse der S-Bank zu verkaufen; dies gilt – unbeschadet der Rechte der Lieferanten – entsprechend für die unter Eigentumsvorbehalt stehenden Waren. Der Sicherungsgeber verpflichtet sich zur sorgfältigen, sachgemäßen Verwahrung und Instandsetzung der Waren. |
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Außerdem verpflichtet sich der Sicherungsgeber, den beim Verkauf erzielten Erlös, soweit er dem bei der Übertragung zugrunde gelegten Sicherungswert der entnommenen Waren entspricht, an die S-Bank abzuführen. |
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Der Sicherungsgeber kann statt der Abführung des Verkaufserlöses andere Waren, die dem bei der Übertragung zugrunde gelegten Sicherungswert der entnommenen Waren entsprechen, in den Sicherungsraum einbringen. Soweit an den verkauften Waren durch diesen Vertrag nicht nur das Anwartschaftsrecht übertragen war, müssen auch die an ihrer Stelle in den Sicherungsraum eingebrachten Waren frei von Eigentumsvorbehalt sein. |
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Der Sicherungsgeber hat der S-Bank den Ankauf jeweils anzuzeigen. Im übrigen findet Nr. 1.4 Abs. 2 Anwendung." |
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Hinsichtlich des Verwertungsrechts der Klägerin galt weiter Folgendes: |
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"9.1. Die S-Bank ist berechtigt, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, insbesondere wenn der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen gegenüber der S-Bank in von ihm zu vertretender Weise nicht nachkommt, ihre Rechte geltend zu machen. Das gleiche gilt, wenn der Sicherungsgeber seinen Verpflichtungen aus diesem Vertrag nicht nachkommt. |
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Mit dem Eintritt der Berechtigung erlischt zugleich die Berechtigung des Sicherungsgebers gegenüber der S-Bank, die Waren länger zu besitzen. Der Sicherungsgeber bleibt jedoch zur Verwahrung solange verpflichtet, bis die S-Bank die Waren in ihren unmittelbaren Besitz genommen hat. In diesem Fall hat der Sicherungsgeber alle Maßnahmen zu treffen, die die S-Bank zur Durchsetzung ihrer Rechte für erforderlich hält. |
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9.2. Zur Verwertung ist die S-Bank erst nach vorheriger Androhung mit angemessener Nachfrist, soweit dies nicht untunlich ist, berechtigt. Diese Frist wird so bemessen sein, dass sie dem Sicherungsgeber sowohl das Vorbringen von Einwendungen als auch das Bemühen um Zahlung der geschuldeten Beträge zur Abwendung der Verwertung ermöglicht. Sie wird in der Regel vier Wochen betragen. Eine Fristsetzung ist nicht erforderlich, wenn der Sicherungsgeber seine Zahlungen eingestellt hat oder die Eröffnung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt worden ist. |
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9.3. Unter mehreren Sicherheiten hat die S-Bank das Wahlrecht. … Die S-Bank kann ferner vom Sicherungsgeber verlangen, dass dieser das Sicherungsgut verwertet oder bei der Verwertung mitwirkt. Der Sicherungsgeber hat alles, was er bei der Verwertung des Sicherungsgutes erlangt, unverzüglich an die S-Bank herauszugeben. … Für den Fall der Verwertung erklärt sich der Sicherungsgeber damit einverstanden, dass über die in der Verwertung liegende Lieferung durch Gutschrift des Erstehers abgerechnet wird (§ 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 UStG)." |
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Im Streitjahr 1999, am 6. Juli 1999, teilte die D-GmbH der Klägerin mit, dass ihre wirtschaftliche Situation "völlig unzureichend" sei und schlug eine "Reduzierung" des Warenbestandes vor, die nicht sukzessive, sondern durch einen Ausverkauf im November unter Zuhilfenahme des "Besten der Auflösungsbranche" durchgeführt werden sollte, um eine Umstrukturierung durchzuführen. Der Teppichhandel sollte nach dem Ausverkauf über die Firma B und danach über die Firma C weiter geführt werden. Mit Schreiben vom 22. Oktober 1999 stimmte die Klägerin dem Ausverkauf der ihr zur Sicherheit übereigneten Waren wie folgt zu: |
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"Wir – als Eigentümer – stimmen dem Ausverkauf der übereigneten Waren zu. Die Gelder aus dem Verkaufserlös der Waren sollen zur Rückführung der in unserem Hause bestehenden Verbindlichkeiten der D-GmbH verwandt werden. Wir bitten Sie, die Verkaufserlöse auf das Geschäftskonto … bei … [uns] einzuzahlen." |
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Die Verkaufserlöse sollten bei der Klägerin "zur Rückführung der … bestehenden Verbindlichkeiten" einbezahlt werden. Daraufhin führte die D-GmbH wie gegenüber der Klägerin angekündigt den Ausverkauf im Zeitraum vom 30. Oktober 1999 bis 29. November 1999 durch. Hierbei wurde auch Kommissionsware anderer Unternehmen veräußert. Der Veräußerungserlös wurde "an die Klägerin" überwiesen. |
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Nach einem Aktenvermerk der Klägerin vom 26. November 1999 befand sich die D-GmbH "in Liquidation". In einem weiteren Vermerk vom 6. Januar 2000 ging die Klägerin davon aus, dass nach dem "Ausverkauf des Unternehmens" noch ein sicherungsübereigneter Warenbestand von 474.000 DM bestehe, der jedoch offenkundig nicht mehr veräußert werden könne und dass eine weitere Einzelwertberichtigung des Darlehens vorzunehmen sei. |
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Die D-GmbH erklärte mit Schreiben vom 13. Januar 2000, dass sie aufgrund einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) vom 7. Januar 2000 nicht mehr in der Lage sei, ihren Kredit- und Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Klägerin nachzukommen. Am 13. Januar 2000 drohte die Klägerin der D-GmbH die Kündigung des Kontokorrent-Darlehens mit einem Schuldenstand von ca. 72.000 DM an. In einem weiteren Schreiben vom 27. Januar 2000 an die D-GmbH ging die Klägerin von einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage aus und kündigte die beiden Darlehen, die zu diesem Zeitpunkt einen Schuldenstand von insgesamt 471.566 DM aufwiesen. |
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Am 3. Februar 2000 beantragte der Geschäftsführer der D-GmbH beim Amtsgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nach einem Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 15. Februar 2000 war "nach der Schilderung des Geschäftsführers der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin bereits im vergangenen Jahr im wesentlichen eingestellt" worden. Im November 1999 habe "ein Totalausverkauf der vorhandenen Ware stattgefunden, deren Erlöse der S-Bank zur Rückführung der gewährten Kredite zugeflossen seien". Das Warenlager "sei bis auf geringe Restbestände bereits im vergangenen Jahr durch einen Räumungsverkauf verwertet worden". Es seien "lediglich einige Restbestände geblieben, die keinen Kaufliebhaber gefunden" hätten. Es existiere nichts mehr, was auch nur entfernt einem Betrieb ähnele, über dessen Fortführung gesprochen werden könne. |
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Am 29. Februar 2000 wies das Amtsgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der D-GmbH mangels Masse ab. |
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Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung war der Prüfer der Auffassung, dass der mit Zustimmung der Klägerin erfolgte Ausverkauf aufgrund einer zu diesem Zeitpunkt bereits eingetretenen "Verwertungsreife" zu Doppelumsätzen (Lieferungen der D-GmbH an Klägerin, Lieferungen der Klägerin an Kunden) geführt habe (Prüfungsbericht vom 7. Januar 2002). Das FA folgte dem und erließ am 30. Januar 2002 einen Umsatzsteueränderungsbescheid für das Streitjahr 1999, durch den die steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin entsprechend diesen Feststellungen des Prüfers erhöht wurden. |
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass im Streitfall aufgrund des Räumungsverkaufs durch die D-GmbH "Doppel- bzw. Dreifachumsätze" vorlägen. Die D-GmbH habe im Einvernehmen mit der Klägerin einen Räumungsverkauf durchgeführt, als sie sich bereits in Liquidation befand und Verwertungsreife eingetreten war. Bei dem Räumungsverkauf habe es sich nicht nur um eine Summe üblicher Verkäufe entsprechend der Regelung in Tz. 4.2. der "Raumsicherungsübertragung Waren mit Abtretung der Verkaufsforderungen", sondern um eine "konzertierte Aktion" gehandelt, um die Tätigkeit der D-GmbH zu beenden. Dies zeige bereits die Einschaltung eines Auktionators. Dessen Einschaltung habe die D-GmbH der Klägerin am 6. Juli 1999 angezeigt, da der "Ausverkauf" unter Zuhilfenahme des "Besten der Auflösungsbranche" durchgeführt werden sollte, um so eine notwendig gewordene Umstrukturierung durchzuführen und auch die Kredite komplett zurückzuführen. |
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Anders als bei einem üblichen Verkauf (entsprechend Tz. 4.2. Abs. 3 der Sicherungsabrede) sei keine Reinvestition in neue Ware erfolgt; der gesamte Veräußerungserlös sei vielmehr an die Klägerin überwiesen worden, wie es die Klägerin in ihrem Schreiben vom 22. Oktober 1999, mit dem sie ihre Zustimmung zum Ausverkauf erteilt habe, verlangt habe. |
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Mithin sei die Klägerin berechtigt gewesen, entsprechend Tz. 9.1. der Sicherungsabrede "ihre Rechte geltend zu machen". Zwar läge zivilrechtlich der Sicherungsfall analog zu § 1228 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erst im Zeitpunkt der Fälligkeit der gesicherten Forderung vor. Die Vorschrift sei aber dispositiv, so dass abweichende Parteivereinbarungen zu berücksichtigen seien. Danach sei im Streitfall die Kündigung des Darlehens nicht unabdingbare Voraussetzung für die Annahme des Sicherungsfalles gewesen. Hierauf ziele offenkundig die Sicherungsabrede ab, nach der das "Vorliegen eines wichtigen Grundes", insbesondere der Fall, dass "der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen gegenüber der S-Bank in von ihm zu vertretender Weise nicht nachkommt", die Klägerin dazu berechtige, "ihre Rechte geltend zu machen". Die Geltendmachung dieser Rechte, wie etwa die Verwertung des Sicherungsgutes, sei demzufolge nicht zwingend von einer Pflichtverletzung der D-GmbH und damit nicht einer Kündigung des Kredites abhängig gewesen, die die Klägerin erst im Januar 2000 ausgesprochen habe. Es genüge das Vorliegen eines "wichtigen Grundes", der darin zu sehen sei, dass die D-GmbH ihre Aktivitäten einstellen bzw. auf andere Unternehmen verlagern wollte. Insoweit seien D-GmbH und Klägerin einvernehmlich davon ausgegangen, dass der Ausverkauf die Aktivität der D-GmbH beenden und die Kredite der D-GmbH fast vollständig zurückgeführt werden sollten. Es habe daher der in Tz. 9.2. der Sicherungsabrede vorgesehenen Androhung der Verwertung nicht bedurft. |
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Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2007, 795 veröffentlicht. |
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Eine Lieferung an den Sicherungsgeber liege nur vor, wenn die Verwertung von Anlagegütern einzig und allein der Befriedigung des Gläubigers diene. Demgegenüber habe die Veräußerung der Waren der Reduzierung des hohen Warenbestandes gedient, um die D-GmbH als Großhändlerin fortzuführen. Die D-GmbH habe sich nicht in Liquidation befunden. Auch sie, die Klägerin, sei in ihrem Vermerk vom 6. Januar 2000 von einer Neuordnung des bestehenden Engagements bei der D-GmbH ausgegangen. Erst durch die durch das FA veranlasste Kontenpfändung und die dadurch ausgelösten Kündigungen seien die Forderungen fällig geworden, so dass Verwertungsreife vorgelegen habe. In der Zustimmung der Klägerin zur Verwertung vom 22. Oktober 1999 könne keine Verwertung infolge Verwertungsreife gesehen werden. Die Weiterleitung der Verkaufserlöse an die Klägerin habe auf dem Sicherungsübereignungsvertrag beruht. Es seien auch nicht die vollständigen Veräußerungserlöse an die Klägerin herausgegeben worden. Weiter hätten die Voraussetzungen für eine Verwertung nach Nr. 21 Abs. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen-Pfandrecht (Fälligkeit der Forderungen als Verwertungsreife, Mahnung, Androhung der Verwertung mit angemessener Nachfrist) nicht vorgelegen. Der Räumungsverkauf sei ohne Veranlassung der Klägerin durchgeführt worden. Hätte die Klägerin ein Verwertungsrecht ausgeübt, wäre der Auktionator verpflichtet worden, die Erlöse nicht dem Sicherungsgeber zu überlassen, sondern diese sofort bei der Klägerin einzuzahlen. Es komme für den Doppelumsatz darauf an, dass Verwertungsreife vorliege. Demgegenüber sei das Engagement beim Ausverkauf noch ordnungsgemäß bedient worden. |
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Die Klägerin beantragt sinngemäß, |
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das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2003 und den Umsatzsteueränderungsbescheid für 1999 vom 30. Januar 2002 aufzuheben. |
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die Revision zurückzuweisen. |
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Im November 1999 habe Verwertungsreife vorgelegen. Die Veräußerung des Warenbestandes habe nicht im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit stattgefunden. Die Klägerin habe dem Räumungsverkauf zugestimmt. Dabei sollte der komplette Veräußerungserlös an die Klägerin überwiesen werden. Verwertungsreife liege auch dann vor, wenn der Kreditnehmer den ihm eingeräumten Kreditrahmen überzogen habe. Auf eine Kündigung des Darlehens und die Fälligkeit der Forderung komme es daher nicht an. Ein wichtiger Grund reiche aus. |
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