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II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Leistungen der Klägerin in Deutschland nicht steuerbar seien, weil sie sie von einer Betriebsstätte in den Niederlanden ausgeführt habe. |
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1. Die Klägerin hat mit der Durchführung von Schönheitsoperationen gegenüber den niederländischen Klinikbetreibern sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9 UStG) erbracht. Die Leistungen sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar, weil sie im Erhebungsgebiet (§ 1 Abs. 2 Satz 1 UStG), nämlich am inländischen Wohnsitz der Klägerin in E-Stadt, ausgeführt worden sind. Schönheitsoperationen sind auch steuerpflichtig (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862). |
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2. a) Nach § 3a Abs. 1 UStG wird eine sonstige Leistung vorbehaltlich der –im Streitfall nicht maßgeblichen §§ 3b und 3f UStG– an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung. Diese Regelung entspricht Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. EuGH-Urteil vom 16. September 1997 C-145/96, von Hoffmann, Slg. 1997, I-4857 Rdnr. 5). Danach gilt als Ort einer Dienstleistung der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung seinen Wohnort oder seinen üblichen Aufenthaltsort. § 3a UStG ist richtlinienkonform auszulegen (BFH-Urteil vom 19. November 1998 V R 30/98, BFHE 187, 348, BStBl II 1999, 108; Senatsbeschluss vom 14. April 2010 V B 157/08, BFH/NV 2010, 1315). |
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 2. Mai 1996 C-231/94, Faaborg-Gelting Linien, Slg. 1996, I-2395 Rdnr. 16; vom 4. Juli 1985 C-168/84, Berkholz, Slg. 1985, I-2251 Rdnr. 17) ist nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, hierfür ein vorrangiger Anknüpfungspunkt, so dass eine andere Niederlassung, von der aus die Dienstleistung erbracht wird, nur dann berücksichtigt wird, wenn die Anknüpfung an den Sitz nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder wenn sie einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hat. |
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bb) Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gesellschaft ist nach dem EuGH-Urteil vom 28. Juni 2007 C-73/06, Planzer (Slg. 2007, I-5655, BFH/NV 2007, 418, Leitsatz 2) der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung dieser Gesellschaft getroffen und die Handlungen zu deren zentraler Verwaltung vorgenommen werden. Bei der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gesellschaft ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, und zwar in erster Linie der statutarische Sitz, der Ort der zentralen Verwaltung, der Ort, an dem die Führungskräfte der Gesellschaft zusammentreffen, und der –gewöhnlich mit diesem übereinstimmende– Ort, an dem die allgemeine Unternehmenspolitik dieser Gesellschaft bestimmt wird. Andere Elemente, wie der Wohnsitz der Hauptführungskräfte, der Ort, an dem die Gesellschafterversammlung zusammentritt, der Ort, an dem die Verwaltungsunterlagen erstellt und die Bücher geführt werden, und der Ort, an dem die Finanz- und insbesondere die Bankgeschäfte hauptsächlich wahrgenommen werden, können ebenfalls in Betracht gezogen werden. Zwar kann ein und derselbe Ort gleichzeitig Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit und feste Niederlassung des betreffenden Unternehmens sein; der Begriff des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit hat jedoch eine vom Begriff der Niederlassung unabhängige Bedeutung (EuGH-Urteil Planzer in Slg. 2007, I-5655, BFH/NV 2007, 418 Rdnr. 58). |
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Dagegen ist eine fiktive Ansiedlung in der Form, wie sie für eine "Briefkastenfirma" oder für eine "Strohfirma" charakteristisch ist, nicht als Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit einzustufen (vgl. EuGH-Urteile Planzer in Slg. 2007, I-5655, BFH/NV 2007, 418 Rdnr. 62; vom 2. Mai 2006 C-341/04, Eurofood IFSC, Slg. 2006, I-3813 Rdnr. 35, m.w.N.). |
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cc) Der Niederlassungsbegriff verlangt nach der auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer gefestigten Rechtsprechung (EuGH-Urteil Planzer in Slg. 2007, I-5655, BFH/NV 2007, 418 Rdnr. 20) einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel gebildeten Mindestbestand (EuGH-Urteile Planzer in Slg. 2007, I-5655, BFH/NV 2007, 418 Rdnr. 20; vom 20. Februar 1997 C-260/95, DFDS, Slg. 1997, I-1005 Rdnr. 23; vom 17. Juli 1997 C-190/95, ARO Lease, Slg. 1997, I-4383 Rdnr. 15; Berkholz in Slg. 1985, 2251 Rdnr. 18). Daher setzt er einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur voraus, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht (EuGH-Urteile Planzer in Slg. 2007, I-5655, BFH/NV 2007, 418 Rdnr. 54; ARO Lease in Slg. 1997, I-4383 Rdnr. 16; vom 7. Mai 1998 C-390/96, Lease Plan, Slg. 1998, 2553 Rdnr. 24, m.w.N.). |
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dd) An diesen Voraussetzungen fehlt es. Die Klägerin hat –entgegen der Auffassung des FG– keine Niederlassung in den in den Niederlanden belegenen Kliniken. Zu Recht weist das FA darauf hin, dass die Klägerin als Ärztin lediglich im Rahmen ihrer ärztlichen Entscheidungen frei gewesen sei, nicht aber in der Bestimmung über die Sachmittel, das Personal und die Räumlichkeiten. Unter diesen Umständen fehlt es an dem für eine feste Niederlassung erforderlichen Mindestbestand. Das wird –bei einer Beurteilung nach nationalem Recht– bestätigt durch das Urteil des BFH vom 4. Juni 2008 I R 30/07 (BFHE 222, 14, BStBl II 2008, 922), wonach eine Betriebsstätte i.S. von § 12 Satz 1 der Abgabenordnung erfordert, dass der Unternehmer eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die von ihm genutzte Geschäftseinrichtung hat. |
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Keine andere Beurteilung rechtfertigt –wie die Klägerin meint– der Umstand, dass die Patientenakten bei den Leistungsempfängern in den niederländischen Kliniken geführt wurden, denn Leistungsbeziehungen zu den Patienten bestanden nicht zu der Klägerin, sondern zu den Kliniken. Gleiches gilt für den Einwand der Klägerin, die Leistungsempfänger hätten gegenüber der Klägerin durch Gutschrift abgerechnet. Allein der Umstand, dass der Leistungsempfänger mit Gutschrift abrechnet, rechtfertigt nicht die Annahme, an dem Ort, an dem abgerechnet werde, habe der Gutschriftempfänger, der Leistende, eine feste Niederlassung. |
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ee) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sie auch keinen Sitz am Belegenheitsort der Kliniken. Denn wie sich nach den zuvor unter bb) wiedergegebenen Kriterien des EuGH für den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit ergibt, setzt die Annahme eines Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit eine örtlich verfestigte Struktur voraus. Daran fehlt es im Streitfall, denn der Klägerin standen Personal und Sachmittel nur von Fall zu Fall für die Dauer der im Voraus konkret vereinbarten Tätigkeit als Schönheitschirurgin zur Verfügung. |
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ff) Dem FG ist zwar zuzugeben, dass vorliegend eine Anknüpfung des Leistungsortes in den Niederlanden den wirtschaftlichen Verhältnissen durchaus gerecht würde. Sie würde auch im Einklang mit Art. 44 der Richtlinie 2006/112/EG in Gestalt der Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 (Amtsblatt der Europäischen Union 2008 Nr. L 44, S. 11, 12) stehen. Danach gilt als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Diese Regelung ist durch das Jahressteuergesetz 2009 (BGBl I 2008, 2794) mit Wirkung ab 1. Januar 2010 in § 3a Abs. 2 UStG übernommen worden. Im Streitjahr eröffnen aber weder § 3a Abs. 1 UStG noch Art. 9 der Richtlinie 77/388/EWG diese Möglichkeit. Hierzu hat der EuGH im Urteil Linthorst in Slg. 1997, I-1195 Rdnr. 24 entschieden, dass eine Leistung an dem in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG bezeichneten Ort ausgeführt wird, wenn –wie im vorliegenden Fall– keiner der in Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG genannten besonderen Anknüpfungspunkte eingreift. |
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b) Es kommt auch kein anderer Ort der sonstigen Leistung i.S. von § 3a Abs. 2 ff. UStG in Betracht. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 3a Abs. 3a UStG nicht vor. In dieser Regelung hat der Gesetzgeber die Besonderheit von Umsätzen, die durch die Tätigkeit als solche geprägt werden, berücksichtigt. Danach werden u.a. kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen dort ausgeführt, wo der Unternehmer jeweils ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird. Die Durchführung von Schönheitsoperationen fällt aber nicht unter die genannten Leistungen. |
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