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II. Die Revision des FA ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). |
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Das FG geht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Klägers nach § 13b UStG für die ihm gegenüber erbrachten Leistungen der im Ausland ansässigen Musiker seines Orchesters deswegen nicht vorlagen, weil die Leistungen der Musiker steuerfrei waren. Die Leistungen der Musiker waren zwar nicht nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG, jedoch nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei. |
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1. Nach § 13b Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 UStG schuldet der Leistungsempfänger die Steuer für Werklieferungen und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall nicht vor, weil die vom Kläger bezogenen Leistungen der im Ausland ansässigen Musiker steuerfrei waren. |
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2. Die Leistungen des Klägers waren nicht nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG steuerfrei. |
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Nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG sind die Umsätze u.a. der Chöre, Orchester und Kammermusikensembles und der sonstigen in dieser Vorschrift genannten Einrichtungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände steuerfrei. Das Gleiche gilt für die Umsätze gleichartiger Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen (§ 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG). |
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Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer eine einem Chor, einem Orchester oder einem Kammermusikensemble etc. gleichartige Einrichtung unterhält. Das Mitglied eines Chors, eines Orchesters oder eines Kammermusikensembles ist aber dem Chor, Orchester oder Kammermusikensemble in seiner Gesamtheit nicht gleichartig. Denn den Begriffen der Chöre, Orchester oder Kammermusikensembles ist es wesensimmanent, dass es sich um Einrichtungen handelt, in denen eine Mehrzahl von Personen tätig ist. Der eindeutige Wortlaut des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG lässt folglich die Einbeziehung einzelner Personen nicht zu. |
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3. § 4 Nr. 20 UStG beruht gemeinschaftsrechtlich auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Richtlinie 77/388/EWG. Danach befreien die Mitgliedstaaten "bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten Einrichtungen erbracht werden", von der Steuer. |
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Der Senat braucht nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht zu entscheiden, ob und inwieweit für die Mitgliedstaaten ein Ermessen besteht, für "bestimmte kulturelle Dienstleistungen" eine Steuerfreiheit anzuordnen und andere kulturelle Dienstleistungen von der Steuerfreiheit auszunehmen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) sind die Mitgliedstaaten jedenfalls nicht berechtigt, bei der Definition der kulturellen Dienstleistungen danach zu differenzieren, ob eine kulturelle Leistung im Bereich der Musik durch einen oder mehrere Musiker erbracht wird. Denn wie der EuGH mit Urteil vom 3. April 2003 C-144/00, Hoffmann (Slg. 2003, I-2921, BFH/NV Beilage 2003, 153) entschieden hat, können nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Richtlinie 77/388/EWG auch Leistungen einzelner Musiker steuerfrei sein. Nach Rdnr. 27 des Urteils "verbietet es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, dass Einzelkünstler, sobald der kulturelle Charakter ihrer Leistungen anerkannt ist, nicht ebenso wie kulturelle Gruppen als Einrichtungen angesehen werden können, die den Einrichtungen des öffentlichen Rechts gleichgestellt sind, die bestimmte von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe n der Sechsten Richtlinie erfasste kulturelle Dienstleistungen anbieten". Da eine unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung von Gesangssolisten und kulturellen Gruppen durch Auslegung des Begriffs der "Einrichtung" nach der Rechtsprechung des EuGH nicht zu rechtfertigen ist, hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Anschluss hieran zu Recht entschieden, dass "die im Rahmen der Konzertveranstaltungen erbrachten Leistungen der ausführenden Gesangssolisten gegenüber dem Veranstalter ebenso steuerfrei [sind] wie die gesamte konzertante Veranstaltung", wenn die zuständige Kulturbehörde –wie in dem vom BGH entschiedenen Streitfall– dem Konzertveranstalter eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG erteilt (BGH-Urteil vom 18. Juni 2003 5 StR 169/00, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2003, 545, unter B.). |
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4. Die durch den Kläger als Orchesterinhaber von den Mitgliedern seines Orchesters und damit von selbständigen Unternehmern bezogenen Leistungen sind nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei. |
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a) Die Orchestermusiker erbrachten gegenüber dem Orchester des Klägers kulturelle Dienstleistungen im Bereich der Orchestermusik. Da es sich bei den Leistungen der Orchester nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG um kulturelle Dienstleistungen handelt und nach der Rechtsprechung des EuGH eine unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung von Solisten und kulturellen Gruppen nicht zu rechtfertigen ist, sind auch die Leistungen einzelner Orchestermusiker gegenüber ihrem Orchester als kulturelle Dienstleistung anzusehen. Soweit der Senat bisher davon ausgegangen ist, dass die durch Einzelmusiker erbrachten Leistungen zwingend steuerpflichtig sind (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 24. Februar 2000 V R 23/99, BFHE 191, 88, BStBl II 2000, 302), hält er hieran nicht fest. |
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b) Die einzelnen Orchestermusiker verfügten über die nach der Richtlinie erforderliche Anerkennung. Der Senat kann insoweit offenlassen, ob sich die Anerkennung des kulturellen Charakters der durch die Orchestermusiker gegenüber dem Orchester erbrachten Leistungen bereits aus der für das Orchester erteilten Bescheinigung vom 12. November 1998 ergab. Die erforderliche Anerkennung folgt indes, wie das FG zu Recht entschieden hat, zumindest aus der Bescheinigung vom 23. Januar 2006, in der die einzelnen Orchestermusiker namentlich aufgeführt wurden und die sich ausdrücklich auf die einzelnen Orchestermusiker als Mitglieder des Orchesters bezog. Wie das FG zu Recht entschieden hat, konnte dieser Bescheinigung auch Rückwirkung auf den Zeitraum vor ihrer Erteilung zukommen. Hierfür spricht bereits die Bezugnahme auf eine früher erteilte Bescheinigung, die durch die Bescheinigung vom 23. Januar 2006 ersetzt wurde. |
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Gegen die vom FG angenommene Rückwirkung der Bescheinigung bestehen keine Bedenken. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf sein zu § 4 Nr. 21 UStG ergangenes Urteil vom 20. August 2009 V R 25/08 (BFHE 226, 479, BStBl II 2010, 15, unter II.4.). |
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5. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des FA greifen nicht durch. |
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a) Entgegen der Auffassung des FA sind Leistungen einzelner Musiker auch dann steuerfrei, wenn Bescheinigungen nur für Teile ihrer Tätigkeit –hier die Mitwirkung im Orchester des Klägers– vorliegen (vgl. BGH-Urteil in UR 2003, 545). Sie können daher als Teil des Orchesters, für das die erforderliche Bescheinigung vorliegt, steuerfreie Leistungen gegenüber dem Orchester erbringen, während ihre Leistungen bei anderen Auftritten steuerpflichtig sein können. Hierfür spricht weiter, dass Musiker eine Vielzahl unterschiedlicher kultureller Leistungen erbringen können. |
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b) Das FA kann sich auch nicht auf die für die Mitgliedstaaten nach Art. 13 Teil A Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG bestehende Befugnis berufen, die Gewährung der Steuerfreiheit von den dort genannten Bedingungen abhängig zu machen. Denn derartige Bedingungen lassen sich § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG nicht entnehmen. |
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c) Das FA beruft sich schließlich zu Unrecht darauf, dass im Unterschied zu dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BGH (in UR 2003, 545) zu Grunde lag, im Streitfall keine Bescheinigung für jede einzelne Konzertveranstaltung vorlag, sondern die Bescheinigung die Gesamttätigkeit der benannten Musiker, soweit diese im Orchester des Klägers ausgeübt wurde, umfasste. Die Bescheinigung fasst insoweit nur eine Vielzahl von Konzerten zusammen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG erwähnte Bescheinigung nicht auf den einzelnen Umsatz bezieht, sondern die Vergleichbarkeit der kulturellen Aufgaben betrifft. |
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